Montag, 22. Februar 2021

SWR 2021 - im digitalen Rausch?!

 

 

...keine Schnittchen bei der SWR Video-PK
Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR), Kai Gniffke, gab am 5.Februar in Stuttgart den Kurs des Senders für 2021 vor. Die Anstalt solle auf allen Online-Kanälen zum digitalen "big-player" im Südwesten werden, an dem "niemand vorbeikommt". Die üblicherweise analog vor Ort im SWR-Funkhaus stattfindende Programm-Pressekonferenz, fand dieses mal - Coronabedingt - per Video statt. Passend dazu lautete Gniffkes Credo: Der Erfolg des SWR hänge nicht mehr vorrangig von den Marktanteilen linearer Angebote ab, künftig sei der individuelle Abruf von Sendungen und Beiträgen (on demand) über alle Online-Plattformen entscheidend.

Ein Blick in die Pressemappe bestätigt die angekündigte Marschrichtung.  Online-Verbreitung  - von Dokumentation und Information bis zu fiktionalen Sendungen - über Youtube, Instagram und die ARD-Mediathek. Die linearen Radio- und TV- Programme spielen anscheinend nur eine nachrangige Rolle. Da wunderte es auch nicht, dass im Gegensatz zu früheren Pressekonferenzen, der Hörfunk mit seinen sechs Programmen (SWR 1- 4, DasDing, Inforadio) - auf dieser PK kein Thema waren. Entsprechend kurz fiel dazu auch das Statement der für den Hörfunk zuständigen Direktorin Anke Mai aus. Sie stellte das Online-Programm:  "Jacobs Wissensreise" in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Die Sendereihe orientiert sich an "breaking lab" einem Youtube-Kanal des Physikers Jacob Beautemps. Das Format wird in Köln von einer privaten Produktionsfirma für youtube  hergestellt. (1) Künftig soll der junge Wissenschaftler für den SWR online als  "Sciencefluencer" junge Zuschauer für Wissenschaft interessieren. 

2020 - an einem Tisch

Auf die in den ARD-Anstalten (WDR, NDR) zu beobachtenden Entwicklung zur Ausdünnung kultureller Wortangebote angesprochen, meinte Mai, es könne auch beim SWR nicht alles bleiben wie es ist, es müsse "nachjustiert" werden. Was das etwa für das SWR 2 Kulturprogramm bedeutet, erläuterte sie nicht. Es gebe allerdings auch eine positive Entwicklung der Abrufe der Podcasts im Hörfunk. Der Intendant meinte nachdenklich, Kultur drohe 'unter die Räder zu kommen'. Allerdings hänge ein Erfolg eben nicht nur von der linearen Nutzung ab, Online-Abrufe von Sendungen und Beiträgen spielten eine wichtige Rolle. Ein Blick in die Zahlen der ARD-Audiothek, scheint ihm recht zu geben. So wurden im Januar in den ARD-Programmen rund sechs Millionen mal Audioformate abgerufen - eine MiIlion mehr als im Monat zuvor (Branchendienst DWDL, 5. 2. 21).     

Mit Online-Formaten MigrantInnen erreichen


Für die Direktorinnen der SWR-Landessender für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz (Stefanie Schneider und Simone Schelberg) steht das Thema Online ebenfalls ganz oben auf der Agenda. Mit neuen Talk-Sendungen und Reportagen, will man auf youtube und instagram verstärkt junge Nutzer mit Migrationshintergrund ansprechen. Seit Jahren tut sich der SWR schwer, die kulturelle Vielfalt der Bevölkerung im Programm und bei den ModeratorInnen auf dem Bildschirm und am Mikrophon abzubilden. Während andere ARD-Anstalten (WDR, NDR) hier in den letzten Jahren vorangegangen sind, wirkt das Südwestfernsehen gerade im Regionalen oft bemüht heimelig und provinziell, frei nach dem Motto: Bloss den Zuschauer 60+ nicht überfordern.... Im Jahr 2019 hatten ein Drittel der Einwohner Baden-Württembergs einen Migrationshintergund (Statistisches Landesamt). Im Programm merkt man das kaum - weder im Fernsehen, noch im Hörfunkangebot. Darauf angesprochen, räumten die Landessender-Chefinnen
Simone Schelberg
Defizite ein. So meinte Schneider, man habe mit der Förderung zu spät begonnen, "Bildschirm-Gesichter" würden nicht einfach "vom Himmel fallen", aber daran arbeite man. Für ihre Kollegin Schelberg geht es darum, die neuen Online-Formate Schritt für Schritt auch in das lineare Programm zu integrieren - dabei befinde man sich "auf einem guten Weg."   

