Dienstag, 20. Mai 2025

Stammheim und die RAF - 50 Jahre 'Deutscher Herbst'

Prsäentation des Doku-Dramas im Stuttgarter Metropol-Kino

 

Ein halbes Jahrhundert ist es her, als in Stammheim der Prozess gegen die RAF-Mitglieder: Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Andreas Baader und Gudrun Ensslin begann. Er endete 1977 mit der Verurteilung der drei Angeklagten wegen mehrfachen Mordes - Ulrike Meinhof hatte sich bereits 1976 selber getötet.

Der Südwestrundfunk (SWR) hat dazu, gemeinsam mit Spiegel-TV zum 50.Jahrestag des Prozessbeginns das Doku-Drama: "Stammheim - Zeit des Terrors" produziert. In einem Mix aus dokumentarischem Material und Spielszenen werden die internen Auseinandersetzungen zwischen den vier RAF-Mitgliedern in einem klaustrophobischen Kammerspiel dargestellt. Für den Film konnten erstmals nicht nur die schriftlichen Abhör-Protokolle der Gespräche der Gefangenen, sondern auch die Tonbandmitschnitte ausgewertet werden. Während der Gerichtssaal in Stammheim schon vor langen Jahren abgerissen wurde, steht der Zellentrakt immer noch so da wie im September 1977. Er wird heute zu Übungszwecken der Justiz-Beamten genutzt. An den Türen hängen immer noch Schilder mit den Namen der RAF-Insassen. An den Original-Schauplätzen zu drehen, sei für alle bedrückend gewesen, sagte nach der Vorführung die Berliner Schauspielerin Tatiana Nekrasov, Darstellerin von Ulrike Meinhof.

Das Doku-Drama konzentriert sich auf den Prozess der Selbstzerstörung einer isolierten Gruppe - politische Zusammenhänge und Ursachen wurden nur kurz im Vorspann des Filmes angedeutet: Studenten-Revolte, Demonstrationen, Schah-Besuch und die Erschiessung des Studenten Benno Ohnesorg durch einen Polizisten, das Attentat eines Rechtstradikalen auf Rudi Dutschke. 

Für die, die diese Zeit erlebt haben, ich war 1976 gerade 22 Jahre alt und politisch links engagiert, trotzdem ein interessanter Film. Der Stuttgarter Ortsteil Stammheim - ich lebe nur wenige Kilometer entfernt - löst bei mir immer noch Beklemmungen aus. Ein Symbol für die "Bleierne Zeit' und den 'Deutschen Herbst", nach der Entführung Hans Martin Schleyer und der Lufthansa-Maschine Landshut - dem Tod der vier RAF-Gründer in Stammheim. 

Hatte man lange Haare oder politische Aufkleber am Auto, wurde man mit Sicherheit bei Polizeikontrollen angehalten. Der Staat wollte damit auch die Linke insgesamt und die wachsende Bewegung gegen Atomkraftwerke einschüchtern. Bei Kontrollen - vor allem in der Dunkelheit - musste man sich bei Strassensperren vor nervösen Polizisten mit Maschinenpistole im Anschlag vorsehen - keine hastigen Bewegungen machen. So etwas habe ich selber in Tübingen erlebt. Dabei war die RAF in der zersplitterten linken Szene weitgehend isoliert. Die Sympathiesanten der 'Stadt-Guerilla' von RAF bis 'Bewegnung 2. Juni' und 'Revolutionären Zellen' bekamen wegen der, auch international kritisierten Haftbedingungen, zwar Solidarität - ihre Politik wurde aber mehrheitlich abgelehnt. Ich erinnere mich noch gut an Veranstaltungen in Hamburg und Bonn, auf denen SympathisantInnen des 'bewaffneten Kampfes' Solidarität mit den Gefangenen, aber auch ihren Zielen einforderten. Dies scheiterte regelmässig, die Stimmung stellte sich schnell gegen sie.

