Mittwoch, 29. Mai 2019

SWR-Intendantenwahl 2019: 'It's a man's world'...




Kai Gniffke nach der Wahl
Erleichterung im Saal
Als am 23. Mai 2019 gegen 13 Uhr in Stuttgart das Ergebnis des zweiten Wahlgangs für den Intendantenposten beim Südwestrundfunk (SWR) bekannt gegeben wurde, reagierten viele im Saal überrascht und erleichtert. Die Rundfunk- und Verwaltungsräte hatten im zweiten Anlauf Kai Gniffke, Chefredakteur ARD-Aktuell (Tagesschau-Tagesthemen) gewählt. Immerhin hatten noch eine Stunde zuvor im ersten Wahlgang weder Gniffke, noch Stefanie Schneider, SWR-Landessenderdirektorin in Baden-Württemberg, die dazu nötige Mehrheit erreichen können. Das Wahlverfahren der Zweiländeranstalt SWR fordert für eine erfolgreiche Wahl nicht nur die Mehrheit aller Stimmberechtigten des gesamten Rundfunk- und Verwaltungsrates. Dazu ist auch die Stimmenmehrheit der
...zuvor Kopf an Kopf Rennen
Gremienmitglieder aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erforderlich. Diese hatte aber im ersten Wahlgang keine Bewerber erreicht, Frau Schneider hatte aus Baden-Württemberg zwar die nötige Stimmenzahl erhalten, in Rheinland-Pfalz aber weit verfehlt. Umgekehrt hatte Gniffke dort breite Zustimmung erhalten, aber nicht genug Stimmen aus Baden-Württemberg bekommen. Sichtlich konsterniert hatten sich nach dem gescheiterten Wahlgang die Gremienmitglieder zu getrennten Beratungen zurückgezogen.
Das dauerte länger als gedacht, anstatt der geplanten 30 Minuten, brauchten sie mehr als eine Stunde, bevor der zweite Wahlgang erfolgen konnte. 

Erster Wahlgang gescheitert - Konfusion
Im Saal warteten derweil die Journalisten und einige SWR-Hierarchen und Redakteure und hatten Zeit zum Spekulieren. Auffällig war, das manche nicht überrascht waren. "Ich habe mir gestern Abend auf einen Zettel geschrieben, wie votiert wird und es ist jetzt genauso eingetroffen." kommentierte einer trocken. Nicht wenige rechneten sogar, dass auch der zweite Wahlgang scheitern würde. Ein Dritter wäre dann erst in sechs Wochen möglich gewesen - so schreibt es der Staatsvertrag vor. Mancher im Saal fragte sich, ob sich Gniffke das antun, oder das Handtuch werfen würde. 


Voll besetzte Pressebänke
 
Der SWR hatte für die Intendantenwahl groß aufgefahren, so wurde die Sitzung per life-stream im Internet übertragen. Erstmals waren auf der Pressebank die Plätze per Namensschild zugeteilt - sonst erscheinen höchstens ein bis zwei Medienvertreter zu den Sitzungen. Diesmal war rund ein Dutzend Berichterstatter im Saal, dazu Kamera- und Radioteams des SWR. Das Medieninteresse hatte eine einfache Ursache, hatte es doch im Vorfeld der Wahl öffentlich Auseinandersetzungen um das Verfahren und die Kandidatenkür gegeben. Nachdem der amtierende Intendant, Peter Boudgoust, im Dezember 2018 überraschend den vorzeitigen Rückzug vom Amt angekündigt hatte, war das Kandidatenkarussel medial in Schwung gekommen. Aus dem Haus hatten sich neben Schneider weitere Bewerber gemeldet, ein Findungsausschuss der SWR-Gremien hatte aber dem
Boudgoust und Büttner schauen zu

































Rundfunk- und Verwaltungsrat nur Gniffke und Schneider zur Wahl vorgeschlagen. Dagegen protestierte ein Gremienmitglied in der Presse, er verlangte ein Anhörung auch der anderen Bewerber. Der SWR-Verwaltungsdirektor Jan Büttner hatte dann seine Kandidatur schriftlich zurückgezogen und in einem Brief, aus dem in der Tagespresse zitiert wurde, die Zustände im SWR kritisiert. Demnach sei es auch 20 Jahre nach Gründung des SWR nicht gelungen, die Konflikte zwischen den verschiedenen Standorten zu lösen. 





'Einzug der Gladiatoren'.....


Auf der öffentlichen Sitzung des Rundfunk- und Verwaltungsrates erhielten beide Kandidaten die Gelegenheit, in fünfzehminütigen Statements ihre Bewerbung zu begründen. Kai Gniffke verzichtete auf das Stehpult, nahm sich ein Mikrophon und präsentierte sich als lockerer Anchorman. Dabei geht ihm durchaus der Ruf voran, im Umgang mit Mitarbeitern oftmals den "Harten Hund" und machtbewussten Macho zu geben. Zumindest war dies in zuvor in Presseberichten kolportiert worden. So kam mir bei seinem Vortrag der Verdacht, er habe zuvor beim Frühstück viel Kreide verdrückt, denn umgehend kündigte er an, als Intendant viel mit den SWR-Mitarbeitern reden und eine "gute Veränderungskultur" im Sender erreichen zu wollen. So müsse man auch mal Mitarbeiter in den Arm nehmen können, außerdem wolle er Führungspositionen im Sender paritätisch mit Frauen besetzen. Spannend - sind doch beim SWR beide Landessender-Direktorenposten mit Frauen besetzt. Gniffke kündigte weiter an, in Baden-Baden ein programmliches Kreativ-Center einrichten zu wollen: "eine Hexenküche für neue Formate", mit dort entwickelten Fiction Formaten wolle er auch Netflix Paroli bieten können. Gleichzeitig müsse die bisherige Aufgabenverteilung im Sender und zwischen den Standorten einer Prüfung unterzogen werden. Gniffke betonte, beim SWR-Fernsehen werde künftig effizienter gearbeitet werden, um Kosten zu sparen. Sein Credo: der SWR müsse mehr mit den Menschen reden, auch mit denen "die uns weghaben wollen." 

