Freitag, 11. Dezember 2015

SWR: Schöne Bescherung für die AfD


In der Regel verlaufen Sitzungen des Rundfunkrates beim Südwestrundfunk (SWR) ohne größere Diskussionen. Bei der Sitzung am Freitag den 4.Dezember in Stuttgart kam es seit langer Zeit erstmals wieder zu einer Debatte. Anlass war eine kurz zuvor in der Stuttgarter Online-Zeitung "Kontext" veröffentlichte Mail einer Abteilungsleiterin des SWR:

"ich bitte Sie/Euch alle, künftig die AfD nicht mehr mit dem Zusatz 'rechtspopulistisch' zu versehen. Das wurde so auf Ebene der Landessenderdirektion entschieden. LSA, LS (*) und die HF-Nachrichten in SWR 1 und SWR 4 sollen künftig die AfD ohne Zusatz verwenden. Andere Parteien wie CDU oder SPD bekommen bei uns ja auch kein zusätzliches Etikett."


Auf der Sitzung des Rundfunkrates wurde dann SWR-Intendant Peter Boudgoust um eine Stellungnahme ersucht. Er spielte die Angelegenheit herunter, sie "entbehre jeder spektakulären Bewertung". Die Redaktionen hätten sich nur darauf verständigt, den Begriff nicht grundsätzlich bei der Nennung der AfD zu benutzen, sondern nur dann, wenn es zur Einordnung nötig wäre. "Wir streichen den Begriff nicht, sondern wenden ihn nicht automatisch an", dies sei der Entscheidung der Journalisten überlassen. "Nach wie vor werde man im SWR mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten," betonte der Intendant. 

Damit gaben sich aber nicht alle Gremienmitglieder zufrieden. Brigitte Dahlbender vom BUND fragte, weshalb diese Mail verschickt worden sei, denn sie befürchtete einen Eingriff in die journalistische Freiheit. Auch Gisela Bill vom Landesfrauenbeirat in Rheinland-Pfalz schloss sich der Kritik an. Dies sei das falsche Singal und sie wollte deshalb wissen, ob es sich um eine Anweisung des SWR an seine Journalisten handele. 

Stefanie Schneider und Peter Boudgoust (Februar 2015)
In seiner Antwort betonte Boudgoust, es habe vorher keine Anweisung gegeben und gebe auch jetzt keine. Zu weiteren Erläuterung übergab er dann an Stefanie Schneider,  Direktorin des SWR-Landessenders Baden-Württemberg, denn in ihrem Haus war die Mail schließlich entstanden. Sie betonte, die Sprachregelung sei letztlich auf Initiative der Journalisten in den betroffenen Redaktionen getroffen worden. Trotzdem behalte jeder Journalist die Freiheit der Formulierung. 

Das wir uns in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bereits im Vorwahlkampf-Modus befinden - die Landtagswahlen finden hier im März 2016 statt - machte die CDU-Fraktionschefin in Mainz, Julia Klöckner, deutlich. Sie betonte, die AfD sei rechtspolpulistisch, kritisierte dann aber, man dürfe dieser Partei in einer öffentlichen Sitzung des Rundfunkrates nicht so viel Platz einräumen. Dann forderte sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet: "Jetzt ist es gut". Brav folgten die Rundfunkräte der Anweisung.

Der SWR im Vorerfüllenden Gehorsam?

 

Alles also nur ein Sturm im Wasserglas, nur eine mißverständliche Zusammenfassung einer redaktionellen Diskussion? Oder wurde hier mal wieder der, seit der Fusion von SDR (Süddeutschem Rundfunk) und SWF (Südwestfunk) zum SWR, gefürchtete politische Byzantinismus sichtbar? **    

Das die Angelegenheit in der öffentlichen Sitzung des Rundfunkrates thematisiert wurde, ist letztlich nur einigen neu in das Gremium entsandten Mitgliedern zu verdanken. Bisher war es üblich, wichtige Themen in nichtöffentlichen Sitzungen der 'politischen Freundeskreise' zu diskutieren. Hier wird letztlich das Abstimmungsverhalten vieler Gremienmitglieder entschieden. Dem Vernehmen nach hatte man sich etwa beim Treffen der SPD-nahen Rundfunkräte der Lesart der SWR-Hierarchen angeschlossen. Und bei den 'Schwarzen' hatte man kein Interesse, an einer öffentlichen Debatte über die AfD - 'wildert' diese doch vor allem in der konservativen Wählerklientel.

