Dienstag, 29. November 2011

Jüdisches Thessaloniki - "Die Mutter Israels"


Wer heute die zweitgrößte Stadt Griechenlands - Thessaloniki - besucht, kann sich kaum vorstellen, dass Griechen bis 1912 hier nur eine Minderheit waren. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts lebten in der damals zum Osmanischen Reich gehörenden Stadt etwa 70 000 Juden - rund die Hälfte aller Einwohner. Griechen waren, wie andere ethnische und religiöse Bewohner des Osmanischen Reiches, nur eine Gruppe im multikulturellen Saloniki.
Dem Archäologischen Museum ist es jetzt zu verdanken, dass seit September 2011 ein Jahr lang in einer Ausstellung an das einst vielfältige jüdische Leben der Stadt vor 1943 erinnert wird. Thessaloniki war, seit der Gründung vor über 2300 Jahren, immer auch Treffpunkt unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Jeder gab der Stadt einen eigenen Namen, die Griechen Thessaloniki, die Türken Selanik und die Juden Salonika. Am Fuße des 1200 Meter hoch gelegenen Chortiatis-Berges, ist die Stadt mit heute 300 000 Einwohnern und einem Einzugsgebiet von einer Million Menschen nach Athen die zweitgrößte Stadt Griechenlands. Sie ist vor allem das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes.
Wirtschaft und Handel prägten Thessaloniki seit Jahrtausenden, denn hier verlief der antike Handelsweg „Via Egnatia“. Er verband einst Nordeuropa und den Balkan mit Byzanz – dem heutigen Istanbul – und dem Orient. Gegründet wurde Thessaloniki im Jahr 315 vor unserer Zeitrechnung durch den makedonischen König Kassandros. Er benannte die Stadt nach seiner Frau, Thessalonike, einer Halbschwester Alexanders des Großen. Nach der Teilung des Römischen Imperiums im Jahr 395 nach Christus wurde Thessaloniki dann Teil des Oströmischen Reiches, das vom Kaiser in Konstantinopel regiert wurde. Von dessen einstiger Macht künden heute noch in Saloniki die Ruinen großer römischer Bauten im Stadtzentrum.

Jüdisches Leben seit dem Altertum


Wann genau die ersten Juden nach Thessaloniki kamen, lässt sich nicht genau sagen. Aber bereits 145 v. Christus lebten hier so genannte Romanoiten. Später kamen im 14. und 15. Jahrhundert Juden aus Deutschland, Ungarn und der Provence in die Stadt. Nachdem der spanische König 1492 alle Juden des Landes verwiesen hatte, siedelten sich etwa 20 000 sefardische Juden, auf Einladung des Osmanischen Sultans, in Thessaloniki an. Dadurch entwickelte sich die Stadt später zu dem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit in Europa. Der Dichter Samuel Usque (1500-1555) nannte die Stadt deshalb: „Die Mutter Israels“. Die Sefarden in Salonika sprachen über die Jahrhunderte das vom Spanischen und Portugiesischen geprägte „Ladino“. Die erste Druckerei wurde hier bereits 1506 von zwei Sefarden gegründet. Zwischen 1865 und 1920 erschienen alleine in Thessaloniki rund 40 verschiedene jüdische Zeitungen und Zeitschriften. Im Jahr 1931 erreichten die jüdischen Tageszeitungen Salonikas eine tägliche Auflage von 25 000 Stück.

Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es in der Stadt etwa 50 verschiedene Synagogen, heute existieren noch zwei davon für die etwa eintausend Köpfe zählende Gemeinde, Die meisten der jüdischen Einwohner waren arme Handwerker, Hafenarbeiter oder Fischer. Einige Familien kamen durch Handel und Industrie zu Wohlstand und ließen sich Ende des 19.Jahrhunderts repräsentative Villen am Stadtrand errichten. Viele Häuser stehen heute noch und werden öffentlich genutzt, aber kaum jemand kennt noch ihre jüdische Geschichte.
Nach der Niederlage der Osmanen im ersten Balkankrieg (1912) endete die Herrschaft des Sultans über Nordgriechenland. Am 26.Oktober 1912 erreichten griechische Truppen Thessaloniki, nur wenige Stunden vor den Verbündeten Bulgaren. Nach dem es zwischen den Verbündeten ein Jahr später zum zweiten Balkankrieg (1913) kam, der für Bulgarien mit einer Niederlage endete, wurden Thessaloniki und weite Teile Makedoniens Griechenland zugesprochen. Nach der Eroberung verließen nicht nur die meisten Türken die Stadt –1881 war hier Kemal Atatürk zur Welt gekommen - auch ein Teil der jüdischen Bevölkerung ging mit ihnen.

Der verheerende Brand von 1917


Während des Ersten Weltkrieges brach im August 1917 im jüdischen Viertel in der Altstadt ein verheerendes Feuer aus. Hier lebten damals viele Kriegsflüchtlinge und in einer der beengten Unterkünfte brach damals das Feuer aus. Es fehlte Löschwasser und so verloren etwa 50.000 Juden ihr Heim, denn erst nach 32 Stunden konnte der Brand gelöscht werden. Nachdem über ein Drittel des damaligen Stadtgebietes zerstört waren, beauftragte die griechische Regierung den französischen Architekten Ernest Hébrard damit, die Innenstadt neu zu errichten. Er ließ Prachtbauten im Art-Deco-Stil und breite Boulevards bauen und so erinnert die Innenstadt noch heute an das Pariser Vorbild.
Die jetzt obdachlosen jüdischen Innenstadtbewohner siedelte man in Randbezirken neu an.

