Dienstag, 8. September 2015

KEK-Jahresbericht 2015: Wer Glotzt Wie und wie lange?


Wieviel TV-Programme sind in Deutschland auf Sendung? Wieviele Leute haben ein Pay-TV-Abo? Was 'glotzt' der Durchschnittsbürger?

Wer auf diese Fragen Antworten sucht, hat es nicht leicht, denn die Medienbranche lässt sich nicht gerne in die Karten schauen. Eine Quelle sind die alle zwei Jahre veröffentlichten Berichte der Kommission zur Ermittlung der Konzentration in den Medien (KEK). Diese Gemeinschaftseinrichtung der Landesmedienanstalten analysiert regelmäßig die deutsche TV-Landschaft. Der aktuell veröffentlichte 17. Jahresbericht umfasst den Zeitraum von 2013 bis zum Sommer 2015.

Wie bebildert man so einen Text? Tiere wirken immer!
Demnach hatten im Juni 2015 in Deutschland 178 (2013:178) private TV-Sender eine Lizenz einer Landesmedieanstalt. Davon 150 TV-Kanäle (141) in Betrieb. Neben 14 (20) Vollprogramme (Nachrichten, Information, Kultur und Unterhaltung) sendeten 54 (46) Spartensender (Shoppingkanäle, Comedy, Kinderprogramme usw.) und 82 (75) Pay-TV-Kanäle. Dazu kommen 13 Vollprogramme von ARD und ZDF.

Aber Vorsicht: diese Daten sind nur bedingt vergleichbar. So zählt der Bericht für 2015 zwar die 13 Vollprogramme von ARD und ZDF auf, die öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle werden aber nicht einmal erwähnt. Das sind immerhin: Phoenix, 3sat, arte, Kinderkanal, ZDF info, ZDF Neo, ZDF Kultur, Eins Plus, Eins Festival, tagesschau 24, ARD-Alpha. Und dazu kommen noch das deutsch-französische Kulturprogramm Arte und der deutsch-österreichisch-schweizerische Sender 3sat.

Blättert man weiter im KEK-Bericht, stellt man überrascht fest, das zwar die ZDF-Spartensender aufgeführt werden, die der ARD aber nicht. Das Zweite erreicht mit ZDF Neo, ZDF Kultur und ZDF Info immerhin durchschnittlich 2,5% Marktanteil bei allen Zuschauern. Die Spartenkanäle der Privaten ProSiebenSat1 (Sixx, Sat 1 Gold, Pro Sieben Maxx) erreichen 1,9% Marktanteil, RTL Nitro alleine 1,3%. Nachgefragt erklärt die KEK zu diesem Mangel: Es würden ihr die Daten der ARD-Spartensender nicht vorliegen.
Öffentlich-Rechtliche und Private: Wie Hund und Katz? Mitnichten!

Seltsam, seit 1988 misst die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) als Gemeinschaftsunternehmen privater- und öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten die Fernsehnutzung. Dazu werden elektronisch in mehr als 5000 Haushalten die Sehgewohnheit gemessen - und das kostet die Sender Millionen. Warum veröffentlicht die AGF aber keine Marktanteile für Eins Plus, tagesschau 24, Eins Festival und ARD-Alpha? Die KEK betont, die AGF weise nur Zuschaueranteile für die Programme auf, für die Lizenzen mit den Veranstaltern vereinbart worden seien. Weshalb die ARD für ihre Digitalkanäle bei der AGF keine Lizenz erworben habe, entziehe sich ihrer Kenntnis, so die Kommission.

Die KEK beklage seit Jahren den Umstand, dass nicht alle Programme ihre Zuschaueranteile zur Verfügung stellten würden. Im Bericht wird außerdem erneut bemängelt: "Mit jährlich etwa 1,5 Millionen Patienten in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungenm, 20 Millionen vollstationären Patienten in Krankenhäusern und 50 000 Strafgefangenen (...) wird (...) ein beachtlicher Teil der Fernsehnutzung (...) nicht erfasst".
  

Verwirrung bei Digital-TV-Daten


Mittlerweile bieten Kabelfirmen, Pay-Plattformen sowie die Telekom online TV-Programmpakete im Abo an. Ein Blick auf die von der KEK zusammengestellten Daten (S. 102) bietet aber eher verwirrende als informierende Angaben. Im Kapitel 'Digitale Programme- und
Wer bekommt was vom TV-Kuchen?
Vermarktungsplattformen'
werden nur schwer vergleichbare Zahlen aufgelistet. So hat die Pay-Plattform "Sky" von Rupert Murdoch in Deutschland insgesamt 4,2 Millionen "direkte Abonnenten". Wer sind die 'Indirekten' und wenn ja, wie viele und bei wem? Danach werden verschiedene Kabelanbieter mit ihren Programmpaketen aufgelistet: Kabel Deutschland hat demnach 15,8 Millionen Abonnenten. Aber was ist damit gemeint, Kabelkunden oder Abnehmer der speziellen Programmpakete? Beim Kabel Kiosk wird nur eine technische Reichweite von 3,8 Millionen Haushalten angegeben. Fröhlich durcheinander geht der Datensalat dann weiter -  Nützlich ist das nicht.

Fragt man bei der KEK nach, räumt die Kommission ein, die Angaben seien nicht vergleichbar. Zur Entschuldigung heißt es, die KEK müsse sich mit dem begnügen, wass die Plattformbetreiber selber veröffentlichen würden. Man sei sich des Problems bewusst und überlege, künftig eine andere Darstellungsform. Hoffen wir`s mal.

Ähnlich unübersichtlich sind die präsentierten Daten zur TV-Nutzung in Deutschland. Da wird eine tägliche "Sehdauer" von 221 Minuten dokmentiert, ein paar Seiten später findet sich aber die Zahl 237 Minuten. Dazu weist die KEK darauf hin, im ersten Fall beträfe dies das gesamte Jahr 2014, im anderen nur die ersten sechs Monate. Was soll das? Auch werden "Sehdauer" und "Verweildauer" dokumentiert, ohne im Text einen Erklärung zu den Unterschieden anzubieten. Auch hier gelobt die KEK Besserung, allerdings sei man leider auf veröffentlichte Studien angewiesen, deren Angaben voneinander abweichen könnten.

Es ist schon seltsam, dass die öffentlichen Kontrollinstanzen - Landesmedienanstalten und KEK - nur auf die von den Medien- und Telekommunkationskonzernen veröffentlichten Daten zurückgreifen können. Eigenständige Befugnisse zur Ermittlung hat die KEK nicht und so manche Landesmedienanstalt will das wohl auch nicht. Anders lässt sich etwa nicht erklären, dass die Besitzverhältnisse im privaten Hörfunk in Deutschland alles andere als Transparent sind. Schon bei Beginn des kommerziellen Rundfunks in Deutschland 1984 wurde deutlich, dass die Medienanstalten die Konzerne nicht kontrollieren wollten. Die Landesregierungen sahen die Medienanstalten vor allem als Mittel, Medienunternemen ins Land zu locken und da drückte man gerne mal ein Auge zu. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

KEK. Jahresbericht: http://www.kek-online.de/information/publikationen/jahresberichte.html?L=1%C3%AF%C2%BF%C2%BDs%3Dclass%3Dohnepfeil%2C2%2C3%2C4