RAF und Stammheim 2025

Ist dasThema RAF und Stammheim nach einem halben Jahrhundert 'auserzählt? Stefan Aust, der mit seinem Buch "Der Baader-Meinhof-Komplex" ein Standardwerk geschrieben hat meinte in Stuttgart auf Nachfrage: "Nein, solange nicht geklärt ist, ob die Abhöranlagen der Gespräche in der Nacht des Selbstmordes von Raspe, Baader und Ensslin an oder abgeschaltet waren." Der Staat war durch Abhören des interne Informations-System der Gefangenen - von Raspe gebaut - gut informiert. Er dürfte damit auch über den gemeinsam geplanten Selbstmord gewusst haben. Die am 18.Oktober 1977 in Stammheim schwer verletzte Irmgard Möller, einzige Überlebende der Nacht, ist - heute in Freiheit - von einem staatlich angeordneten Mord überzeugt.

Interessant sind die Szenen des Films, in denen die Gefangenen die Besetzung der Deutschen Botschaft 1975 in Stockholm ablehnten. Das galt auch für die  Entführung der Lufthansa-Maschine 1977 durch ein Palästinenser-Kommando. Baader, Raspe und Ensslin wussten nicht, was da zur 'Big Raushole'  geplant war - isoliert und fragten sich, wer die Akteure seien. Sie boten staatlichen Vertretern, die sie in Stammheim besuchten und damit der Regierung in Bonn an, sich in einen Staat ausfliegen zu lassen und niemals wiederzukehren. Helmut Schmidt und seine Regierung wollten sich aber nicht, wie 1975 nach der Freipressung von sechs Terroristen durch die Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz, erneut 'vorführen' lassen. Die blutige Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hans Martin Schleyer am 5.September 1977 mit vier Todesopfern, setzte allen Verhandlungen ein Ende. Ihrerseits haben die RAF-Gefangen in Stammheim nie öffentlich die Aktionen zu ihrer Freipressung kritisiert. 

Die Bundesrepublik 1977 im 'Deutschen Herbst' erlebte ich als äußerst repressiv. Gleichzweitig eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen Staatsmacht und wachsender Umweltbewegung - Wyhl, Brokdorf, Grohnde, Wackersdorf, Gorleben.

Brokdorf 
Der Staat versuchte, unterstützt von der Springer-Presse, die Anti-AKW-Bewegung in die Terroristen-Ecke zu drängen. 'Le Feldwebel' Schmidt demonstrierte, wer das Sagen im 'Modell Deutschland' hatte. Das "Mehr Demokratie wagen" Willy Brantds war mit seinem Sturz vorbei. Ich erinnere mich an eine Machtdemonstration anlässlich einer großen Friedensdemos in  Bonn gegen die Nato-Nachrüstung. Unser Zug lief an einer Behörde entlang, dort stand der Chef der GSG 9, Ullrich Wegener, auf einem Balkon und liess es nicht nehmen, uns jovial höhnisch zuzuwinken. Er hatte 1977 den Einsatz der 1972 gegründeten Anti-Terror-Polizeitruppe zur Befreiung der Lufthansa-Maschine in Mogadischu geleitet.       

Ein besonderes historisches Kapitel ist die 'Übersiedelung' (1980-1982) von insgesamt acht RAF und 'Bewegung 2.Juni' Mitglieder in die DDR. Sie lebten und arbeiteten dort bis zum Untergang der DDR 1989 unerkannt, überwacht von der Staatssicherheit. Vermutungen, die Bundesregierung sei Teil des Deals mit der Aufnahme durch die DDR  gewesen, teilt Stefan Aust nicht. Darauf in Stuttgart angesprochen verneinte er und sagte, er sei heute mit einem der damalien Stasi-Verantwortlichen gut bekannt. 

Fazit: Insgesamt ein sehenswerter Film, mit beeindruckenden DarstellerInnen. 

Kritik: Die Tendenz zu Doku-Dramas nimmt zu - früher wurden Dokumente und Fiction deutlich getrennt. Es ist fraglich, ob dadurch Fakten nicht entwertet werden - der Zuschauer nicht mehr unterscheiden kann zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Bei französischen Arte-Produktionen wird zunehmend mit animierten Szenen gearbeitet. Bald dürfte KI am Computer erstellte Szenen liefern, die man von Original-Aufnahmen nicht unterscheiden kann.

