Montag, 29. Juli 2013

Medienanstalten: Neutrales Internet ! - Allerdings nur für´s Fernsehen




Die Pläne der Telekom, eine Volumenbegrenzung ihrer DSL-Flatrates vorzunehmen, wenn ein Nutzer eine bestimmte Menge abgerufener Bits überschreitet, sorgt seit Monaten für öffentlichen Protest. Dies würde faktisch das Ende der Gleichberechtigung der Internetnutzer im DSL-Netz bedeuten. Nur wer bereit ist, für übertragene Datenmengen mehr zu bezahlen, wird dann Filme oder aufwendige Sites abrufen  oder eigene Angebote online stellen können. Dabei will die Telekom die Nutzer ihrer TV-Plattform "Entertain" sowie deren Programmlieferanten von der Datenbremse ausnehmen. Dies hat die Direktoren der Medienanstalten der Bundesländer (DLM) am 16. Juli 2013 zum Protest veranlasst. (1) Sie fordern das Bundeswirtschaftsministerium auf, den Telekom-Plänen einen Riegel vorzuschieben.
Vollmundig verkündet die DLM-Pressemitteilung: „Medienanstalten fordern eine klare Vorgabe zur Sicherung der Netzneutralität“. Sind die Medienwächter damit an die Seite der Kämpfer für die Gleichberechtigung im Internet getreten? Nur bedingt, denn in einem Anhang heißt es auf Seite 4: "Gegen die Volumenbegrenzung als solche erheben die Medienanstalten (...) keine Einwendungen, solange es der Entscheidung des Nutzers überlassen bleibt, in welchem Umfang er welche Dienste über das offene Internet bezieht." Gegen eine Volumengrenze oder eine von der Bezahlung abhängige Geschwindigkeit des Internets, haben die Direktoren der Medienanstalten keine Vorbehalte. Sie wehren sich nur dagegen, dass die Telekom ihre Plattform "Entertain" von der Begrenzung ausnehmen will.



Telekom will das TV-Geschäft ausbauen

Im Jahr 2012 hatte "Entertain" bundesweit knapp 2 Millionen zahlende Kunden, die über das DSL-Telefonnetz der Telekom versorgt werden. Die Kabel-Konkurrenz, Kabel Deutschland und Unitymedia/Kabel Baden-Württemberg haben für ihre Premium-TV-Angebote 1,2 Millionen sowie 2,2 Millionen Abonnenten gewinnen können. Damit stiegen die Abo-Zahlen innerhalb eines Jahres bei Kabel Deutschland (+17,1%) und bei Unitymedia/Kabel BW (+25%). Aber auch die Telekom konnte mit "Entertain" (+26%) deutlich zulegen. (2) Die Kabelfirmen, wie auch die Telekom erhoffen sich im TV und dem schnellen Internet profitable künftige Geschäftsfelder.

Die Telekom will mit der Volumenregelung nicht nur mehr Abonnenten und Anbieter für die TV-Plattform "Entertain" gewinnen, sondern an ihnen auch mehr verdienen. Derzeit bietet die Plattform 348 verschiedene TV-Angebote (3). Für das Paket "Grundausstattung" mit 140 TV-Sender, Telefon- und Online Flatrate) müssen die Abonnenten monatlich bis zu 50 € bezahlen. Für weitere Programmpakete, wie etwa dem seit Juli 2013 buchbaren Sky-Pay-Angebot entstehen dann zusätzliche Kosten. Will man "Entertain" Mediathek mit tausenden Filmen zum Download nutzen, werden weiter Gebühren fällig, genauso wie für gestochen scharfes Bild (HD). Rechnet man das zusammen, ist der außerdem noch fällige monatliche Rundfunkbeitrag für ARD und ZDF (17,98 €) eine Nebensächlichkeit. Die Telekom wittert jedenfalls eine lukrative Einnahmequelle, und will deshalb auf ihrer 'DSL-Autobahn' per Volumenbremse die 'Überholspur' für ihre "Entertain" Premiumkundschaft freiräumen. 