War das Verhältnis zwischen orthodoxen Griechen und Juden nach 1912 schon nicht konfliktfrei, so verschärften sich diese nach Ende des Ersten Weltkrieges. Während in Nordeuropa der Frieden im November 1918 kam, versuchte die griechische Regierung ab 1919, große Teile des türkischen Festlandes zu erobern. So sollte etwa Smyrna (heute Izmir), mit seiner großen griechischen Bevölkerung, erobert werden – einige Politiker in Athen träumte gar von der "Befreiung" Konstantinopels (Istanbuls). Diese Pläne scheiterten an der von Atatürk organisierten türkischen Revolution und so vereinbarte man 1923 den Austausch der jeweiligen Bevölkerungsminderheit. In Folge dieser „kleinasiatischen Tragödie“, mussten etwa 1,5 Millionen Griechen in der Türkei und rund 500 000 Türken in Griechenland ihre Heimat verlassen. Für das im Ersten Weltkrieg verarmte Griechenland war das kaum zu bewältigen. Viele Flüchtlinge wurden in und um Thessaloniki angesiedelt. Viele von ihnen lehnten die Juden ab, sie sahen in ihnen Kollaborateure, die von den Osmanen bevorzugt behandelt worden seien. Die Spannungen führten dazu, dass in den 1920er Jahren viele Juden ihr Salonika verließen. Im Jahr 1931 kam es in einem Stadtteil zu antijüdischen Angriffen durch griechische Faschisten, darauf hin verließen weitere 15 000 Juden ihre Heimat.


Vernichtung der Jüdischen Gemeinde im Zweiten Weltkrieg


Trotzdem lebten bis 1941 weiterhin rund 56 000 griechische Juden in Thessaloniki. Mit dem Einmarsch Deutscher Truppen am 4. April 1941 begann sofort ihre Verfolgung. Ihnen wurde umgehend der Besuch von Cafes und Geschäften verboten.
Bundesarchiv, 183-R99237
Die deutschen Besatzer schürten antijüdische Stimmungen bei den Griechen, in dem sie die Juden für die verheerende Hungersnot 1941/42 verantwortlich machten. 


Am 11. Juli 1942 mussten sich, auf Anweisung der Besatzer, alle männlichen Juden zwischen 18 und 45 Jahren auf dem heutigen Elefterios (Freiheits) Platz sammeln.
11. Juli 1942 Elefterios Platz
 Bundesarchiv 101I-168-0894-20A
Dort standen sie stundenlang in der Sommerhitze und wurden von den Besatzern öffentlich gedemütigt - und das unter den Augen vieler deutscher und griechischer Zuschauer. Ab Februar 1943 mussten die Juden hier den gelben Stern tragen und sich rund um das Bahnhofsviertel in einem Ghetto ansiedeln. Von hier aus wurden sie zwischen März und August 1943 in insgesamt 19 Güterzügen in die Vernichtungslager nach Polen transportiert. Nach Auschwitz kamen 48 533 Deportierte, von denen sofort 37 386 in den Gaskammern ermordet wurden. 



Ein Deutscher Soldat schlägt einen Juden - und seine Kameraden amüsieren sich - Bundesarchiv, 101I-168-0895-07A

Claude Lanzmann produzierte 1985 den neunstündigen Dokumentarfilm "Shoah" über die Vernichtung der Juden während des Zweiten Weltkrieges. Im Film gibt es keine Foto- oder Filmdokumente über den Massenmord. Überlebende Opfer kommen zu Wort und hier findet sich auch eine Passage über die Vernichtung griechischer Juden in Auschwitz, die aus Thessaloniki und der Insel Korfu dort hin transportiert worden waren. 

Schwieriges Erinnern

 