Buchtipp: Willi Winkler, Die Geschichte der RAF. Rowohlt Taschenbuch Auflage 2008


Dienstag, 28. Januar 2025

Meine Deutsch-Französiche Familiengeschichte Teil XIII

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 


 

Überleben zwischen Schwarzmarkt und Hamsterfahrt

 

Zwar hatte Heinz jetzt legale Papiere und durfte in Hamburg bleiben – aber damit entfielen auch die doppelten Lebensmittelkarten aus Hamburg und Stade. Überall blühte der Schwarzmarkt und alle versuchten auf 'Hamsterfahrten' ins Umland Lebensmittel einzutauschen. Man machte Witze um Bauern, in deren Kuhställen sich teure Teppiche stapeln würden - eingetauscht gegen Milch, Butter und Speck. Der Winter 45/46 war besonders hart in Deutschland - gerade in Hamburg. Überall mangelte es an Brennmaterial für die Öfen in den Wohnungen. Heinz Schwester Käthe erzählte: „Zäune wurden eiskalt im Dunkeln demontiert und auf Schleichwegen nach Hause geschleppt. Dort wurden sie dann im Keller zerkleinert.“ Bäume in der Nachbarschaft seien über Nacht gefällt und abtransportiert worden. „Ich stand bei Minus 30 Grad 'Schmiere'“, erinnerte sie sich. Auch Holzzäune in der Umgebung verschwanden und wärmten die Wohnungen in Pöseldorf. Heinz war allerdings als Holzdieb nicht begabt. Im 1946 erschienenen Buch 'Briefe aus der Quarantäne' beschreibt er: „Dieser Tage war auch ich als ‚Illegaler’ unterwegs. Mit einer großen Baumsäge bewaffnet, hatte ich mich mit einem Bekannten zusammen auf den Weg gemacht, um im Vorgarten einer benachbarten Hausruine einen Rotdorn zu fällen.“ Dabei seien sie von einer Bewohnerin überrascht worden und unter wüsten Beschimpfungen vertrieben worden. Heinz schwor  danach, lieber wolle er im kalten sitzen, als noch einmal als illegaler „Holzhackerbua“ ertappt zu werden. 

 

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Sonntag, 15. Oktober 2023

Chios Herbst 2023: Feuer, Kunst, Schiffe, Schnecken und Wähler

Die Westküste - Blick von Volissos

 

Der Herbst hat auf Chios seine besonderen Seiten - dieses Jahr bot die Insel seinen Besuchern im September und Oktober wärme und wolkenlosen Himmel. Das Wasser der Nord-Ägäis war noch warm genug für ein Bad im Meer - vor allem Einheimischen genießen das am

Wochenende - sie sitzen dann gemeinsam plaudernd im warmen Wasser. Im griechenlandweit bekannten Wallfahrtsort von Aghia Markella trafen wir an einem orthodoxen Feiertag Mitglieder griechischer Motorroller-Clubs. Sie wechselten nach dem Besuch des Klosters und der Kirche  in die gegenüberliegende Taverne oder an den Strand.

Nach der für die Insel schweren Corona-Zeit, der Fährverkehr  in die benachbarte Türkei musste zeitweilig eingestellt werden, konnten diesen Sommer Hotels, Unterkünfte und Tavernen endlich wieder viele Besucher verzeichnen. "Im Juli und August war es unvorstellbar voll hier - es kamen vor allem Griechen. Das Geschäft war gut, aber jetzt ist es zum Glück deutlich ruhiger geworden", erzählte uns die Betreiberin eines 'Tante-Emma-Ladens' in Volissos, im Norden der Insel. Auch im September kamen immer noch ausländische Besucher aus Nordeuropa auf die Insel. Die Strandliegen wurden in der Region Amani im Norden erst Anfang Oktober abgebaut - Saisonende. 

Mastix-Museum - Blickauf den Süden
 

Neben den vielen griechischen Touristen - vom Festland wie aus dem Ausland - kommen viele Menschen mit einem Tagesvisum aus der Türkei nach Chios. Nachbarn aus der Türkei besuchen gerne die Insel für einen Tag oder ein Wochenende. Seit einiger Zeit kommen auch Touristen aus Süd- und Mittelamerika für eine Tagestrip aus Cesme. Wir trafen im mittelalterlichen Mastix-Dorf Mesta spanisch sprechende Reisegruppen, die nach einem Besuch im Dorf von ihren Reiseleitern zu einem 'typisch griechischen Essen' in eine Hafen-Taverne dirigiert wurden - alles Pauschal. Danach ging es dann per Bus wieder zur Fähre in die Inselhauptstadt, um per Fähre zurück in die Türkei zu fahren.  



