Sonntag, 24. September 2017

Mediatheken sollen Zukunft von ARD und ZDF sichern


"Die Zukunftsfähigkeit des ZDF hängt entscheidend von der Mediathek ab. Ein attraktives Onlineangebot folgt den Nutzungsbedürfnissen..." sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut am 30. August vor TV-Produzenten in Berlin. Demnächst beraten die Ministerpräsidenten der Bundesländer über Änderungen am derzeitigen Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Dazu haben ihre Rundfunkreferenten im Mai Änderungsvorschlage erarbeitet, die den Wünschen Belluts entgegenkommen dürften.

Bisher war es ARD und ZDF nur erlaubt, eigene Sendungen sieben Tage nach ihrer Ausstahlung in ihren Mediatheken zum Abruf (Video on Demand-VoD) anzubieten (§ 11 d - RStV). Davon waren nur Programme aus den Archiven zu Themen der Zeit- und Kulturgeschichte ausgenommen. Berichte über die Spiele der Fußballbundesligen durften bisher nur 24 Stunden lang nach dem Spiel online als VoD gestellt werden.

Künftig entfällt die zeitliche Begrenzung und Sendungen dürfen bereits vor Ausstrahlung im linearen Fernsehen online zum Abruf bereitgestellt werden. Berichte über Spiele der Fußballbundesliga dürfen jetzt eine Woche lang in der Mediathek stehen. Vor allem wird es ARD und ZDF erlaubt, angekaufte Spielfilme und TV-Serien aus europäischer Produktion für 30 Tage in ihren Mediatheken als Vod anzubieten.  

Was ist aber unter "europäischen Werken" zu verstehen? Dazu wies ein ARD-Sprecher am 21. August auf die EU-Richtlinien zu audiovisuellen Mediendiensten (AVMD-Richtlinie) hin:
  1. Werke aus EU-Mitgliedsstaaten
  2. Werke aus europäischen Drittländern, die Vertragsparteien des Europäischen Übereinkommens über grenzüberschreitendes Fernsehen des Europarates sind
  3. Werke aus Drittländern, die keine Vertragspartner gemäß Punkt zwei sind. 
Dazu heißt es in der ARD-Mitteilung:

"Für die erste und zweite Kategorie gilt als Anforderung: Autoren und Macher (Produzenten) sind in einem EU- oder EFTA-Land ansässig oder die Herstellung des Werkes wird von einer oder mehreren in einem EU- oder EFTA-Land ansässigen Produktionsfirma überwacht oder zu mehr als 50 Prozent koproduziert. Dies gilt analog auch für europäische Tochterunternehmen internationaler Firmen.

Bei der dritten Kategorie muss es bilaterale Kooperationsverträge zwischen den EU- bzw. EFTA-Staaten und den jeweiligen Drittländern geben, zudem muss der Hautpteil der Produktionskosten von einem Koproduzenten aus EU/EFTA-Ländern getragen werden und die Produktion darf nicht von Herstellern, die ihren Sitz außerhalb der EU/EFTA-Mitgliedsstaaten haben, kontrolliert werden.

Werke aus Mitgliedsstaaten des Europarats-Übereinkommens sowie Werke aus Drittländern können außerdem nur dann als 'europäische Werke' im Sinne der Richtlinie anerkannt werden, wenn dort keine diskriminierenden Maßnahmen gegen Werke aus der EU (z.B. Ausstrahlungsverbote, Einführzölle u.ä) bestehen." 

Besonders interessant dürfte dies für Produktionen aus Großbritannien werden, da das Land ja die EU verlassen wird. Immerhin zeigen ARD und ZDF, wie auch ARTE, häufig vor allem Krimi-Serien der BBC oder Sky in ihren Programmen und damit auch als VoD in ihren Mediatheken. 

Bleibt die Frage, ob die Relevanz der Mediatheken wirklich so groß ist, wie ZDF-Intendant Bellut behauptet. Auf Nachfrage erläuterte ein ZDF-Sprecher am 15. September: "Das veränderte Nutzungsverhalten wird durch kontinuierlich gestiegene Besuchszahlen (Visits) (...) belegt. Die Sparte Information hat die höchste Nutzung (...), gefolgt von Fiktion." Vergleiche man die Nutzungsdauer der Abrufvideos im ersten Halbjahr 2017, läge "Fiktion deutlich vorn".  Gesonderte Zahlen für die Spartenkanäle ZDFneo und ZDFinfo könne man nicht nennen, klar sei aber, dass etwa "Neo Magazine Royal" oder Dokumentationen "zu den erfolgreichsten Angeboten" zählen würden.

Angesichts der Fragmentierung im TV-Markt und der wachsenden Konkurrenz durch Streaming-Dienste müsse das ZDF "seine starke Position insbesondere im Bereich der deutschen und europäischen Fiction auch im Netz zur Geltung bringen (...) um somit den Nutzungsgewohnheiten der nonlinearen Zuschauer zu entsprechen".  

Zu dieser Stragegie passt eine Meldung des Online-Branchendienstes DWDL vom 5.September. Demnach hat das Unternehmen Doclights GmbH - eine gemeinsame Tochter von ZDF-Enterprises und Studio Hamburg (Norddeutscher Rundfunk) mit "Tierwelt Live" eine neue Mediathek gestartet. Hier können Tier- und Naturfilme kostenlos online gesehen werden.