Online, Instagram, Youtube und Co, das wirkt beim SWR in schwierigen Zeiten schon wie ein Fetisch, der für die erfolgreiche Zukunft beschworen wird. Weder für die beiden, für die Landesprogtramme zuständigen Direktorinnen, noch beim Fernsehchef, Clemens Bratzler, spielt anscheinend das lineare Programm noch eine primäre Rolle. Dabei prägen die Landesprogramme im Südwestfernsehen (18-20 Uhr), wie auch die politischen Magazine am Donnerstag nach der Tagesschau ("Zur Sache BW" - "Zur Sache R-P") den 'Markenkern' des SWR. Dazu zählen ebenso die erfolgreichen Vebrauchersendungen "Markt Check" oder das Wissenschaftsmagazin "Odysso" - auf der Programm-PK kein Thema.  

SWR-Programmdirektor Bratzler stellte heraus, künftig im Fiction Bereich neue Wege einschlagen zu wollen - natürlich: On Demand. So wird nur auf Instagram das Leben der Widerstandskämpferin Sophie Scholl präsentiert, als hätte es die Technik damals (1942) gegeben. Damit will er jüngere Zuschauer erreichen und für das Thema interessieren. Auf diese Online-Fixierung angesprochen, meinte Bratzler, natürlich nutze der SWR auch seine linearen Programme dafür, aber on-demand sei man nicht so von Marktanteilen und Quoten abhängig. Hier könne der SWR mehr ausprobieren, einige Dokumentationen seien auf Youtube erfolgreicher gewesen, als linear. 

SWR - digital mit Werten... 


Für Intendant Gniffke ist ist der Kurs damit klar: "Der SWR ist in Bewegung, im Umbau und auf dem Weg zu einem digitalen Medienhaus mit Werten". Es gelte inhaltlich Vielfalt und die Widersprüche darzustellen und dafür setze die Anstalt auf die digitale Transformation. Gespart werden muss allerdings auch - und das unabhängig von der Entscheidung des Verfassungsgerichtes über die Anhebung der Rundfunkabgabe. Sparpotentiale wollte der Intendant aber nicht nennen. Einen Stopp des technischen Ausbaus beim digitalen Radio DAB+, wie vom Deutschlandradio jetzt verkündet, will Gniffke anscheinend nicht. Er halte das Projekt nicht für ein 'totgerittenes Pferd', wie manche behaupten würden. Immerhin hätten künftig alle neu zugelassenen PKW auch eine Empfangsmöglichkeit für DAB+ Programme. Überzeugend klingt das nicht, sieht man in die Pressemappe unter dem Titel: "Technik-Innovation made by SWR". Hier wird nur das gemeinsam mit der Automobil- und Telekommunikationsbranche geplante Projekt für den mobilen Empfang: "Ausbau eines 5G-Netzes" vorgestellt. Der Empfang von Radio- und Bewegtbild über Mobilfunk hat jetzt schon DAB+ bei den Nutzern abgehängt.

Bleibt abzuwarten, ob der SWR mit seiner On-Demand-Strategie beim Publikum - gerade dem jüngeren - Erfolg haben wird. Dafür spricht, dass die ARD-Mediathek im Januar 2021 rund 170 Millionen Aufrufe verzeichnete - 20 Millionen mehr als einen Monat zuvor (Online-Branchendienst DWDL). In den letzten 12 Monaten verzeichnete die ARD- Mediathek rund 1,4 Milliarden Abrufe. Dabei wird allerdings nur gemessen, wie oft ein Titel angeklickt wurde, also weder, wie lange geschaut, noch wieviele Nutzer es waren. Vor ein paar Wochen ging eine Meldung durch die Presse, dass Netflix im Dezember 2020 in Frankreich ein lineares Programm anbieten will: „Viele Zuschauer*innen mögen die Idee eines Programms, bei dem sie nicht entscheiden müssen, was sie schauen wollen“, erklärte das Unternehmen dazu (Kino.de 10.11.20) Ob sie dies auch in Deutschland planen, hängt demnach vom Erfolg in Frankreich ab.

Fazit: Video-Pressekonferenzen sind zwar einerseits bequem, man muss sich nicht in Schale werfen und zum SWR-Funkhaus fahren. Andererseits gibt es keine Möglichkeiten, nebenbei mit Veranwortlichen zu sprechen und sich buchstäblich ein eigenes Bild zu machen - der Sender bestimmt das Sehbare - von Schnittchen und Getränken ganz abgesehen. Positiv ist zu vermerken, dass die SWR-Chefetage - im Gegensatz zu früheren Tagen - unter Gniffke offener kommuniziert, als seine Vorgänger.    


(1) Der Youtube Kanal wird vom Kölner TV-Unternehmen I&K produziert, das einst Günther Jauch und heute zum Investment-Unternehmen KKR gehört.

2021 einsam zu Zweit.....


hoffentlich bald wieder wie 2018...