 Die Verantwortlichen für die Vernichtung der griechischen Juden wurden später niemals zur Rechenschaft gezogen. So konnte sich der SS-Führer Alois Brunner (geb. 1912) nach dem Krieg nach Syrien absetzen und lebte unter der Assad-Diktatur unbehelligt in Damaskus. Der für Thessaloniki zuständige deutsche Kriegsverwaltungsrat Max Merten (1911-1971) kehrte sogar 1957 in die Stadt zurück, um vor Gericht für seinen einstigen Dolmetscher auszusagen. Er wurde zwar Verhaftet und zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt – aber bereits nach einem Jahr nach Deutschland entlassen. Dort wurde ein Verfahren wegen Beihilfe zum Mord aufgrund der eingetretenen Verjährung im Jahr 1968 eingestellt.
heutiges Mahnmal
Heute findet man in Thessaloniki kaum etwas, was an die einst so lebhafte jüdische Gemeinde und an ihre Auslöschung erinnert. Nur am Freiheitsplatz, in der Nähe der alten Fischhallen, findet sich ein Denkmal. Es erinnert in Form eines jüdischen Leuchters an die Bewohner und ihr Schicksal. Die Stadt tut sich mit ihrem jüdischen Vermächtnis heute noch schwer. So befand sich auf dem Gelände der heutigen Universität auf 300 000 Quadratmetern ein jüdischer Friedhof mit etwa einer halben Million Gräber. Bereits nach 1912 hatte die griechische Stadtverwaltung Interesse an Teilen des Geländes für die Stadterweiterung geäußert. Es kam aber zu keiner Einigung mit der jüdischen Gemeinde.
Alliierter Soldaten vor einem deutschen Schützengraben, der mit jüdischen Grabsteinen ausgebaut worden war.
Anfang 1943 erteilten die deutschen Besatzer den Befehl zum Einebnung des über 500 Jahre alten jüdischen Friedhofes. Daran beteiligten sich auch griechische Kollaborateure, wie der Gouverneur Simonids. Vor allem die vielen Grabplatten aus Marmor waren begehrtes Baumaterial und wurden als Straßenbelag oder beim Hausbau verwendet.
Diese Zerstörungswut führte dazu, dass man heute nur noch im jüdischen Museum einige wenige, der teilweise mehrere hunderte Jahre alten Grabsteine sehen kann. Hier finden sich auch alte Fotografien vom Anfang des 20.Jahrhunderts, die Juden in ihren bunten Trachten zeigen. Einige der Fotos sind in Farbe, sie stammen aus der Sammlung der französischen Foto- und Filmstiftung Albert Kahns. (Der französische Unternehmer schickte bereits 1912 Fotografen nach Saloniki, die heute noch beeindruckende Farbaufnahmen machten - auf ARTE lief dazu 2011 eine wunderbare mehrteilige Dokumentation.)
Auch die Universität von Thessaloniki hält es bis heute nicht für nötig, an den einstigen jüdischen Friedhof zu erinnern, auf dessen Gelände ihre Gebäude stehen. Seit Jahren bittet die jüdische Gemeinde bisher vergeblich darum, die geplante U-Bahn Haltestelle an der Universität „Alter Jüdischer Friedhof“ zu nennen. Fragt man den Kurator des Jüdischen Museums von Thessaloniki, Evangelos Hekimoglou, warum sich Stadt mit ihrer jüdischen Geschichte so schwer tut, antwortet er diplomatisch: „Sie dürfen nicht vergessen, dass 90 Prozent der heutigen Einwohner keine Wurzeln in Thessaloniki haben, ja nicht einmal hier geboren wurden.“ Das Interesse an der Geschichte des Ortes insgesamt sei nur gering: „Deshalb wissen die meisten Leute hier nichts über die jüdische Vergangenheit ihrer Stadt.“ Er sei jedenfalls froh darüber, dass sich jetzt das Archäologische Museum dem Thema angenommen hat und meint, dies sei der Verdienst der Direktorin Veleni-Adam Polyxeni
Stolz auf ihre Heimat, der manchmal in Nationalismus umschlägt, spielen auch heute noch in Griechenland eine Rolle. Manche Griechen verdrängen lieber die Erinnerung daran, dass Thessaloniki bis 1912 alles andere als eine griechische Stadt war. Anscheinend gibt es immer noch Ängste bei den politisch Verantwortlichen der Stadt, von jüdischer Seite könnten Forderungen nach Entschädigung für den geschändeten Friedhof gestellt werden.

Wer sich mehr über das einstige jüdische Leben in Thessaloniki informieren will, sollte auf jeden Fall das 1997 eröffnete jüdische Museum im Stadtzentrum besuchen. Es liegt nicht weit entfernt von der schönen Hafenpromenade und dem Freiheitsplatz. www.jmth.gr/

Siehe Auch: http://www.sueddeutsche.de/politik/holocaust-ueberlebender-heinz-kounio-deutsch-hat-mir-in-auschwitz-das-leben-gerettet-1.2836262-2

Montag, 26. September 2011

Online-TV spielt für Fernsehprogramme (noch) keine Rolle

Zwischen 80 und 90 Prozent aller Internetnutzer haben noch nie ein Angebot einer Mediathek eines TV-Senders genutzt, dies zeigt die aktuelle Onlinestudie von ARD und ZDF.* Über ihre Mediatheken bieten die kommerziellen sowie öffentlich-rechtlichen Fernsehsender einzelne Programm zum Online-Abruf an. Dagegen haben innerhalb von vier Wochen fast die Hälfte aller Onliner in Deutschland (49%) das Videoportal YouTube genutzt. Bei insgesamt etwa 52 Millionen Surfer in Deutschland, erreicht You Tube damit bei uns monatlich etwa 25 Millionen Onliner. Aber auch hier zeigt die Studie, dass immerhin 35% - also mehr als 18 Millionen Internetnutzer - noch nie You Tube angeklickt haben.

Die öffentlich-rechtlichen Mediatheken von ARD und ZDF bieten fast drei Viertel des Programms auch zum Abruf im Internet. Sie erreichen wöchentlich gut 10% der Onliner, also jeweils etwas mehr als 5 Millionen Zuschauer per Internet. Dazu kommen noch jeweils zwischen 3 und 4 Prozent Internetnutzer, die einmal die Woche ein öffentlich-rechtliches Angebot über YouTube abrufen. Insgesamt erreichen die Mediatheken von ARD und ZDF in der Woche maximal etwa acht Millionen Zuschauer. Allerdings betonen rund 80 % aller Internetnutzer, noch nie die Mediathek von ARD oder ZDF genutzt zu haben.

Blickt man auf die Onlinenutzung der kommerziellen Programmangebote von RTL, Sat 1 und Pro Sieben, stehen ARD und ZDF allerdings noch besser da. So erreichen Pro Sieben.de und RTL Now in der Woche jeweils rund 7% aller Internetnutzer (3,6 Mio.), während Sat 1.de auf magere 2% Reichweite kommt (1 Mio). Dagegen haben zwischen 84% und 93% aller Onliner noch nie ein Videoportal eines Kommerzsenders besucht.

Insofern ist es nachvollziehbar, warum die kommerziellen TV-Unternehmen immer darauf gedrängt haben, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre TV-Angebote in der Regel nur 7 Tage nach der Ausstrahlung auch im Internet anbieten dürfen. Die leicht verderbliche Flimmerware der Privaten reizt dagegen nur wenige Zuschauer. Ergo lässt sich damit bisher auch nur wenig Geld verdienen, sei es über Internetwerbung oder Pay-Per-View. Die Privaten fürchten sich davor, dass ARD und ZDF künftig ihre Programschätze aus den Archiven kostenlos Online anbieten.