Freiwillige schützen ihre Wälder



...Zum Glück nur eine Übung...

 
Während dieses Jahr vor allem auf dem Festland, aber auch in Euböa und Korfu viele Wälder durch Brände zerstört wurden, blieb Chios bisher davon verschont. Das liegt mit  daran, dass auf der Insel - vor allem in der Region Amani im Norden von Chios - seit 25 Jahren Einwohner freiwillig für den Brandschutz bei 'Omikron' aktiv sind. Im Sommer halten sie Brandwache, etwa auf der Festung
...große Ehre...
oberhalb von Volissos:  
"Vor ein paar Wochen hat ein betrunkener Fahrer ein paar Kilometer entfernt sein Auto gegen eine Wand gesetzt und damit einen Waldbrand ausgelöst", darüber sind unsere Freunde Giorgos und Marianna immer noch wütend. Den betroffenen Hang konnten wir an den verbrannten Bäumen erkennen. 
 
Alle Omikron-Aktive rückten in der Nacht aus, um eine weiteren Ausbreiten der Flammen zu verhindern. Dabei ist ihre freiwillige Arbeit gefährlich, denn die Brandherde waren nur schwer erreichbar: "Wir waren an einigen Stellen vom Feuer umzingelt, zum Glück sind wir aber gut ausgebildet und trainieren regelmäßig." Der Chef der Feuerwehr aus der Hauptstadt habe zuerst bei den Freiwilligen die Professionalität angezweifelt: "Als er dann aber gesehen haben, wie wir arbeiten, hat er Omikron gelobt." Dabei fehlt es den Brandschützern an allen Ecken und Enden, veraltete Fahrzeuge und vor allem Schläuche, nicht genug Wasser auf den Pickups, Filter für die Atemmasken fehlen - so sieht die Wirklichkeit aus.
Georgios und Marianna

 
 
Siehe auch Arte-Reportage über Omikron
 

 

Kultur-Sommer auf Chios



 
Seit einigen Jahren gibt es auf der Insel immer mehr Kultur-Veranstaltungen - vor allem im Sommer. Sie sind über die ganze Insel Verteilt, konzentrieren sich nicht nur auf die Hauptstadt. An verschiedenen Orten und Plätzen gibt es dann Konzerte und Ausstellungen und das alles richtet sich vor allem an die einheimische Bevölkerung. Ende September 
organisierten StudentInnen der Universität der Ägäis, die einige Fakultäten auf Chios unterhält, ein Kunst-Event im Gebäude der Inselhauptstadt. Im Garten wurden an verschiedenen Stellen Objekte ausgestellt, auch innerhalb des Hauptgebäudes gab es Multimediale Präsentationen. MusikerInnen traten im Innenhof auf.
 
Im großen Hörsaal wurde ein Film über das Waisenhaus für Mädchen gezeigt, das sich in hier bis 1985 befand.
Darin schilderten einige Frauen, wie sie einst als Kinder hier lebten. Das Gebäude der Universität wurde auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof der Insel erbaut. Die meisten Juden von Chios, wie auch alle Muslime mussten, nachdem die Insel 1912 zu Griechenland gekommen war (Balkankrieg), Chios verlassen. Danach gründete die Familie Michalis hier  das Waisenhaus, das ab 1927 vom Staat übernommen wurde. Während des Zweiten Weltkrieges besetzten deutsche Truppen das Haus 1942. Erst nach der Befreiung 1944 konnte es ein Jahr später wieder seine alte Funktion wahrnehmen. Im Jahr 1983 wurde das Waisenhaus geschlossen, das Gebäude wird seit 1985 durch die Universität genutzt. 
 
... gut besucht...

