Der Pelineo (1297m) |
"Es ist nie kalt in Griechenland", so heißt es in einem Song der auch bei uns bekannten Athener Band Locomondo. Nun ja, so ganz stimmt das nicht, Weihnachten 2018 wurde es im Norden der Insel Chios jedenfalls wieder mal ganz schön frostig. Der höchste Berg der Insel, der Pelineo mit fast 1300 Metern, begrüßte uns mit einer weißen Schneehaube unter Wolken. Näher zur Küste wurde es dann deutlich milder und bei Sonne konnte man windgeschützt ein kleines Sonnenbad nehmen.
Direkt vor dem Balkon unserer Unterkunft, im nordwestlich der Insel gelegenen Dorf Volissos, entdeckten wir eine Staude mit grünenden Bananen. Im Dorf gaben sich die Einwohner wieder alle Mühe, den Ort weihnachtlich zu schmücken. Nach Einbruch der Dunkelheit erstrahlten überall die Lichter - vorneweg das Fischerboot, das am Platz vor der zentralen Kirche stand.
Kleine und große Schiffe sind auf Chios ein Symbol für das neue Jahr. Erst am 1. Januar gibt es in Griechenland die Geschenke. Den Nachbarn wird am Neujahrstag ein Schiffchen als Symbol für ein glückliches Jahr überreicht. So feiern die Chioten, denn die Insel lebt ja seit Jahrhunderten von der Seefahrt. Der bei uns in Nordeuropa so wichtige Heilige Abend am 24. Dezember spielt in Griechenland dagegen keine besondere Rolle. Erst einen Tag später wird gefeiert - daheim und auch außerhalb. Marianna erzählte uns beim Essen, wie sie einst über Weihnachten mit Freunden nach Wien gereist sei. Sie sei völlig überrascht gewesen, dass sie nirgendwo am späteren Abend noch ein offenes Restaurant finden konnten. Dazu muss man wissen, dass Griechen eigentlich erst so gegen 22 Uhr Essen gehen - während dann bei uns die meisten Küchen bereits geschlossen sind.
Ach ja und eine traurige Neuigkeit gibt es zu vermelden. Unsere Freundin Despina hat ihre Taverne in Mesta aufgegeben und ist mit ihrem Sohn nach New York ausgewandert. Es macht traurig und zornig zugleich, dass nach zehn Jahren Krise so viele Menschen Griechenland verlassen müssen, um überleben zu können. Despina, Marianthi und Evghenia bleiben tief in unserem Herzen.
Volissos ist für uns der ideale Ort um der Weihnachtshektik und dem grellen Geschenkerummel bei uns zu entkommen. Kurz vor unserer Abreise sah ich in Stuttgart eine Plakatwerbung, die alles auf den Punkt brachte: Das Wort 'Sale' bildete die Form eines Weihnachtsbaumes - Konsum, das ist von Weihnachten geblieben... In unserem kleinen Dorf konnten wir die Feiertage ohne großen Spektakel verbringen, mit Freunden, Lachen und gutem Essen. Die Dorfbewohner schmückten Plätze und Häuser zwar mit vielen Lichterketten, aber insgesamt ging es sehr ruhig zu. Dagegen zeigte unser Besuch der Inselhauptstadt, dass es den bei uns üblichen Vorweihnachtsstress auch hier gibt.
