Jüdisches Leben seit dem Altertum
Wann genau die ersten Juden nach Thessaloniki kamen, lässt sich nicht genau sagen. Aber bereits 145 v. Christus lebten hier so genannte Romanoiten. Später kamen im 14. und 15. Jahrhundert Juden aus Deutschland, Ungarn und der Provence in die Stadt. Nachdem der spanische König 1492 alle Juden des Landes verwiesen hatte, siedelten sich etwa 20 000 sefardische Juden, auf Einladung des Osmanischen Sultans, in Thessaloniki an. Dadurch entwickelte sich die Stadt später zu dem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit in Europa. Der Dichter Samuel Usque (1500-1555) nannte die Stadt deshalb: „Die Mutter Israels“. Die Sefarden in Salonika sprachen über die Jahrhunderte das vom Spanischen und Portugiesischen geprägte „Ladino“. Die erste Druckerei wurde hier bereits 1506 von zwei Sefarden gegründet. Zwischen 1865 und 1920 erschienen alleine in Thessaloniki rund 40 verschiedene jüdische Zeitungen und Zeitschriften. Im Jahr 1931 erreichten die jüdischen Tageszeitungen Salonikas eine tägliche Auflage von 25 000 Stück.
Der verheerende Brand von 1917
Während des Ersten Weltkrieges brach im August 1917 im jüdischen Viertel in der Altstadt ein verheerendes Feuer aus. Hier lebten damals viele Kriegsflüchtlinge und in einer der beengten Unterkünfte brach damals das Feuer aus. Es fehlte Löschwasser und so verloren etwa 50.000 Juden ihr Heim, denn erst nach 32 Stunden konnte der Brand gelöscht werden. Nachdem über ein Drittel des damaligen Stadtgebietes zerstört waren, beauftragte die griechische Regierung den französischen Architekten Ernest Hébrard damit, die Innenstadt neu zu errichten. Er ließ Prachtbauten im Art-Deco-Stil und breite Boulevards bauen und so erinnert die Innenstadt noch heute an das Pariser Vorbild.Die jetzt obdachlosen jüdischen Innenstadtbewohner siedelte man in Randbezirken neu an.
War das Verhältnis zwischen orthodoxen Griechen und Juden nach 1912 schon nicht konfliktfrei, so verschärften sich diese nach Ende des Ersten Weltkrieges. Während in Nordeuropa der Frieden im November 1918 kam, versuchte die griechische Regierung ab 1919, große Teile des türkischen Festlandes zu erobern. So sollte etwa Smyrna (heute Izmir), mit seiner großen griechischen Bevölkerung, erobert werden – einige Politiker in Athen träumte gar von der "Befreiung" Konstantinopels (Istanbuls). Diese Pläne scheiterten an der von Atatürk organisierten türkischen Revolution und so vereinbarte man 1923 den Austausch der jeweiligen Bevölkerungsminderheit. In Folge dieser „kleinasiatischen Tragödie“, mussten etwa 1,5 Millionen Griechen in der Türkei und rund 500 000 Türken in Griechenland ihre Heimat verlassen. Für das im Ersten Weltkrieg verarmte Griechenland war das kaum zu bewältigen. Viele Flüchtlinge wurden in und um Thessaloniki angesiedelt. Viele von ihnen lehnten die Juden ab, sie sahen in ihnen Kollaborateure, die von den Osmanen bevorzugt behandelt worden seien. Die Spannungen führten dazu, dass in den 1920er Jahren viele Juden ihr Salonika verließen. Im Jahr 1931 kam es in einem Stadtteil zu antijüdischen Angriffen durch griechische Faschisten, darauf hin verließen weitere 15 000 Juden ihre Heimat.
Vernichtung der Jüdischen Gemeinde im Zweiten Weltkrieg
Trotzdem lebten bis 1941 weiterhin rund 56 000 griechische Juden in Thessaloniki. Mit dem Einmarsch Deutscher Truppen am 4. April 1941 begann sofort ihre Verfolgung. Ihnen wurde umgehend der Besuch von Cafes und Geschäften verboten.
Bundesarchiv, 183-R99237 |
Am 11. Juli 1942 mussten sich, auf Anweisung der Besatzer, alle männlichen Juden zwischen 18 und 45 Jahren auf dem heutigen Elefterios (Freiheits) Platz sammeln.
11. Juli 1942 Elefterios Platz Bundesarchiv 101I-168-0894-20A |
Ein Deutscher Soldat schlägt einen Juden - und seine Kameraden amüsieren sich - Bundesarchiv, 101I-168-0895-07A |
Claude Lanzmann produzierte 1985 den neunstündigen Dokumentarfilm "Shoah" über die Vernichtung der Juden während des Zweiten Weltkrieges. Im Film gibt es keine Foto- oder Filmdokumente über den Massenmord. Überlebende Opfer kommen zu Wort und hier findet sich auch eine Passage über die Vernichtung griechischer Juden in Auschwitz, die aus Thessaloniki und der Insel Korfu dort hin transportiert worden waren.
Schwieriges Erinnern
heutiges Mahnmal |
Alliierter Soldaten vor einem deutschen Schützengraben, der mit jüdischen Grabsteinen ausgebaut worden war. |
Wer sich mehr über das einstige jüdische Leben in Thessaloniki informieren will, sollte auf jeden Fall das 1997 eröffnete jüdische Museum im Stadtzentrum besuchen. Es liegt nicht weit entfernt von der schönen Hafenpromenade und dem Freiheitsplatz. www.jmth.gr/
Siehe Auch: http://www.sueddeutsche.de/politik/holocaust-ueberlebender-heinz-kounio-deutsch-hat-mir-in-auschwitz-das-leben-gerettet-1.2836262-2