 

Kriegs-Spiele

 

In jedem Herbst finden im Norden von Chios mehrtägige Militärmanöver statt - dann wird es laut und ungemütlich. Am Abend zuvor hörten wir als 'Präludium' das Donnern einiger Schiffsgeschütze der griechischen Marine. Am frühen Morgen ging es dann richtig los: in wenigen hundert Metern fauchten zwei griechische Kampfflugzeuge über uns hinweg. Danach entluden am Strand große Landungsschiffe Panzer und Soldaten, unterstützt von tieffliegenden Hubschraubern. Glücklicherweise ist das alles immer nach zwei Tagen vorbei und die Lage zwischen Ankara und Athen ist derzeit entspannt. Dieses Jahr wirkte das aber durch den weniger hundert Kilometer entfernten Krieg in der Ukraine sowie aktuelle Luftangriffe der Türkei auf kurdische Stellungen in Syrien beängstigend. Die Einheimischen sind das Spektakel gewöhnt... 
 


 

Der Herbst - ein Fest für die Küche

 

Chios zeichnet sich durch einige kulinarische Spezialitäten aus, gerade im Herbst bietet die Inselküche Besonderes. Jeder kennt die Zitrusfrüchte der Insel, sie werden zu besonders leckeren Marmeladen und Löffel-Süssigkeiten verarbeitet. Die Mastix-
Ingwer-Zitronen Limonade ist mit ihrem leicht herb-säuerlichen Geschmack etwas für heiße Tage.  Das Baumharz Mastix, das die Insel seit der Antike berühmt gemacht hat, findet sich in vielen Spezialitäten. Gute Weine produzieren die Kellereien im Norden: Aryusios und Kefalas. Sie bieten Rot- Rosé- und Weissweine. Das auf Chios auch Ouzo hergestellt wird - keine Frage. Eine 'geheime' Spezialität ist der Feigen-Schnaps 'Souma' genannt. Er wird aus den Früchten der Feigenbäume gebrannt, die an vielen Stellen der Insel wachsen. Im Herbst gibt es dann in vielen Dörfern kleine Brand-Feste. Offiziell dürfen die Inselbewohner ihn herstellen - aber nicht verkaufen. Fragt man etwa in einer Taverne, bekommt man mit Glück den Souma in einer Ouzo-Karaffe Augenzwinkernd serviert. 

Schnecken a la Chios
Im Herbst ist Schneckenzeit auf Chios, die Einwohner sammeln die Kriechtiere und bereiten sie dann - mitsamt dem Gehäuse - in einem Tomaten-Gemüse-Sud mit Knoblauch zu. Eine weitere Spezialität sind die legendären Amanites Pilze, denn nur Eingeweihte wissen, wo man sie in den Wäldern findet. Die oft Handtellergroßen Gewächse schmecken nussig, finden sich allerdings nur selten auf Speisekarten - wir hatten in einer schönen Dorftaverne in Pirama, unweit von Volissos, das Glück. Dazu gab es gedünstes Schweinefleisch - aber auch Vegetarier finden etwas auf dem Speiseplan: Gelbes-Bohnenpüree (Fava), Choriatiki-Salat mit säuerlichem Kritamo (Meerfenchel) oder Chorta - gedünstetes Wildgemüse. 
 

 

AKTUELL: Politischer Erdrutsch bei Kommunalwahlen

 
Am 15. Oktober kam das Ergebnis der Regionalwahl auf Chios einem politischen Erdrutsch gleich. Hatte eine Woche zuvor im ersten Wahlgang der konservative Kandidat (35%) deutlich vor der Bürgerliste "Xίος για Ολους - Chios für Alle" (28%) gelegen, setzte sich in der Stichwahl Ioannis Malafis (62%) gegen den konservativen Amtsinhaber Karmantzis Stamatios (37%) durch. Gut 42% aller Wahlberechtigten gaben auf der Insel ihre Stimmen ab: 15.159 für Malafis, 9185 für Stamatios. 
 
Der Grund für den Sieg der Opposition: Die Einwohner von Chios waren mit der Politik unzufrieden - viele Versprechungen, aber nur wenige wurden erfüllt. Entscheidend für den Sieg von "Χίος για Ολους" war, dass sich viele Menschen auf der Insel politisch engagierten.
 
...und wir feiern Weihnachten 2023 wieder auf Chios......
  






Montag, 11. September 2023

Nordfrankreich - So viel Geschichte....

