Dienstag, 19. Juni 2018

Ab Juli 2018 UKW-freie Zone im Osten?!


                                  
Was waren dass für Zeiten, als die DDR-Führung Anfang der 1960er Jahre das West-Fernsehen aus den DDR-Wohnungen aussperren wollte. Trupps der Freien Deutschen Jugend (FDJ) turnten über die Hausdächer und sägten nach Westen gerichtete Fernsehantennen ab - wie man weiß, geholfen hat das nicht. Auch die Störsender gegen das Radioprogramm des RIAS (Rundfunk im Amerikanischen Sektor) blieben erfolglos. Im vereinigten Deutschland droht dem Osten ab 1. Juli 2018 UKW-Funkstille. Ging es aber einst um den Kampf der Ideologien, ist jetzt dafür schnöde Raffgier verantwortlich.

Während in der 'alten' BRD  - und heute noch - die UKW-Sendeanlagen größtenteils Eigentum der ARD-Anstalten sind wurden die Sendeanlagen der DDR nach 1989 privatisiert. Einst gehörten sie der DDR-Post, dann übernahm sie die Telekom, die ihrerseits den Betrieb auf zwei Tochterunternehmen aufteilte: T-Systems Media & Broadcast (Sendetechnik) und Deutsche Funkturm GmbH (Sendemasten). Dann verkaufte die Telekom 2008 die Media Broadcast an den französischen Sendealagenbetreiber TDF. * Die Franzosen verloren aber das Interesse und verkaufte  ihrerseits im Januar 2018 die rund 1000 UKW-Sendeanalagen an fünf private Betreiberfirmen. Diese wollen schnelle und hohe Renditen, prompt eskallierte der Kampf untereinander und mit den Rundfunkveranstaltern. Ende April 2018 schritt die Bundesnetzagentur ein und kündigte an, die "Marktverhältnisse im UKW-Markt zu ermitteln". Der Präsident der Bundesbehörde, Jochen Homann sagte: "Wir werden uns (...) das Agieren der einzelnen Akteure anschauen und dann entscheiden, ob und wie (...) reguliert werden muss." Sollten die betroffenen Unternehmen "über beträchtliche Marktmacht verfügen" muß die BNetzA regulierend eingreifen. Damit sahen die privaten Netzbetreiber ihr Geschäftsmodell in Gefahr und einer von ihnen kündigte daraufhin den Abbau der UKW-Antennen an - damit würde vor allem im Osten Funkstille eintreten. Betroffen davon wären laut Süddeutscher Zeitung etwa 28 Millionen Radiohörer.

Bemerkenswert ist, dass die betroffenen ARD-Anstalten,  der Norddeutsche Rundfunk NDR (Mecklenburg-Vorpommern), der Mitteldeutsche Rundfunk MDR, der Rundfunk Berlin-Brandenburg RBB und das Deutschlandradio DLR sich bei diesem Thema nur sehr zurückhaltend äußern. Beim NDR sagte der Pressesprecher auf Nachfrage, man sei ja nur indirekt vom Streit zwischen den verschiedenen Netzbetreibern betroffen. Am 6.April hatte NDR-Sprecher Martin Gartzke in einer NDR-Pressemitteilung gewarnt: "Unsere Hörerinnen und Hörer in Mecklenburg-Vorpomern dürfen nicht Opfer finanzieller Verhandlungen von technischen Dienstleistern werden."  Drei Tage später gab er Entwarnung: "UKW Abschaltung in Mecklenburg-Vorpommern vorerst abgewendet" - allerdings nur bis Ende Juni 2018. Beim MDR bedauerte man, dass sich Media Broadcast "überraschend aus dem UKW-Markt zurückgezogen habe." Für Fragen zu möglichen Auswirkungen auf den MDR hatte man in Leipzig keine Zeit. Beim RBB ist die Lage etwas anders, da man im Großraum Berlin immer noch einen Sendemast aus Zeiten des Sender Freies Berlin (SFB) besitzt. Nur beim Deutschlandradio wurde der Pressesprecher deutlicher, von den genutzten UKW-Frequenzen der beiden Programme des DLR werden nur 50 über ARD-Sendetürme, aber 260 von Privatunternehmen verbreitet. Kein Wunder also wenn DLR-Sprecher Tobias Franke-Polz am 13. Juni per mail moniert: "Deutschlandradio als nationaler Anbieter war bereits durch die vergangene Regulierungsverfügung von deutlichen Preiserhöhungen betroffen, weil die Regulierung die Sender in Ballungsgebieten billiger aber die auf dem Land teurer gemacht hatte." 

Die Kosten für die UKW-Sendermiete werden auf jeden Fall steigen - weil die Politik bar jeder Vernunft die wichtige Rundfunk-Infrastruktur dem Interesse der Finanz-Heuschrecken, Shareholder und Investoren ausgeliefert hat. 

Nachtrag, am 21. Juni gab es eine Einigung - der UKW-Blackout bleibt aus. Allerdings stellt sich die Frage, zu welchen Konditionen haben sich die Partner geeinigt. Ich wette mal, auf die ARD kommen höhere Kosten für die Verbreitung zu - bisher ist nichts genaues über die Vereinbarung bekannt....

* siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Media_Broadcast