Dienstag, 31. Dezember 2013
Product Placement auch bei Koproduktionen von ARD und ZDF?
Wer erinnert sich nicht gerne an den Schimanski-Tatort aus den 1980ern, in dem der Kommissar "Paroli" Hustenbonbons lutschte und während einer Verfolgungsjagd über Kartons mit dem gut sichtbaren Logo stolperte. Damals war "Schleichwerbung" noch verboten und der WDR bekam öffentlich ziemlich Zunder. Gute alte Zeit...
Seit Januar 2013 haben die Ministerpräsidenten die Regeln im Rundfunkstaatsvertrag gelockert. Schleichwerbung bleibt zwar verboten, aber Product-Placement wird unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Das gilt für die Öffentlich-Rechtlichen allerdings nur in Grenzen. So legt § 7 Absatz 7 des Rundfunkstaatsvertrages fest: "Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung (...) sind unzulässig." Produktplatzierung sei aber erlaubt, wenn "das Produkt (...) nicht zu stark herausgestellt" werde. Dies gilt für: "Kinofilme, Filme und Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung, die nicht vom Veranstalter selbst oder von einem mit dem Veranstalter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben wurde" heißt es in § 15 des Rundfunkstaatsvertrages. Privatsender dürfen dagegen Product Placement auch in Eigen- und Auftragsproduktionen zulassen. (§ 44, Abs.1)
Schon bisher mussten ARD und ZDF bei gekauften Programmen - etwa James-Bond Filmen - das dort eingebaute Produkt Placement dulden. So gab es in "Im Angesicht des Todes" sogar Verbal-Placement. Da fragt Roger Moore - Alias James Bond - seine Gespielin, ob sie ihre Katze mit "Whiskas" füttere. Bei einer Eigen- oder Auftragsproduktion müssten ARD und ZDF solche Praktiken unterbinden. Genau das passt aber dem Product Placement Verband und seinem Vorsitzenden, Otto Kettmann, überhaupt nicht. In der offiziellen Pressemitteilung des 11. Product-Placement Kongresses (Stuttgart 23.-24. 10. 2013) findet sich folgende Passage: "Kein Verständnis zeigt Kettmann für die Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender, bei Koproduktionen für das Kino die Produzenten 'zu knebeln' und ihnen zu verbieten, Product Placement zu akquirieren."
Faktisch fordert der Verbandschef der Produktplatzierer, dass künftig ARD und ZDF - zumindest bei Koproduktionen - beide Augen zudrücken sollen. Versüßen wollen sie das mit dem Hinweis, durch Product Placement könnten die Produktionskosten sinken. Es bleibt aber die spannende Frage, ob das im Rundfunkstaatsvertrag festgelegte Verbot des Product Placement bei den Öffentlich-Rechtlichen auch für Koproduktionen gilt.
Der Zuschauer muss sich damit abfinden, zunehmend mit versteckter Produktwerbung in Filmen und Serien traktiert zu werden. Am Ende stehen Filme und Serien, die um Produkte herum entwickelt werden, die man in die Handlung integriert... Na dann: Prost 2014!
Montag, 30. Dezember 2013
Werbeschnüffler contra Pokerfaces
Das Geheimdienste und andere Schnüfflerbehörden mit Computerprogrammen zur automatischen Gesichtserkennung arbeiten, ist seit längerem bekannt. Aber auch Werber, Medien und die Konsumgüterindustrie zeigen daran verstärktes Interesse. So will in Großbritannien die weltweit drittgrößte Supermarktkette Tesco künftig die Gesichter aller Kunden vor den Kassen scannen, dies meldete die Stuttgarter Zeitung am 6. November 2013. Dabei sollen Alter und Geschlecht registriert werden, um innerhalb von Millisekunden auf den Flachbildschirmen speziell für die Zielgruppe produzierte Werbespots abzuspielen. Dabei wird auch registriert, wie lange jemand zuschaut, denn so will Tesco herausbekommen, wie gut der einzelne Spots bei der Zielgruppe wirkt.
In Deutschland versucht aktuell die öffentlich-rechtliche Werbetochter der ARD, Sales & Services GmbH (AS&S) mit ähnlichen Methoden Erkenntnisse über die Wirkung von Radio- und TV-Werbespots zu erhalten.* Für Online-Interviews der Marktforscher wird eine "EmotiCam" benutzt. Der Befragte wird so während des Interviews auf seinem Computer per Web-Cam beobachtet. Während das bei der Wirkungsforschung von TV-Spots bereits seit längerem gang und gäbe ist, wird so jetzt auch die Reaktion auf Radiowerbung erforscht. Dazu wird auf das Computerbild des Gesichts ein Netz aus 143 Punkten gelegt, um so die Mimik der Probanden speichern und auswerten zu können. So sollen die sogenannten "Basis-Emotionen" erfasst werden: Freude, Überraschung, Trauer, Angst, Ekel, Wut. Dabei bediene sich die AS&S des "Facial Action Coding System (FACS)", das in den USA von zwei Psychologen entwickelt wurde. In einer Pilotstudie wurden von der ARD-Werbetochter dazu im Sommer 2013 die Reaktionen von über 480 Versuchspersonen gescannt, denen sechs Radiospots an ihren PCs vorgespielt wurden. Das Ziel der ARD-Werber ist dabei klar: "Der Gesichtsausdruck gibt Reaktionen preis, die rationalisierte Antworten im klassischen Interview nicht liefern können."
Seit längerem steigt die Kritik bei Werbetreibenden an der schwer messbaren Wirkung ihrer Werbespots beim Publikum. Diese setzen die Medienunternehmen deshalb unter Druck, die im Gegenzug versuchen mittels Ausspäh-Techniken den Unternehmen brauchbare Ergebnisse anzubieten. Groß ist nämlich bei Radio- und TV-Managern die Furcht davor, dass zunehmend Werbeausgaben verstärkt in das Internet abwandern. Dort lässt sich lückenlos speichern, wer, wann, welches Werbebanner oder welchen Werbefilm, wie lange online anklickt oder anschaut. http://medienfresser.blogspot.de/2013/05/onlinewerbung-knackt-milliardengrenze.html
Tja und wer künftig beim Besuch des Supermarktes seine Träume und Gefühle für sich behalten möchte? Am besten einen Kurs für Pokerfaces besuchen - oder vielleicht doch eine Burka?
Siehe AS&S-Beilage der Fachzeitschrift Werben und Verkaufen, November 2013
Donnerstag, 28. November 2013
Rechter Populismus in Europa auf dem Vomarsch?
9. November 2013: Der Ratspräsident der Europäischen Union, Herman van Rompuy warnt vor zunehmendem Rechtspopulismus in Europa: "Die Vorurteile gegen andere EU-Bürger nehmen in besorgniserregender Weise zu."
11. November 2013: Die beiden Chefs der rechtspopulistischen Parteien Frankreichs und der Niederlande - Marine Le Pen (Front National) und Geert Wilders (Partei für die Freiheit)- streben ein Bündnis für die Europawahlen an. Originalton Wilders: "Es ist ein historischer Tag, weil heute die Befreiung beginnt. Die Befreiung von der Elite aus Europa."
Die Rechte in Europa rüstet sich für die anstehenden Europawahlen am 25. Mai 2014. Mit populistischen Parolen gegen EU-Bürokraten und den vermeintlichen Vormarsch des Islams wollen sie Wählerstimmen gewinnen. Damit könnten sie diesmal in vielen EU-Ländern Erfolg haben. Das Spektrum reicht von der neonazistischen Chrysi Avgi in Griechenland über die rechtsradikale Jobbik-Partei in Ungarn bis zur 'weichgespülten' Front National in Frankreich, der niederländischen Partij voor de Vrijheid bis zur nationalliberalen Alternative für Deutschland (AFD).
Rechte- und nationalistische Parolen sind aber kein nur von Neonazis gepflegtes Phänomen. Sie haben sich 'Modernisiert' und sind in der "Mitte der Gesellschaft" breit gemacht. Dies zeigte eine Veranstaltung im Stuttgarter Theaterhaus am 26. Oktober 2013: "Rechtsrum?! Wie begegnet Europa antidemokratischen Tendenzen?" Auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen diskutierten Kenner der Szene aus Griechenland, Österreich, Ungarn, den Niederlanden sowie der Bundesrepublik.
Rechter Populismus - ein Reflex auf die Arroganz der Eliten?
Was bedeutet "Populismus" heute? Dr. Erica Meijers, Chefredakteurin der Zeitschrift "De Helling" der niederländischen Grünen (Groen Links) meinte, die Rechte in den Niederlanden versuche mit Parolen wie: 'Schutz des Christlichen Kulturraums gegen den Vormarsch des Islams in Europa' Einfluss zu gewinnen. Sie gäben vor 'im Namen des einfachen Volkes' zu sprechen und formulierten eine 'wachsende Kluft zwischen politischen Eliten und dem einfachen Volk'. Stellvertretende für diese Position sei etwa in Frankreich Marine Le Pen mit ihrem Front National, der sich vordergründig von antisemitischen Parolen verabschiedet habe. In Geert Wilders mit seiner Niederländischen Freiheitspartei präsentiere sich eine vermeintlich moderne Partei, die angeblich für Minderheiten (Schwule) und Frauenrechte eintrete. Diese sieht sie vom 'Vormarsch des Islams in Europa' bedroht. Sie propagierten einen nationalen Individualismus und stünden äußerlich damit im Widerspruch zu klassischen Rechten und deren Ideal eines rassischen Kollektivs. Populisten wie Wilders würden mit ihrer Kritik an den politischen Eliten in den Regierungen, Parlamenten und der EU-Maschinerie einer bisher schweigenden Gruppe der Bevölkerung eine Stimme gebe, die sich benachteiligt fühlte. Deshalb müsse man sich darauf einstellen, noch längere Zeit in Europa mit diesen Populisten konfrontiert zu werden.
