Montag, 5. Dezember 2022

Wissembourg im Elsass - Ein Weihnachtsmärchen

 

Wer das Elsass besucht, hat dabei zumeist vor allem die Region um Colmar und Straßbourg im Auge. Weinorte wie Riquewihr am Fuß der Vogesen, ziehen jedes Jahr tausende von Besuchern an. Sie locken mit schön restaurierten Fachwerkhäusern, noblen Hotels und gemütlichen Weinstuben - wirken oft aber ein wenig wie Theater-Kulissen. Wir bevorzugen dagegen den ruhigeren Norden des Elsass: Wissembourg, Woerth, Hagenau und Saverne. Viele Besucher aus Deutschland, dem Rhein-Main-Dreieck und Karlsruhe verbringen hier ein Wochenende - zum Wandern und vor allem wegen der französisch-elsässischen Delikatessen - von Choucroute, Munster Käse über Eclair bis Gugelhupf. (Weiter mit: https://1913familienalbum.blogspot.com/2022/12/wissembourg-im-elsass-ein.html

Wissembourg Stadtmauer 3. Dezember 2022

Montag, 6. Juni 2022

Meine deutsch-französische Familiengeschichte Teil XI

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

Vom 'Erbfeind' zum Liebespaar



Fernande Kommunion
Meine Mutter Fernande hat nie gerne über ihre Kindheit und Jugend in Sant Benin gesprochen. Nach ihrem Tod im Dezember 1976 sprach auch ihre Mutter Flore nur wenig über das Verhältnis zur Tochter. Es war schwierig gewesen, Fernande hatte sich für die ärmlichen Verhältnisse geschämt, in denen sie aufgewachsen war und in denen ihre Mutter, seit der Rückkehr aus Lille 1946, bis zu ihrem Tod 1988 lebte. Fernande schämte sich für das kleine Haus, den verwilderten Garten, sowie den Kaninchenstall mit dem P
lumps-Klo nebenan. Ein Milieu, aus dem sie immer entkommen wollte und sich nur ungern daran erinnerte.
 

Sonntag, 22. Mai 2022

Pontische Griechen - Gedenken an den Genozid - Stuttgart 22.5. 2022

 

 
 
Der von den Verantwortlichen des Osmanischen Reiches angeordnete Völkermord an den ArmenierInnen während des Ersten Weltkrieges wird heute nur noch von der türkischen Regierung und den Nationalisten geleugnet. (*) Vergessen hat Europa aber Mord und Vertreibung der pontischen Griechen vom Schwarzen Meer. Zwischen 1915 und 1922 fielen dem Genozid über 350 000 GriechInnenim Osmanischen Reich zum Opfer. Hunderttausende flohen oder wurden Vertrieben, viele kamen als verarmte Flüchtlinge 1923 nach Ostgriechenland und in die Großstadt Thessaloniki. Sie waren materiell, wie kulturell Entwurzelte und Heimatlose, ihr Griechisch war für die Einheimischen oft unverständlich. All das  erschwerte zusätzlich die Integration in ein Griechenland, das politisch gespalten und wirtschaftlich kaum in der Lage war, sie zu versorgen.
 
MdBs: Mitte links, Bernd Riexinger (Linke), daneben Takis Mehmet Ali (SPD)

 
 
Baden-Württemberg hat mit fast 80 000 GriechInnen eine der größten hellenischen Gemeinden Deutschlands. Alleine in Stuttgart leben fast 18 000 Menschen mit griechischen Wurzeln. Sie wurden größtenteils in den 1960er Jahren in Nordost-Griechenland für Daimler, Porsche, Bosch und andere Unternehmen in Baden-Württemberg angeworben. Viele der seit Jahrzehnten hier Lebenden haben pontische Wurzeln und so erklärt sich, warum am 21. Mai 2022 in der Landeshauptstadt ein Gedenkmarsch der Nachfahren pontischer Griechen stattfand. 
 

Etwa 250 Menschen kamen zum Wilhelmplatz in der Innenstadt und zogen dann in einem Gedenkmarsch bis zum Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus am alten Schloss. Bemerkenswert: Es beteiligten sich daran auch türkisch-kurdische Gruppen, während ich kaum Deutsche sah..... 
 
 
 
Konsul Linardakis (links)

Auf der Kundgebung am Denkmal für die Verfolgten des Naziregimes betonten Abgeordnete des Land- und Bundestages, sowie der griechische Konsul Symeon Linardakis und VertreterInnen verschiedener Organisationen der MigrantInnen, der Genozid an den Pontos-Griechen in Deutschland müsse - wie der an den ArmenierInnen - endlich offiziell anerkannt werden.
 