Das bisher eher mäßige Interesse an den Online-Mediatheken dürfte erklären, warum die Messung der TV-Marktanteile der Online-Abrufe im Rahmen der GfK-Zuschauererhebung noch auf der Stelle tritt. Warum sollten die Sender zusätzlich Geld für eine Fernsehnutzung ausgeben die, gemessen am täglichen linearen TV-Konsum, die Gesamtquote nur im Promillebereich verändern dürfte.

Ob sich das ändern wird, bleibt abzuwarten, denn laut Onlinestudie wächst die Zahl der Nutzer von „Bewegtbildern“ im Netz, das sind Clips, Filme, TV-Programme, Videos. Mittlerweile rund 40 Prozent aller Onliner (20 Mio) schauen in der Woche per Computer solche Angebote - bei den 14 bis 29-Jährigen sind es bereits über 70%. Spitzenreiter sind dabei immer noch Musik-Videos und die zeitversetzte Nutzung von TV-Angeboten.

* Media Perspektiven, Heft 7-8/2011

Sonntag, 11. September 2011

ARD-ZDF Online Studie: "Digitaler Graben" trotz Internet-Boom

Der Siegeszug des Internets in Deutschland schreitet anscheinend unaufhaltsam voran. Während 1997 gerade einmal 4,1 Millionen Erwachsenen (6,5%) Online waren, sind es 2011 über 51,7 Millionen (73,3%). Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Onlinestudie von ARD und ZDF*. Damit hat sich die Zahl der Internetnutzer seit 2002 mehr als verdoppelt. Die einst von Technikkritikern befürchtete Spaltung der Gesellschaft in gut informierte Onliner und unwissende Internetabstinenzler hat sich scheinbar nicht bewahrheitet.

Die Mehrheit surft gar nicht – oder nur wenig

Zwar steigt die Attraktivität des Internets – und das in den letzten Jahren vor allem bei den Älteren. So sind mittlerweile etwa 7 Millionen der etwa 20 Millionen Einwohner in Deutschland über 60 Jahre online. Addiert man allerdings zu den Online-Abstinenzlern (26,7%) die gelegentlichen Surfer (30%) hinzu, dann spielt damit das Internet für die Mehrheit der Bundesbürger immer noch eine Nebenrolle in ihrem Medienalltag. Außerdem sei die „Kompetenz bei fortgeschrittenen Internetanwendungen“ dieser Gelegenheitsnutzer „relativ gering“. Demnach sei heute nur ein kleiner Teil der Onliner besser informiert, aber „der Großteil nutzt die vorhandenen Möglichkeiten nicht so ausgiebig...“ Insgesamt verfestige sich nach Ansicht der Autoren der Unterschied zwischen den Gelegenheitssurfern und den Intensivnutzern durch diese Entwicklung. Entsprechend skeptisch stehen sie der Vision demokratischer Partizipation über das Internet gegenüber, da sich an solchen Projekten vorwiegend Jüngere und besser Gebildete beteiligen würden. „Zurzeit scheint es, dass sich an dieser Form der Teilhabe am gesellschaftspolitischen Geschehen vor allem diejenigen beteiligen, die ohnehin schon aktiver an diesem teilnehmen, als andere".

Fazit: „Der digitale Graben in der Gesellschaft(...)zeigt sich auch hier.“

Das Geschäftsmodell App läuft noch nicht

Mittlerweile gehen rund 16% der Onliner per Handy, Smartphone oder Organizer in das Internet, doppelt so viel, wie noch vor einem Jahr. Allerdings gehen dabei nur ein Fünftel außerhalb ihrer vier Wände ins Internet, mobiler Empfang spielt sich hauptsächlich zu Hause ab. Ähnlich differenziert muss man die Nutzung sogenannter Apps sehen, den per Smartphone oder Tablett-PC anklickbaren Verbindungen zu externen Medienangeboten. Immerhin verfügen 22% der Onliner bei uns mittlerweile über Smartphone oder Tablett-PC und davon haben 17% Apps auf ihrem Gerät installiert. Die Hoffnung der Unternehmen, mit Apps richtig Geld zu verdienen, trübt bisher die Realität. In den USA nutzen laut ARD/ZDF Onlinestudie nur zwei Drittel die auf ihrem Empfangsgerät installierten Apps. Bei Apple werden zu 80 Prozent kostenlose Apps heruntergeladen. Für gekaufte Apps werden im Durchschnitt in den USA gerade einmal 3,50 € bezahlt.

Online-Video und Audio gefährden bisher weder Fernsehen noch Radio

Gelegentlich nutzen etwa zwei Drittel aller Onliner das Internet zum Anschauen von Videos (68%), etwa ein Drittel zum zeitversetzten Fernsehen (29%) und gut ein Fünftel für Live-TV (21%). Fernsehen per Internet ist aber immer noch ein Randphänomen, gerade einmal 2% der Onliner nutzen dafür täglich ihren Computer. Ähnlich gering ist der tägliche Abruf einzelner Sendungen (on demand).

Auch die Jüngeren nutzen den klassischen Fernsehempfang, denn 90 Prozent sehen weiterhin linear verbreitete Fernsehprogramme. Dazu nutzen allerdings knapp ein Fünftel zum Empfang auch das Internet.

Ein Radioprogramm hören online gelegentlich etwa ein Drittel aller Internetnutzer (27%). Auch hier liegt die tägliche Nutzung aber nur bei gerade 5% aller Onliner und ist noch vernachlässigbar. Bei über 51 Millionen täglicher Radiohörer per UKW, fallen die 2,5 Millionen Internet-Hörer kaum ins Gewicht.