Ähnlich argumentierte der in Wien lebende Journalist Robert Misik. Durch die vermeintliche 'Professionalisierung' der Politik, würden sich Politiker und Programme immer ähnlicher. Gleichzeitig habe die Wirtschaftskrise zu massivem Verdruss gegen die herrschende Politik in Europa geführt, der weit über das rechte Wählerpotential hinaus reiche. Auch große Teile der bürgerlichen Mitte sähen sich von einer EU als unkontrollierbarem Monstrum bedroht. Sie teilten die Kritik, dass dort eine politische Klasse auf Kosten der einfachen Leute entscheide. Paradox sei, dass diese Einstellung den Vormarsch der Populisten fördert und gleichzeitig die schrumpfenden etablierten Parteien zu großen Koalitionen zwinge. Damit stabilisiere der Aufstieg rechter Populisten letztlich das von ihnen kritisierte Machtkartell der Eliten.
Dr. Britta Schellenberg von der Universität München wies darauf hin, dass Rechtspopulisten und Rechtsextreme die selben Feindbildern benutzten: 'Volksfremde Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa, korrupte Politiker und herrschende Medien'. Die Vision der klassischen Rechtsradikalen orientiere sich am Polizeistaat. Der Staat habe zu lange diese bedrohliche Entwicklungen bagatellisiert. Dies zeigten die Enthüllungen im Zusammenhang mit der NSU-Terrorgruppe. Gleichzeitig sei die Zahl "regionaler Angstzonen" in Deutschland gewachsen. Dort übten Rechtsradikale faktisch eine Hegemonie aus. Noch gebe es keine Wahlerfolge rechter Populisten, wie es in anderen Staaten der EU der Fall sei. Aber Sozialdarwinismus würde mittlerweile auch bei Wählern etablierter Parteien auf Zustimmung stoßen.
Der Aufstieg der Rechten beginnt nicht erst mit der Krise
Falsch liegen diejenigen, die die Ursache des Aufstiegs der Rechten in Europa alleine der Wirtschaftskrise seit 2008 zuweisen. Darin waren sich für Griechenland Dr. Vassiliki Georgiadou, Professorin für Politik an der Universität Athen und ihr Kollege Athanasios Marvakis von der Universität Thessaloniki einig. Ein historischer Rückblick zeige, dass Griechenland eine junge Demokratie sei, denn erst nach dem Sturz der Obristen-Diktatur im Jahr 1974 habe sie gesiegt. Danach sei es zu einer permanenten Polarisierung zwischen Konservativen und Linken gekommen, so Frau Georgiadou. Bereits in den 1990er Jahren wuchs in der griechischen Gesellschaft Entsolidarisierung und Perspektivlosigkeit. Erst in diesem Umfeld konnte eine Partei wie Chrysi Avgi (CA) mit Aggressivität gegen Migranten und Anti-Parlamentarismus punkten. Professor Marvakis betonte, bereits seit über zehn Jahre lang seien Migranten in Griechenland von Alltags-Brutalität betroffen. Ihnen seien Rechte verwehrt worden und die griechische Gesellschaft habe sie ausgegrenzt. Jetzt bekämen auch arme Griechen dies zu spüren. Insgesamt komme deshalb der Erfolg der CA aus der Mitte der Gesellschaft. Die etablierten Parteien würden ein instrumentelles Verhältnis zum Rechtsradikalismus pflegen, auch seien rechte Thesen zu finden. So sei der Chef der Chrysi Avgi früher Vorsitzender einer Jugendorganisation der Partei gewesen sei, die kurz nach dem Ende der Obristen vom Ex-General Papadopoulos gegründet wurde. Ein Sprecher der konservativen Nea Demokratia habe früher ebenfalls dieser Partei angehört und sei später zur rechten LAOS Partei gewechselt.
In Ungarn ist der rechte Nationalismus bereits an der Macht. Dies machten die Beiträge des Schriftstellers György Dalos und von Jenö Kaltenbach, Professor der Universität Szeged sowie Mitglied der ungarischen Grünen im Budapester Stadtrat deutlich. Zentrale Ursache dieses Nationalismus sei die in der Bevölkerung vorherrschende Sicht, Ungarn nur als Opfer der Geschichte zu sehen. Für Dalos herrscht hier seit Mitte der 1990er Jahre eine politische Haßkultur, die mittlerweile zu einem "kalten Bürgerkrieg" eskaliert sei. Die von der Fidesz-Partei gestellte Regierung unter Viktor Orbàn habe das Ziel, jegliche Opposition im Land zu eliminieren. Wieso haben Orban und die Neonazis der Jobbik-Partei so viel Zusrpuch im Land? „Die Ungarn wollen der Wahrheit über ihre Geschichte nicht ins Gesicht sehen“, meint Kaltenbach. Man sehe sich als Teil der westeuropäischen Demokratien, in Wirklichkeit würden aber die Wertvorstellungen der Ungarn eher zu den autoritär-orthodoxen Ländern Osteuropas passen. Trotzdem will Dalos zumindest die Hoffnung nicht aufgeben: „Der Mensch macht an einem Tag eine Dummheit – am nächsten das Richtige und Wichtige.“
Ähnliche Erfolgsrezepte rechter Populisten in Europa
Trotz unterschiedlicher Situationen in den Ländern Europas zeigen sich ähnliche 'Erfolgsrezepte' rechter Populisten. Sie machen sich berechtigte Kritik an der EU-Politik samt Bürokratie zu Nutze. Gleichzeitig haben viele Menschen
die Hoffnung auf eine Besserung ihrer persönlichen Situation aufgegeben. Die Stärke rechter Populisten sei nicht ihre Genialität, sondern die Ideenlosigkeit der Linken - konstatierte Robert Misik.
Darüber gab es leider keine Debatte auf der Veranstaltung. Die Anpassung vieler Linker an den bürgerlichen Mainstream ist ja in vielen Ländern Europas Realität. Die Entwicklung der Grünen bei uns ist dafür ein treffendes Beispiel. Aber diese Diskussion wurde nicht geführt und so endete die Veranstaltung etwas ratlos. Warum hatte man keine Vertreter von Basisinitiativen eingeladen? Demokratische Gegenwehr entsteht schließlich nur vor Ort. Kaum diskutiert wurde, was man dagegen tun will, dass nationalistische und rassistische Parolen zunehmend auch aus den Reihen etablierter Politik kommen. Nationale Phrasen und Pathos tauchen wieder im Sprachschatz bürgerlicher Politiker auch bei uns auf. So verkündete Volker Kauder im November 2011 auf einem Bundesparteitag der CDU anlässlich einer Debatte um die Euro-Krise stolz: „Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen.“
Jawoll! – den Tonfall kennen wir - „Und es mag am deutschen
Wesen Einmal noch die Welt genesen“* propagierte Kaiser Wilhelm II. 1907 - der Erste Weltkrieg war die Folge...
Winston Churchill bemerkte einst hellsichtig: „Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu Füßen.“
Winston Churchill bemerkte einst hellsichtig: „Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu Füßen.“
* Aus dem Gedicht von Emanuel Geibel
(1815-1884): „Deutschlands Beruf“ von 1861.
Montag, 11. November 2013
Thessaloniki: 54. Filmfestival - Weiter Horizont
Unter Cineasten sind die internationalen Filmfestspiele von Cannes, Venedig oder Berlin eine stehende Größe. Weniger bekannt, aber mittlerweile ein Treffpunkt der Independent-Filmszene, ist das jährlich veranstaltete Filmvestival in der zweitgrößten Stadt Griechenlands - Thessaloniki. Hier finden seit mehr als fünfzig Jahren Regisseure und Produzenten aus aller Welt eine Plattform für ihre Filme. Sie erzählen ihre Geschichten oft auf unkonventionelle Art - dem folgt auch ein Slogan des Festivals: "Open Horizons".
Das diesjährige Festival-Plakat mit dem unendlichen Horizont symbolisierte nicht nur die weltoffene Hafenstadt Thessaloniki. Es ist auch ein Synonym für die Vielfalt der vom 1. bis 10. November gezeigten 150 Filme aus 54 Ländern. Das Festival bot Regisseuren, aber auch unabhängigen Produzenten und Filmunternehmen einen internationalen Treffpunkt. Der Großteil der gezeigten Produktionen kam aus der Mittelmeer-Region, es gab einen Rückblick auf 20 Jahre Filmschaffen der Balkan-Ländern. Aber das Fest in Thessaloniki bietet auch Produktionen aus entfernten Ländern, wie Süd-Korea, den USA oder dem Iran ein Podium. Schwerpunkt in diesem Jahr war das Filmland Argentinien. Mit 43 Produktionen aus Griechenland zeigte sich, dass trotz Wirtschaftskrise ess immer noch eine lebhafte Filmszene gibt. Zum 54. Filmfestival hatten sich 500 Teilnehmer angemeldet - 300 aus dem Ausland und 200 aus Griechenland. Die meisten Zuschauer der Screenings in den sechs Kinosälen waren aber Filmfans aus Thessaloniki. Sie sorgten hier für vollbesetzte Säle - dabei starteten einige Filme bereits am Vormittag. Für das Filmfest war das in alten Lagerhäusern am Hafen untergebrachte Kulturzentrum ein attraktiver Ort. Hallen wurden vor einigen Jahren zum Kino- und Kulturzentrum umgebaut. Hier findet man neben den vier Kinosälen eine Halle für Kunstausstellungen, ein Restaurant sowie ein Film- und ein Fotomuseum.
http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/04/thessaloniki-besuch-im-film-und-im.html
Dimitris Eipides* |
Natürlich hat die Wirtschaftskrise auch das Filmfestival in Thessaloniki nicht ungeschoren lassen. Konnte man das 50. Filmfest im Jahr 2009 noch pompös feiern, müssen die Organisatoren seit dem mit deutlich weniger staatlicher Unterstützung auskommen. Dies wurde auch bei der Eröffnung des Filmfestes am 1. November deutlich. Ohne die Mittel aus der europäischen Filmförderung, die immerhin 80% des Etats abdecken, hätte es wohl auf der Kippe gestanden. Der Direktor des Filmfestivals, Dimitris Eipides betonte, durch die Hilfe der verschiedenen EU-Filmfonds sei es gelungen, den angespannten Staatsetat zu entlasten. Die angespannte politische Situation in Griechenland konnte man bei der Eröffnung des Filmfestivals deutlich spüren. Der Auftritt des aus Athen angereisten
Das Olympion Kino |
Nach den Offiziellen betrat der Ehrengast des Filmfestivals, US-Regisseur Jim Jarmusch, die Bühne.Er wurde vom Publikum mit Ovationen überschüttet. Von diesem Empfang sichtlich gerührt, bedankte er sich für die Einladung - immerhin ein erster Aufenthalt in Griechenland: "Ich bin Stolz, das mein Film die internationalen Filmfestspiele in Thessaloniki eröffnen darf und fühle mich geehrt."
