Donnerstag, 30. Mai 2013
Onlinewerbung knackt Milliardengrenze - Surfer zunehmend genervt
Bei den Online-Anbietern dürften die Sektkorken geknallt haben. Mit Netto-Werbeeinnahmen* von 1,097 Mrd. Euro konnte 2012 Online-Werbung in Deutschland erstmals die Milliardengrenze knacken. Werbung im Internet erreichte, verglichen mit den anderen Werbeträgern, Platz Sieben und könnte demnächst Publikumszeitschriften (1,28 Mrd €) überrunden.** Mit einem Wachstum der Werbeerlöse von 9% konnte Online-Werbung als einziges Werbemedium erneut kräftig zulegen. Nur die Filmtheater verzeichneten ebenfalls ein deutliches Plus (4,3 %), mit Nettoeinnahmen von gerade einmal 88 Mio.€ liegt Kinowerbung aber an vorletzter Stelle.
Nummer Eins in Deutschland blieb auch 2012 unangefochten die TV-Werbung mit Netto-Erlösen von mehr als 4 Mrd. € (+1,8%). Auf Platz zwei folgen die Tageszeitungen mit 3,2 Mrd. €. Sie mussten aber erneut einen Rückgang ihrer Werbeeinnahmen um mehr als Neun Prozent verkraften. Damit sind ihre Erlöse aus Werbung kontinuierlich seit 2009 gesunken. Die Verleger von Tageszeitungen dürfte da kaum trösten, dass es die auf Platz Fünf rangierenden Publikumszeitschriften mit 1,3 Mrd. € (-11%) noch böser erwischt hat.
Brutto-Netto-Schere klafft immer weiter auseinander
Insgesamt kamen die Medien 2012 auf Netto-Werbeeinnahmen von mehr als 18,4 Mrd € (-3,2 %). Damit wurden 2012 erstmals wieder die Zahlen des Jahres 2009 übertroffen (18.37 Mrd. €). Sorgen dürfte den Managern der Medienunternehmen die immer weiter auseinander laufende Entwicklung zwischen den Brutto- und Netto-Werbeeinnahmen machen. So standen 2012 Brutto-Werbeerlösen von 29,74 Mrd.€ gerade einmal 18,42 Mrd.€ Netto gegenüber - das sind nur noch 62%. Dies liegt vor allem an den Werbetreibenden und ihren mächtigen Media-Agenturen gewährten Rabatten. Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass Media-Agenturen vorab große Kontingente an TV-Spotplätzen buchen. Welche Werbespots welcher Unternehmen dort laufen, entscheiden sich danach. Die TV-Sender könne aber mit sicheren Einnahmen rechnen und räumen deshalb bei solchen Geschäften hohe Rabatte ein.
Online-Werbung nervt User zunehmend
Viele Medienunternehmen sehen in der zunehmenden mobilen Online-Nutzung den künftigen Wachstumsmarkt für Werbung. Da sollten sie aber vorsichtig sein. Wie die Fachzeitschrift Werben & Verkaufen *** Ende Mai berichtet, fühlen sich immer mehr Internetnutzer durch aggressive Online-Werbung genervt. Hier könnte Mobil bald das drohen, beim stationären Internetempfang bereits weit verbreitet ist. Viele Onliner stoppen durch sogenannte Adblocker-Programme nervende Werbung auf ihren Bildschirmen. Wer kennt das nicht, wenn beim Aufruf einer Homepage zuerst ein aggressiver Video-Spot am Bildschirm aufpoppt oder sich Bannerwerbung über die Seite legt, die man lesen will. Laut W&V wird mittlerweile bei einem Viertel aller Seitenaufrufe im Internet Werbung durch Adblocker verhindert.
Siehe auch Blog vom Mai 2011: http://www.medienfresser.blogspot.de/2011_05_01_archive.html
* Nach Abzug von Rabatten, Vermittlungs-Provisionen. Skonti und Produktionskosten nicht eingerechnet.
** Daten herausgegeben vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. Im ZAW sind 40 Verbände werbender Unternehmen, Medien, Werbeagenturen, Werbeberufe und Forschung zusammengeschlossen. Sie ermitteln jedes Jahr die Netto-Werbeeinnahmen von 13 ausgewählten Werbeträgern: TV, Tageszeitung, Werbung per Post, Anzeigenblätter, Publikumszeitschriften, Verzeichnis-Medien, Online, Außenwerbung, Fachzeitschriften, Radio, Wochen/Sonntagszeitungen, Kino, Zeitungsbeilagen.