 


 

 

Das 'Departement Nord' ist Teil der Region "Hauts de France" und verläuft entlang der Grenze zur Belgien - von der Kanalküste bei Dünkirchen bis zu den Ardennen im Süden. Mit 2,6 Millionen Menschen ist das Departement bevölkerungsreicher als die Stadt Paris. Die Hauptstadt Lille ist ein Verkehrsknotenpunkt in west-östlicher- und nord-südlicher Richtung. Das Arrondissement Cambrai im Südwesten war immer wieder Schauplatz blutiger Kämpfe - seit den Römern. Besonders leiden musste die Region im Ersten Weltkrieg, nach 1918 lagen die Städte und Dörfer größtenteils in Trümmern. Heute noch zeugen die vielen Soldatenfriedhöfe von dieser Vergangenheit. Bis in die 1960er Jahre war das Départements Nord, zu dem Cambrai gehört, ein wichtiger Industriestandort. Handelswege, Kohle- und Textilindustrie prägten sie, aber dann begann - ähnlich wie im Ruhrgebiet - der Niedergang. 'Zechensterben' und das Ende der Textilfabriken, viele Arbeitsplätze gingen verloren. Die Gegend verarmte - und das gilt auch heute noch. 


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Saint Benin - Tal der Selle 




Sonntag, 6. August 2023

Wissembourg im Elsass - Ein Sommer-Traum

 

 An einem warmen Sommertag lädt die Stadt zu einem  beschaulichen Wochenende ein. Die Altstadt von Wissembourg liegt in einem Tal, umgeben von einer Stadtmauer und einem Wassergraben. Von hier aus kann man Wanderungen in den nahegelegenen Pfälzer Wald unternehmen. Viele alte Häuser dokumentieren die wechselhafte Geschichte der Stadt. Sie liegt nur wenige Kilometer entfernt von der deutschen Grenze. Jeden Samstag bietet der Markt Einheimischen wie Touristen Spezialitäten der Region. Am kleinen Flüsschen 'La Lauter', der urch den Ort fließt, kann man auf einer Bank verweilen - eine natürliche Klimaanlage an heissen Tagen. 

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Sonntag, 16. Juli 2023

SWR Auf Schrumpfkurs

Der öffentlich-rechtliche Südwestrundfunk (SWR) steuert einen harten Sparkurs. Auf der Sitzung des Rundfunkrates am 14. Juli in Stuttgart verkündete SWR-Intendant Kai Gniffke - derzeit ARD-Vorsitzender: "Der SWR wird schrumpfen". Angesichts der Inflation und einbrechender Werbeeinnahmen führe daran kein Weg vorbei. Für die drittgrößte ARD-Anstalt - nach WDR und NDR - bedeutet dies einen jährlichen Stellenabbau von 0,5% (3244 Stellen 2020).

Nicht nur der SWR, alle ARD-Anstalten müssen sparen, deshalb hat man jetzt beschlossen, Programm zentral in sogenannten "Kompetenzzentren" zu produzieren. Einzelne ARD-Anstalten stellen dazu Beiträge zu bundesweiten Themen her, die die Dritten übernehmen können. Neben den beschlossenen Zentren für die Themen Gesundheit und Umwelt sollen weitere zu Kochen, Reisen und Künstlicher Intelligenz entstehen - kündigte Gniffke in Stuttgart an. https://medienfresser.blogspot.com/2023/07/ard-reform-vielfalt-ade.html. Der SWR-TV-Direktor Clemens Bratzler hofft damit in der Asntalt einen siebenstelligen Betrag einsparen zu können. Künftig würden zwei Drittel der Beiträge im SWR für das Gesundheitsmagazin oder die Verbrauchersendung aus dem Pool der Kompetenzzentren zugeliefert werden.

Die Einsparungen treffen im SWR derzeit vor allem den Standort Baden-Baden mit seinen rund 1500 MitarbeiterInnen. So wird die wöchentliche Talksendung "Nachtcafé" künftig in Mainz produziert und das für "Buffet" für das 'Erste' komplett eingestellt. Manche Formate würden laut Gniffke "zu aufwändig produziert" Im Visier dürfte dabei die in Baden-Baden seit 1994 für das Dritte Fernsehen produzierte Schwarzwald-Familienserie "Die Fallers" stehen. TV-Direktor Bratzler kündigte zwar an, sie sei bis 2026 gesichert, sagte aber auch, eine auf lange Laufzeit angelegte Serie habe in der heutigen Medienwelt keine Zukunft mehr. Auch die 17 SWR-Standorte - vor allem die Regionalstudios dürften unter stärkerem Sparzwang stehen. SWR-Intendant Gniffke sagte vor dem Rundfunkrat, manche seien "höchst unterschiedlich Ausgelastet". Das könnte für Unruhe vor Ort und Zukunftsängste bei den Beschäftigten sorgen.