Bald neues Leben im Kinopalast?! |
Weihnachtlicher Straßenschmuck |
Mai 2015 |
Dezember 2018 |
Zwar werden mittlerweile Frauen und Kinder von Chios auf das griechische Festland gebracht, die Zustände im Lager sollen aber weiterhin unerträglich sein. Zurück bleiben vor allem diejenigen, die keine Chance auf Asyl haben, sie dürfen die Insel nicht verlassen. Kein Wunder, wenn sich da bei Inselbewohnern und Asylsuchenden zunehmend Aggression ansammelt. Aber weder die Regierung in Athen, noch in Deutschland interessiert das. Auf der Insel sieht es aktuell optisch nett und aufgeräumt aus und immer noch bemühen sich Freiwilige von Nichtregierungsorganisationen (NGO) um die Flüchtlinge. Das Lager im Süden ist hermetisch abgeriegelt - kein Zutritt. Im Hafen ankern derzeit noch Schiffe der griechischen Küstenwache und der Marine, die ausländischen Boote waren nicht zu sehen - anscheinend wohl auf 'Weihnachtsurlaub'... Ich kann mittlerweile nicht mehr ungetrübt die Faszination des wildbewegten Meeres zwischen Chios und der türkischen Küste genießen. Sofort muss ich an die Schlauchboote denken, die versuchen, bei jedem Wetter das europäische Festland zu erreichen. Aktuell meldeten die Vereinten Nationen, dass 2018 fast 2300 Menschen die versuchte Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa mit dem Leben bezahlt habe. Und das verkauft man dann noch als Erfolg! Im Jahr davor hatte man fast 3250 Opfer gezählt. Weihnachtliche Freude konnte da bei mir nur begrenzt aufkommen. Aber Schönheit und Tragik liegen eben nah beieinander....
One member of the NGO Pro Asyl in Germany visited the camp in Chios - terrible!
https://www.proasyl.de/news/chios-wenn-man-da-reingeht-und-die-situation-mit-eigenen-augen-sieht-dann-ist-das-so-krass/?fbclid=IwAR1agWnmyGAcVrus7gPSYIiHM-Vmjzd_5t7Nyf7SN9vQIqxmjcOWPt9b0_c
Da wir dem urbanen Weihnachtsrummel entgehen wollten, fuhren wir wieder mal in den Kambos. Das Plantagengebiet für Zitrusfrüchte im Süden der Inselhauptstadt ist immer ein Erlebnis. Inmitten der alten Herrenhäuser und hinter den Mauern aus rötlichem Sandstein von Thimiana standen überall Bäume an denen Orangen, Mandarinen und Zitronen hingen. Der Regen der letzten Tage hatte überall auf der Insel frisches Grün aus dem Boden sprießen lassen, Für uns Nordeuropäer, die im Winter an kahle Bäume und schmutziges Braungrau gewöhnt sind, war das einfach schön. Dabei sind auch Sommer und Herbst attraktiv, mit ihren Braun- und Ockertönen, die in dieser Zeit die Inselfarben prägen.
Wir fühlten uns in der Cafeteria des kleinen Zitrusmuseums im Kambos wohl, aber bald zog es uns wieder in die ruhige Einsamkeit des Insel-Nordwestens zurück. Zwar blieb das Wetter kalt, aber es war trocken und so konnte man durch die Natur wandern und die Schönheit des Inselnordens voll genießen. Wenn die Sonne herauskam, wurde es angenehm warm und wir konnten bis zur Nachbarinsel Psara blicken, in der Ferne erkannte man sogar Mytilini.
Körperliche Bewegung war mehr als angebracht, denn wir ahnten schon, was unsere Freunde George und Marianna für kulinarische Überraschungen für uns vorbereitet hatten - sie sind wahrlich maitres des cuisines und es macht Spaß zuzuhören, wenn sie die Zubereitung erklären. Am schönsten an den abendlichen Vergnügen am Kamin, war die unkomplizierte Art und Weise. Da gab es keine weihnachtlichen Kleiderordnung, man vergnügte sich beim Essen, tauschte deutsch/griechischen Tratsch und Klatsch aus und ließ es sich einfach gut gehen. Und deshalb gibt es zum Schluss nur Bilder ohne Worte mit den Köstlichkeiten, die uns aufgetischt wurden. (Ziege, Spanferkel, Stallhase, Risotto, Zuppa Inglese, Gebäck).
Vielen Dank George und Marianna!
Σας ευχαριστούμε πολύ
Siehe auch: https://medienfresser.blogspot.com/2018/01/chios-2017-weihnachts-impressionen.html