Dienstag, 31. Januar 2017

SWR 2017: „Regional, aktuell, zukunftsweisend“ oder "Vereinsmeier" TV ?



Pressekonferenzen des SWR haben etwas von Modeschauen an sich. Hier wie dort werden die neuesten
Programm-Catwalk beim SWR
Produkte der Saison mit effektvoller Präsentation vorgestellt. Diskussionen darüber, wie gut die vorige Kreation beim Publikum angekommen oder unter welchen Bedingungen sie hergestellt worden ist, sind in der Regel dabei nicht vorgesehen. In genau kalkulierten Bühnenshows lassen die Modemacher ihre Kreationen von Models über den Laufsteg tragen - die sind attraktiv aber stumm. Ähnlich geht es bei Programmpräsentationen der TV-Sender zu, die Macher fehlen in der Regel, werden durch Programmtrailer und Moderatoren ersetzt. Dagegen nutzen die Sender-Hierarchen gerne die Szenerie zur öffentlichen Selbstdarstellung. 


 Beim Südwestrundfunk (SWR) fand die Präsentation für die Fernsehprojekte 2017 am 27.Januar im großen Fernseh-Studio der Landesschau
So sieht es bisher aus
so sieht es in Zukunft aus

im Funkhaus Stuttgart statt. Stichwort Optik: Ab Februar werden sich die Nachrichtensendungen der Landesprogramme des SWR-Fernsehens mit neuem Schriftbild präsentieren. Endlich hat man sich dabei zu einer einheitlichen optischen Gestaltung durchgerungen - zuvor hatte einen Mix aus altmodischen und modernen Schrifttypen irritiert - Unentschlossen, so der Eindruck. Das wird nun anders, aber Ärger dürfte dem SWR dabei die Verwendung des Λ im neuen Logo der Nachrichtenformate einhandeln. Da werden bestimmt einige Traditionalisten und/oder pensionierte Gymnasiallehrer gegen die Verwendung des griechischen Buchstabens Lambda im SWR-Nachrichten-Logo protestieren. Wer weiß, welchem Werbefachmann diese manieristische Spielerei eingefallen ist und wie lange sie sich auf dem Bildschirm halten wird...

Auf Nachfrage beim SWR, welche Gründe für das neue Logo ausschlaggebend waren, antwortete am 1. Februar die Pressestelle: "Insbesondere in der mobilen Darstellung muss ein Branding im Kleinsten funktionieren. Auf dieser Basis und ausgehend vom Namen "SWR Aktuell" wurde durch die Modifikation des "A"s  in Kombination mit der Markenfarbe ein eigenständiges und wiedererkennbares Branding entwickelt, welches medienübergreifend wiedererkennbar ist. "


Vereinsleben - Innovatives TV-Event?

 

Der Intendant sagt, wo's langgeht...

Für den SWR sind die beiden regionalen TV-Landesprogramme für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg der zentrale Bestandteil des Programmauftrags."Kein romantisierendes Heimatgefühl transportieren (...) sondern die Menschen ernst nehmen" betonte SWR-Intendant Peter Boudoust vor der Presse. Aber wie wird das in Baden-Württemberg umgesetzt und wie kommt das beim Publikum an? Mit dem zuerst auf sechs Folgen angelegten "Vereinsmeier Gagstetter" will man die Zuschauer im Ländle fesseln. Immerhin, Baden-Württemberg ist mit rund 83 000 registrierten Vereinen 'Marktführer' in Deutschland. Reporter Axel Gagstetter hat sich deshalb als "Vereinsmitglied auf Zeit" betätigt, etwa bei der Freiwilligen Feuerwehr, in einer Voltigiergruppe, im Mittelalter-Traditionsverein, in einer Dorf-Blaskappelle oder einem Fahrzeugmuseum. 