Nachdenklich stimmte mich, dass in den Ansprachen eine der Ursachen der Massaker und der Verfolgung ethnisch-religiöser Gruppen im Europa des 20.Jahrhunderts nicht angesprochen wurde: Die Entwicklung des wachsenden Nationalbewusstseins zum aggressiven Nationalismus. Die damit wachsende Bereitschaft, Volksguppen auszugrenzen, zu berauben und letztlich zu töten, zieht sich seit Ende des 19.Jahrhunderts durch die Geschichte Europas und mündete in den Holocaust. 
 
Nicht nur die Nationalisten in der Türkei leugnen bis heute den Völkermord an den Armeniern, Griechen, Aramäern und anderen ethnisch-kulturellen Gruppen im Osmanischen Reich. Auch in Griechenland spricht man nicht von der Verantwortung für Massaker und Vertreibung ethnisch-religiöser Gruppen während des Versuchs Kleinasien 1922 zu erobern und ethnisch zu 'säubern'. Damals gingen griechische- wie türkische Truppen mit äußerster Brutalität gegen die jeweilige Zivilbevölkerung vor. (**)
 
Aus diesem Grund war es positiv, dass bei der Kundgebung der SPD-Bundestagsabgeordnete Takis Mehmet Ali an die Bereitschaft zur Versöhnung apellierte. Er erzählte seine eigene Familiengeschichte: Pontos-Griechen, die vor dem Genozid nach Istanbul fliehen konnten und dort bis in die 1980er Jahre lebten. Das erkläre seinen griechischen Vor- und türkischen Familiennamen. Seine Familie kam in den 1980er Jahren nach Deutschland und er ist der erste Bundestagsabgeordnete mit pontischen Wurzeln. Die Eltern und Großeltern unterhielten sich in Pontos-Griechisch oder Türkisch, während er sich in Deutsch einmischte. 
 
Vergessen ist gefährlich, wer seine Geschichte nicht kennt, ist in Gefahr, dass sie sich wiederholt. Die Entwicklung aktueller Konflikte: Myanmar, Syrien, Jemen bis zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zeigen, wie wichtig das Erinnern ist - ohne Beschönigungen und falsche Idealisierung. 
 
Gut gelaunt

 * Taner Akcam: Armenien und der Völkermord
   Jürgen Gottschlich: Beihilfe zum Völkermord  
** Panos Karnezis Roman "Der Irrgarten" 
    Robert Gerwarth: Die Besiegten - Das blutige Erbe des        Ersten Weltkrieges

Donnerstag, 12. Mai 2022

Meine deutsch-französische Familiengeschichte Teil X

 

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

Das Massaker von Kowno


Es geschah Anfang der 1980er Jahre - Heinz besuchte mich und meine Freundin in Norderstedt. Wir saßen am Abend im Wohnzimmer zusammen, da sagte er, er müsse uns etwas erzählen. Kürzlich habe ihn ein Beamter der Frankfurter Kriminalpolizei an seinem Wohnort in Großsachsen zu seiner Kriegszeit vernommen. Heinz hatte oft 'launige Geschichten' darüber erzählt und war stolz, nur ein einziges mal geschossen zu haben - und das auch noch versehentlich auf die eigenen Leute - ohne zu treffen. An diesem Abend erzählte er uns erstmals von seinen Erlebnissen beim Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941. 

 
Heinz Ilmensee Sommer 1941
Seine Division gehörte zur
16. Armee, die als Teil der Heeresgruppe am 22.Juni 1941 über das Baltikum bis nach Leningrad vorstoßen sollte. Heinz kam mit der Propaganda-kompanie PK 501 drei Tage nach ihrer Eroberung in die Litauische Hauptstadt Kowno – von den Deutschen Kauen genannt - dem heutigen Kaunas.
 
 

Sonntag, 8. Mai 2022

Meine deutsch-französische Familie Teil IX

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

'Siegreich woll'n wir Frankreich schlagen'

 
1939
Heinz war kein Heldentyp und schon gar nicht zum Soldaten geboren. Er war sensibel, schwach, gefülig und liebte die Frauen und den Alkohol. Ein Kämpfer war er ebensowenig, wie eine 'arische Lichtgestalt' - obwohl er blond, groß, mit seinen grauen Augen ideal für die Propaganda hätte posieren können. Er hatte nach 1933 gelernt, sich anzupassen und zu arrangieren, Konflikten ging er lieber aus dem Weg, betäubte Stress und Ängste mit Alkohol.
 