Darauf angesprochen betonte der Intendant, der Standort Baden-Baden werde nicht aufgegeben - eine Verlagerung der Hörunkwellen SWR 3 (pop) und SWR 2 (Kultur) schließe er aus. Außerdem werde Baden-Baden durch den Ausbau digitaler Produktionen gestärkt. Immerhin will der SWR insgesamt an seinen Standorten bis 2028 etwa 250 Millionen Euro in digitale Produktion und Medienangebote investieren. Die durch die Kompetenzzentren bedingte Zentralisierung dürfte aber einige SWR-Redaktionen schrumpfen lassen. 

Intendant Gniffke hat seinerseits als ARD-Vorsitzender Großes im Sinn. Er will den österreichischen und schweizerischen Rundfunk (ORF -SRG) zum Einstieg in den ARD-ZDF-Verbund der Mediatheken bewegen. Damit will er Onlinen-Plattformen von Netflix und Co ein öffentlich-rechtliches Paroli bieten.

Der aktuelle Sparzwang beim SWR hat auch strukturelle Ursachen, bedingt durch die 1998 erfolgte Fusion von Südwestfunk (SWF) und Süddeutschem Rundfunk (SDR). Damals hatten sich nach zähem Gerangel um Standorte die Ministerpräsidenten Baden-Württembergs (Erwin Teufel - CDU) und Rheinland-Pfalz (Kurt Beck - SPD) auf den Zusammenschluß geeinigt. Vor allem die CDU im Ländle wollte damals den Standort Baden-Baden gesichert sehen, sonst hätte ein Konflikt mit den badischen Parteifreunden gedroht. Das brachte für den SWR massive zusätzliche Kosten wegen der Standorte Stuttgart, Baden-Baden und Mainz mit sich. Wegen der Zersplitterung der Leitung auf die Standorte wurde bald gewitzelt, die Direktoren würden mehr Zeit auf der Autobahn bzw im Zug verbringen, als am Arbeitsplatz....

Donnerstag, 13. Juli 2023

ARD-Reform: Vielfalt adé ?!

"ARD stellt Weichen für den Reformweg: jetzt wird es konkret", so lautet die Überschrift der Pressemitteilung, des Südwestrundfunks (SWR) vom 22. Juni 2023. Aktuell steht SWR-Intendant Kai Gniffke an der Spitze der ARD-Anstalten. Durch die Konzentration der redaktionellen Produktion wollen die Intendanten das Programmangebot "an den Medien-Bedürfnissen einer zunehmend digitalen Welt" orientieren, sagte der ARD-Vorsitzende nach der zweitätigen Sitzung der Intendanten in Stuttgart. 

Geplant ist, ab 2024 die Produktion von TV-Beiträgen in "Kompetenzcentern" bei einzelnen ARD-Anstalten zu konzentrieren. Der ARD gehe es dabei um den "Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit beim Programm", erklärte Gniffke auf der anschließenden Online-Pressekonferenz. Die Komeptenzzentren sollen im "Schwerpunkt" Beiträge zu überregionalen Themen produzieren, die "von den Landesrundfunkanstalten übernommen werden können". Damit einhergehend ist eine massive Mittel-Umschichtung vom linearen in das digitale Programmangebote geplant. Größenordnung 250 Millionen Euro zwischen 2025 - 2028.

Fragt man nach, woher diese Mittel kommen sollen, erklärt ARD-Sprecher Volker Schwenk: "durch Umschichtungen innerhalb der Landesrundfunkanstalten". Die Anstalten würden sparen, da sie künftig "kein komplett eigenes Gesundheits- oder Verbrauchermagazin mehr machen müssen" Sie könnten sich vielmehr auf die regionale Berichterstattung konzentrieren. Freiwerden Mittel sollen demnach: "für neue digitale Angebote verwendet werden". Die Produktion in den Kompetenzzentren soll durch "Content-Partner" erfolgen - sind damit kommerzielle Zulieferer gemeint? 