Simone Schelberg
So verwundert es nicht, das niemand in der Sitzung des Rundfunkrates die anwesende Landessenderdirektorin aus Mainz, Simone Schelberg fragte, wie man in ihrem Funkhaus mit dem Problem AfD umgehe. Dann wäre nämlich deutlich geworden, dass in Stuttgart etwas nicht stimmt. Auf meine Nachfrage erklärte Frau Schelberg: "Es gibt und gab bei uns keinen Grund für eine Diskussion oder gar eine Anweisung darüber, wie die AfD benannt werden soll. Die Journalisten in den Redaktionen entscheiden, wie auch bisher üblich, ob sie die AfD als rechtspopulistisch bezeichnen. Klar ist auch, dass sie dies nicht bei jeder Nennung der Partei einfügen." Die ganze Angelegenheit und das Vorgehen der Kollegen in Stuttgart schien sie sichtlich zu irritieren

Keine Diskussion gab es in Sitzung des Rundfunkrates über den Angriff von Teilnehmern einer AfD-Kundgebung am 25.11.2015 auf ein ZDF-Team. Danach hatte der AfD Parteivize Gauland Verständnis für die Demonstranten geäußert. Beim SWR-Rundfunkrat kam niemand auf die Idee, in diesem Zusammenhang einen Beschluss gegen diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit einzufordern. 

Im Ländle und beim SWR scheint man sich darauf einzustellen, dass die AfD im März 2016 mit ziemlicher Sicherheit in den Landtag einziehen wird. Schon die 'Republikaner' wurden hier einst für zwei Legislaturperioden ins Parlament gewählt. Künftig dürfte die AfD auch Sitz und Stimme im SWR-Rundfunkrat erhalten - will sich da jemand einen 'weißen Fuß' machen?

Aber vielleicht ist das ja alles nur Ergebnis ungeschickten Handelns im mittleren SWR-Management?! Da fällt mein Blick am 11. Dezember 2016 auf eine Meldung der 'Stuttgarter Zeitung'. Demnach wollte der SWR für die Anfang 2016 geplante TV-Elefantenrunde zur Landtagswahl auch einen AfD-Vertreter einladen. Dies habe laut StuttZ eine "SWR-Hierarchin" auf einem Treffen mit Parteivertretern zum Thema TV-Wahl im SWR erklärt. War es dieselbe Redaktionsleiterin, die auch die "Nicht-Anweisung" zur AfD verfasst hatte? 

Noch erstaunlicher liest sich dann laut StuttZ die Begründung für das Vorgehen des SWR durch einen Sendersprecher: Man überlege die Parteien "entsprechend ihres politischen Gewichts" einzuladen. Dafür seinen die Umfragewerte vor der Wahl und die "Verankerung in der Parteienlandschaft" maßgeblich und auch frühere Wahlergebnisse. Bemerkenswert: Die AfD kandidierte bei den letzten Landtagswahl gar nicht, da es die Partei 2011 noch gar nicht gab. Vielleicht bezieht der SWR da im Ländle Wahlergebnisse der 'Republikaner' mit ein? Hautpsache Rechts - dann klappt das auch mit dem SWR-Fernsehauftritt? Die "Linke", die seit Jahren im Ländle zu Wahlen antritt - zwar nie in den Landtag kam, aber viele kommunale Mandate hat - wurde nie zur 'Elefantenrunde' im SWR eingeladen. 

Die AfD wird sich jedenfalls für die vorgezogene Bescherung durch den SWR bedanken. Die Rundfunkräte sollten die Feiertage dazu nutzen, darüber nachzudenken, worin ihre Aufgabe besteht. Ohne den Mut Einzelner, hätte es eine Debatte über den SWR-Ukas überhaupt nicht gegeben.  



* gemeint sind die TV-Sendungen Landesschau Aktuell und Landesschau
**https://de.wikipedia.org/wiki/Byzantinismus: "Byzantinismus ist ein abwertender Begriff für „kriecherische“Unterwerfung und Ergebenheit sowie für die Einführung besonders anspruchsvoller und ausgefeilter Rituale, die auf die äußerliche Betonung von in der Wirklichkeit nicht bestehenden Rangunterschieden abzielen." 
***http://www.br.de/nachrichten/tagesschau/afd-parteitag-tagesschau102.html