1940 Kaserne Hamburg Bahrenfeld
Anfang 1939 wurde der 26-Jährige zu einer 13 Wochen dauernden Wehrübung der Wehrmacht eingezogen. Da es in der Weimarer Republik keine Wehrpflicht gegeben hatte, war er nicht militärisch ausgebildet. Hitler hatte den Wehrdienst im Reich erst 1935 wieder eingeführt. Heinz bekam seine militärische Kurzausbildung in Jüterbog beim Nachrichtenbataillon des Infanterieregiments 271. Seine Einheit war erst im September 1939 aufgestellt worden und war Teil der 93.Infanteriedivision. Der Journalist wurde als Funker ausgebildet, konnte danach aber wieder an seinen Schreibtisch in der Redaktion des Hamburger Anzeigers zurückkehren.

 

 

weiter unter: https://1913familienalbum.blogspot.com/2022/05/meine-deutsch-franzosische.html

Sonntag, 1. Mai 2022

Meine deutsch-französische Familie Teil VIII


Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

 

„Machtergreifung“ - Anpassung 

 

Heinz und Käthe 1930er Jahre
Bisher hatte es Heinz geschafft, dass die Familie in Gronau wenig von seinen Aktivitäten in Hamburg mitbekam - nur seine Schwester Käthe als seine Vertraute wusste mehr. Dies änderte sich, als er 1932 in Hamburg in eine Saalschlacht zwischen Kommunisten, Nazis und der Polizei geriet. An der Universität sollte es ein Streitgespräch über Wirtschaftspolitik zwischen Vertretern der KPD und der NSDAP geben. Vor Beginn war der Saal gefüllt mit Anhängern beider Parteien - die Stimmung war Explosiv. "Es kam gar nicht zur Debatte, jemand brüllte in den Saal 'Kommune' und schon gingen die Kontrahenten mit Stuhlbeinen und anderen Schlagwerkzeugen aufeinander los", beschrieb Heinz die Situation. Dabei hätten sich die Kommunisten an der Fensterfront des Saales im Erdgeschoss schlecht postiert. Auf das Signal einer Trillerpfeife stürmten Beamte den Saal, auch durch die Fenster, Nazis und Polizei griffen die Kommunisten von zwei Seiten an. Heinz gelang es trotzdem, unbeschadet zu entkommen - wie Vater Heinrich davon Gronau erfuhr, ist unklar. Er stellte jedenfalls Heinz ein Ultimatum: Entweder Hamburg verlassen, oder kein Geld mehr bekommen.
 

 

Montag, 25. April 2022

Meine deutsch-französische Familie Teil VII

 

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

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Wilde Zeiten in Hamburg 1932

 

Trotz Magengeschwüren hatte Heinz 1931 das Abitur geschafft und wollte nun das provinzielle Gronau und die beengende Familie hinter sich lassen. Ihn zog es in die Großstadt Hamburg, die mit über einer Million Einwohnern nach Berlin die Nummer Zwei in Deutschland war. Heinz wollte in der neu gegründeten Universität der Hansestadt Volkswirtschaft studieren. Er kam in eine Stadt, auf der seit zwei Jahren die Folgen der Weltwirtschaftskrise lasteten. 

 

Weiter unter:  https://1913familienalbum.blogspot.com/2022/04/meine-deutsch-franzosische-familie-teil_25.html

Dienstag, 12. April 2022

Meine deutsch-französische Familie Teil VI

 

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

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Revolution - Republik - Krise

 
Der Krieg war vorbei, aber überall in Deutschland bekam man jetzt die Folgen zu spüren. Die Blockade der Entente blieb auch nach Kriegsende im Jahr 1919 bestehen. Das Bürgertum war in den Kriegsjahren verarmt, die verkauften Kriegsanleihen konnte der Staat nicht zurückzahlen. Beides führte zu einer massien Staatsverschuldung und Inflation. In Gronau kam die Wirtschaft nur langsam wieder in Schwung, es wurden für die Niederlande vermehrt Garne produziert und daher arbeiteten viele Gronauer im Nachbarland. Positiver Nebeneffekt, man wurde in Gulden bezahlt und konnte in den Niederlanden damit einkaufen.
 