* Media Perspektiven Heft 7-8/2011

Mittwoch, 31. August 2011

Wenn der Fernseher das Programm bestimmt

Gerade haben sich viele Menschen im Gedenken an Vicco von Bülow über den Loriot-Cartoonfilm mit dem defekten Fernseher amüsiert. Da sagt das Männchen mit der Knollennase zu seiner Frau: "Ich lasse mir von einem Fernsehgerät nicht vorschreiben, wo ich hinsehen soll!" (www.youtube.com/watch?v=kVT8PEcmLGk)

Kaum gelacht, da zeigt die mediale Zukunft, wie das bald Realität werden soll. Unter dem Titel: "Dein Fernseher, Dein Freund" meldet die Fachzeitschrift "Werben & Verkaufen" (34/2011), das in den USA eine Set-Top-Box auf den Markt kommen wird, die per Gesichtserkennung den TV-Gucker identifizieren kann. In der Folge würde dann das Gerät dem Zuschauer Programme anbieten, die er häufiger sieht oder aufgezeichnet hat. Dafür wird die Set-Top-Box der Firma "Viewdle"* mit einer Kamera und einer Software für Gesichtserkennung ausgestattet.

Wer also künftig nach eigenem Gusto sein TV-Programm auswählen will, muss sich dann wohl eine Pappnase oder Maske aufsetzen, um unerkannt zu bleiben. So etwas wäre für Loriot, der in seinen Sketchen Verkleidungen liebte, sicherlich ein Fest gewesen - vielleicht arbeitet er bereits für "Gott-TV" daran?

* Das Unternehmen ist nicht im Schwabenland, sondern im kalifornischen Palo Alto angesiedelt!

Freitag, 27. Mai 2011

Werbemarkt 2010: TV verdrängt Tageszeitungen

Der Werbemarkt hat sich 2010 insgesamt erholt, die Nettoerlöse konnten seit 2007 erstmals wieder zulegen. Dies zeigt die Ende Mai vom Zentralverband der Werbewirtschaft (ZAW) vorgelegte Werbestatistik für 2010

Im letzten Jahr stiegen demnach die Werbeausgaben der Wirtschaft * gegenüber 2009 um insgesamt 690 Mio. € auf 29,53 Mrd. € (+2,4%). Damit konnte allerdings der massive Einbruch des Werbemarktes im Jahr 2009 (- 1,83 Mrd. €) nicht einmal annähernd ausgeglichen werden. Der Anteil der Medien am gesamten Werbekuchen erhöhte sich 2010 um 180 Mio. € auf 18,75 Mrd. € (+2,1%). Derzeit bewegt sich das Niveau der gesamten Werbeausgaben und der Nettowerbeeinnahmen aller Medien immer noch unter dem Wert des Jahres 2006.

Ob es 2011 zu einem Schub der Werbeausgaben der Wirtschaft kommt ist fraglich. ZAW-Chef Manfred Parteina meinte in der ZAW-Presseerklärung, der aktuelle Konjunkturaufschwung basiere vor allem auf einem Exportboom. Deshalb sei aber im Inland kaum ein positiver Effekt für die Werbung zu erwarten. Im Inland habe die Nachfrage der Konsumenten im letzten Jahr gerade einmal um 0,5 % zugenommen, gibt Parteina weiter zu bedenken.

Für das Jahr 2011 scheint man beim ZAW nicht mit einem Werbeboom zu rechnen. Dort rechnet man nicht mit einer stärkeren Entwicklung der Binnenkonjunktur, da die Angst der Verbraucher vor einer zunehmenden Inflation wachse. Gleichzeitig dürfte dies die Bereitschaft mittelständischer Unternehmen zur verstärkten Investition in Werbung kaum steigern. Die Folgen dürften klar sein, denn diese Unternehmen steuern rund zwei Drittel zu den gesamten Werbeausgaben bei.

TV überrundet erstmals Zeitungswerbung

Von den Werbeinvestitionen der Wirtschaft landeten 18,75 Mrd. € bei den Massenmedien (ohne Rabatte und Mittlergebühren) - ein Anstieg der Nettoeinnahmen um 380 Mio. € (+2,1%). Allerdings konnten die Medien damit immer noch weniger Werbeeinnahmen erlösen, als im Jahr 2006 (20,35 Mrd. €).

In der Rangfolge der attraktivsten Medien für die Werbung hat 2010 erstmals das Fernsehen die Tageszeitung als Spitzenreiter abgelöst. Mit über 3,95 Mrd. € (+ 8,6 ) Nettoeinnahmen verwies die TV-Werbung die Tageszeitungen mit 3,67 Mrd. € auf Platz Zwei. Während es den Fernsehsendern gelang, den massiven Einbruch von 2009 (-9,8 %) auszugleichen, konnten die Tageszeitungen 2010 die rasante Talfahrt des Vorjahres (-15,5%) nur abmildern (-1,5%). Insgesamt 21 Prozent der gesamten Nettowerbeeinnahmen gingen 2010 an das Fernsehen, während Tageszeitungen nur noch 19 Prozent erreichten.

Zulegen konnte erneut die Online-Werbung, die mit Nettoeinnahmen von 764 Mio. € (+12,7 %) das 2009 schwächelnde Wachstum (+1,3%) im vergangenen Jahr deutlich überbieten konnte. Rangierte die Internetwerbung 2009 noch an 8. Stelle der Werbeträger-Hitliste, konnte sie sich im vergangenen Jahr auf Platz 7 verbessern. Damit liegt Onlinewerbung noch vor den Fachzeitschriften, Plakatwerbung und dem Radio. Eine Ursache sind die großen Werbespendings der Internet- und Telekommunikationsbranche. Insgesamt gesehen, erreicht die Online-Werbung aber bisher nur einen Anteil von 5 Prozent der gesamten Werbeerlöse. Schwierig bleibt die Lage beim Hörfunk, mit Nettoerlösen 692 Mio. € stieg zwar sein Anteil am Werbekuchen (+2 %), aber die einstige Position der Radiowerbung vor dem Internet, dürfte der Hörfunk endgültig verloren haben.