*** Werben & Verkaufen, Heft 22/2013, Seite 38 ff.
Montag, 27. Mai 2013
Militärmuseum Dresden - Der Tod spielt nur eine Nebenrolle
Wer das im Oktober 2011 neu eröffnete Militärmuseum der Bundeswehr in Dresden besucht, sieht zuerst die atemberaubende architektonischen Leistung des US-Stararchitekten Daniel Liebeskind. Der zwischen 1873 und 1876 im neoklassischen Stil errichtete Komplex mit Arsenal und weiträumigen Kasernen wurde einst aus den Reparationen bezahlt, die Frankreich nach dem verlorenen Krieg 1870/71 leisten musste bezahlt*. Zuerst befand hier das sächsische Kriegsmuseum, im Dritten Reich diente es zur militärischen Verherrlichung und nach dem Krieg nutzten es die DDR und die Rote Armee als Museum - aus diesem Grund findet man in einem nahe gelegenen kleinen Park ein sowjetisches Ehrenmal. Das weitläufige Gelände ist militärischer Sicherheitsbereich und untersteht heute der Bundeswehr, die hier auch Offiziere ausbildet.
Nach der Wiedervereinigung 1989 wurde das Museum geschlossen und zwölf Jahre später ein Wettbewerb zur Neugestaltung ausgeschrieben - den Liebeskind gewann. Mit seiner Stahl-Beton- und Glaskonstruktion, die wie ein riesiger Pfeil aus dem Gebäude ragt, gibt er dem einstigen Arsenal seine unverkennbare Erscheinun.
Dieser stahl- und glasglänzende Pfeil, weist genau in Richtung der Dresdner Innenstadt, die vom 13. bis 15. Februar 1945 durch Bombenangriffe der Briten und Amerikaner zerstört worden war.**
Das dieses Museum von der Fläche her das größte seiner Art in Deutschland ist (19.000 m²), sieht man sofort nach dem Betreten des Gebäudes. In den hohen Räumen wirken der Empfang, der Museumsshop wie auch das kleine Restaurant wie Filmkulissen in einer große Halle.
Ein Aufzug bringt den Besucher in die Spitze des Stahlbeton-und Glas-Pfeils. Ausgestiegen steht man vor drei Flächen am Boden, in denen schartiges Straßenpflaster auf die Zerstörung dreier Orte durch den Zweiten Weltkrieg hinweist. Hier beginnt das, was die Museumsmacher den "Themenparcours" nennen - wobei ich diesen eher sportlichen Begriff für das Thema unpassend finde. Insgesamt ist dieser Teil der Ausstellung aber am interessantesten, nähert er sich dem Thema Krieg doch auf ganz unterschiedlichen Wegen. So finden sich diverse Tierpräparate - vom Elefanten bis zur Biene - die darüber informieren, wie der Mensch auch die Tierwelt seinen Kriegen unterworfen hat.
Weitaus konventioneller sind die historischen Ausstellungsbereiche, von den Freiheitskriegen gegen Napoleon, sowie über den Ersten und Zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg und heutige Konflikte, an denen die Bundeswehr beteiligt ist. Hier stößt man auf eine teilweise willkürlich wirkende Ansammlung von Gegenständen und Waffen. Am aktuellsten ist ein durch einen Anschlag in Afghanistan demoliertes Bundeswehrfahrzeug, das in einem Glaskasten ausgestellt wird.
Eines ist aber typisch, der Tod, die Toten, die vom Krieg Verstümmelten und Verletzten -die Opfer also, sie spielen keine Rolle. Nur in einer Vitrine in einer der beiden Obergeschosse, werden Prothesen gezeigt - aber das wirkt seltsam entrückt und steril. In der Ecke eines Saales steht man vor einer mannshohen Wand, die wie ein Teil einer Bunkeranlage aussieht. Kein Schild oder Information weist zu dem kleinen Eingang an der Seite. Dabei ist dies der einzige Ort, an dem man mit dem Schrecken des Krieges für den Menschen konfrontiert wird. Man betritt den fast dunklen, länglichen Raum mit eine Reihe abgedeckter Vitrinen. Hinter den Deckeln sollen Bilder den Tod und die Opfer des Krieges zeigen - aber mir gelang es nicht, einen dieser Deckel zu entfernen. Mit ihnen soll verhindert werden, dass Zuschauer und vor allem Kinder, die Bilder unbeabsichtigt oder unvorbereitet anschauen. Im Saal mit den Tieren kann man dagegen neben einer ausgestopften Katze ein Video abrufen, in dem ein Film über die Tötung von Tieren durch Giftgas-Experimente gezeigt wird. Hier warnt nur ein kleines Schild neben dem Monitor vor den schrecklichen Szenen.