Bereits im letzten Kriegsjahr hatten an der Grenze Schmuggel und Schwarzhandel geboomt. Auch gutbürgerliche Kreise beteiligten sich, um an begehrte Ware zu kommen. So kleidete sich auch Frieda Ressing an einem Morgen sorgfältig an, mit langem schwarzem Mantel und großem

Hut. Sie nahm den fünfjährigen Heinz an der Hand und machte sich auf den Weg zur nahegelegenen Grenze. In Enschede kaufte sie Kaffee und versteckte ihn unter ihrem Hut. Als sie auf dem Rückweg an der Glaner Brücke vom deutschen Zöllner angehalten wurde, fragte er: "Haben Sie etwas anzumelden?" Frieda nahm allen Mut zusammen: "Nein" - da fragte der kleine Heinz laut: "Aber Mama, warum
trägst Du unter dem Hut die Kaffeetüte?" Frieda erstarrte wie Lots Weib, wurde kalkweiss und stotterte, glücklicherweise hatte der Zöllner seinen sozialen Tag, er lächelte und ließ die Dame aus gutem Hause samt Sprössling passieren. Das war der erste und letzte Versuch der hochmoralischen Frau, etwas über die Grenze zu schmuggeln. Vor allem Kaffee war eine begehrte Ware, manche fuhren regelmäßig mit dem Fahrrad über die Grenze und füllten in Enschede Kaffebohnen in ihre Reifen. Dann kehrten sie mit knirschenden Rädern zurück - und verkauften ihn - brühfertig gemahlen.
 

Dienstag, 5. April 2022

Meine deutsch-französische Familie Teil V

 


Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

 

Verwüstetes Land - Versehrte Menschen

 

1923
Im September 1920 kam Clotaire Aubry nach Saint Benin. der Artillerie-Offizier, dem er als Bursche gedient hatte, bot ihm eine Arbeit in seiner Mühle an der Selle an. Der 24Jährige Clotaire hatte zwar den Krieg überstanden, aber der junge Mann litt an einer zerstörte Lunge. Sie war bei einem deutschen Gasangriff kurz vor Kriegsende verätzt worden. Den Job in der Mühle musste er deshalb bald aufgeben, er wurde Postbote, konnte diese Tätigkeit aber auch nicht lange ausüben. Er kam 1920 als ein von Krankheit Gezeichneter in die von Krieg und Zerstörung betroffene Region. 






Mittwoch, 30. März 2022

Meine deutsch-französische Familie Teil IV

 

Zeitenwende in Gronau

 

Seit Jahren wütet der Weltkrieg, aber Gronau war von der Front weit entfernt. Für den Vierjährigen Heinz ist 1917 spannend, was ihm sein Onkel erzählt. Er sitzt dem Kunstmaler Modell im Matrosenanzug für ein Portrait in Öl. Damit er ruhig bleibt, erzählt der Onkel dem kleinen Jungen dabei die spannenden Abenteuer der griechischen Helden. Heinz war nicht mehr das einzige Kind im Hause Ressing, denn 1
915 war seine Schwester Käthe geboren worden. 

weiter mit https://1913familienalbum.blogspot.com/2022/03/meine-deutsch-franzosische-familie-teil.html

Donnerstag, 17. März 2022

Wohltönende Symbole - Selenskyj , Biden, Lafontaine - und wo bleibt das Positive?

 

Der Appell des unkrainischen Präsidenten am 17. März 2022 an den deutschen Bundestag, Deutschland solle im Konflikt mehr Führung zeigen - machte mir eine Gänsehaut. Selenskyjs geäusserte Furcht vor einer neuen Mauer war propagandistisch clever formuliert -faktisch aber seit längerem Wirklichkeit. 
 
Um die Ukraine ernsthaft militärisch gegen den Überfall Russlands zu unterstützen, müssten Nato und EU einen Krieg gegen Putin in Erwägung ziehen. Das glaubt ernsthaft niemand - auch Selenskyj nicht. Keine Regierung wie auch der Großteil ihrer Bevölkerung in den Staaten der EU und den USA sind dazu bereit. Maximal wird es Kleinwaffen und humanitäre Unterstützung geben. Flugverbotszonen? Die haben die USA einst in Syrien nicht umgesetzt - wegen des möglichen Konflikts mit Russland, das Assad stützt. Und jetzt soll es hier die Nato durchsetzen? 
 
Machtpolitik im alten Stil?

 
Ein ernsthafter Boykott der russischen Energielieferungen an Deutschland bekommt keine wirkliche Unterstützung. Man höre sich mal das aktuelle Gezeter an deutschen Tankstellen an - und die Wirtschaft kann vor allem auf das Gas nicht verzichten. Energie sparen - ist nur was für Sonntagsreden und das seit Jahren. Und die Solidarität mit den Flüchtlingen - warten wir ab, wie es in einem Jahr aussieht. Unsere Hilfsbereitschaft mit den Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan flaute schnell ab. Jetzt bezahlen wir die Grenzstaaten der EU dafür, uns diese Menschen vom Hals zu halten - und die EU-Chefin applaudierte dazu.
 