*Der ZAW setzt sich aus 40 Verbänden der werbenden Unternehmen, Medien, Werbeagenturen, Werbeberufe und Forschung zusammen. Er ermittelt jährlich die Nettowerbeeinahmen von 13 ausgewählten Werbeträgern: TV, Tageszeitung, Brief, Anzeigenblätter, Publikumszeitschriften, Verzeichnis-Medien, Online, Fachzeitschriften, Außenwerbung, Hörfunk, Wochen- Sonntagszeitungen, Zeitungsbeilagen, Kino

Brutto-Netto Schere klafft immer weiter auseinander

Die Freude der TV-Sender über den Spitzenplatz bei den Werbeeinnahmen ist aber nicht ungetrübt. Die Schere zwischen den Brutto- und Netto-Werbeeinnahmen der Fernsehsender hat sich 2010 gegenüber dem Vorjahr weiter geöffnet. Die TV-Bruttowerbeerlöse stiegen 2010 gegenüber dem Vorjahr zwar um satte 1,3 Mrd. € auf 10,05 Mrd. €, die Nettoeinnahmen aber nur um 314 Mio. € auf 3,94 Mrd. € an.

Ein Hauptgrund für diese Diskrepanz sind die Rabatte und Vergünstigungen, die die TV-Sendern beim Verkauf ihrer Werbezeiten einräumen. Vor allem Werbezeiten außerhalb der Prime-Time werden von den Sendern oft verramscht. Bei den Sendern der ProSiebenSat1 AG können die Unternehmen beispielsweise gekaufte Werbezeiten mit einer Unternehmensbeteiligung begleichen.

* Inklusive Honorare, Werbemittelproduktion, Medienkosten

Mittwoch, 6. April 2011

ARD in Afghanistan wieder in der Ersten Reihe

Hurra! Die Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan, die dort angeblich unsere Freiheit verteidigen, müssen nicht mehr auf deutsche TV-Kost verzichten. Seit 5,45 Uhr.... Stopp - falsche Platte. Seit Mittwoch dem 6. April können die Bundeswehrangehörigen in Afghanistan das Erste der ARD per Satellit empfangen. Dazu hat die ARD jetzt einen Transponder von Eutelsat angemietet. Dies gab die ARD-Vorsitzende und Intendantin des WDR, Monika Piel auf einer Pressekonferenz der ARD-Intendanten am 6. April in Stuttgart bekannt.


Seit Juni 2010 habe die ARD mit dem Bundesverteidigungsministerium über eine gemeinsame Versorgung der Bundeswehr in Afghanistan mit einem Fernsehprogramm verhandelt. Es sei aber in nicht gelungen, zu einer Übereinkunft zu kommen. Dabei hatte die ARD den Wünschen des Ministeriums entsprechen und ein spezielles Programm aus Nachrichten, Sport und Regionalem liefern wollen. Plötzlich habe aber das Verteidigungsministerium keine Bereitschaft mehr zu dem gemeinsamen Projekt gezeigt, worüber man ziemlich irritiert gewesen sei, machte die WDR-Chefin deutlich. Deshalb habe man sich jetzt dazu entschlossen, das Programm des Ersten zeitgleich auch per Satellit in den Hindukusch zu übertragen.


Viel Freude werden die Bundeswehrangehörigen damit aber nicht haben, denn wegen der Zeitverschiebung herrscht bei ihnen längst Zapfenstreich, wenn bei uns der Tagesschau-Gong ertönt. Bisher versorgt die Bundeswehr ihre Truppen im Ausland mit "Bundeswehr-TV". Dieses Programm gibt es seit 2002, es wird verschlüsselt per Satellit ausgestrahlt.


Warum die Bundeswehr plötzlich kein Interesse mehr an einer Zusammenarbeit mit der ARD habe, wisse sie nicht, sagte die WDR-Chefin am Rande der Pressekonferenz. Vielleicht befürchtet man im Ministerium im Bendlerblock in Berlin, dass die kritischen Berichte von "Monitor" die Wehrkraft zersetzen? Vielleicht geht es aber auch nur einfach um´s Geld, denn die ARD wollte bei der Kooperation erreichen, dass die Bundeswehr die 400.000 € Kosten für die Satellitenverbreitung übernimmt. Die muss die ARD jetzt wieder selber tragen.

Sonntag, 3. April 2011

Hoffnung für Gutti?!

Karl-Theodor zu Guttenberg ist zwar kein Minister mehr - worüber er sich angesichts der Pleiten-Performance von Merkel, Westerwelle und Co mittlerweile freuen dürfte. Die PR- und Werbebranche hält den Freiherren immer noch für einen medialen Hoffnungsträger!


Eine Befragung von Werbefachleuten durch die Fachzeitschrift Werben & Verkaufen (13/2011) räumt "Gutti" große Chancen als Spendensammler ein. Immerhin 20 Prozent der befragten PR- und Werbefachleute könnten sich den Freiherrn als glaubwürdigen Botschafter für Spenden- und Hilfsorganisationen vorstellen! Danach folgen Bekleidungsunternehmen und Telekommunikation (13%) sowie Kosmetikprodukte (11%).


Im Mantel aus dem Fell des Seeligen Knut dürfte Gutti dann unschlagbar sein!

Medienforschung: Vorsicht vor Mützenträgern!

Es hört sich wie ein Aprilscherz an: Über eingebaute Kleinkameras in Baskenmützen hat der zur ProSieben Media AG gehörende TV-Werbezeitenvermarkter SevenOne Media das Verhalten von Fernsehzuschauern und Internetnutzern testen lassen.