Jim Jarmusch* |
Angekommen im 21. Jahrhundert müssen sich die Untoten nicht mehr selber auf die Suche nach 'Blutspendern' machen, sondern können ihren 'Stoff' über korrupte Krankenhausmitarbeiter oder Blut-Dealer beziehen. Die im marokkanischen Tanger und der US-Stadt Detroit heimischen Vampire kommunizieren - ganz modern - per Smartphone miteinander. Tom in den USA wirkt frustriert über den Niedergang des 'Amerikanischen Traums'. Nachts fährt er regelmäßig durch die Ruinen der einstigen Auto-Metropole Detroit. Seine 'unsterbliche' Liebe, Tilda lebt in Tanger wie ein Alt-Hippie und lässt sich dort vom Blut-Dealer John Hurt versorgen. Die Story ist nicht besonders tief gehend: Vampire versus Globalisierung und leiden unter dem damit verbundenen Niedergang der Gesellschaft. Nett ist auf jeden Fall der Schlussgag - insgesamt wirken die beiden Vampire etwas verloren und damit anrührend.
Jarmusch hat dem Film mit der Musik seiner Band "Sqürl" den richtigen Sound verpasst - kalte Gitarrenklänge scheppern durch eine nächtliche Szenerie...
Nach der Premierenfeier begann dann ab dem Sonnabend (2.11.) die 'Arbeit' - die ersten Vorführungen starteten bereits am Vormittag. Zuvor galt es, unter den Filmen auszuwählen, sich dann Karten zu besorgen um rechtzeitig in den Kinosälen einen Platz zu finden.
Das Kulturzentrum in den alten Lagerhallen |
Nach drei Filmen pro Tag hatte man einen lädierten Rücken vom vielen Sitzen und quadratische Augen vom Zuschauen. Wenn es einem aber zu viel wurde, konnte man sich einfach in das kleine Kaffee im Pressezentrum setzen oder einen sonnigen Platz am Meer suchen. Die Terrasse des Restaurants "kitchen bar", untergebracht in einer der alten Backstein-Lagerhallen, bot einen grandiosen Blick auf die Promenade bis zum Wahrzeichen der Stadt - dem "Weißen Turm". Bei gutem Wetter konnte man sogar in der Ferne den Berg Athos erkennen...
Blick über die Promenade bis zum "Weißen Turm" |
Viel Zeit zum Sinnieren mit Meerblick hatte man aber nicht - denn schon musste der nächste Kinosaal angesteuert werden. Alle Filme auf dem Fest wurden in der Originalfassung mit englischen und griechischen Untertiteln gezeigt. Griechen sind daran gewöhnt, denn teure Synchronisationen lohnen sich für das kleine Land nicht - das gilt auch für das Fernsehen. In Deutschland erwarten wir synchronisierte Filme - allerdings verlieren sie damit oft ihre Atmosphäre. So war es ein Erlebnis in Jarmusch´s-Film die Schauspieler Englisch- oder US-Amerikanisch sprechen zu hören.
Leider ist zu befürchten, dass viele der in Thessaloniki gezeigten Filme keinen Weg in deutsche Kinos oder Fernsehprogramme finden werden. Dabei konnte man im Abspann vieler Produktionen feststellen, das sie oft mit Mitteln deutscher Filmförderungen oder von ARD und ZDF mitfinanziert wurden. So hat die sonst für TV-Schmonzetten berüchtigte ARD-Tochter Degeto das Vampir-Epos von Jim Jarmusch mitfinanziert. Insgesamt stellte die Bundesrepublik mit 38 Produktionen auf dem Filmfestival nach Griechenland und Frankreich das drittgrößte Filmkontingent. Wenn man bedenkt, für welchen Mist ARD und ZDF sonst Gebührengelder ausgeben, konnte man hier mehr als zufrieden sein.
Filme die ins Auge fielen:
"Stop the Pounding Heart"
USA-Italien-Belgien 2013, 98 Minuten.
Roberto Minervini |
Insgesamt ist der Film nicht uninteressant. Man hat aber den Eindruck, dass der Film nur das zeigt, womit die Familie einverstanden war. Auch filmisch ist diese Dokumentation nicht unbedingt ein Genuss...
https://www.festivalscope.com/film/stop-the-pounding-heart
"L´escale - Stop-Over"
Schweiz-Frankreich 2013, 90 Min.Kaveh Bakhtiari |
Bakhtiari gelang diese beeindruckende 'Nahaufnahme' da einer der Männer sein Cousin Mohsen aus Teheran ist. Er wird von der Polizei verhaftet und Bakhtiari gelingt es, das er wieder frei gelassen wird. Später zeigt Mohsen seinen Leidensgenossen blaue Flecken, die er von Schlägen griechischer Polizisten auf der Wache zurückbehalten hat. Später gibt er auf und kehrt nach Teheran zurück - dort wird er wenige Tage später bei einem nächtlichen Überfall ausgeraubt und stirbt. Die Iraner versuchen, von der UN-Organisation in Athen als Flüchtlinge anerkannt zu werden - doch die lassen sich Zeit. Deshalb startet einer der Flüchtlinge einen ultimativen Hungerstreik und näht sich dafür seinen Mund zu. Griechische Medien haben aber kein Interesse am Thema, nur ein paar örtliche Ärzte helfen dem Hungerstreikenden. Seine Situation wird lebensbedrohlich - er steht kurz vor dem Koma. Ein Rettungswagen bringt ihn ins Krankenhaus - er erfährt, dass er endlich einen Flüchtlingspass bekommt. Bei allem ist Bakhtiari dabei und Filmt das Geschehen und damit wird der Mensch hinter dem 'Flüchtling' erkennbar.
http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/l-escale
"La voz de los silenciados"
USA 2013, 90 Min.Maximón Monihan * |
Für den 1969 geborene Monihan ist "La voz de los silenciados" der erste Spielfilm. In Thessaloniki fand die Europapremiere statt, zuvor hatte er den Film auf zwei indischen Festivals gezeigt.
http://www.bricolagista.com/
"Miss Violence"
Griechenland 2013, 98 Min.Alexandros Avranas * |
Nach der Vorführung des Spielfilms von Alexandros Avranas herrschte beklemmende Stille im vollbesetzten Olympion-Kino. Er wirft mit seinem Film einen schonungslosen Blick hinter die Kulissen einer vermeintlich heilen bürgerlichen Familie und damit auch auf die immer noch patriarchalische Gesellschaft Griechenlands. Avranas, der in Berlin studiert hat, sorgte mit seinem Film bereits auf den Filmfestspielen in Venedig für Aufsehen. Dort gewann er kürzlich den Silbernen Löwen für seine Regie. Vor allem die Leistung seiner Schauspieler beeindruckt aber. Themis Panou spielt mit einer Mischung aus Gefühlskälte und explodierender Emotion den Patriarchen. Für die Darstellung des Vaters hat er in Venedig den Volpi-Preis als bester Darsteller bekommen. Eleni Roussinou spielt die älteste Tochter voll ängstlicher Lethargie und Scham mit beklemmender Intensität.
https://www.youtube.com/watch?v=rZ63JuWkSh4
*Fotos von: Motion Team www.motionteam.gr/
Montag, 28. Oktober 2013
Schnelles Internet? Davon kann Otto-Normalsurfer nur träumen!
Stellen Sie Sich vor, Sie kaufen im Fachhandel eine DVD. Der Versuch sie abzuspielen scheitert: Bilder ruckeln oder der Film läuft überhaupt nicht. Sie sind sauer und beschweren sich beim Verkäufer und der antwortet nur: "Nein, Sie bekommen Ihr Geld nicht zurück. Schauen Sie doch in unsere Geschäftsbedingungen!" Und wirklich, im Kleingedruckten finden Sie den Hinweis: 'Die zum Ansehen des Films nötige Bitrate wird von der DVD nicht garantiert.'
Völliger Blödsinn denkt man - aber so arbeitet die Telekom beim Verkauf ihrer digitalen DSL-Anschlüsse. Ich wurde Kunde, um meinen langsamen Internet-Analoganschluss per DSL fit für Bewegtbilder zu machen. Die Werbung versprach mir 16 MB Übertragungsgeschwindigkeit. Nach kurzer Zeit musste ist aber feststellen, dass Filme oft nur ruckelig liefen oder die Bildqualität mangelhaft war. Eine technische Überprüfung ergab, anstatt der avisierten 16 MB bekam ich gerade einmal 2 MB im DSL. Auf meine Beschwerde bei der Telekom bekam ich die Antwort: "An ihrem Wohnort reicht die technische Kapazität für mehr nicht aus." Aber den vollen Preis musste ich schon weiter bezahlen. Bei der Telekom hieß es nur lapidar: Man gebe keine Gewährleistung für die in der Werbung versprochenen Geschwindigkeit.
Bundesnetzagentur kritisiert Netzbetreiber
Im April 2013 veröffentlichte die Bundesnetzagentur den Bericht zur: "Dienstequalität von Breitbandzugängen". (1) Darin heißt es, die Telekommunikationsunternehmen würden die erreichbare Datenübertragungsrate regelmäßig "nur annäherungsweise 'bis zu' " angeben. Folgerichtig konstatieren die Netz-Kontrolleure, es fehle "oft an einer hinreichenden Transparenz, wie viel ein Endkunde von der vermarkteten Bandbreite tatsächlich nutzen kann."
Laut Studie verfügten 2012 bei den DSL-Anschlüssen weniger als ein Fünftel der Kunden (15,7%) über die volle Übertragungsleistung. Gut die Hälfte (51,3%) wurden mit 70% der vereinbarten Geschwindigkeit und fast zwei Drittel (68,2%) sogar nur mit 50% versorgt. Der Wechsel zum TV-Kabel löst das Problem nicht unbedingt, nur gut zwei Fünftel (41,8%) der Onliner erhielten die angepriesene Download-Geschwindigkeit. Allerdings konnten zumindest über die Hälfte (51,4%) immerhin über 90% der vereinbarten Leistung verfügen. Die Internetversorgung per Mobilfunk (LTE Long Term Evolution) bot zumindest 2102 keine Alternative. Gerade einmal ein Fünftel (20,9%) der Mobilfunk-Onliner verfügten demnach über die volle Kapazität. Dagegen musste mehr als die Hälfte (55,59%) sich mit 50% der vereinbarten Geschwindigkeit zufrieden geben.
