Dienstag, 31. Dezember 2013
Product Placement auch bei Koproduktionen von ARD und ZDF?
Wer erinnert sich nicht gerne an den Schimanski-Tatort aus den 1980ern, in dem der Kommissar "Paroli" Hustenbonbons lutschte und während einer Verfolgungsjagd über Kartons mit dem gut sichtbaren Logo stolperte. Damals war "Schleichwerbung" noch verboten und der WDR bekam öffentlich ziemlich Zunder. Gute alte Zeit...
Seit Januar 2013 haben die Ministerpräsidenten die Regeln im Rundfunkstaatsvertrag gelockert. Schleichwerbung bleibt zwar verboten, aber Product-Placement wird unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Das gilt für die Öffentlich-Rechtlichen allerdings nur in Grenzen. So legt § 7 Absatz 7 des Rundfunkstaatsvertrages fest: "Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung (...) sind unzulässig." Produktplatzierung sei aber erlaubt, wenn "das Produkt (...) nicht zu stark herausgestellt" werde. Dies gilt für: "Kinofilme, Filme und Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung, die nicht vom Veranstalter selbst oder von einem mit dem Veranstalter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben wurde" heißt es in § 15 des Rundfunkstaatsvertrages. Privatsender dürfen dagegen Product Placement auch in Eigen- und Auftragsproduktionen zulassen. (§ 44, Abs.1)
Schon bisher mussten ARD und ZDF bei gekauften Programmen - etwa James-Bond Filmen - das dort eingebaute Produkt Placement dulden. So gab es in "Im Angesicht des Todes" sogar Verbal-Placement. Da fragt Roger Moore - Alias James Bond - seine Gespielin, ob sie ihre Katze mit "Whiskas" füttere. Bei einer Eigen- oder Auftragsproduktion müssten ARD und ZDF solche Praktiken unterbinden. Genau das passt aber dem Product Placement Verband und seinem Vorsitzenden, Otto Kettmann, überhaupt nicht. In der offiziellen Pressemitteilung des 11. Product-Placement Kongresses (Stuttgart 23.-24. 10. 2013) findet sich folgende Passage: "Kein Verständnis zeigt Kettmann für die Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender, bei Koproduktionen für das Kino die Produzenten 'zu knebeln' und ihnen zu verbieten, Product Placement zu akquirieren."
Faktisch fordert der Verbandschef der Produktplatzierer, dass künftig ARD und ZDF - zumindest bei Koproduktionen - beide Augen zudrücken sollen. Versüßen wollen sie das mit dem Hinweis, durch Product Placement könnten die Produktionskosten sinken. Es bleibt aber die spannende Frage, ob das im Rundfunkstaatsvertrag festgelegte Verbot des Product Placement bei den Öffentlich-Rechtlichen auch für Koproduktionen gilt.
Der Zuschauer muss sich damit abfinden, zunehmend mit versteckter Produktwerbung in Filmen und Serien traktiert zu werden. Am Ende stehen Filme und Serien, die um Produkte herum entwickelt werden, die man in die Handlung integriert... Na dann: Prost 2014!
Montag, 30. Dezember 2013
Werbeschnüffler contra Pokerfaces
Das Geheimdienste und andere Schnüfflerbehörden mit Computerprogrammen zur automatischen Gesichtserkennung arbeiten, ist seit längerem bekannt. Aber auch Werber, Medien und die Konsumgüterindustrie zeigen daran verstärktes Interesse. So will in Großbritannien die weltweit drittgrößte Supermarktkette Tesco künftig die Gesichter aller Kunden vor den Kassen scannen, dies meldete die Stuttgarter Zeitung am 6. November 2013. Dabei sollen Alter und Geschlecht registriert werden, um innerhalb von Millisekunden auf den Flachbildschirmen speziell für die Zielgruppe produzierte Werbespots abzuspielen. Dabei wird auch registriert, wie lange jemand zuschaut, denn so will Tesco herausbekommen, wie gut der einzelne Spots bei der Zielgruppe wirkt.
In Deutschland versucht aktuell die öffentlich-rechtliche Werbetochter der ARD, Sales & Services GmbH (AS&S) mit ähnlichen Methoden Erkenntnisse über die Wirkung von Radio- und TV-Werbespots zu erhalten.* Für Online-Interviews der Marktforscher wird eine "EmotiCam" benutzt. Der Befragte wird so während des Interviews auf seinem Computer per Web-Cam beobachtet. Während das bei der Wirkungsforschung von TV-Spots bereits seit längerem gang und gäbe ist, wird so jetzt auch die Reaktion auf Radiowerbung erforscht. Dazu wird auf das Computerbild des Gesichts ein Netz aus 143 Punkten gelegt, um so die Mimik der Probanden speichern und auswerten zu können. So sollen die sogenannten "Basis-Emotionen" erfasst werden: Freude, Überraschung, Trauer, Angst, Ekel, Wut. Dabei bediene sich die AS&S des "Facial Action Coding System (FACS)", das in den USA von zwei Psychologen entwickelt wurde. In einer Pilotstudie wurden von der ARD-Werbetochter dazu im Sommer 2013 die Reaktionen von über 480 Versuchspersonen gescannt, denen sechs Radiospots an ihren PCs vorgespielt wurden. Das Ziel der ARD-Werber ist dabei klar: "Der Gesichtsausdruck gibt Reaktionen preis, die rationalisierte Antworten im klassischen Interview nicht liefern können."
Seit längerem steigt die Kritik bei Werbetreibenden an der schwer messbaren Wirkung ihrer Werbespots beim Publikum. Diese setzen die Medienunternehmen deshalb unter Druck, die im Gegenzug versuchen mittels Ausspäh-Techniken den Unternehmen brauchbare Ergebnisse anzubieten. Groß ist nämlich bei Radio- und TV-Managern die Furcht davor, dass zunehmend Werbeausgaben verstärkt in das Internet abwandern. Dort lässt sich lückenlos speichern, wer, wann, welches Werbebanner oder welchen Werbefilm, wie lange online anklickt oder anschaut. http://medienfresser.blogspot.de/2013/05/onlinewerbung-knackt-milliardengrenze.html
Tja und wer künftig beim Besuch des Supermarktes seine Träume und Gefühle für sich behalten möchte? Am besten einen Kurs für Pokerfaces besuchen - oder vielleicht doch eine Burka?
Siehe AS&S-Beilage der Fachzeitschrift Werben und Verkaufen, November 2013