Vielleicht ist es kein Wunder, dass in einem Militärmuseum der Bundeswehr der direkte Schrecken, das Leiden der Menschen, nur am Rande behandelt wird. Schließlich braucht man ja Nachwuchs - im Fernsehen wirbt die Bundeswehr mit fetzigen Spots, kernigen Kämpfern im Flieger und spannender Technik. Allerdings muss man auch sehen, dass sich auch viele Kriegsmuseen in anderen Ländern mit dem Thema Tod und Verletzung schwer tun. So finden sich etwa im Museum der Somme-Schlacht in Peronne auch nur indirekt Hinweise zum Thema - wie etwa die Werkzeuge eines Sanitäters.
Trotzdem, es ist Aufgabe eines Kriegsmuseums, der Konsequenz jedes Krieges für den Einzelnen, also Sterben, Verstümmelung und Leiden - Platz zu bieten. Dazu kann Kunst einen Beitrag leisten, wie etwa die beeindruckenden Zeichnungen von Otto Dix, im Stuttgarter Kunstmuseum zeigen. Er brachte seine schrecklichen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges mit dem Grabenkrieg im Westen auf Papier und das beeindruckt heute noch. Dieser Aufgabe muss sich das Museum in Dresden stellen.
.
Öffnungszeiten: Täglich außer Mittwoch, 10-18 Uhr (Montag bis 21 Uhr), Eintritt 5 €, ermäßigt 3 €
* Frankreich musste damals insgesamt 5 Millarden Goldfrancs an das 1871 neu entstandene Deutsche Kaiserreich bezahlen. Nach dem Ersten Weltkrieg verpflichtete der Versailler-Vertrag das Deutsche Reich zur Zahlung von 135 Mrd. Goldmark. Faktisch wurden davon aber bis 1932 faktisch nur 25 Mrd. beglichen - danach nichts mehr. Somit kam Deutschland der Erste Weltkrieg nicht so teuer zu stehen, wie Frankreich die Niederlage 1870/71. (Hew Strachan: Der Erste Weltkrieg, Bertelsmann 2004, S. 402).
Die Hyperinflation in Deutschland Anfang der 1920er Jahre, wurde bewusst von der Reichsregierung herbeigeführt, um so den Staatshaushalt sanieren zu können. Die Rückzahlung der Kriegsanleihen an die deutschen Zeichner wurde damit ausgehebelt, sie hatten durch die Inflation faktisch jeden Wert verloren. Anfang der 1930er Jahre akzeptierte Kanzler Brüning in der Weltwirtschaftskrise die weitere wirtschaftliche Talfahrt. Er hoffte, damit die Alliierten zu weiteren Zugeständnissen bei den Reparationen bewegen zu können. Diese Strategie ging auf - und verhalf Hitler an die Macht. (Wolfgang J. Mommsen, Der Erste Weltkrieg, 2004 Fischer Verlag, S. 201)
** noch bis zur Wende hielt sich die Propagandalüge der Nazis, beim Angriff auf Dresden seien Hunderttausende ums Leben gekommen. Heute weiß man, dass die Opferzahlen zwischen 20 000 und 35 000 Toten gelegen haben - schlimm genug. Als ich das erste mal die Stadt besuchte (1991) sah man im Zentrum überall noch Trümmer. Außerhalb des Stadtzentrums waren ganze Stadtviertel komplett im Wilhelminschem Baustil erhalten geblieben. Der Angriff hatte die Innenstadt zerstört - heute sieht man davon allerdings nichts mehr. Die letzte Ruine in der Nähe der Synagoge wurde kürzlich wieder aufgebaut. Deshalb wirkt das Areal um die Frauenkirche mittlerweile etwas wie Disney-World. Man wollte mit aller Macht die Vergangenheit - den Krieg und die DDR nach der Wiedervereinigung ungeschehen machen - ähnlich ist man ja in Berlin mit der Mauer umgegangen....