Die großrussischen Chauvinisten im Kreml sehen die Ukraine als ihren politischen Hinterhof - wie die USA Lateinamerika. Eine Nato- oder EU-Mitgliedschaft der Ukraine war und ist ein gefährlicher Wunschglaube. Er entsprang aus Präsident Obamas Geringschätzung, der einst Russland zur zweitrangigen Macht erklärte. Putin und seine Clique wollen jetzt einen weiteren Vasallen-Staat Ukraine, wie Bjelorussland und Tschetschenien. Dabei droht Russland bei einem längeren Krieg oder Guerillaaktionen in der Ukraine langfristig ein ähnliches Desaster wie Breschnew in Afghanistan. Die Sowjetunion brach als Folge  zusammen. 
 
US-Präsident Biden ist ein bigotter Heuchler. Einst unterstützte er den Afghanistan- und Irakkrieg der USA. Gute Beziehungen zu Kriegsverbrechern wie etwa dem König von Saudi Arabien, (Jemen) stören ihn nicht. Insofern ist sein 'emotionales Statement': Putin sei ein Kriegsverbrecher - zwar zutreffend - aber geheuchelt und vor allem folgenlos.
 
Krönender Abschluss des Tages bei uns: der Austritt Lafontaines bei den Linken. Das war überfällig. Politisch spielen er und Frau Wagenknecht schon lange keine Rolle mehr - und das ist gut so. Jetzt kann er sich ja mit seinem alten Widersacher Schröder zusammentun, wenn der aus der SPD rausgeworfen wird. 
Germans to the Front reloaded? (1944 Frankreich)

 
...und wo bleibt das Positive?
Es gibt Tage und Situationen - da gibt es nichts Positives. Die Menschen in der Ukraine und mittelbar auch in Russland zahlen die Zeche für Machtpolitik a la 1914. Der Kampf um Einflusszonen bestimmt das politische und wirtschaftliche Handeln. Aus Kriegsrüstung wird bei uns 'Ertüchtigung' - im Kreml regieren Stalinisten ohne Kommunismus. Grüne werfen endgültig die Maske der Friedenspartei ab und stimmen dem Kauf mangelhafter US-Tarnbomber zu. Der Bellizismus regiert allüberall. Linke Politik? Totalschaden!
 
Der Militärtheoretiker Clausewitz schrieb einst: „Es ist alles im Kriege sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig...So stimmt sich im Kriege durch den Einfluß unzähliger kleiner Umstände, die auf dem Papier nie gehörig in Betrachtung kommen können, alles herab, und man bleibt weit hinter dem Ziel.“ Aktueller denn je.
 
Einen Krieg beginnen ist einfach, ihn zu beenden dagegen schwer - eine Erkenntnis, die auch im Kreml und in Kiew wachsen wird. 
 
Ach ja und eines noch: In unseren Medien wird, kritisiert, in Russland stehe im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Ukraine das Wort 'Krieg' unter Strafe. So weit geht man bei uns nicht, aber: Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan durfte damals nicht Krieg genannt werden. Hochkonjunktur für Orwellsches  'Neusprech'....

Sonntag, 13. März 2022

....Hilflose Tauben... Stuttgart gegen den Ukraine-Krieg

 

Ja es waren viele gekommen in den sonnigen Park vor dem Stuttgarter Schauspielhaus. Die Veranstalter meinten, es seien 35 000 gewesen, ich schätze als Alt-Demonstrant da eine kleinere fünfstellige Zahl. Aber eigentlich ist es egal, die Menschen wollten ein Zeichen gegen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine setzen. Es zeigte sich auf der Kundgebung aber auch, dass die Wirklichkeit komplizierter ist, als der Slogan: "Stoppt den Krieg".


 

Auf den ersten Blick erinnerte mich die Kundgebung an viele Aktionen der Friedensbewegung in den 1980ern. Viele der am Sonntag gekommenen hatten 40 Jahre zuvor gegen den Nato-Raketenbeschluss demonstriert - es waren viele 'Greynecks' wie ich darunter - aber auch junge Leute und Familien mit Kindern. Transparente verschiedener Gruppen forderten Verhandlungen statt Bomben, griffen die Machtpolitik der USA und der Nato an. Gegen Putins Kriegspolitik wurde vor allem auf selbstgemalten Plakaten gewettert. 