 DLM: Telekom setzt auch Anbieter von Inhalten unter Druck

 "Die Vorzugsbehandlung einzelner Anbieter soll Inhalteanbieter motivieren, für die Ausnahme aus der Volumenbegrenzung zusätzlich zu bezahlen. Dadurch forciert die Telekom einen Verhandlungszwang für die Inhalteanbieter", warnt die DLM. Damit greife sie in den Wettbewerb der Online-Inhalteanbieter ein, meint Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der DLM, und betont, dies sei "inakzeptabel". Die DLM fordert eine Regelung durch das Bundeswirtschaftsministerium: "Netzbetreiber sollten (...) keine Vereinbarungen mit Inhalteanbietern abschließen dürfen, nach denen deren Angebote aus einer Volumenbegrenzung ausgenommen werden." Die Medienanstalten befürchten zu Recht, das "ein veritabler Anteil der Nutzer dazu neigen wird, Angebote zu nutzen, bei denen mit einer Überschreitung der Volumengrenze und einer nachfolgenden Drosselung nicht zu rechnen ist." Dies gehe dann zu Lasten der offen im Internet verbreiteten Angebote. Deshalb fordert die DLM eine Regelung, die einen Ausschluss von Angeboten von einer Volumenbegrenzung untersagt.

Die Telekom fürchtet ihrerseits die wachsende Konkurrenz der Kabelunternehmen bei Fernsehen, Telefonie und Internet. Noch ist die Telekom hier Marktführer mit mehr als 12,4 Millionen Breitband-Kunden (49%) im DSL-Festnetz. Die Kabelunternehmen haben aber in den letzten drei Jahren aufgeholt. Im Jahr 2012 hatte sie 4 Millionen Haushalte (16%), die das Breitband-Angebot von Kabel Deutschland und Unitiymedia/Kabel BW nutzten. Die Entwicklung dürfte weiter zu Lasten der Telekom gehen, denn das  Kabel lockt neben Fernsehen und Telefon-Flatrate vor allem mit schnellem Internet (Triple Play). Die Telekom muss dagegen über ihr Telefonnetz auch die DSL-Angebote von O2, 1&1 und Vodafone transportieren - da wird´s eng und vor allem langsam im alten Baum-Verteilnetz.


Kritik an Internetgeschwindigkeit des Telekom-DSL


Im April 2013 stellte die Bundesnetzagentur, zuständig für die Kontrolle der Telekommunikation, immer mehr Beschwerden der Telekom-DSL-Kunden fest. Entgegen der vollmundigen Telekom-Werbung mit hohem Daten-Volumen, stünden dem Nutzer in der Realität viel geringere Mengen zur Verfügung. Bis zum Jahresende (4) bietet die Netzagentur Online jedem Nutzer einen Selbsttest seiner Download-Geschwindigkeit an.  

Ich selbst kann, obwohl in einem Neubaugebiet wohnend, 'Entertain' gar nicht abonnieren, da die Telefonleitung der Telekom dafür nicht ausreicht Von meinen gebuchten 16 MB in der Flatrate, kann mir die Telekom gerade einmal 2 MB zur Verfügung stellen. 

Die Telekom steckt in einem Dilemma. Kabelnetzbetreiber haben ihre Kapazitäten in den letzten Jahren zügig ausgebaut. Zwischen 2005 und 2011 investierten sie jährlich mehr als 20% ihres Umsatzes. Diese stiegen in diesem Zeitraum von 2,2 Mrd € auf 4,4 Mrd. €. Dagegen haben Unternehmen der Telekommunikationsbranche, wie etwa die Telekom, nur etwa die Hälfte des Umsatzes reinvestiert. Gleichzeitig sank der Umsatz der Telekom im Festnetz von 25,6 Mrd € auf 15,5 Mrd €. (5) Kein Wunder, hatte die Telekom doch Unsummen im US-Mobilfunk versenkt, die abgeschrieben werden mussten. Jetzt versucht man im TV-Geschäft und mit den volumenbezogenen Internet-Gebühren Umsatz machen. 