Stefanie Schneider - öffentlich immer etwas steif und trocken - stellte sich hinter das Stehpult und referierte. Sie konzentrierte sich in ihrem Vortrag auf ihre langjährige Kompetenz und ihre Verdienste: "Ich kennen den SWR, seine Stärken, seine Schwächen, seine Untiefen". Sie betonte, der SWR erreiche täglich mit seinen Radioangeboten sieben Millionen Hörer und mit dem Dritten Fernsehen drei Millionen Zuschauer. Deshalb sei der SWR ein starker Sender "und keine Klitsche!" Auch sie möchte ein Entwicklungslabor für neue Formate einrichten und die Kompetenzverteilung zwischen den Standorten diskutieren. Künftig müssten die permanenten Abstimmungsprozesse reduziert werden, dabei dürfe aber kein Standort "unter die Räder kommen" betonte die Landessenderdirektorin. Ihr Wunsch: Mehr Querdenker im SWR, um so die verschiedenen Kulturen im Sendegebiet erreichen zu können. Schneiders Credo: "Ich möchte in den nächsten Jahren mehr über Journalismus reden im Sender!" 


In - oder auf den Arm nehmen...?!

Wer nach den Bewerbungsreden mit einer lebhaften Diskussion gerechnet hatte, wurde enttäuscht, es gab nur wenige Nachfragen. Dabei hätte es genug Themen gegeben: Sparzwang, Arbeitsverdichung, Outsourcing, heimattümelnde Programmangebote im Fernsehen, keine Moderatoren mit Migrationshintergrund beim Südwestfernsehen. Der Grund für das vermeintliche Desinteresse der Gremienmitglieder lässt sich leicht erklären. Wie in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten üblich, gibt es politisch zugeordnete  "Freundeskreise". Sie tagen immer vor den Gremiensitzungen und hier werden Themen wie Postenvergaben diskutiert. Beim SWR gibt es davon Vier: Die Schwarzen (CDU-Nah), die Roten (SPD-Nah), Lila (Frauen) und Graue (Unabhänge). Darauf angesprochen meinte ein Gremienmitglied, die Kandiaten hätten dort zuvor ihre Vorstellungen präzisiert. Für diese - nichtöffentlichen - Sitzungen, stellt der SWR Räume zur Verfügung. Schon bemerkenswert, denn diese 'Freudeskreise' sind in keinem Staatsvertrag als Gremien vorgesehen.

Was lernen wir?


Schon bezeichnend, wenn beide Kandidaten einerseits eine offenere Diskussionskultur forderten, faktisch aber alles nichtöffentlich hinter verschlossenen Türen stattfindet. Transparenz sieht anders aus. Auf Nachfrage erklärte man mir, es sei nach der Wahl keine Pressekonferenz mit dem neuen Intendanten geplant. Darauf angesprochen meinte ein Mitglied der Geschäftsführung trocken: "Fordern Sie das doch ein!" 


Äffle und Pferdle - vom  Markenzeichen zum Garderobenständer...
Andererseits: Früher wäre eine Wahl noch geräuschloser über die Bühne gegangen, eine Konfusion, wie nach dem ersten Wahlgang, hätte es nicht gegeben. Ein Grund dafür ist, dass sich die Zusammensetzung der Gremien geändert hat, der staatliche Einfluss musste, aufgrund des ZDF-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, reduziert werden. Zu einer offenen Gesprächskultur nach außen hat das bisher nicht geführt. 

Erneut ist beim SWR ein Mann zum Zuge gekommen. Bezeichnenderweise hatte es zuvor Medienberichte gegeben, die über ein persönliches Zerwürfniss zwischen den beiden Landessenderdirektorinnen spekuliert hatten. Ja ja, typischer Zickenkrieg also, dass lässt sich medial gut verkaufen - so arm....Nie hat man bei der Wahl von Boudgoust oder seines Vorgängers Peter Voß - bekannt für seine herrische Art - in der Presse ähnliches lesen können.

Intendant Gniffke wird es nicht einfach haben, denn die SWR-Landessenderdirektoren haben viel Macht, ihnen unterstehen die Redaktionen für die getrennten Landesprogramme (Radio SWR 1, SWR 4 - Südwestfernsehen, Landesschau, Zur Sache). Die beiden Direktorinnen dürften Gniffke schnell klarmachen, dass er seine Pläne nicht ohne Kooperation mit ihnen umsetzen kann.


Und wo bleibt das Positive? Zumindest beim Catering hatte der SWR - diesmal wenigstens - von alten Traditionen Abstand genommen. Servierte man früher neben belegten Häppchen den bekannten schwäbischen Eintopf "Gaisburger Marsch", bekamen die Gremienmitglieder diesmal nach getaner Arbeit ein Multi-Kulti-Buffet - sogar an die Veganer unter ihnen hatte man gedacht...... 


Zm Nachlesen
SWR 2019: ...time to say goodbye