DSL beherrscht 2012 den Markt für Breitbandanschlüsse
Laut Bundesnetzagentur wird die überwiegende Mehrheit der Breitbandanschlüsse (86,6%) über das Telefonnetz per DSL (Digital Subscriber Line) versorgt. Mit weitem Abstand folgt das TV-Kabel (13,2%), während der Mobilfunk (LTE) im Jahr 2012 gerade 1% der Breitbandanschlüsse in der Bundesrepublik ausmachte.
Nimmt man alle Verbreitungswege (DSL, Kabel, LTE) zusammen, so erreichen laut Bundesnetzagentur die "untersten Bandbreiteklassen" - also bis 2 MB Geschwindigkeit - "die besten Messergebnisse". Bei näherer Betrachtung ist das aber auch nicht gerade berauschend. Gerade einmal zwei Fünftel aller Nutzer (42,6%) der langsamsten Geschwindigkeitsklasse verfügen auch darüber. Die Mehrheit (80%) bekommen gerade einmal 50% der versprochenen 2 MB. Bei mittleren Bandbreiten (8-18 MB) erreicht nur eine Minderheit (6,9%) diese Geschwindigkeit, die Mehrheit (64,4%) muss sich mit der Hälfte zufrieden geben.
Ausbau des Kabelnetzes - wer zahlt?
Laut einem Artikel der Stuttgarter Zeitung vom 25. Oktober 2013 ergab eine Analyse der OECD - Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dass in Deutschland gerade einmal 0,8% der Breitbandanschlüsse über Glasfaser versorgt werden. Damit steht Deutschland auf Platz 27 und damit drittletzter Stelle der hier untersuchten Länder. Allerdings werden in Gebäuden bei uns die TV und Telefonanschlüsse in der Regel noch per Kupferleitungen versorgt. Für einen flächendeckenden Ausbau des Telefonnetzes per Glasfaser bis zum Endabnehmer werden Kosten von 70-80 Mrd € fällig, prognostiziert das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) (2). Woher soll die Telekom aber die Milliarden nehmen? Sie ist für den Netzausbau im Telefonbereich verantwortlich, da ihr die dort die Netze gehören. Seit längerem sinken aber ihre Umsätze beim DSL. Außerdem wurde von den Telekom-Managern viel Geld im defizitären US-Mobilfunk verbrannt.
Fazit: Wer sich auf die Versprechungen der bunten Werbebroschüren der Netzanbieter verlässt, sollte vor einem Vertrage das Kleingedruckte lesen. Geld für den Netzausbau fehlt und viele Unternehmen setzen auf das Geschäft mit Internet per Mobilfunk. Hier haben die Flatrates eine Downloadgrenze. Wer mehr MB braucht, muss dafür extra zahlen . Dieses System will die Telekom künftig bei ihren DSL-Festnetzkunden einführen (3).
In den 1980er Jahren diskutierte man in den USA über die Entwicklung, die die elektronischen Medien (TV und Radio) der Zukunft für die Konsumenten mit sich bringen werden. Damals diskutierte man auch bei uns über die Gefahr des "Information gap". Demnach sei die demokratische Entwichklung gefährdet, weil sich zunehmend eine Lücke zwischen gut Informierten Eliten, die dafür bezahlen können und einer Masse öffnet, die auf kommerzielle Billigmedien angewiesen sind. Im digitalen Zeitalter erhält diese Diskussion neuen Zündstoff. Die Vision des egalitären Internets für alle, scheint eine Illusion gewesen zu sein. Auf der Strecke bleiben nicht nur Ärmere, die sich teure Downloads nicht mehr leisten können, sondern vor allem die Bevölkerung in ländlichen Regionen. Dort lohnt sich für die Konzerne weder der Ausbau des digitalen Telefonnetzes, noch des TV-Kabels und des Mobilfunks.
(1) http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Verbraucher/Breitband/Qualitaetsstudie/AbschlussberichtQualitaetsstudie.pdf?__blob=publicationFile&v=1
(2) Spiegel-Online, 21. Juni 2013
(3) http://www.medienfresser.blogspot.de/2013_07_01_archive.html
http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/04/internet-fur-alle-passee-dank-telekom.html
Montag, 14. Oktober 2013
Sieben-Tage Beschränkung für ARD/ZDF-Mediatheken vor dem Aus?
Die Rundfunkreferenten der Landesregierungen diskutieren
derzeit, ob die zeitliche Beschränkung des Abrufs öffentlich-rechtlicher TV-Sendungen im Internet gelockert oder ganz aufgehoben werden soll. Bisher dürfen ARD und ZDF ihre Sendungen nach der ersten Ausstrahlung nur 7 Tage lang auf ihren Online-Mediatheken per Abruf anbieten. (1) Laut Paragraph 11 d Absatz 2, des Rundfunkstaatsvertrages ist dies für Großereignisse und Spiele der Fußballbundesligen sogar
nur auf 24 Stunden begrenzt.
Einst sollten mit der Regelung die Privatsender sowie kommerzielle Video-Portale vor der Konkurrenz durch ARD und ZDF geschützt werden. Die Öffentlich-Rechtlichen können neben ihren aktuellen Sendungen zusätzlich auch auf ihre umfangreichen Sendearchive zurückgreifen und sie Online anbieten. Gegen diese Konkurrenz würden die Kommerzprogramme ziemlich alt aussehen, vor allem auch wegen ihrer geringen Eigenproduktion. RTL, ProSiebenSat1 und Co kaufen ihre Fiction-Programme vorwiegend bei US-Majors. Für die Verbreitung per eigener Mediathek oder Videoplattform müssen sie aber gesondert die Rechte erwerben. Gleichzeitig sind Zuschauer bisher wenig bereit, für den Abruf eines Film der im Free-TV gelaufen ist, im Internet extra zu bezahlen. Plänen der beiden großen Privatsenderketten (RTL-ProSiebenSat1) zu einer gemeinsamen TV-Bezahl-Plattform im Internet wurde kürzlich kartellrechtlich ein Riegel vorgeschoben. Auch ZDF und ARD scheiterten mit einem gemeinsamen Modell vor den Kartellwächtern.
Fernsehen per Internet zunehmend beliebter
Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse der aktuellen Online-Studie von ARD und ZDF, dass das Interesse am zeitversetzten Online-Fensehen steigt: "Das Internet ist (...) ein Distributionskanal, der für die Verbreitung der Inhalte klassischer Medienanbieter immer wichtiger wird" (2). Im Vergleich zur letzten Onlinestudie 2012 wird konstatiert: "Deutlicher an Zuspruch gewonnen haben das lineare oder zeitversetzte Fernsehen im Netz". (3) Bemerkenswert ist vor allem: "Videoportale sowie die Mediatheken der Fernsehsender zum Live- oder Zeitversetzten Fernsehen werden von Älteren deutlich stärker genutzt als noch 2012" (4) Genau diese Zielgruppe ist für ARD und ZDF wichtig, denn ihre Programme werden gerade von Älteren bevorzugt. Gleichzeitig bietet diese Altersgruppe Wachstumspotentiale, denn während fast alle 14- bis 39-Jährigen bereits das Internet nutzen, sind es bei den über 60-Jährigen weniger als die Hälfte (42%). (5)
Etwa 32% aller Internetnutzer rufen mindestens einmal wöchentlich online Filme ab. Dabei liegen die 14-29-Jährigen (65%)
deutlich vor den 30-49-Jährigen (28%), während bei den über
50-Jährigen erst rund 10% regelmäßig Videoportale nutzen. Die Online-Mediatheken der Fernsehsender besuchen 9% aller Internetnutzer wöchentlich und auch hier liegen die Jüngeren (15%) noch deutlich vor den Älteren (7%). Gerade hier bieten sich Möglichkeiten für ARD und ZDF, Zuschauer für die zeitversetzte Nutzung ihrer Programme zu gewinnen.
Scheitert Mobiles Internet-Fernsehen am schleppenden Ausbau der Infrastruktur?
Die wachsende Zahl der Smartphones und vor allem der, für mobiles Fernsehen attraktiven Tablet-PC, dürfte der Entwicklung zum zeitversetzten Fernsehen einen Schub geben. In den USA wurden zwei Jahre nach Markteinführung über 40 Millionen Tablet-PCs verkauft. Für eine solche Verbreitung hatten die Smartphones in den USA immerhin acht Jahre gebraucht. (6) In Deutschland haben mittlerweile ein knappes Fünftel der Haushalte mit Internetanschluss einen Tablet-Computer (7) Für Deutschland prognostiziert die ARD/ZDF Online-Studie daher "Die Beliebtheit mobiler Endgeräte und der Wunsch der Konsumenten nach "Überall-Internet" werden weiter ansteigen(...)." (8) Fraglich bleibt aber, ob die Infrastruktur des Mobilfunks in der Republik für das Überall-Internet zügig ausgebaut wird. Vor allem in ländlichen Gebieten stöhnen heute die Nutzer über die schlechte Versorgung und langsames Internet. Daran wird sich auch so bald wenig ändern, denn die Mobilfunk-Unternehmen bauen das schnelle Internet - mobil wie per Kabel - hauptsächlich in Ballungsgebieten aus. Seit längerem kritisiert etwa die Bundesnetzagentur (9) , dass Anbieter des digitalen Internets per Telefonkabel (DSL) ihre Kunden oft mit unzureichender Geschwindigkeit versorgen - und das gilt auch für Ballungsgebiete. Für den Ausbau des Mobilfunk-Internets bleibt fraglich, ob dafür genügend Frequenzen zur Verfügung stehen. Derzeit wird diskutiert, bisher für das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T) genutzte Frequenzen an den Mobilfunk abzugeben. Das stößt allerdings bisher auf den Widerstand vor allem bei ARD und ZDF.
Will der Nutzer einen Fernseher zum Surfen im Internet wirklich?