EU-Kommission beerdigt Internet-Gleichheit

Die öffentliche Kritik richtet sich derzeit gegen die Pläne der Telekom, aber auch die anderen Internetanbieter würden eine solche Regelung begrüßen. Online-Geschwindigkeit abhängig davon, wie viel der Kunde bereit ist zu zahlen, das bringt Geld in die Kasse. Einst lockte man die Bürger mit günstigen Flatrates ins Netz, jetzt ist der Markt gesättigt und die Nutzer sollen so richtig gerupft werden. Dagegen scheint auch die Europäische Kommission keine Einwände zu haben. Im Gegenteil, Zeitungsberichten zufolge, soll ein Entwurf für die Regulierung des Telekommunikationsmarktes erlauben, dass Anbieter von Inhalten und Provider Volumentarife vereinbaren dürfen.

(1) http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/04/internet-fur-alle-passee-dank-telekom.html
(2) Jahrbuch 2012/13 der Landesmedienanstalten S. 83 

Dienstag, 2. Juli 2013

SWR: Südwest-Fernsehen bringt mehr Provinz


Seit dem 1. Juni 2013 gibt es beim öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunk (SWR) die neue Hauptabteilung "Programm-Management". Leiter ist der 54jährige Heiner Backensfeld, der zuvor beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) als stellvertretender Leiter der Unterhaltung tätig war. Er will das "SWR Fernsehen" reformieren und betrachtet man seine bisherige Karriere, dann droht ein weiteres Abgleiten des Programms in volkstümelnden Heimatmief.

So fordert Backensfeld: "Insgesamt soll das Programm deutlich regionaler ausgerichtet werden." Was bedeutet das in der Praxis für den Zuschauer? Montag um 20.15 gib es 90 Minuten "Fiction Südwest". Dienstags bietet man zur gleichen Zeit "Krimi Südwest", am Mittwoch ab 22 Uhr "Region Südwest" sowie Sonntags nach der Tagesschau die "Südwest-Doku". Seine Zielvorgabe: "...wieder mehr Zuschauer (...) gewinnen.". Seit längerem liegt das SWR-Fernsehen, verglichen mit den anderen Dritten der ARD, auf dem letzten Platz. Um endlich die rote Laterne loszuwerden, dafür bringt Backensfeld einschlägige Erfahrungen mit.

Seit 1989 agierte Backensfeld im Bereich Programmplanung bei verschiedenen ARD-Anstalten. Sei es beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) oder dem Hessischen Rundfunk (HR), überall hinterließ er seine  'Duftmarken' im Fernsehprogramm. So lästerte bereits im Januar 2010 der "Der Spiegel" (4/10) in einem Artikel: Backensfeld habe das NDR-Fernsehen mit Formaten wie: "Die schönsten Backrezepte des Nordens", "Die größten Sommerhits des Nordens" und "Die beliebtesten Trecker Norddeutschlands" auf Vordermann gebracht. Auch das HR-Fernsehen pushte er demnach mit: "Hessens schönste Burgen", "Hessens schönste Gärten", "Hessens schönste Wälder", "Winter in Hessen", "Klöster in Hessen" oder "Die größten Hessen". Und er hatte damit Erfolg, das HR-Fernsehen konnte den SWR in der Publikumsgunst hinter sich lassen.

Bei der Quotenjagd gilt eben der klassische  Satz des einstigen RTL-Chefs, Helmut Thoma: "Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler!" 

Ab September will der SWR mit neuen Programmen die Zuschauer an den Haken bekommen - abwarten, ob ihm der Köder schmeckt...