 

1980 reloaded? Mitnichten! Keine Fahnen der Grünen, der SPD, Jusos oder Falken. Die aktuellen Regierungsparteien glänzten komplett durch optische Abweseneheit. Kein Wunder, wenn man gerade als Regierungspartei dabei ist, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro aufzurüsten. 'Volk ans Gewehr' heißt die Devise von SPDGÜNEFDPCDUCSU. Der bedrängten Ukraine hilft das in der aktuellen Situation Nullkommanix. Aber auch die Einigkeit der Friedensdemonstranten war brüchig. Die Ablehnung jeglicher Waffenlieferung an Kiew führte zu wütenden Reaktionen unter UkrainerInnen vor der Bühne, einer stürmte, Parolen rufend und eine Fahne seines Landes schwenkend, die Bühne. Mühsam gelang es, den Veranstaltern den Protest zu beruhigen. 

Es ist nicht einfach, in diesem Konflikt die richtigen Positionen zu finden. Darüber zu diskutieren ist noch schwerer, wenn 2000 Kilometer entfernt in der Ukraine Menschen sterben. Russlands Herrschende setzen auf großrussische imperiale Politik und Unterdrückung ihrer Kritiker im Stile der autoritären Sowjetunion. Die Führer der Ukraine fordern Flugverbotszonen, den Nato oder zumindestens EU-Eintritt -  wohlwissend, das kein Land der Nato bereit ist, dafür einen militärischen Konflikt mit Russland in Kauf zu nehmen. Das war allen Beteiligten spätestens seit dem Bürgerkrieg in Syrien klar - das Eingreifen Russlands auf Seiten des Schlächters Assad war die Vorlage für die aktuellen Ereignisse in der Ukraine. Vom völkerrechtswidrigen Angriff der Nato auf das europäische Serbien, das seinerseits die Albaner unterdrückte, mal ganz zu schweigen

Wenn Friedensbewegte und die Bellizisten bei uns etwas eint, so ist es das Verschweigen der Folgen bei einem Eingreifen in den Krieg. Das war daher auch auf der Kundgebung in Stuttgart kein Thema und so wirkte der Protest von der Bühne irgendwie deklamatorisch. Andere zum Widerstand aufzufordern, während wir weiter im Warmen sitzen und fröhlich bei Amazon konsumieren. Kürzlich war auf Tagesschau.de zu lesen, dass man im Gesundheitssystem bereits spekuliert, weibliche Flüchtlingen der Ukraine zu billigem Pflegepersonal für unserer Seniorenheime zu rekrutieren. Und die aktuelle Bereitschaft zur Solidarität - Wie sieht sie in einem Jahr aus. Die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan wurden bei zuerst auch bejubelt - heute bezahlen wir Griechenland, Kroatien und die Türkei, uns die Menschen mit Gewalt vom Hals zu schaffen. Bezeichnenderweise wies nur eine Rednerin auf der Kundgebung auf den Umgang mit Flüchtlingen bei uns hin, die selber vor vielen Jahren aus dem Kongo nach Deutschland gekommen war. Im Radioprogramm von SWR 2 schilderte eine Aktivistin aus Freiburg, Menschen dunkler Hautfarbe seien in der Ukraine nicht in die Flüchtlingszüge gelassen worden. Man organisierte extra Busse aus Deutschland, die sie, vor allem Studenten, gerettet haben. (SWR 2 Morgenmagazin 14. März 2022). Ebenso erschreckend, Zuhälter versuchen an den Bahnhöfen ankommende Frauen aus der Ukraine mit freier Unterkunft anzulocken. (Interview mit "Terres de femmes" im Radioprogramm SWR2 - https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/inge-bell-von-terre-des-femmes-ueber-die-gefahr-fuer-frauen-auf-der-flucht-aus-der-ukraine-100.html) 

Die Ukraine steht vor der katastrophalen Alternative, vor den Herrschenden in Moskau zu kapitulieren und den Status eines Marionetten-Systems anzunehmen. Aber was hat die Ukraine in diese Situation gebracht? Wie war der Westen daran beteiligt? Auf der anderen Seite bleibt nur ein Guerilla-Krieg - will man der Ukraine eine Entwicklug wie in Afghanistan zumuten.

Diese Themen hätten auf der Kundgebung in Stuttgart angesprochen werden sollen - müssen. So bleibt, bei aller Genugtuung über die vielen TeilnehmerInnen, ein bitterer Beigeschmack....

