Eigentlich sollte die Rundfunkabgabe aller Haushalte für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk am 1.Januar 2021 um monatlich 86 Cent auf 18,36€ steigen. Nachdem das Bundesland Sachsen-Anhalt aber seine Zustimmung zum Staatsvertrag im Dezember 2019 verweigerte https://medienfresser.blogspot.com/2020/12/rundfunkabgabe-cdu-sachsen-anhalt.html hatten ARD, ZDF und Deutschlandfunk versucht, dies per Einstweiliger Anordnung beim Bundesverfassungsgericht durchzusetzen. Am 22. Dezember 2019 haben die Richter des ersten Senats den Erlass einer einstweilige Anordnung abgelehnt.
In der Begründung des Beschlusses räumte das Gericht den Öffentlich-Rechtlichen im Hauptverfahren aber Chancen auf einen Erfolg ein: "Die Verfassungsbeschwerden sind weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. (...) Angesichtes der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erscheint eine Verletzung der durch Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit zumindest möglich". Ihre Ablehnung des Antrags auf Einstweilige Anordnung begründen die Richter vielmehr damit, die Rundfunkanstalten hätten die Folgen nicht näher dargelegt. Dass die Verzögerung der Erhöhung "irreversibel zu schweren Nachteilen führt. (...) hätten die Beschwerdeführer vielmehr näher aufzeugen müssen." Eine Verschlechterung des Programmangebots ohne die zusätzlichen 86 Cent "hätten sie substantiiert darlegen müsse". Die Rundfunkanstalten hätten dargelegt, das finanzielle Effekte erst Ende 2022 oder 2024 eintreten würden. Daher sei es für die Richter nicht nachvollziehbar, warum im Falle des Abwartens bis zur Entscheidung über die Verrfassunsgklage der Finanzbedarf bis zu diesem Zeitpunkt nicht gedeckt werden könne.
Haben also die Rundfunkanstalten ihre 'Hausaufgaben' nicht gemacht? Haben die Verantwortlichen geglaubt, die Einstweilige Anordnung sei ein Selbstgänger? ZDF - Intendant Thomas Bellut erklärte: "Das ZDF hat die
Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis genommen und
wartet das Verfahren in der Hauptsache ab. Ermutigend ist der Hinweis
in der Begründung, dass eine Verletzung der Rundfunkfreiheit angesichts
der bisherigen Rechtsprechung möglich ist." Er rechnet mit einem Urteil bereits im Jahr 2021, dazu äußerte sich der ARD-Vorsitzende und Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR) Tom Buhrow nicht. Er kündigte vielmehr an: "Wir müssen nun unsere Finanzplanungen anpassen. Ein Ausbleiben der
Beitragsanpassung wird gravierende Maßnahmen erfordern, die man im
Programm sehen und hören wird."
Politiker fordern positive Berichte über den Osten
Bereits während der Auseinandersetzung um die Zustimmung des Landtags von Sachsen-Anhalt hatten Politiker versucht, die Zustimmung zur Gebührenerhöhung mit der Forderung nach positiver Berichterstattung zu verknüpfen. Seit Jahren streiten sich die Länder um die Änderung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland. Kaum hatten die Richter in Karlsruhe den Antrag von ARD, ZDF und DLF abgelehnt, erklärte der sächsische Staatsminister Oliver Schenk (CDU), daraus gelte es jetzt die Lehren zu ziehen: "Zu diesen gehört im Interesse aller Rundfunkbeitragszahlerinnen und -zahler ein besseres Abbilden der ostdeutschen Wirklichkeit vor und hinter der Kamera." (Stuttgarter Zeitung) Wünscht man sich im Osten einen Rundfunk wie zu DDR-Zeiten? Damals präsentierte jeden Abend die "Aktuelle Kamera" jeden Ernteerfolg einer LPG oder die Planerfüllung eines VEB-Betriebes in elegischer Breite - die Leute schalteten ab.
Aber obacht, es sägen nicht etwa vor allem alte Ost-Kader an der Rundfunkfreiheit, Herr Schenk wurde in Dachau geboren und studierte in Bayern. Auch im Westen haben vor allem konservative - aber auch liberale Politiker - ein gestörtes Verhältnis zur grundgesetzlich verankerten Rundfunkfreiheit. Sie wollen den der Gesellschaft verpflichteten Rundfunk für Alle steuern. So scheiterten im Jahr 2019 die Verhandlungen der Länder über ein Modell der Gebührenfestsetzung mittels Anpassung an die Preissteigerung. Fragt man nach, wer sich denn am härtesten dagegen gesperrt habe, bekommt man zu hören: Es waren die Landesregierungen mit FDP-Beteiligung - und die befinden sich alle in den alten Bundesländern. Aus Richtung der rechten CDU kommen mittlerweile Forderungen nach Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dies fordert der CDU-Bundesfachausschuss Wirtschaft, Arbeit Steuern (Der Spiegel 15.12.2020). Vor der anvisierten schrittweisen Privatisierung habe der Öffentich-Rechtliche Rundfunk nur die Aufgabe zu senden, was Private nicht oder nur unzureichend anbieten würden. Gut, das ist jetzt weder besonders originell noch neu - diese Forderungen gehören zum Katechismus der kommerziellen Rundfunkanbieter seit 1985. Jetzt aber bekommt die Sache Brisanz, da die AfD die Union in dieser Frage von Rechts unter Druck setzt. https://medienfresser.blogspot.com/2017/05/afd-kulturzerstorer.html
Sparzwang herrscht bei ARD, ZDF und DLF schon seit Jahren - das betrifft vor allem die neun Anstalten des ARD-Verbundes. Das macht sich mittlerweile vor allem im Radio bemerkbar. So haben kürzlich NDR wie WDR Wortsendungen aus den Programmen gestrichen. Der Arbeitsdruck wächst, da die Redaktionen nunmehr Trimedial - also für Fernsehen, Radio und Internet - produzieren müssen. Für längere Recherchen bleibt kaum Platz, more of the same kennzeichnet die Programme. Ja es gibt 'Wasserköpfe' und Verschwendung gerade in den ARD-Anstalten. Die haben aber vor allem politische Ursachen, denn Sender wie Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk sowie auch der Hessische Rundfunk könnten etwa mit dem Südwestrundfunk oder dem Norddeutschen Rundfunk fusionieren. Dagegen haben sich aber die Landespolitiker immer gewehrt - sie wollten sich ihre medienpolitische Spielweise erhalten. Aber auch bei den 'Mehrländeranstalten' (NDR, MDR, RBB,SWR) feilschen die Politiker um jeden Standort für ihr Bundesland, egal was es kostet.
Unabhängig, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, der politische Druck - befeuert von Rechtsaußen - hat seine Wirkung in den Chefetagen der Rundfunkanstalten - bis hinunter in die Redaktionsstuben. Einst setzten sich Gewerkschaften, Parteien und gesellschaftliche Gruppen für den, der gesamten Gesellschaft verpflichteten Rundfunk, ein - davon ist heute nichts zu spüren. Vielmehr hat man den Eindruck, dass man auch in den Rundfunkanstalten vor dem Druck konservativer und rechtsvölkischer Populisten in die Knie geht. Insofern dürfte 2021 kein gutes Jahr für die Rundfunkfreiheit werden.....
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