Lustiger Trailer, aber ein leicht fader Nachgeschmack bleibt. Da wird wieder einmal ein Bild des Landes geboten, das der Realität nur zum Teil entspricht. In den sechs Folgen wird das Vereinsleben der Kleinstädte präsentiert. Die soziale Organisation in großen Städten wie Stuttgart, Karlsruhe oder Mannheim wird nicht beleuchtet. Ebensowenig spielen die Einwohner mit Migrationshintergrund und ihre Vereine - immerhin ein Viertel der Bevölkerung zwischen Bodensee und Main - in diesem Projekt eine Rolle. Der SWR pflegt lieber immer noch das Klischee der Spätzle- und Schupfnudelkultur, dabei kommt in Baden-Württemberg heutzutage internationale Vielfalt auf jeden Tisch. Aber eigentlich wundert es nicht, denn im SWR-Programm sieht man auf dem Bildschirm ja auch keine Moderatoren oder Nachrichtensprecherinnen mit Migrationshintergrund.



Landesfernsehen für Baden-Württemberg interessiert zu wenige Zuschauer


Nachgefragt...

Wie wird eigentlich das TV-Angebot der Landesprogramme vom Publikum genutzt? Das darüber auf der Präsentation gesprochen wurde, lag an einem Zufall. Ich saß auf einem Platz, der eigentlich einem SWR-Hierarchen vorbehalten war und dort lag eine Programmstatistik, die nicht für die Presse vorgesehen war. Ein kurzer Blick zeigte mir, dass 2016 das SWR-Fernsehangebot für die Länder (18-20 Uhr) zwar im Saarland und in Rheinland-Pfalz gut angenommen wurde: Marktanteil 16 - 17 Prozent. In Baden-Württemberg erreichte das Landesprogramm aber nur etwas mehr als 12 Prozent der Zuschauer. Auch mit der Altersstruktur kann man beim SWR-Fernsehen insgesamt nicht zufrieden sein. Nur bei den über 65-Jährigen kommt das Programm auf einen Zuschauermarktanteil von über 13 Prozent  bei den Jüngeren werden gerade einmal zwischen einem und maximal zwei Prozent Marktanteil erreicht. Da besänftigt die Erkenntnis wenig, dass sich alle Dritten Fernsehprogramme der ARD bei Jüngeren schwer tun.

Noch ein wenig Programmfarbe...

„Das gefällt uns natürlich auch nicht“, sagte dazu Situation Baden-Württemberg Landessenderdirektorin Stefanie Schneider. Sie verortet den Hauptgrund für die schlechteren Marktanteile im Ländle im hier besonders beliebten Quiz „Gefragt- Gejagt“ der gleichzeitig im Ersten laufe (18.15-18.45 Uhr). Er koste die SWR Sendungen: „Mensch Leute“, „Natürlich“ oder „Made in Südwest“ Zuschauer. Diese Formate kämen bei Schwaben und Badenern schlechter an, als in Rheinland-Pfalz oder im Saarland, räumte Frau Schneider ein. Darauf jetzt aber mit einer eigenen Quiz-Sendung zu kontern, ist für sie keine Lösung, man wolle vielmehr weiterhin dem Landesbezug treu bleiben:Es geht uns eben nicht nur um die Quote“. Ein Spitzenplatz unter den ARD-Dritten? „Das ist nicht unser zentrales Ziel“, setzte sie noch eins drauf und Peter Boudgoust betonte seinerseits: „Quotenoptimierung ist kein absolutes Ziel“. 


The same procedure as last year? Zumindest für das Landesprogramm Baden-Württemberg im SWR-Fernsehen ist das zu befürchten. Anscheinend stellt man sich nicht die Frage, ob es nicht gerade die oft altbackenen Inhalte und die fröhlich verkrampften Moderatoren der Akzeptanz schaden. Der SWR muss hier mehr wagen und sich Gedanken darüber machen, ob er nicht immer noch ein Bild Baden-Württemberg präsentiert, das der Realität immer weniger entspricht.

https://medienfresser.blogspot.de/2016/02/swr-weiter-auf-der-erfolgsspur.html 
https://medienfresser.blogspot.de/2015/01/sind-swr-landesschau-gucker.html