Bei des anlässlich jeder Funkausstellung erneut ausbrechenden Medien-Hypes um neue technische Möglichkeiten, wird der reale Umgang der Konsumenten mit ihren Geräten gerne ausgeblendet. Beispiel: Die "Smarten" Fernsehgeräte mit denen man auch Online surfen kann. Sie findet man aktuell in 15,7 Millionen TV-Haushalten der Republik. Allerdings nutzen davon nur etwa 6,5 Millionen Haushalte (41%) ihre smarte Glotze, um ins Internet zu gehen. Folgerichtig äußern sich die Media Perspektiven eher skeptisch: „Obwohl nahezu jedes neu verkaufte Fernsehgerät einen Internetanschluss hat, steckt die Nutzung noch in den Kinderschuhen.“ Das erinnert einen an die hochkomplexen Radio- und CD-Anlagen, die einst allen möglichen Schnickschnack anboten - wie etwa Zufallsgeneratoren für die Auswahl von Musikstücken verschiedener CDs. Da musste man für das Einschalten seines Radios oder CD-Players eine Ingenieur hinzuziehen....
(1) http://www.media-perspektiven.de/fileadmin/downloads/media_perspektiven/PDF-Dateien/2-Rundfunkstaatsvertrag.pdf
(2) Mediaperspektiven, Heft 7-8/2013, Seite 362
(3) Ebenda, S. 366
(4) Ebenda, S. 364
(5) Ebenda, S. 360
(6) Ebenda, S. 386
(7) Ebenda, S. 373
(8) Ebenda, S. 390
(9) http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/07/medienanstalten-neutrales-internet.html
(3) Ebenda, S. 366
(4) Ebenda, S. 364
(5) Ebenda, S. 360
(6) Ebenda, S. 386
(7) Ebenda, S. 373
(8) Ebenda, S. 390
(9) http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/07/medienanstalten-neutrales-internet.html
Montag, 7. Oktober 2013
Medienanstalt Baden-Württemberg: UKW bleibt "Platzhirsch" beim Radioempfang
Trotz massivem PR-Geklingel für das digitale Radio (Digital Audio Broadcasting DAB) auf der letzten Funkausstellung in Berlin, setzt in Baden-Württemberg die Landesanstalt für Kommunikation (LfK) auch weiterhin auf das analoge UKW. In einer Pressemitteilung vom 30. September 2013 beugt man sich der Realität: "Trotz alternativer digitaler Empfangswege ist das analoge UKW-Radio nach wie vor der Platzhirsch beim UKW Radioempfang und dominiert alle anderen Übertragungswege."
Bemerkenswert. Gerade bei der LfK hat man sich immer für das digitale DAB-Radio stark gemacht. Jetzt heißt es kleinlaut nur noch: "(...)in Deutschland wird (...) über das langfristige Ende des analogen und begrenzten UKW nachgedacht" (!) Das klingt eher hilflos, als Optimistisch. Man pfeift im Keller und erklärt, zwar würden 81 Prozent aller über 40-Jährigen UKW-Radio hören, aber bei den 20-29-Jährigen seien es nur noch 70,7 Prozent. "Hier geht der Trend zum digitalen Gerät." Richtig - nur nicht zum DAB-Empfangsgerät. Zunehmend wird digital Radio über Smartphones per Mobilfunk gehört. trotzdem trommelt die LfK unverdrossen weiter für DAB, hat sie doch gerade in Baden-Württemberg den Ausbau finanziell gefördert. (Anteile der Rundfunkgebühren, die an die Medienanstalten gehen).
Aktuell kann man im Ländle neben den bundesweit per DAB verbreiteten 13 Radioprogramme weitere vier regionale DAB-Radios hören. (1) Für die LfK bedeutet dies einen "Mehrwert gegenüber UKW". Jetzt sollen drei weitere DAB-Radioprogramme hinzukommen sowie ein Kanal für nichtkommerzielles Radio. Diese Lizenzen werden aber erst im Januar 2015 ausgeschrieben werden - abwarten, ob dann jemand noch das Wort "DAB" kennt.....
Aktuell schreibt die LfK, gemäß Landesmediengesetz, die 16 UKW-Sendegebiete in Baden-Württemberg neu aus.(2) Bewerbungsschluss ist Ende Dezember, die neue Lizenzphase tritt Anfang 2016 in Kraft. Dabei wird eines der bisherigen Lokalradiogebiete auf benachbarte Regionen aufgeteilt. (3) Im nächsten Jahr werden dann die UKW-Lizenzen der nichtkommerziellen Radioprogramme und der Hochschul-Lernradios erneut ausgeschrieben werden.
(1) BigFM Worldbeats, EgoFM, Liveradio, Schwarzwaldradio
(2)
- Ein Landesweites Programm - bisher die Jugendwelle Big FM.
- Drei Regionalprogramme (Radio Regenbogen in Baden, Antenne 1 in Nord- und Mittelwürttemberg, Radio 7 Südwürttemberg)
- Zwölf Lokalradioprogramme (Sunshine Live, Energy, Radio 107,7, Die Neue Welle, Hitradio Ohr, Baden.fm, Radio Neckarburg, Radio Seefunk, Donau 3 FM und Radio Ton mit mehreren Standorten)
- 12 Nichtkommerzielle Radios, darunter das legendäre Radio Dreyeckland in Freiburg
- Drei Lernradios der Universitäten in Heidelberg, Freiburg und Karlsruhe
Sonntag, 15. September 2013
Digitalradio DAB - Weitere Subventionen für den "Schnellen Brüter"?!
Überall im Wahlkampf heißt es: Sparen, Sparen, Sparen! Da reibt man sich schon die Augen, wenn man die Pressemitteilung des Hörfunkbeauftragten der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Dr. Gerd Bauer, vom 12. September liest. Er fordert von Bund, Ländern sowie der Europäischen Union die Subventionierung des digitalen Radioprojektes DAB+ (Digital Audio Broadcasting Plus). Seit Jahrzehnten fördern die Landesmedienanstalten den Aufbau der DAB-Infrastruktur aus den ihnen zufließenden Anteilen der Rundfunkgebühren. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben mittlerweile alleine für DAB+ über 40 Millionen € aus Gebührenmitteln beigesteuert.
Jetzt sollen also Steuergelder dem "Schnellen Brüter" der Radiotechnik neues Leben einhauchen. Letztlich ist DAB+ genauso gescheitert, wie 1991 die Plutonium-Technik samt Reaktor in Kalkar. Nur das Projekt zu beenden, traut sich niemand. Dabei liefert der auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin am 10. September vorgestellte Digitialisierungsbericht 2013 der DLM (1) genug Argumente.
Laut Digitalisierungsbericht rechnet die DLM in diesem Jahr mit 3 Millionen DAB-Geräten in 1 786 500 Haushalten. In Deutschland stehen gleichzeitig in den rund 39,7 Millionen Haushalten über 143 Millionen UKW-Empfänger. Folgerichtig stellt der DLM-Bericht fest, die Digitalisierung im Hörfunk sei "noch nicht sehr weit fortgeschritten". Trotzdem bewertet die DLM es euphemistisch als "erstes positives Zeichen", das sich 2012 rund 500 000 DAB-Empfänger "auf dem Markt" befanden - was immer damit gemeint ist.
Schaut man sich die Zahlen etwas genauer an, so bezieht sich die DLM bei ihren Erwartungen auf Erhebungen der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Konsumelektronik (GFU). (2) Demnach wird die Zahl der rund 500 000 DAB-Empfänger in diesem Jahr um weitere 650 000 Geräte "im Markt" zunehmen. Das sind aber immer noch nur knapp 1,2 Millionen DAB-Empfänger und nicht 3 Millionen. Im DLM-Bericht findet sich der Hinweis: "Die GFU-Berechnung erfasst aber nicht den Verkauf von DAB-Radiogeräten im Auto und von Mehrfachempfangsgeräten (Hybridradios)." Darüber hinaus habe die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) (3) im Februar 2013 auf den massiven Anstieg der Nachfrage nach DAB-Empfängern hingewiesen. Daraus folgt für die Medienanstalten: "Insgesamt ist somit von über 2 Millionen DAB-Empfangs-Geräten in Deutschland auszugehen" Anscheinend rechnet die DLM damit, dass in den letzten Monaten des Jahres also rund 1 Million DAB-Empfänger über den Ladentisch gehen.
Verglichen mit der DLM-Prognose für DAB+ ist Kaffeesatz-Lesen seriöse Wissenschaft!
Einen DAB-Empfänger haben, bedeutet aber noch nicht, das er auch benutzt wird - das wissen auch die Chefs der Medienanstalten. Also ließ die DLM von TNS-Infratest 8600 Personen über 14 Jahre dazu befragen. Fazit: "Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll (...) das die analoge UKW-Verbreitung immer noch eindeutig dominiert. 94 Prozent der bundesdeutschen Haushalte verfügen (...) über einen UKW-Empfang, (...) im Durchschnitt über 3,5 Empfangsgeräte" An zweiter Stelle folgt das Internet, immerhin 26,5% hören zumindest gelegentlich online Radio. Digitalradio liegt abgeschlagen mit 5% am Tabellenende.
Die Befragung ergab weiter, das Radio am häufigsten über UKW-Geräte (80%) gehört wird. Mit weitem Abstand folgen in der Präferenz der Empfangs das Internet (5%), sowie Satellit (4,7%) und Kabel (4,7%). "Der DAB-Empfang ist erwartungsgemäß bisher nur für 0,5 Prozent der deutschen Bevölkerung die am häufigsten genutzte Empfangsart", konstatiert der Digitalisierungsbericht.
Angesichts der zunehmenden Verbreitung des Mobilen Internet über Smart-Phones und Tablet-Computer wird demnach der "Verbreitungsweg Internet (...) weiter steigen." Weiter heißt es: "Stärker als DAB+ hat sich bisher (...) die digitale Radioverbreitung über das Internet entwickelt." Wer braucht da also noch DAB+?
Hoffnungen sieht die DLM für DAB+ in Fahrzeugen, denn dort sei Internet "aus technischen Gründen zumindest vorerst noch Vision". Wenn sich die DLM-Direktoren da mal nicht täuschen.
Am 12. September kündigte Reinhard Clemens, Chef von T-Sytems der Deutschen Telekom eine Online-Plattform für den Empfang in Fahrzeugen an: "Wir haben gerade unsere Netzoffensive gestartet, (..) um in den kommenden Jahren Bandbreiten von 105 Megabit pro Sekunde zu erreichen". (4) Nicht nur die Telekom, auch die anderen Mobilfunkunternehmen dürften ähnliche Überlegungen anstellen.
