Eigentlich müsste die für 2021 geplante Erhöhung der Rundfunkabgabe aller Haushalte auf monatlich 18,36 € (+86 Cent) in trockenen Tüchern sein, da die Ministerpräsidenten der Länder den Staatsvertrag bereits unterzeichnet haben. Diesem müssen aber noch die Länderparlamente zustimmen und dies nutzt jetzt die CDU in Sachsen-Anhalt unter Ministerpräsident Reiner Haseloff, zur populistischen Profilierung. Der Vorgang eröffnet einen Blick darauf, was man in der Union in Magdeburg von der verfassugsrechtlichen Freiheit des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks hält. Hier geht es weniger um die paar Cent mehr, sondern um Standortförderung und eine regierungsfreundliche Berichterstattung. Dies erklärt, warum die jahrelangen Verhandlungen der Länder um die Koppelung der Rundfunkabgabe an die allgemeine Preisentwicklung scheitern mussten. Damit hätten die Landesherren und die Parteien ihr zentrales Druckmittel auf ARD und ZDF aus der Hand gegeben
So monierte der medienpolitische Sprecher der Union in Sachsen-Anhalt, Markus Kurze, laut Stuttgarter Zeitung (1.12.20) eine vielfach einseitige und negativ verzerrte Berichterstattung von ARD und ZDF und eine ungenügende Ansiedlung zentraler Einrichtungen der ARD im Osten. Noch deutlicher machte der CDU-EU-Abgeordente Sven Schulze aus Sachsen-Anhalt die Stoßrichtung. Er hatte im Zusammenhang mit einer von ihm kritisierten Satire in der ARD gesagt: "Nicht nur deshalb ist es richtig, daß die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht kommen wird. Die CDU in Sachsen-Anhalt wird das verhindern." (Online-Branchendienst dwdl 19.8.20) Das macht deutlich, worum es der CDU in Magdeburg wirklich geht: Geld gibt es nur bei genehmer Berichterstattung plus Standortförderung. Das die Koppelung der Rundfunkfinanzierung an politische Forderungen verfassungsrechtliche Fragen der Rundfunkfreiheit tangiert - ist anscheinend in Magdeburg egal. Dabei hatten ARD und ZDF am 13. November auf einer Anhörung des Landtagsausschuss in Magdeburg Zugeständnisse angeboten (Medienkorrespondenz, 20.11.20) Demnach werde das ZDF die zweite Stafffel einer Krimiserie in Halle an der Saale realisieren. Darüber habe die gemeinsame Digitalagentur von ARD und ZDF am Standort Leipzig ihren Sitz. Die Union im Osten hatte wohl einen fetteren Happen im Visier. Wochen zuvor kursierte das Gerücht, man habe für eine Zustimmung zum Staatsvertrag den Umzug der ARD-Fiction-Tochter Degeto aus Frankurt am Main in den Osten gefordert.
Die Dreistigkeit, mit der die CDU in Magdeburg ihre Standortinteressen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk durchsetzen will, zeugt von einem sehr bedenklichen Verhältnis zur verfassungsrechtlich gesicherten Rundfunkfreiheit - zu der auch eine von politischen Forderungen unabhängige Finanzierung gehört. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinen Urteilen 1994 und 2007 zur Rundfunkfinanzierung entschieden, eine Ablehnung der Beitragserhöhung sei nur im Rahmen der Rundfunkfreiheit (Art 5 Grundgesetz) zulässig. Darauf hatte schon im November der Medienrechtler Bernd Holznagel bei der Anhörung im Medienausschuss des Landtags in Magdeburg hingewiesen (Medienkorrespondenz 4.12.20). Demnach sei die vorgeschlagene Erhöhung um 86 Cent, gegenüber den von ARD, ZDF und DLF geforderten 1,75€ moderat ausgefallen. "Eine unangemessen Belastung der Beitragszahler" könne man so "nicht begründen", betonte Holznagel. Die von der CDU/SPD/Grüne Koalition in Magdeburg vereinbarte Beitragsstabilität über Jahre widerspreche der verfassungsrechtlichen Finanzierungsgarantie des Rundfunks. Einsparpotentiale seien bereits durch die unabhängige Kommission (KEF) beim Vorschlag zur Erhöhung berücksichtigt worden.
Der Versuch der Union in Magdeburg die Standortförderung durch die Öffentlich-Rechtlichen zu erzwingen, würde ARD und ZDF viel Geld kosten. Das diese Denkart kein Einzelfall ist und auch nicht auf den Osten der Republik beschränkt, zeigt der Südwestrundfunk (SWR) . Im Jahr 1998 waren der Südwestfunk (Baden-Baden und Mainz) und der Süddeutsche Rundfunk (Stuttgart) zum Südwestrundfunk SWR fusioniert. Dem dazu nötigen Staatsvertrag waren lange Verhandlungen zwischen den Landesregierungen in Stuttgart (CDU) und Mainz (SPD) vorangegangen. Dabei war es um Standorte und das Führungspersonal gegangen. Am Ende entstand ein aufgeblähter Direktions- und Produktionsapparat, verteilt auf die drei Standorte. Im SWR kursierte der Witz, die Direktoren und ihr Tross würden mehr Zeit auf der Bahn und im Auto verbringen, als an ihren Schreibtischen.
Altbekannte CDU-Strategie
NWDR - Bayerischer Rundfunk - Norddeutscher Rundfunk
Aktualisierung: Mittlerweile entpuppt sich, nachdem Haseloff seinen CDU-Innenminister Stahlknecht (Nomen es Omen) gefeuert hat, als unionsinterner Machtkampf. Es geht den Rechten um den Ex-Innenminister und -Parteichef darum, den Weg für eine Zusammenarbeit mit der AfD zu öffnen. Die Rundfunkabgabe ist da nur das Mittel zum Zweck. SPD und Grüne scheinen für den Erhalt der sowieso schon wackeligen Koalition zu einem 'Kompromiss' auf Kosten eines unabhängigen Rundfunks bereit zu sein. Demnach würde der Landtag seine Zustimmung mit einem Beschluss verbinden, in dem Verhandlungen über zusätzliche Sparmaßnahmen der Öffentlich-Rechtlichen gefordert werden. Dazu stellte die Sprecherin der Rundfunkkommission der Länder, Heike Raab fest, es werde keine Nachverhandlungehn geben. Dem Vernehmen nach bereiten sich die Rundfunkanstalten bereits auf eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor, meldete die 'Medienkorrespondenz'
Aktualisiert, 3. Januar 2021: https://medienfresser.blogspot.com/2021/01/rundfunkabgabe-2021-katerstimmung-bei.html