Sonntag, 28. Juni 2015

"1864 Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges" - Dänisches TV Epos beeindruckt


In Deutschland erinnert sich kaum jemand an den Krieg gegen Dänemark im Jahr 1864. Um so begrüßenswerter ist, dass der deutsch-französische Kulturkanal ARTE jetzt die acht Folgen der dänischen TV-Serie: "1864 Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges" gezeigt hat (Dänischer Originaltitel: "1864" Im August 2018 hat ARTE die Serie wiederholt und in die Mediathek gestellt. Beim zweiten Anschauen beeindrucken die epische Qualität des Drehbuchs, die Darsteller,  Kameraführung, Schnitt und Soundtrack.  

Der Krieg zwischen den verbündeten Monarchien Preußen und Österreich gegen das Königreich Dänemark war zwar kurz (1. Februar bis 30. Oktober 1864). Für Dänemark bedeutet die Niederlage das Ende seiner politischen Rolle in Europa, während das Preußen Bismarcks einen wichtigen Schritt zur deutschen Hegemonialmacht machte. Die Serie zeigt exemplarisch für seine Epoche die Entwicklung vom freiheitlichen zum nationalistischen Liberalismus mit imperialen Gelüsten. '`Blut und Eisen' war nicht nur Bismarcks Vision, mit dem die drohende soziale Revolte eingedämmt werden sollte.

Vordergründig ist die dänische TV-Serie ein opulentes TV-Spektakel voll Liebe, Blut und Schlachtendonner. Regie, Darsteller, Kamera und Schnitt aus einem Guß - damit braucht "1864 Liebe und Verrat" den Vergleich mit der US-Serie "Band of Brothers" oder "Parades End" BBC/HBO nicht zu scheuen. Die Serie geht aber darüber hinaus - ein dänisches "Krieg und Frieden" oder "Vom Winde verweht". Viele der hier agierenden dänischen Schauspieler sind deutschen Zuschauern aus Serien wie "Borgen" oder skandinavischen Thriller-Produktionen bekannt. Ihre Leistung in dem Historiendrama überzeugt. Verglichen mit der Qualität der bei uns so hochgelobten ZDF-Weltkriegssoap "Unsere Mütter - Unsere Väter" (1) - schneidet diese Dänische Serie um Längen besser ab. 

Im Kaiserreich war das Massaker ein Heldenepos

Das ändert sich auch nicht, wenn man die Schwächen des Drehbuchs benennt. So verbindet es den Krieg von 1864 mit einer aktuellen Handlungsebene, erreicht dort aber nicht die Tiefe der historischen Erzählung. Die junge Frau, die im Dänemark 2014 sozial abzurutschen droht, pflegt den im Sterben liegenden Gutsbesitzer. Ihr Bruder fiel als Soldat in einem Kriegseinsatz, das hat ihre Familie zerstört. Gemeinsam lesen sie das Tagebuch von Inge - stark: Marie Tourell Søderberg - die einstmals hier als Tochter des Gutsverwalters gelebt hat. Darin schildert sie ihre seit der Kindheit bestehende Freundschaft zu den beiden Bauernsöhnen Peter (Jens Frederik Sætter-Lassenet )  und et Laust (Jakob Oftebro).  Kurz bevor der Krieg 1864 beginnt, verliebt sie sich in et Laust und wird von ihm schwanger, was der Bruder erst durch Zufall erfährt.    

Es geht einerseits um die Geschichte der Brüder und Inges, sowie dem zwangsläufig folgenden Zerwürfnis der beiden Männer. Trotz Love-Story geht es aber andererseits um nationalen Chauvinismus, einen sinnlosen Krieg und verantwortungslose Politiker. Davon erzählt die zweite Erzählebene - von der ihrer Hybris erlegenen Politikern, die  Dänemark in einen aussichtslosen Krieg treiben. 

Der im heutigen Dänemark spielende Parallelgeschichte wirkt dagegen blass, spielt mit dem 'Clash der Kulturen'. Das Aufeinandertreffen einer 'unerzogenen' Göre aus der Unterschicht und eines 'arroganten' Greises voller Standesdünkel. Gemeinsam entdecken sie dann aber, dass sie über ihre Vorfahren von 1864 miteinander verwandt sind. 


Es hätte der Serie gut getan, wenn die Autoren den Versuch unternommen hätten, den historischen Ereignissen, politisches Handeln 2014 gegenüberzustellen. Immerhin beteiligte sich Dänemark an dem politisch fragwürdigen und militärisch sinnlosen Krieg der USA gegen Irak- und Afghanistan. Dieses zweifelhafte Engagement bezahlten über 80 dänische Soldaten mit ihrem Leben.


Die Mühle 1864
Die Mühle 1964
Die vorletzte Folge über die Schlacht an den Düppeler Schanzen, in der die Dänen gegen die preußische Übermacht keine Chance hatten, zeigt die Realität des Krieges mit dämonischer Wucht. Diesem Elend in der Schützengräben steht eine politische Elite gegenüber, die dem nationalen Wahn ihre Soldaten opfert und jede Verbindung zur Wirklichkeit verloren hat. Obwohl der dänische Premierminister vor den Trümmern seiner Politik steht, wehrt er sich dagegen, die Niederlage einzugestehen. Als Ergebnis muss Dänemark einen demütigenden Frieden abschließen. Die Folgen politischen Größenwahns tragen die körperlich und seelisch versehrten Kriegsheimkehrer und ihre Angehörigen. Wie grotesk Krieg ist, zeigt sich in Folge Acht, als die in Düppel belagerten dänischen Soldaten den Auftrag bekommen, eine preußische Militärkapelle zum Schweigen zu bringen. Diese spielt auf Befehl des Kronprinzen regelmäßig vor den dänischen Schanzen, um seine Soldaten aufzumuntern und die Gegner zu demoralisieren. Der dänische Oberst gibt einem Kommando deshalb den Befehl: "Sie töten die Musik!" Die Szenerie ist bizarr, während die Kapelle im Graben spielt, greifen die Dänen an und schlachten die Musiker ab. Die Metapher: Alles im Krieg wird zu Waffe - auch die Musik... 

In der letzten Folge wird es dann etwas sehr harmonisch. Der Oberfies- und Feigling Didrich (Pilou Asbæk), Erbe des Gutshofes, läutert sich als Ehemann Inges. Sie verzeiht ihm, obwohl sie den mit ihrer großen Liebe, dem vor Düppel gefallenen Bauernsohn et Laust, gezeugten Sohn für die Heirat weggeben muss. Ihn adoptiert der überlebende Bruder Peter, der das Roma-Mädchen heiratet, dass Didrich einst vergewaltigte und dessen Kind sie austrug. Auf den zweiten Blick beschreibt dies aber auch die Wirklichkeit eines Frauenlebens in dieser Zeit - das durch Anpassung und Abhängigkeit geprägt war.

Insgesamt ein Fernseherlebnis voll großer Bilder und starker Akteure.


Wieder einmal hat das kleine TV-Land Dänemark großes Fernsehen produziert. Zumindest war das ZDF an der Produktion beteiligt - Kompliment.

Düppeler Schanzen einhundert Jahre danach (1964)

(1) http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/03/unsere-mutter-unsere-vater-funf-freunde.html