Donnerstag, 14. März 2013
Wie man bei der ARD junge Zuschauer angeln will
Bei ARD und ZDF überlegt man, einen eigenen digitalen Fernsehkanal für junge Zuschauer zu starten - neben dem Kika (Kinderkanal) also künftig auch ein JuKa (Jugendkanal). Während sich das ZDF in Mainz eher bedeckt hält, trommelt vor allem der Intendant des Südwestrundfunks (SWR), Peter Boudgoust, schon lange für dieses Projekt. Schaut man sich das junge Programmangebot an, möchte man davon lieber abraten.
NDR: Rambo-Tatort mit Till Schweiger
Beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) hat man sich bei der Jagd auf junge Zuschauer dem Geschmacksdiktat eines Till Schweiger unterworfen. Einst begann dieser seine Karriere als "Joe Zenker" bei der ARD-Soap "Lindenstrasse" - und über seine darstellerischen Fähigkeiten kann man seit dem streiten....
Er hat dem neuen NDR-Tatort "Willkommen in Hamburg" (10.03.13) seinen Stempel aufgedrückt - schwacher Plot, genuschelte und überflüssige Dialoge, aber viel Action und Krawall. Das optisches Repertoire des Kommissars Nick Tschiller variiert zwischen: Ungemachtem Bett und Vor einer Woche gemachtem Bett. Wem´s gefällt... Die Story jedenfalls reichte eigentlich nur für 30 Minuten - den Rest machen rasant geschnittene Actionszenen. Kein Problem hatten die Verantwortlichen des NDR anscheinend mit dem Drehbuch. Schweigers Bulle killt zum warming up erst einmal drei Kriminelle. Davon gefühlsmäßig ungerührt, nuschelt und prügelt er sich dann weiter durch den überschaubaren Plot.
Aber der Erfolg gibt ihm anscheinend Recht und deshalb kommen da keine öffentlich-rechtlichen Bedenken auf. Den NDR-Tatort sahen 12,57 Millionen Zuschauer (33,5% Marktanteil über 10 Jahre). Davon waren 5,21 Millionen zwischen 14 und 49 Jahre alt. Das ist alleine, was für den NDR zählt .
Wie es geht, Action mit anspruchsvollen Drehbüchern zu verbinden, zeigt der Tatort aus Dortmund (WDR) mit seinem durchgeknallten Kommissar Peter Faber, dargestellt von Jörg Hartmann. Immer noch atemlos hinterlassen den Zuschauer die Folgen der leider vom ZDF abgesetzten Serie "Kriminaldauerdienst". (Siehe meinen Blog Mai 2010, "Im Angesicht des Verbrechens")
Aber zurück in die programmlichen Niederungen des SWR....
SWR kopiert auf Eins Plus Privat-TV für Jugendliche
Im Vorgriff auf den geplanten ARD/ZDF-Jugendkanal wurde der vom SWR verantwortete digitale TV-Kanal Eins Plus, weiter trivial aufgemotzt. Täglich zwischen 20.15 und 0.30 Uhr lautet nun die Devise: "Jung – wild – digital: EinsPlus mit der jungen Primetime". Für mich lautet der Dreiklang eher: "Ranschmeißen - Konsumgeil - Trivial".
Hier treibt etwa Spaßbremse Pierre M. Krause sein Unwesen. Er fiel mir vor einigen Jahren auf einer SWR-Pressekonferenz auf, als er seine Wissens-Comedy "Es geht um mein Leben" anpreisen sollte. Um das Niveau seiner Show abzustecken, nannte er als ein Thema: "Wie schmeckt eigentlich Sperma?" Dann erläuterte er den anwesenden Journalisten: "Na so etwa wie Camembert" - da blieb manch Anwesendem das SWR-Häppchen im Halse stecken.
2013 legt der SWR aber bei Eins Plus richtig los. So bietet das Programm seit Januar unter dem Titel "vernetzt - verkuppelt - verliebt" eine Dating-Show. Im Pressetext heißt es: "Drei junge Menschen suchen für einen Single-Freund über soziale Netzwerke im Internet nach einem geeigneten Partner." Sie wählen im Internet Bewerber aus. "Die Drei(...)treffen zunächst gemeinsam auf den Single - heimlich beobachtet(...)." Gähn, Stöhn - mit ähnlich ambitionierten Programmideen pesten uns die Privaten schon seit Jahren.
Weiteres Beispiel gefällig: Am 11. März startete "It´s Fashion". Die Berliner "Top-Modebloggerin Jessica Weiß" zeigt hier zweimal im Monat in 30 Minuten "Fashion, Lifestyle und Trends - alles was man wissen muss, um in der schönen, bunten Modewelt mitreden und mithalten zu können" (SWR-Pressetext). Schaut man sich das mal an (you tube Kanal von eins Plus): schöne Bilder aus Mailand, Logos der Modemarken, Bilder vom Catwalk, Geplauder mit einer Tatort-Schauspielerin - bla bla bla. Das wird natürlich nicht mit Berichten über Sklavenarbeit in Kleiderfabriken Asiens oder die Arbeitsbedingungen der H&M-Heloten aufgebrochen. Wichtiger ist dem SWR, dass die Sendung "aus einem angesagten Berliner Designerladen oder von einer der großen Fashion Shows dieser Welt" kommt. Dazu öffnet dann noch ein "Promigast(...)exklusive Einblicke in seinen Kleiderschrank."
Da sollen doch Nachts die Geister von Antonia Hilke* und Margarete Dünser** den SWR-Verantwortlichen den Schlaf rauben! Solche Fachfrauen würden heute beim SWR nicht einmal mehr am Pförtner vorbeikommen.
Wenn es jedenfalls weiterer Argumente gegen einen ARD/ZDF Jugendkanal bedarf - der SWR arbeitet daran! Debil-trivialen Programmschrott produzieren die Privaten wirklich professioneller .
*Antonia Hilke - Modejournalistin beim NDR, 1922-2009:
http://de.wikipedia.org/wiki/Antonia_Hilke
**Margarete Dünser - Promi-Journalistin beim ZDF, 1926-1980:
http://de.wikipedia.org/wiki/Margret_D%C3%BCnser
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen