Kaum hatte der
Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 25. März sein
Urteil über die Zusammensetzung der Gremien des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) (1) verkündet, reagierten Medien, Gewerkschaften und Politik mit allgemeiner Zustimmung. Bei der sonst analytisch agierenden Wochenzeitung
"Die Zeit" titelte man euphorisch:
"Ein süßer Sieg". Auf den ersten Blick haben die Richter dem ungenierten Hineinregieren der Politiker in die Gremien des ZDF und den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen Riegel vorgeschoben.
"Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss (...) dem Gebot der Staatsferne genügen, Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder (...) konsequent zu begrenzen.
- Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder nicht übersteigen.
- Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung (...) konsequent staatsnah auszugestalten."
Die Richter setzten den Gesetzgebern jetzt eine
Frist, sie müssen bis zum
30. Juni 2015 eine mit dem Grundgesetz konforme Neuregelung der Besetzung der Rundfunkgremien finden. Bei der künftigen Zusammensetzung mahnen die Richter, dass dort
"auch kleinere Gruppierungen, die nicht ohne weiteres Medienzugang haben, Berücksichtigung finden" sollen. Damit will man
"den Gefahren einer Dominanz von Mehrheitsperspektiven und einer Versteinerung der Zusammensetzung der Gremien" entgegenwirken. Schon seit Jahren fragt man sich, warum etwa immer noch die organisierten Heimatvertriebenen in Rundfunkräten sitzen, dagegen VertreterInnen der bei uns lebenden Migranten kaum berücksichtigt werden.
Ein Richter kritisiert das Urteil
Der Erste Senat urteilte nicht einstimmig. So fordert
Richter Andreas Paulus den
Ausschluss staatlicher- oder staatsnaher Vertreter aus den öffentlich-rechtlichen Gremien. Darüber hinaus dürften
Parlamentsabgeordnete oder Parteivertreter nur "
in eng begrenzter Zahl" Sitz und Stimme im ZDF-Fernseh- und Verwaltungsrat erhalten. Paulus kritisiert die Inkonsequenz seiner Richterkollegen, ihr Urteil trage
"wenig dazu bei, eine (...) direkte Einflussnahme der Politik auf die Rundfunkanstalten zu verhindern."
Zur Begründung verweist
Paulus auf die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgericht, dort habe sich gezeigt, dass "
die Rundfunk und Fernsehgremien ein Spielfeld von Medienpolitikern aus den Ländern" seien, die dort
"ihre medienpolitischen Konzepte (...) zu verwirklichen suchten." Weiter kritisiert er das Treiben der sogenannten roten und schwarzen
Freundeskreise im ZDF-Fernsehrat.
"Die nichtpolitischen Miglieder des Fernsehrates werden dadurch politisch 'eingenordet'. Die offiziellen Gremiensitzungen folgten weitgehend den Absprachen dieser Freundeskreise.
"Wer sich der politisch-bipolaren Struktur nicht unterordnet, begibt sich damit jeden Einflusses. Auf diese Weise (...) wir keine gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt sichergestellt, sondern vielmehr die (...) Durchsetzung politischer Interessen ermöglicht."
Folgerichtig fordert Richter Paulus, dass Regierungsmitglieder:
"Konsequenterweise (...) von der Mitgliedschaft im Fernseh- und Verwaltungsrat ausgeschlossen" werden
. Sonst sei zu befürchten, dass das
"Versprechen eines staatsfernen Rundfunks und Fernsehens auch nach der nunmehr 14. Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts unerfüllt bleibt."
Öffentlich-Rechtliche - Qualität statt Quotenjagd
Einig waren sich die Richter in der Forderung, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
"unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anbieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht.(...) Er hat hierbei insbesondere auch solche Aspekte aufzugreifen, die über die Standardformate von Sendungen für das Massenpublikum hinausgehen." Gleichzeitig betonen sie, der Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio bestehe nicht in einer
"Mindestversorgung oder auf ein Ausfüllen von Lücken und Nischen, die von privaten Anbietern nicht abgedeckt werden, sondern umfasst die volle Breite des klassischen Rundfunkauftrags".
Gerade diese Forderung ist wichtig, angesichts der zunehmend seichten Programmangebote von ARD und ZDF in der Prime-Time ihrer Hauptprogramme. Vor allem in den ARD-Dritten setzt man zunehmend auf niedrigstes Niveau - zumindest in der Prime-Time zwischen 18 und 22 Uhr. Dort gibt man sich vorwiegend betulich und heimelig, Programmtrailer zeigen ein Bild des betreffenden Bundeslandes oder der Regionen, die wie Werbung für Zeitschriften im Stil von
"Landleben" oder
"Landlust" wirken. Schwierige Themen oder moderne Präsentation stören nach Ansicht einiger Verantwortlicher den Zuschauer beim Entspannen vor dem Fernseher. Jede Gefahr für die 'heilige Kuh' - den audience flow - soll vermieden werden
http://www.medienfresser.blogspot.de/2014/02/swr-2014-katzenberger-schwatzen-grillen_7707.html
http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/07/swr-sudwest-fernsehen-bringt-mehr.html
(1)
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/fs20140325_1bvf000111.html