Stuttgarter Opernhaus


Sehr lesenswerter nüchterne Analyse des Konfliktes:

https://monde-diplomatique.de/artikel/!5830499?fbclid=IwAR1yWjwm1ApQ2CeOeOWos3ZYIUkW5owbBA_OBE3T40G18y9PU0vzNkssnKA 

Donnerstag, 13. Januar 2022

Film- und Kinostadt Hamburg

 
An meinen ersten Kinobesuch kann ich mich nicht genau erinnern, es muss Anfang der 1960er Jahre gewesen sein. Die ganze Familie schaute sich gemeinsam einen Disney-Film an, entweder war es 'Bambi' oder 'Susi und Strolch'. Damit begann jedenfalls meine Liebe zu dunklen Räumen, in denen auf einer großen Leinwand spannende Geschichten erzählt wurden. Ich verbrachte später als Jugendlicher viele Nachmittage in Lichtspielhäusern, oft alleine, denn  viele Freunde hatte ich nicht. Viele Filme sah ich mehrfach... 

Close UP - Ausstellung im Altonaer Museum


Anfang Januar 2022 las ich ein Interview in der 'taz' mit der Macherin der Ausstellung: "Close UP - Hamburger Film- und Kinogeschichte" im Altonaer Museum. Ein Kurzbesuch in meiner Heimatstadt machte es möglich; FFP2 Maske aufgesetzt, Formulare am Eingang ausgefüllt und hinein in die Filmgeschichte meiner Heimatstadt und meiner Jugend. *
 
Auf einer Etage des Museums werden alte Filmausschnitte gezeigt, Requisiten und Plakate sowie Fotografien der Lichtspielhäuser - die meisten gibt es heute nicht mehr. Man läuft durch dunkle Räume und betritt stilisierte kleine Kinosäle mit entsprechenden Sesseln, auf deren Leinwänden Filmausschnitt Hamburger Produktionen laufen.  
Am Eingang empfängt den Besucher die Kulisse des Spielfilms: "Der Goldene Handschuh" von Fatih Akin. Er hat 2019 die Geschichte des Frauenmörders Honka verfilmt, der in der Kiez-Kneipe auf der Reeperbahn seine Opfer einst gefunden hatte. Eine schon etwas unheimliche Umgebung für einen Museumsbesuch. Ich habe selbst in solchen Kneipen mit meinen langhaarigen Freunden in den 1970ern gesessen, da gab's ein kleines Bier für Eine Mark und 'Rundstück warm'. Die Kulisse erinnerte mich sofort an den  1968 gedrehten schwarz-weiß Dokumentarfilm Film des NDR: 'Heiligabend auf St. Pauli' von Klaus Wildenhahn.  (Auf Youtube abrufbar)

Fatih Akin, ein echt Hamburger Jung aus Ottensen, dem Stadtteil hinter dem Altonaer Museum, in dem ich selber acht Jahre gelebt habe. Damals ein heruntergekommenes Viertel, in dem sich eine lebendige Alternativ-Szene bildete. Gut möglich, dass er damals als Halbwüchsiger an unserem Büchterisch am Spritzenplatz vorbeigekommen ist. Bei Akins Lieblings-Griechen, dem 'Sotiris' - damals an der Reitbahn gelegen - habe ich so manchen Abend verbracht. Als Akin vor einigen Jahren in Stuttgart seinen Film 'Soul Kitchen' in einem Kino präsentierte, fragte ich ihn, ob er nicht eigentlich eine Art 'Heimatfilm' gedreht habe. Akin lachte und stimmte mir von der Bühne in breitem Hamburgisch zu. Sein Film 'Gegen die Wand', gedreht im Schanzenviertel, ist für mich ein Spiegel der 1990er Jahre - schon wegen der Leistung der DarstellerInnen immer noch sehenswert. Der Hauptdarsteller ist leider mittlerweile verstorben.
 

Hamburg Filmstadt seit 1895

 
Das Kaiser Wilhelm sich in Hamburg 1895 mit einem pompösen Aufmarsch feiern ließ, zeigen die wohl ersten Dokumentaraufnahmen Deutschlands. Vor allem Kinoproduktionen aus Hamburg, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in die Kinos kamen, gehören zur deutschen Filmgeschichte. Natürlich: 'Große Freiheit Nummer 7' - der Hamburg-Film par exellence - mit Hans Albers und Ilse Werner. Ein Film den Nazi-Propagandaminister Goebbels verbot, nur im Ausland durfte er noch 1944 gezeigt werden. In Deutschland kam er erst nach Kriegsende in die Kinos. Auch 'In jenen Tagen' war 1947 unter der Regie von Helmut Käutner entstanden. Er  schildert anhand der Geschichte eines Autowracks und seiner Besitzer Aufstieg und Fall des 'Dritten Reiches'. Käutner drehte später in Hamburg auch eine der besten deutschen Filmkomödien: 'Die Zürcher Verlobung'. Als Kulisse ließ er eine der neuen Wohnungen der Grindel-Hochhäuser nachbauen - unweit von der Hansastrasse, in der ich als Kind aufgewachsen bin. 
 