Donnerstag, 23. Mai 2013
ARD: Gläserner-Internet-Glotzer droht - Targeting längst gang und gäbe
Da soll man noch mal sagen, die gute alte Tante ARD mit ihrem "Nachtmagazin" würde die Trends im Internet verschlafen. Zumindest nach Mitternacht ist man dort voll auf der Höhe. Am 23. Mai lief dort der Filmbericht: "Der Spion im Wohnzimmer" des Hessischen Rundfunks über zwei Darmstädter Wissenschaftler. http://www.tagesschau.de/inland/tvspion100.html Sie haben entdeckt, dass die Zuschauer privater TV-Mediatheken mit einem internetfähigen Fernseher (Smart TV), über ihre Sehgewohnheiten online ausgeforscht werden. Ziel ist, dass die Sender während der Ausstrahlung ihrer Werbeblöcke unterschiedliche TV-Spots auf die Bildschirme verschiedener Zuschauer schicken können. Eine Datenschützerin aus Schleswig-Holstein ringt da vor der Kamera um Fassung und nennt das eine "Fehlentwicklung" die "hoffentlich in einer Sackgasse" enden werde.
Gute Nacht in den Norden und nach Darmstadt - dort ticken die Uhren anscheinend deutlich langsamer, als anderswo. Schon seit geraumer Zeit nutzen im Internet Privatsender wie Werbetreibende die Möglichkeiten der Online-Überwachung. Dabei wird nicht nur gespeichert, wenn Mediatheken abgerufen werden. Auch die Nutzung der zeitgleichen Internetverbreitung des aktuellen Programms - Streaming - wird überwacht. Das Zauberwort heißt "Targeting" vom englischen Begriff "Target" für Ziel abgeleitet. Sogar bei Wikipedia gibt es längst einen Eintrag zum Thema Targeting
Ziel der TV-Werbewirtschaft ist es, das Sehverhalten und die Vorlieben der Zuschauer zu analysieren. Dann werden auf den Nutzer zugeschnittene Werbebotschaften auf dessen Bildschirm gebracht. Damit verhindert man Streuverluste, also die teure und sinnlose Buchung von TV-Werbezeiten. Ein Fittness-Spot erscheint in der Werbeunterbrechung dann nicht auf dem Bildschirm eines 70-Jährigen, sie bekommen den "Granufink"-Spot eingeblendet. Durch komplexe Großrechner ist dies innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde möglich. Das geschieht nicht nur bei der TV-Nutzung, sondern beim ganz normalen surfen im Internet.
Technisch wird der Zuschauer beim Onlinen von Cookies ausgeforscht, die heimlich auf dem Rechner installiert werden. Dieses kleinen "Spionageprogramme" lädt man sich beim automatisch Anklicken vieler Internetseiten herunter. Sie analysieren das individuelle Online-Verhalten und meldet dies dem "Auftraggeber". Benutzt der User zum Schutz einen Cookie-Blocker, kann man viele Internetseiten nur nach dem Abschalten dieser Funktion ansteuern.
Warum der HR jetzt diesen Film produziert hat, dürfte zwei Gründe haben. Erstens bewerben die Gerätehersteller seit der letzten Funkausstellung massiv Fernsehgeräte, mit denen auch im Internet gesurft werden kann. Andererseits wollte man wohl auch ein bisschen PR für die Wissenschaftler machen, denn die wollen angeblich ein Programm gegen das TV-Targeting entwickeln.
Bisher ist die Onlinenutzung von Mediatheken der Fernsehsender noch marginal. Im Jahr 2011 wies die Online-Studie von ARD und ZDF darauf hin, dass 80-90% der Internetnutzer noch nie eine TV-Mediathek angeklickt hatten www.medienfresser.blogspot.de/2011/09/online-tv-spielt-fur-fernsehprogramme.html Kommerzielle Sender haben vor allem jüngere Onliner im Visier. Von ihnen nutzen bereits 70% das Internet, um Filme und andere Bewegtbild-Angebote anzuschauen - und das sind die heiß begehrten Konsumenten.