Die ersten Kompetenzzentren sollen für Verbraucher- und Gesundheitsthemen in einzelnen ARD-Anstalten gebildet werden. Welche den Zuschlag erhalten - dazu wollte sich Gniffke auf der Online-Pressekonferenz nicht äußern. Kleine Anstalten, wie der Saarländische Rundfunk, Radio Bremen oder das krisengeschüttelte Rundfunk Berlin-Brandenburg dürften sicherlich keine Kompetenzzentren bekommen. 

Künftig werden in den TV-Magazinen der ARD-Dritten über  bundesweite Themen die selben Beiträge laufen. Einen Programmaustausch der ARD-Anstalten gibt es heute schon, etwa in Verbrauchersendungen. Mittlerweile wird auch über weitere Kompetenzzentren im Bereich Reisen/Touristik und Ausland nachgedacht. Da die ARD-Dritten kaum noch eigene Auslandsformate haben - etwa das Südwestfernsehen - dürften die entsprechenden Redaktionen 'eingedampft' werden. Sie werden dann nur noch ihre Auslands-Korrespondenten und die Zulieferungen für das ARD-Erste (Weltspiegel - Europamagazin) sowie Arte betreuen.

Die Zentralisierung der Programmproduktion plant man auch im Hörfunk. So wird künftig eine zentrale Hörspiel-Produktion die Kulturwellen versorgen. Es soll außerdem für Kultur- und Infowellen einen "Inhaltepool" geben, aus dem sich die einzelnen ARD-Sender bedienen können. Faktisch geht es auch hier darum, massiv Mittel - und damit Ressourcen - einzusparen. Immerhin verschlingt etwa die Kulturwelle SWR 2 mehr als die Hälfte des gesamten Hörfunk-Etats der Rundfunkanstalt. 

Erstaunlicherweise findet kaum eine öffentliche Debatte über  die Zentralisierung der ARD statt. Immerhin dürfte die Umsetzung zur Folge haben, dass die Landesrundfunkanstalten faktisch nur noch Regionales produzieren und den Rest von den Zentralredaktionen großer Anstalten übernehmen. Vom Prinzip inhaltlicher Vielfalt in der ARD dürfte angesichts dieser Perspektive nur eine Hülle übrigbleiben.

Kritik und Protest äußerten bisher nur einige im Kulturbereich engagierte Gremienmitglieder, wie der Ex-FDP-Bundesminister und WDR-Rundfunkrat Gerhart Baum. Sie fordern in einem Brief zum Widerstand auf, die Pläne der ARD seien ein Ergebnis des politischen Drucks durch die  Ministerpräsidenten. Ihnen sitze der populistische Druck gegen ARD und ZDF im Nacken. 

Ihre Befürchtungen, die kulturelle Vielfalt der Programme würde unter der Zentralisierung leiden ist nachvollziehbar, geht aber nicht weit genug. Baum hätte etwa nichts gegen ein zentralisiertes Verbraucherprogramm. 

Wird zu einem Verbraucherthema nur ein zentral produzierter Beitrag gesendet, dürfte es bei konfliktträchtigen Themen - etwa Gentechnik im Essen - Vielfalt auf der Strecke bleiben. Sollte die Zentralisierung bei der Produktion der  Auslandsberichte oder den Nachrichten im Hörfunk ausgedehnt werden, könnte das fatale Folgen haben. Grundsätzlich stellt sich die Frage: Warum eigentlich soll es  neben dem zentralistischen ZDF diverse ARD-Anstalten  geben, wenn sie nur noch für's Regionale zuständig wären.  Neun Intendanten mit einem aufgeblähtem Apparat an Direktoren, Landesssenderchefs und Reaktionsleitern wären dann überflüssig..... 

Und noch ein Nachtrag zum Tanz um das digitale goldene Kalb: Die Nutzung der TV-Mediatheken nimmt bisher nur die Zahl der aufgerufenen Programme - Clicks und Visits - auf. Ob und wie lange ein Programm und von wievielen unterschiedlichen Personen geschaut wird - dazu gibt es bisher nur statistische Konstruktionen. Ob es wirklich gelingt, jüngere Nutzergruppen für die Öffentlich-Rechtlichen Digitalangebote zu erreichen bleibt fraglich.