Fazit: Eigentlich dröhnen mittlerweile die Totenglocken für DAB - aber bei der DLM hält man sich weiterhin die Ohren zu. Eigentlich könnte es einem ja egal sein, wenn nicht für das von der technischen Entwicklung längst ins Abseits verdrängte DAB nicht erneut öffentliche Gelder vergeudet werden sollen.(1) Seite 44 - 49
(2) Die GFU ist ein Lobby-Zusammenschluss verschiedener Unternehmen: Astra, Panasonic, Philips, Blaupunkt, Grundig, Samsung, Sony und andere. "Elf führende Unternehmen der Unterhaltungselektronik haben 1973 die Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik in Deutschland gegründet." und "Zentrale Aufgabe und erklärtes Ziel der gfu - Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik sind: Die Veranstaltung der IFA in Berlin sowie Die Information der Öffentlichkeit über die Entwicklung der Consumer Electronics" http://www.gfu.de/home/about.xhtml
(3) Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg misst die Marktanteile der Fernsehprogramme und veröffentlicht regelmäßig einen Konsumklimaindex. Das Unternehmen gehört mehrheitlich (57%) einem Verein, an dem rund 600 Unternehmen und Einzelpersonen beteiligt sind. Selbstdarstellung - Homepage: "Der GfK Verein ist der Think Tank der Marktforschung. Als Non-Profit-Organisation versteht er sich primär als Vereinigung zur Mehrung des für die Erforschung und Bearbeitung weltweiter Märkte relevanten Grundlagenwissens." http://www.gfk-verein.de/
(4) In einem dpa-Interview, laut www.newsroom.de am 12. September 2013
Donnerstag, 5. September 2013
Eins Plus: "Programmoffensive" soll junge Zuschauer sturmreif machen
Mit einer "Programmoffensive" will der digitale ARD-Fernsehkanal - Eins Plus, jüngere Zuschauer gewinnen. "Eins Plus - Fernsehen für Dich!" kündigt das Programmheft ab dem 16. September an.
Das Programm des Digitalkanals Eins Plus besteht derzeit vorwiegend aus Wiederholungen verschiedener ARD-Service-Sendungen und einem Angeboten an junge Zuschauer. Künftig will man mit neuen Formaten und Fiction-Konserven den Digitalkanal für die unter 30-Jährigen attraktiver machen. Sie bekommen auf Eins Plus künftig 16 Stunden Sendezeit am Tag - auch hier wird ein großer Teil der Sendezeit mit Wiederholungen bestückt.
Auf einem Pressegespräch am 2. September in Stuttgart beim Südwestrundfunk (SWR), betonte Eins Plus-Programmchef, Alexander von Harling: Sein Programm sei ein "Entwicklungslabor für junges Fernsehen". Mit neuen Formaten, Dokumentarfilmen, Serien und Spielfilmen will er in der Prime Time (20.15 Uhr) junge Zuschauer gewinnen. Die eigens für Eins Plus produzierte Programme sollen "Spaß machen und junge Lebenswelt transportieren". Damit will von Harling eine "andere Wahrnehmung von Eins Plus" erreichen.
Da hat er ein ziemliches Stück Arbeit vor sich. Bisher wird Eins Plus vom Publikum anscheinend gar nicht wahrgenommen. Zumindest gibt es bisher keine belastbaren Daten über Quoten oder Marktanteile. Dies musste von Harling auf Nachfrage einräumen und erklärte, dafür sei die Datenbasis der Zuschauermessung einfach zu klein.
In Deutschland wird die TV-Nutzung in 5000 Haushalten (10 000 Personen) über eine Settop-Box erhoben. Hier geben die Zuschauer ein, welches Programm sie gerade sehen. Damit sendet Eins Plus also anscheinend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Und wie ist das mit der anvisierten Zielgruppe der jüngeren Zuschauer? Programmchef von Harling verkündete in Stuttgart stolz, in der Prime Time (20.15 bis 0.30) habe man, verglichen mit der Konkurrenz, das jüngste Publikum - Durchschnittsalter: 48 Jahre. Da wirkt es schon Tollkühn, wenn sie jetzt die unter 30-Jährigen ins Visier nehmen.
Einst startete der ARD-Digitalkanal im August 1997 unter dem Namen: EinsMuXx als zeitversetzter Wiederholungskanal für Sendungen des 'Ersten'. Federführend ist für den Kanal der Südwestrundfunk (SWR) in Baden-Baden. Im April 2005 änderte der Digitalkanal seinen Namen in Eins Plus, das Programm wurde auf die Wiederholung der verschiedenen Service- und Ratgebersendung der ARD-Programmfamilie ausgerichtet. Ab März 2009 galt dann die Devise, das Programm zum "jungen ARD Digitalkanal" auszubauen, verkündete damals *SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen. * Damit sollte ein Platz für "ungewohnliche Ansätze und unorthodoxe Formen" geschaffen werden. Andererseits wiederholte Eins Plus aber weiterhin gut abgehangene Service-, Ratgeber- und Wissensformate anderer ARD-Programme. Bereits damals zeigte sich Eins Plus Redaktionsleiter, Jürgen Ebenau, stolz auf den erreichten Altersdurchschnitt der Zuschauer: 50 Jahre.
Damit ist Eins Plus also innerhalb von 5 Jahren der ins Visier genommenen Altersgruppe wahrlich einen gewaltigen Schritt näher gekommen. Na dann bis 2060....cool!
Und mit welchen Geschützen soll jetzt die "Programmoffensive" die jungen Zuschauer zur Kapitulation/Einschalten bringen? (...passe mich da nur der SWR-PR-Sprache an). Programmchef von Harling: "Das Leben soll aus einer jungen Perspektive betrachtet werden." So werden in "Die Backpacker - Auf Klima-Tour durch Europa" zwei Gruppen RucksackträgerInnen nach Gibraltar reisen und dabei möglichst wenig CO2 produzieren. "In Deutschland um die Welt" erkundet der, von mir wegen seiner Eloquenz und sprachlichen Eleganz bereits schon früher geschätzte Pierre M. Krause (siehe Medienfresser 14.03.2013), die Lebenskultur von Migranten in Deutschland. Das Reportageformat "Leben!" bietet Alltagsgeschichten von 16- bis 30-Jährigen in Deutschland.
Gut abgehangene Fiction-Ware aus dem ARD-Fundus soll am Abend dann die Jüngeren anlocken. Jeden Donnerstags ab 22.15 läuft die Serie "Sternenfänger". Laut Wikipedia wurde sie 2002 (!) mit Nora Tschirner und Oliver Pocher von Nico Hofmann (teamWorx Ufa/Bertelsmann-Produktion) produziert. Im Ersten fielen die 26 Folgen durch, deshalb gab es keine zweite Staffel. Es geht hier um Liebe-Triebe am Bodensee. (Na da haben doch "Bonanza" und der "Forellenhof" noch Chancen für einer Wiederauferstehung)
Wie sagte in Stuttgart auf dem Pressetermin doch Thomas Jung, Programmchef des Radiopopsenders SWR 3 zur Perspektive von Eins Plus: "Unser Auftrag ist: Entwicklung, Entwicklung und Innovation!"
Na dann...
* "Leuchturm oder Resteverwertung?", Funkkorrespondenz, 06.03.2009
Montag, 2. September 2013
Merkel / Steinbrück: Politik-Darsteller und Journalisten-Imitate
Im große Töne spucken ist das Fernsehen - privat wie öffentlich-rechtlich - immer gut: "Das TV-Duell" boten am Sonntag Abend (2.9.) ARD, ZDF, RTL und ProSieben ihren Zuschauern. Über 17 Millionen haben eingeschaltet, davon mehr als 10 Millionen das Erste. Während so die ARD auf knapp 30 Prozent Marktanteil kam, waren es beim ZDF mit 3,7 Millionen gerade mal 10 Prozent, RTL wie Pro Sieben kamen auf 2,2 Millionen und 1,5 Millionen Zuschauer. Wer dachte, das die Jüngeren Stefan Raab und sein Programm bevorzugen würden, irrte sich. Mit 3,17 Millionen Zuschauern zwischen 14- und 49-Jahren hatte das Erste mehr, als RTL und Pro Sieben zusammen.
Dabei fragt man sich, ob die Zuschauer im Ersten einfach nur leidensfähiger sind, denn was die ARD da präsentierte war zum Gruseln. Da wurde die Anfahrt der beiden Kontrahenten vor dem Studio in Adlershof gezeigt. Die CDU hatte für Merkel eine Fangruppe herangekarrt. Sie hielten Plakate mit ihrem Konterfei in die Höhe und skandierten Sprechchöre, als würde Mutti in den Big-Brother-Container einziehen.
Günther Jauch versuchte als Grinse-Onkel die Zeit bis zum Beginn des 'Duells' um 20.30 Uhr spannend zu machen - dramatisch lief neben ihm eine Uhr rückwärts auf Null. Ja Null. Wieder einmal stellte er unter Beweis, dass er vielleicht als Quizz-Moderator etwas taugt - einen Journalisten kann man ihn wirklich nicht nennen. Aber da befand er sich ja in guter Gesellschaft zu den "Kollegen", die Merkel und Steinbrück im Studio in die Mangel nehmen sollten.
Der für RTL antretende Peter Klöppel fiel nicht auf - farblos und desinteressiert spulte er seine Fragen ab. Maybritt Ilner vom ZDF blieb ähnlich farblos. Peinlich konnte man nur die hektisch und unkonzentriert wirkende Anne Will für die ARD empfinden. Zu Beginn versuchte sie auf Kernig zu machen, redete aber konfus und ließ sich von Mutti über den Mund fahren. So fiel es dem Pro Sieben-Schlachter-Sohn Stefan Raab leicht, für etwas Pepp in der faden Politwurst zu sorgen. Er versuchte Peer Steinbrück zum Schluss aus dem Konzept zu bringen als er fragte, wen er denn wählen solle, um eine große Koalition zu bekommen. Dies schließt der SPD-Kandidat ja für sich aus. Mehr als wildes Gestikulieren und Lautstärke konnte Raab aber eigentlich auch nicht bieten. Wenn er jetzt wegen seines Auftritts gelobt wird, fällt einem nur der Spruch ein: Bei niedrig stehender Sonne werfen auch Zwerge lange Schatten.