Im aktuellen Heft der Fachzeitschrift Werben & Verkaufen (13/2011) findet sich auf Seite 58 ein Bericht über die Studie: "Meine Medien und ich". Im Auftrag von SevenOne Media und der Münchner Agentur Ideenparc mussten 14 Testpersonen den ganzen Tag lang diese Baskenmütze tragen. Die eingebaute Mini-Kamera lieferte den Beleg, ob der Mützenträger wirklich Fern gesehen oder im Internet gesurft hat. Mit diesem Test wollte man "die wahre Mediennutzung" messen, erläuterte gegenüber der W&V Ideenparc-Chef Christian Blümelhuber.


Wie lautet die größte Furcht aller Werbezeitenverkäufer? Stell Dir vor es ist Fernsehen und keiner Schaut hin! Viele Glotzen laufen in den Haushalten, aber die Zuschauer widmen sich währenddessen ganz anderen Ablenkungen. Dies tritt vor allem bei den Werbeblöcken zwischen den Sendungen auf, die beim Publikum allgemein unbeliebt sind.

Sonntag, 27. März 2011

Internet: Business vor Netzneutralität?

Bei der Diskussion über das Internet konnte man in letzter Zeit hören: "Das Netz ist voll!" Angeblich stoßen die technischen Übertragungsnetze an ihre Kapazitätsgrenzen. Der Ausbau koste Geld und deshalb müssten Onlinenutzer künftig ihre Gebühren abhängig von der genutzten Datenmengen bezahlen - Flatrade adé. Dienste mit großen Datenmengen könnten im Gegenzug gegen höhere Gebühren künftig online schneller transportiert werden - Ende der Netzneutralität. Über diese Fragen diskutiert derzeit eine Enquète-Kommission im Bundestag.

Dieser Argumentation widersprechen die Landesmedienanstalten in einem im Januar veröffentlichten Positionspapier: "Vielfaltssicherung und Zugangsoffenheit". In der dritten These des Papiers heißt es, hinter den Überlegungen der Netzbetreiber stünden "weniger die Problematik knapper Ressourcen, als die Suche nach neuen Geschäftsmodellen". Die Verfasser stellen fest: "Gravierende Engpässe bei der Stationären oder der mobilen Nutzung sind bislang nicht nachvollziehbar dargelegt."

Wird also gegenüber der Öffentlichkeit mit den Kapazitätsengpässen nur ein Popanz aufgebaut, um höhere Gebühren durchsetzen zu können? Genaue Informationen über die Auslastung des Netzes besitzt die für die digitale Entwicklung zuständigen Stelle der Landesmedienanstalten jedenfalls nicht. Dies könne nur die Bundesnetzagentur wissen, betonte Ende März auf Nachfrage eine Sprecherin der Landesmedienanstalten: "Einen Beleg haben wir dafür nicht, deshalb ist diese These die gewagteste im gesamten Papier". Sie kritisierte in diesem Zusammenhang, die Landesmedienanstalten hätten von der Bundesnetzagentur bisher keine Zahlen über die Auslastung der Internet-Infrastruktur erhalten.

Bei der Bundesnetzagentur verweist man dazu auf ein Interview des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Matthias Kurt, das er dem ZDF im vergangenen Jahr gegeben hat. Demnach gebe es keine Kapazitätsprobleme beim Internet, das Netz sei "natürlich nicht voll," so Kurt. Schließlich werde die technische Infrastruktur permanent ausgebaut, eine Überlastung sei demnach nicht zu erwarten. (siehe www.bundesnetzagentur.de, Presse, Interview )

Die Frage bleibt, ob der Ausbau den Interessen der Nutzer, oder vielmehr den Rendite-Wünschen der Mobilfunkunternehmen folgt. Eigentlich sollten die neuen Mobilfunkfrequenzen die Versorgung mit schnellem Internet der ländlichen Regionen sicherstellen. Bei den Landesmedienanstalten ist man mit der aktuellen Entwicklung anscheinend nicht zufrieden. Im Thesenpapier wird betont, die neuen Mobilfunkfrequenzen sollten "dem Basiszugang" für das schnelle Internet in ländlichen Gebieten dienen und "nicht einem ergänzenden mobilen Internetzugang." Faktisch scheint es anders zu laufen, denn Mobilfunkunternehmen werben vor allem in den Ballungsräumen für schnellen Onlineempfang per Funk. Damit können sie in den Ballungsräumen Geld verdienen, weniger mit dem Aufbau des Mobilfunks für das Internet auf dem platten Land. Die Landesmedienanstalten befürchten, dass der Ausbau der Online-Versorgung per Mobilfunk im ländlichen Raum, nach erfolgter Lizenzvergabe, die Mobilfunkunternehmen kaum interessiert.

Freitag, 11. März 2011

Media Analyse Radio 2011 - Spielwiese für Zahlenjongleure

Am 9. März veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft Media Analyse (AGMA), zu der sich 260 Unternehmen der Werbebranche sowie Private -wie Öffentlich-Rechtliche Rundfunkveranstalter zusammengeschlossen haben, die neuesten Zahlen zur Radionutzung in Deutschland.

Die Media Analyse Radio (MA) wird halbjährlich durch rund 65.000 Telefoninterviews mit RadiohörerInnen über 10 Jahre (incl. Ausländer) ermittelt. Ihre Daten bilden die Währung für den Verkauf der Werbezeiten der Privatradios und der ARD-Werbewellen. Außerdem dienen sie den Sendern zur Selbstdarstellung - und deshalb präsentiert man sich auch immer in Siegerpose.

Ein Vergleich zwischen vollmundigen Pressemitteilungen und realen Zahlen lohnt sich, denn hier kommt man den Tricks der Pressestellen auf die Schliche.

Beispiel gefällig?