Viele der - heute mit Kultstatus versehenen - vor allem aber dilettantischen Edgar Wallace-Verfilmungen wurden in Hamburg gedreht - die Stadt diente damals als Ersatz für London und seinen Hafen. Filme die so schlecht waren, dass sie dadurch fast wieder gut sind. Vor allem kommt mir das Grinsen, wenn ich Hamburger Straßen oder Häuser erkenne. Im Wandsbeker Stadtteil Tonndorf befanden sich die Filmbetriebe von 'Studio Hamburg'. In den 1960ern nahm mich mein Vater einmal mit zu Dreharbeiten eines Krimis. dort stand ich in den Kulissen und verfolgte die Proben einer Szene mit dem Schauspieler Hans Lothar - damals ein 'Superstar' des deutschen Films (Buddenbrooks, Eins Zwei Drei). 
 
In den 1970er Jahren ging es mit dem deutschen Film bergab - so auch in Hamburg. Viele Kinos gingen Pleite und mussten schließen, die Konkurrenz durch das Fernsehen war einfach zu groß. Das bedeutete vor allem das Ende vieler Lichtspielhäuser in den Hamburger Stadtteilen. Damals verbrachten wir, eine Clique langhaariger Heranwachsender manchen Nachmittag in den 'Flohkinos', wie etwa am Steindamm, oder am Grindel. In manchen musste man nur einmal Eintritt zahlen und konnte dann Stundenlang die sich wiederholenden Schwarz-Weiß Western und andere C-Pictures ansehen. Manche dieser Kinos waren vor allem bei Obdachlosen beliebt - daher Floh-Kinos. 
 
Auch mit den großen Häusern, wie etwa dem Streits, dem Waterloo oder dem Cinerama ging es damals bergab. Letzteres mit seiner gigantischen Leinwand - 27 mal 10 Meter - war ein Erlebnis. Hier sah ich 'Lawrence von Arabien' und 'Doktor Schiwago' - und vor allem mein musikalisches Erweckungserlebnis 'Woodstock'. Mit dem Niedergang der großen Häuser entstand mit dem Abaton, in einer einstigen Autogarage an der Uni, eines der ersten Alternativ-Kinos mit entsprechem Filmprogramm. Das Repertoire ging von den Marx-Brothers, bis zu Alternativ-Porno bei 'Erotik im Untergrund'. Besonders beliebt die sogenannten 'Sachsenwald-Filme', angeblich von den Nazis zum Export gedrehten Hardcore-Streifen - heute weiß man, ein Fake. Aber es war immer Stimmung im Saal und spätabends ein vollbesetztes Kino - vorwiegend männlich. Da bebte die Sitzreihe: "Ey Alter bis Du endlich fertig?!" - schallendes Gelächter. Im angeschlossenen Buchshop gab es US-Alternativcomics Robert Crumb, Fat Freddys Kater und schräge Poster (Zappa auf dem Klo).

Die Ausstellung im Museum zeigt auch einen Ausschnitt des legendären TV-Films 'Rocker' von Klaus Lemke (1972). Der Clou, in der trübsinnigen Saga spielen keine Schauspieler, sondern Rocker und Zuhälter sich selbst. Höhepunkt die Straßenschlacht zum Schluss zwischen Bikern und Luden auf dem Kiez, man kann sehen, wie die Akteure zwischen wirklicher Prügelei und Lachanfall agieren. An einen der bekanntesten Filme: 'Nordsee ist Mordsee' von Hark Bohm wird erinnern wie eben auch an Fatih Akin.

Insgesamt ein für mich anrührender Besuch in einem Stück Film-Geschichte meiner Geburtsstadt....

Montag, 3. Januar 2022

Meine Deutsch-Französische Familie Teil III

 

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familenangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

 

Inferno 


Am 13. August 1914 erklärte die Republik Frankreich dem Kaiserreich Österreich-Ungarn den Krieg. Im beschaulichen Saint Benin interessierte das aber die Familie Gaspard weniger, als der Brief, den der Postbote brachte. An diesem Tag erhielt Vater Henri nämlich seinen Stellungsbefehl in das Korps der Territorialarmee im südlich gelegenen Saint Quentin. Mit seinen mittlerweile 40 Jahren gehörte er nicht mehr zu den aktiven Kampftruppen der Ersten Linie. Seit dem 2. August hatte die Invasion der Armeen des deutschen Kaiserreichs mit der Besetzung Luxemburgs und dem Einmarsch in Belgien begonnen. 

 

Henri Paul Gaspard 1930

 

 

 

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