Insgesamt war die Duell-Show mit den vier Fragestellern erneut ein Beleg dafür, wie sehr TV-Journalismus in Deutschland mittlerweile auf den Hund gekommen ist. Mittelmäßige Talkmaster waren mit ihrer Aufgabe überfordert. Aber wir haben eben das Fernsehen, das wir verdienen....
Ach ja, die NSU-Morde der Neonazis waren den Journalisten noch Merkel und Steinbrück nicht einmal einen Halbsatz wert. Soweit zum Thema Integration in der Bundesrepublik und Gefahr von Rechts....
Während nach der Show Jauch bundespräsidentenhaft dröge zur Diskussion lud, blieb Raab konsequent kommerziell. Er lud die Zuschauer zur Telefonabstimmung, wer der Sieger war. Pro Sieben konnte damit wieder an den Telefongebühren mitverdienen...
Mittwoch, 21. August 2013
MDR-Projekt "Völkerschlacht" - alter Hut! SDR 1970: "Journal 1870/71"
Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) will das 'Jubiläum' der Volkerschlacht von Leipzig 1813 mit "Live-Berichterstattung" auf allen Kanälen begehen. Das meldet der "Spiegel" am 18. August. Demnach wird der MDR zwischen dem 14. und 18. Oktober täglich live in seinem TV- und Radioangebot sowie Online über das "aktuelle Geschehen" berichten. In "Live-Schalten" melden sich Korrespondenten von der "Front", aus Paris und Moskau. Auch der für seine Adels-Beweihräucherung gefürchtete Rolf Seelmann-Eggebert steuert aus Paris ein "Interview" mit Napoleons Frau, Kaiserin Josèphine, bei. Moderieren soll das MDR-Spektakel Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni.
Alles schon mal dagewesen: SDR Journal 1870/71 anno 1970
Was 2013 als Experiment daherkommt, ist eigentlich ein alter Hut. Ab dem 27. Juli 1970 präsentierte der Süddeutsche Rundfunk (SDR) in Stuttgart im Ersten Programm ab 21.45 Uhr sein "Journal 1870/71". In insgesamt sieben fast einstündigen Sendungen wurden die Ereignisse des deutsch-französischen Krieges in der Fernseh-Nachrichtensendung eines fiktiven TV-Kanals aus der Schweiz präsentiert. Damals gab sich die Crème de la Crème des deutschen TV-Journalismus die Ehre. Ausgestattet in den Kostümen der Zeit berichteten Heinz-Werner Hübner, Peter Scholl-Latour, Friedrich Nowottny, Ernst-Dieter Lueg, Gert Ruge vom Krieg zwischen Napoleon III. und Deutschland. Sie waren dabei, als Bismarck im Spiegelsaal von Versailles den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser krönen ließ. Auch der Aufstand der Pariser Commune im März 1871 und seine blutige Niederschlagung wurden gezeigt. Die Bilder, die der 'Korrespondent' Georg Stefan Troller vom letzten Widerstand und der Exekution der Kommunarden zeigte, erinnerten schockierend an die damaligen Tagesschau-Berichte vom Vietnam-Krieg.
Ob das MDR-Projekt in der Zeit des Reenactment - also der Nachstellung historischer Ereignisse durch Amateure - und der Scripted-Reality Formate im kommerziellen Fernsehen mehr als den Eindruck flatternder Fahnen, knatternde Mimen und bunter Uniformen erzeugen kann, wir werden es sehen.
siehe auch: http://tvlizenz.swr-media.de/production_detail.cfm?film_id=114
Donnerstag, 8. August 2013
Radionutzung: Private Werbewellen verlieren weiter
Die Manager der privaten Radioprogramme dürften mit den am 16. Juni veröffentlichten Ergebnissen der Hörerforschung (Radio Media Analyse 2013 II) (1) nicht zufrieden sein. Ihre Wellen erreichen bei den 14-49-Jährigen nur noch 7,5 Millionen Hörer pro Werbestunde (Montag-Freitag, 6-18 Uhr). (2) Sie haben hier innerhalb eines halben Jahres rund 263 000 Hörer (-3,4,%) verloren. Vergleicht man dies mit vor einem Jahr, fällt das Minus noch deutlicher aus (-450 000 oder -5,7%). Dagegen konnten die Werbung ausstrahlenden Radioprogramme der ARD gewinnen, sie legten um +84 000 Hörer (+1,7%) auf 5,15 Millionen zu. Alle Werbeprogramme zusammengerechnet erreichen bei den 14-49-Jährigen stündlich etwa 12,7 Millionen Hörer (40%). Bezogen auf alle Einwohner ab 10 Jahre, schalten stündlich 23,5 Millionen (32%) einen öffentlich-rechtlichen- oder privaten Dudelsender ein.
Die 14-49-Jährigen sind für den Verkauf von Werbezeiten der Radioveranstalter immer noch die wichtigste Zielgruppe, sie gelten als Konsumfreudig und für neue Produkte ansprechbar. Dabei liegt der Hauptgrund für den Rückgang der Hörerzahlen im demografischen Wandel - Die Bundesrepublik wird also immer älter. Knapp 73,4 Millionen (+10 Jahre, incl. deutsch sprechende Ausländer) Einwohner hat die Bundesrepublik. Innerhalb von sechs Monaten sank aber der Anteil der 14-49-Jährigen um -400 000 (-1,1%) auf 37,5 Millionen. Dagegen stieg die Zahl der über 50-Jährigen um eine halbe Million (+1,6%) auf 32,9 Millionen. Deutlich negativer ist die Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen (10-19), ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sank auf 7,9 Millionen, das sind 180 000 weniger, als noch vor einem halben Jahr (-2,3%).
Ältere Zielgruppe wächst - ARD-Werbewellen profitieren
Die wachsende Zahl der über 50-Jährigen freut vor allem die Verantwortlichen der ARD. (3) Sie konnten ihren Höreranteil um +185 000 auf 6,5 Millionen erhöhen und den Abstand zu den Privaten ausbauen. Privatsender konnten zwar auch zulegen - um 36 000 Hörer 50+ pro Werbestunde auf 4,1 Millionen. Aber die Entwicklung dürfte den Managern der Privaten Kopfschmerzen bereiten. Im Gegensatz zu den ARD-Landesanstalten, die auf unterschiedliche Altersgruppen fixierte Werbewellen verbreiten, orientieren sich die meisten Privatsender an der Zielgruppe 14-49.
Für die Werbetreibende Wirtschaft müsste eigentlich die steigende Zahl älterer Menschen wichtiger werden. Immerhin kamen 2012 etwa 520 Millionen € der insgesamt 1,5 Mrd € Werbeeinnahmen (brutto) des Hörfunks alleine aus den Sparten Handelsorganisationen (REWE, Kaufhof und Co.) PKW und Möbelhäuser (4). Ältere gelten schon lange nicht mehr als Konsummuffel, sondern werden als wachsende und kaufkräftige Käuferschicht erkannt. Bereits 2007 stellte eine Studie des Bundesministeriums für Jugend fest: Die Hälfte aller Konsumausgaben in den Sektoren Nahrungsmittel und Bekleidung werden von über 50-Jährigen getätigt.
Die Zahl täglicher Radiohörer nimmt ab
Neben den Hörern pro Werbestunde ist für die Messung des Erfolges eines Radioprogramms auch die Reichweite wichtig, also wie viele Hörer pro Tag einschalten. Die Reichweite ist für die Macher der Werbewellen und werbefreie Programme gleichermaßen eine wichtiger Maßstab. Auch hier werden die MA-Ergebnisse vor allem den Privaten nicht gefallen haben. (5) Insgesamt sank innerhalb eines halben Jahres die Tagesreichweite aller Radioprogramme um -350 000 auf 58,2 Millionen Hörer(+10 Jahre). Damit blieb sie zwar mit 79,7% der Bundesbevölkerung (+10) auf dem Stand der letzten Zählung vor einem halben Jahr. Aber die Öffentlich-Rechtlichen Programme konnten um knapp +600 000 auf knapp 39 Millionen Hörer zulegen und vergrößerten den Abstand zu den Privatsendern. Diese verloren im selben Zeitraum über -530 000 Hörer und werden noch von knapp 32,5 Millionen Menschen täglich eingeschaltet.
Demografischer Wandel auch bei den Reichweiten
Sieht man sich die Entwicklung der Reichweite in unterschiedlichen Altersgruppen an, so kommt das Radio bei den 10-19-Jährigen auf knapp 5,4 Millionen tägliche Hörer (-71 000). Den Hörfunk nutzen demnach 68% der Jugendlichen. Auch hier konnten die Öffentlich-Rechtlichen mit rund 2,8 Millionen Reichweite zulegen (+50 000). Die Privaten verloren dagegen (-88 000), bleiben aber weiterhin Marktführer bei den Jüngsten mit 3,8 Millionen Hörer pro Tag. Trotzdem scheint hier der Trend eher weg vom Radio zu gehen. (Siehe auch) http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/03/die-jungsten-horer-wandern-ab.html
Auch die Zahl der Hörer zwischen 14 und 49 sinkt, nur noch 29,3 Millionen (-900 000) dieser Altersgruppe schalten täglich ein Radioprogramm ein. Dabei mussten die Privatradios den Löwenanteil (-808 000) der Verluste verkraften, sie erreichen derzeit täglich noch etwa 20 Millionen Hörer und bleiben trotzdem auch hier vor den Öffentlich-Rechtlichen. Die ARD-Radios konnten aber mit über 17 Millionen Hörer pro Tag und einem leichten Minus (-20 000) aufschließen.
Bei den über 50-Jährigen hat die Reichweite des Hörfunks zugenommen. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung ist auf mehr als 32,9 Millionen (+532 000) gewachsen. Von ihnen schalten täglich fast 26,9 Millionen (+630 000) ein Radioprogramm ein, dabei konnte hier die ARD mit 20,6 Millionen Hörern (+663 000) überproportional zulegen. Die Privaten erreichen in der Zielgruppe nur 10,8 Millionen Hörer (+217 000).