Der Südwestrundfunk (SWR) mit Hauptsitz in Stuttgart versorgt mit seinen Fünf öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen das im Staatsvertrag festgelegte Sendegebiet Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz. Dabei werden zwei Werbewellen getrennt in Stuttgart und Mainz produziert: SWR 1 (Information-Oldies) und SWR 4 (Regionales und Schlager). Gemeinsam für beide Länder kommen aus Baden-Baden die Pop-Welle SWR 3 und das Kulturprogramm SWR 2.
Darüber hinaus kann man in einzelnen Regionen beider Bundesländer die Jugendwelle "Das Ding" über UKW empfangen.

In der offiziellen Mitteilung des Senders vom 9. März heißt es zur MA:
"SWR-Intendant Peter Boudgoust sieht in dem erfreulichen Abschneiden einen Beleg dafür, dass die Radiohörer den SWR als unverzichtbaren Begleiter durch den Tag ansehen."
Insgesamt erreichen die SWR-Programme im gesamten Sendegebiet täglich rund 6,44 Millionen Hörer. Damit konnte der SWR im letzten Halbjahr rund 36 000 Hörer (+0,6%) hinzugewinnen.

Also ist die SWR-Radiowelt doch in Ordnung - oder?
  1. Rechnet man Gewinne und Verluste der einzelnen Programme gegeneinander auf, konnten die SWR-Programme nur beim Publikum in Rheinland-Pfalz richtig zulegen. Hier erreichten die SWR-Wellen zusammengerechnet pro Tag 1.636 Millionen Hörer, ein Plus von 34.000 (+2,1%) In Baden-Württemberg stagnierte dagegen der SWR mit 4,804 Millionen Hörern und einem minimalen Zuwachs um 2000 tägliche Hörer (+-0%).
  2. Verschwiegen wird auch, dass SWR 3 zwar in Baden-Württemberg seine Hörerzahl auf täglich knapp 2,32 Millionen (+133.000) steigern konnte, In Rheinland-Pfalz verlor die Pop-Welle mit jetzt 792 000 (-9.000) Hörern dagegen an Zuspruch.
  3. Insgesamt kann das Gesamtergebnis für Baden-Württemberg den Machern eigentlich keine Freude bereiten. Ohne SWR 3 erreichten alle anderen Programme zusammen im Ländle rund 1,49 Millionen Hörer, ein Rückgang um 126.000 (-8,5%).
  4. In Rheinland-Pfalz fiel die Bilanz nicht ganz so negativ aus. Zwar schalteten hier mit 1,21 Millionen Hörern pro Tag 58.000 (-5%) weniger Landeskinder SWR 1, SWR 2 oder SWR 3 ein. Dagegen konnten aber die Jugendwelle "Das Ding" 82.000 Hörer gewinnen (+71%!). Auch die regionale Schlagerwelle SWR 4 konnte in Rheinland-Pfalz mit 491.000 Hörern (+5,6%) deutlich zulegen.
  5. Immer wieder betont der SWR Stolz, dass sein Quotenflaggschiff SWR 3, Bundesweit mit über 4 Millionen Hörern ganz Oben steht. Laut offizieller MA-Statistik hören SWR 3 über 22% der Hörer außerhalb des offiziellen Sendegebietes. Und das schafft nicht nur Freunde, denn die Pop-Werbewelle des SWR "wildert" damit in den Werbegebieten anderer ARD-Radiosender. Vor allem in NRW hat SWR 3 bis hinauf nach Köln und darüber hinaus eine große Fan-Gemeinde. Damit gehen den WDR-Werbewellen ihrem Sendegebiet Nordhrein-Westfalen wichtige Reichweiten und damit Einnahmen verloren.

Donnerstag, 3. März 2011

Digitale Medien - einfach mal abschalten!

Immer mehr Menschen fühlen sich durch die Flut der digitalen Medien- und Kommunikationsagebote genervt. Sie wünschen sich mehr Ruhe und möchten - zumindest für eine gewisse Zeit - davon nicht belästigt werden. Dies ist einer der zehn wichtigsten Medientrends, den das US-Werbeunternehmen JWT-Group für 2011 erwartet. (1)

Mit diesem Wunsch nach "De-Teching" reagieren immer Mehr Menschen auf die technische Entwicklung, die überall und zu jeder Zeit digitale Onlinekommunikation ermöglicht. Sie sehnen sich wegen des 'Overkills' nach einer digitalen Pause im Alltag. Zwar sind diese Menschen nicht grundsätzlich Gegner moderner Kommunikationsmittel, legen aber vermehrt Wert auf den direkten Kontakt zu Menschen. Wie viele dieser Kritiker ihre Geräte wirklich regelmäßig abschalten, darüber finden sich im W&V-Artikel zur JWT-Studie allerdings keine Angaben. Immerhin aber empfiehlt JWT den Werbetreibenden, ihre Kampagnen künftig stärker auf dieses Bedürfnis auszurichten.

Die JWT-Studie basiert auf der kontinuierlichen Online-Befragung von etwa 1000 Personen in Großbritannien und den USA. Außerdem werden von JWT zusätzlich Werbeplaner und Technikexperten befragt.

Die in New York ansässige Werbeunternehmen JWT Communication Group wurde in den USA 1864 von James Walter Thompson gegründet und ist nach eigenen Angaben die älteste Werbeagentur der Welt. Agenturen der JWT arbeitet weltweit unter anderem für Unilever, Bosch, Vodafone und Samsung. JWT gehört seinerseits zur börsennotierten britischen WWP-Gruppe, deren verschiedenen PR- und Werbeagenturen weltweit etwa 138 000 Mitarbeiter beschäftigen. (2)

(1) Quelle: Werben & Verkaufen 5/2011
(2) Quelle Wikipedia