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Offiziell will man aber Ruhe auf dem Radiomarkt. So teilt der Radio-Branchenverband "Radiozentrale" in seiner Pressemitteilung mit: "Stabiler Kurs: Radionutzung in Deutschland auf konstant hohem Niveau" - weist dabei allerdings auf den demografischen Wandel hin. Für die ARD und den größten Vermarkter privater Radiosender, die RMS-Radio Marketing Service GmbH ist das kein Thema. Hier haut man lieber wieder auf die Pauke: "ARD-Radiosender an der Spitze" und "(...)in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen (...) ist der Abstand (...) beachtlich."
(1) Für die Radio Media Analyse werden halbjährlich per Telefon die Hörer befragt. Dabei werden fast 70 000 Interviews geführt. Es werden die Daten für 387 in Deutschland verbreitete Radiostationen abgefragt, davon 53 ARD-Programme.
(2) Media Analyse Radio 2013/II, Hörer pro Werbestunde, Montag-Freitag, zwischen 6-18 Uhr, deutschsprachige Hörer 14-49 Jahre, Quelle: Radio Marketing Service RMS-MA-Trend.
(3) ARD Werbung AS&S MA 2013 Radio II zu 2013 Radio I
(4) Media Perspektiven Heft 6/2013, S. 319
(5) ARD Werbung AS&S MA 2013 Radio II zu 2013 Radio I
Montag, 29. Juli 2013
Medienanstalten: Neutrales Internet ! - Allerdings nur für´s Fernsehen
Die
Pläne der Telekom, eine Volumenbegrenzung ihrer DSL-Flatrates vorzunehmen, wenn ein Nutzer eine bestimmte Menge abgerufener Bits überschreitet, sorgt seit Monaten für öffentlichen Protest. Dies würde faktisch das Ende der Gleichberechtigung der Internetnutzer im DSL-Netz bedeuten. Nur wer bereit ist, für übertragene Datenmengen mehr zu bezahlen, wird dann Filme oder aufwendige Sites abrufen oder eigene Angebote online stellen können. Dabei will die Telekom die Nutzer ihrer TV-Plattform "Entertain" sowie deren Programmlieferanten von der Datenbremse ausnehmen. Dies hat die Direktoren der Medienanstalten der Bundesländer (DLM) am 16. Juli 2013 zum Protest veranlasst. (1) Sie fordern das Bundeswirtschaftsministerium auf, den Telekom-Plänen einen Riegel vorzuschieben.
Vollmundig verkündet die DLM-Pressemitteilung: „Medienanstalten
fordern eine klare Vorgabe zur Sicherung
der Netzneutralität“. Sind die Medienwächter damit an die Seite der Kämpfer für die Gleichberechtigung im Internet getreten? Nur bedingt, denn in einem Anhang heißt es auf Seite 4: "Gegen die Volumenbegrenzung als solche erheben die
Medienanstalten (...) keine Einwendungen, solange es der Entscheidung
des Nutzers überlassen bleibt, in welchem Umfang er welche Dienste über
das offene Internet bezieht." Gegen eine Volumengrenze oder eine von der Bezahlung abhängige Geschwindigkeit des Internets, haben die Direktoren der Medienanstalten keine Vorbehalte. Sie wehren sich nur dagegen, dass die Telekom ihre Plattform "Entertain" von der Begrenzung ausnehmen will.
Telekom will das TV-Geschäft ausbauen
Im Jahr 2012 hatte "Entertain" bundesweit knapp 2 Millionen zahlende Kunden, die über das DSL-Telefonnetz der Telekom versorgt werden. Die Kabel-Konkurrenz, Kabel Deutschland und Unitymedia/Kabel Baden-Württemberg haben für ihre Premium-TV-Angebote 1,2 Millionen sowie 2,2 Millionen Abonnenten gewinnen können. Damit stiegen die Abo-Zahlen innerhalb eines Jahres bei Kabel Deutschland (+17,1%) und bei Unitymedia/Kabel BW (+25%). Aber auch die Telekom konnte mit "Entertain" (+26%) deutlich zulegen. (2) Die Kabelfirmen, wie auch die Telekom erhoffen sich im TV und dem schnellen Internet profitable künftige Geschäftsfelder.
Die Telekom will mit der Volumenregelung nicht nur mehr Abonnenten und Anbieter für die TV-Plattform "Entertain" gewinnen, sondern an ihnen auch mehr verdienen. Derzeit bietet die Plattform 348 verschiedene TV-Angebote (3). Für das Paket "Grundausstattung" mit 140 TV-Sender, Telefon- und Online Flatrate) müssen die Abonnenten monatlich bis zu 50 € bezahlen. Für weitere Programmpakete, wie etwa dem seit Juli 2013 buchbaren Sky-Pay-Angebot entstehen dann zusätzliche Kosten. Will man "Entertain" Mediathek mit tausenden Filmen zum Download nutzen, werden weiter Gebühren fällig, genauso wie für gestochen scharfes Bild (HD). Rechnet man das zusammen, ist der außerdem noch fällige monatliche Rundfunkbeitrag für ARD und ZDF (17,98 €) eine Nebensächlichkeit. Die Telekom wittert jedenfalls eine lukrative Einnahmequelle, und will deshalb auf ihrer 'DSL-Autobahn' per Volumenbremse die 'Überholspur' für ihre "Entertain" Premiumkundschaft freiräumen.
DLM: Telekom setzt auch Anbieter von Inhalten unter Druck
"Die Vorzugsbehandlung einzelner Anbieter soll Inhalteanbieter motivieren, für die Ausnahme aus der Volumenbegrenzung zusätzlich zu bezahlen. Dadurch forciert die Telekom einen Verhandlungszwang für die Inhalteanbieter", warnt die DLM. Damit greife sie in den Wettbewerb der Online-Inhalteanbieter ein, meint Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der DLM, und betont, dies sei "inakzeptabel". Die DLM fordert eine Regelung durch das Bundeswirtschaftsministerium: "Netzbetreiber sollten (...) keine Vereinbarungen mit Inhalteanbietern abschließen dürfen, nach denen deren Angebote aus einer Volumenbegrenzung ausgenommen werden." Die Medienanstalten befürchten zu Recht, das "ein veritabler Anteil der Nutzer dazu neigen wird, Angebote zu nutzen, bei denen mit einer Überschreitung der Volumengrenze und einer nachfolgenden Drosselung nicht zu rechnen ist." Dies gehe dann zu Lasten der offen im Internet verbreiteten Angebote. Deshalb fordert die DLM eine Regelung, die einen Ausschluss von Angeboten von einer Volumenbegrenzung untersagt.
Die Telekom fürchtet ihrerseits die wachsende Konkurrenz der Kabelunternehmen bei Fernsehen, Telefonie und Internet. Noch ist die Telekom hier Marktführer mit mehr als 12,4 Millionen Breitband-Kunden (49%) im DSL-Festnetz. Die Kabelunternehmen haben aber in den letzten drei Jahren aufgeholt. Im Jahr 2012 hatte sie 4 Millionen Haushalte (16%), die das Breitband-Angebot von Kabel Deutschland und Unitiymedia/Kabel BW nutzten. Die Entwicklung dürfte weiter zu Lasten der Telekom gehen, denn das Kabel lockt neben Fernsehen und Telefon-Flatrate vor allem mit schnellem Internet (Triple Play). Die Telekom muss dagegen über ihr Telefonnetz auch die DSL-Angebote von O2, 1&1 und Vodafone transportieren - da wird´s eng und vor allem langsam im alten Baum-Verteilnetz.
Kritik an Internetgeschwindigkeit des Telekom-DSL
Im April 2013 stellte die Bundesnetzagentur, zuständig für die Kontrolle der Telekommunikation, immer mehr Beschwerden der Telekom-DSL-Kunden fest. Entgegen der vollmundigen Telekom-Werbung mit hohem Daten-Volumen, stünden dem Nutzer in der Realität viel geringere Mengen zur Verfügung. Bis zum Jahresende (4) bietet die Netzagentur Online jedem Nutzer einen Selbsttest seiner Download-Geschwindigkeit an.
Ich selbst kann, obwohl in einem Neubaugebiet wohnend, 'Entertain' gar nicht abonnieren, da die Telefonleitung der Telekom dafür nicht ausreicht Von meinen gebuchten 16 MB in der Flatrate, kann mir die Telekom gerade einmal 2 MB zur Verfügung stellen.
Die Telekom steckt in einem Dilemma. Kabelnetzbetreiber haben ihre Kapazitäten in den letzten Jahren zügig ausgebaut. Zwischen 2005 und 2011 investierten sie jährlich mehr als 20% ihres Umsatzes. Diese stiegen in diesem Zeitraum von 2,2 Mrd € auf 4,4 Mrd. €. Dagegen haben Unternehmen der Telekommunikationsbranche, wie etwa die Telekom, nur etwa die Hälfte des Umsatzes reinvestiert. Gleichzeitig sank der Umsatz der Telekom im Festnetz von 25,6 Mrd € auf 15,5 Mrd €. (5) Kein Wunder, hatte die Telekom doch Unsummen im US-Mobilfunk versenkt, die abgeschrieben werden mussten. Jetzt versucht man im TV-Geschäft und mit den volumenbezogenen Internet-Gebühren Umsatz machen.
EU-Kommission beerdigt Internet-Gleichheit
Die öffentliche Kritik richtet sich derzeit gegen die Pläne der Telekom, aber auch die anderen Internetanbieter würden eine solche Regelung begrüßen. Online-Geschwindigkeit abhängig davon, wie viel der Kunde bereit ist zu zahlen, das bringt Geld in die Kasse. Einst lockte man die Bürger mit günstigen Flatrates ins Netz, jetzt ist der Markt gesättigt und die Nutzer sollen so richtig gerupft werden. Dagegen scheint auch die Europäische Kommission keine Einwände zu haben. Im Gegenteil, Zeitungsberichten zufolge, soll ein Entwurf für die Regulierung des Telekommunikationsmarktes erlauben, dass Anbieter von Inhalten und Provider Volumentarife vereinbaren dürfen.
(1) http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/04/internet-fur-alle-passee-dank-telekom.html
(2) Jahrbuch 2012/13 der Landesmedienanstalten S. 83
(3) http://www.telekom.de/dlp/eki/downloads/Entertain/Allgemein/Senderliste_Entertain.pdf
(4) www.initiative-netzqualität.de
(5) Mediaperspektiven, Heft 6/13, S. 342 und 345