Donnerstag, 13. Januar 2022

Film- und Kinostadt Hamburg

 
An meinen ersten Kinobesuch kann ich mich nicht genau erinnern, es muss Anfang der 1960er Jahre gewesen sein. Die ganze Familie schaute sich gemeinsam einen Disney-Film an, entweder war es 'Bambi' oder 'Susi und Strolch'. Damit begann jedenfalls meine Liebe zu dunklen Räumen, in denen auf einer großen Leinwand spannende Geschichten erzählt wurden. Ich verbrachte später als Jugendlicher viele Nachmittage in Lichtspielhäusern, oft alleine, denn  viele Freunde hatte ich nicht. Viele Filme sah ich mehrfach... 

Close UP - Ausstellung im Altonaer Museum


Anfang Januar 2022 las ich ein Interview in der 'taz' mit der Macherin der Ausstellung: "Close UP - Hamburger Film- und Kinogeschichte" im Altonaer Museum. Ein Kurzbesuch in meiner Heimatstadt machte es möglich; FFP2 Maske aufgesetzt, Formulare am Eingang ausgefüllt und hinein in die Filmgeschichte meiner Heimatstadt und meiner Jugend. *
 
Auf einer Etage des Museums werden alte Filmausschnitte gezeigt, Requisiten und Plakate sowie Fotografien der Lichtspielhäuser - die meisten gibt es heute nicht mehr. Man läuft durch dunkle Räume und betritt stilisierte kleine Kinosäle mit entsprechenden Sesseln, auf deren Leinwänden Filmausschnitt Hamburger Produktionen laufen.  
Am Eingang empfängt den Besucher die Kulisse des Spielfilms: "Der Goldene Handschuh" von Fatih Akin. Er hat 2019 die Geschichte des Frauenmörders Honka verfilmt, der in der Kiez-Kneipe auf der Reeperbahn seine Opfer einst gefunden hatte. Eine schon etwas unheimliche Umgebung für einen Museumsbesuch. Ich habe selbst in solchen Kneipen mit meinen langhaarigen Freunden in den 1970ern gesessen, da gab's ein kleines Bier für Eine Mark und 'Rundstück warm'. Die Kulisse erinnerte mich sofort an den  1968 gedrehten schwarz-weiß Dokumentarfilm Film des NDR: 'Heiligabend auf St. Pauli' von Klaus Wildenhahn.  (Auf Youtube abrufbar)

Fatih Akin, ein echt Hamburger Jung aus Ottensen, dem Stadtteil hinter dem Altonaer Museum, in dem ich selber acht Jahre gelebt habe. Damals ein heruntergekommenes Viertel, in dem sich eine lebendige Alternativ-Szene bildete. Gut möglich, dass er damals als Halbwüchsiger an unserem Büchterisch am Spritzenplatz vorbeigekommen ist. Bei Akins Lieblings-Griechen, dem 'Sotiris' - damals an der Reitbahn gelegen - habe ich so manchen Abend verbracht. Als Akin vor einigen Jahren in Stuttgart seinen Film 'Soul Kitchen' in einem Kino präsentierte, fragte ich ihn, ob er nicht eigentlich eine Art 'Heimatfilm' gedreht habe. Akin lachte und stimmte mir von der Bühne in breitem Hamburgisch zu. Sein Film 'Gegen die Wand', gedreht im Schanzenviertel, ist für mich ein Spiegel der 1990er Jahre - schon wegen der Leistung der DarstellerInnen immer noch sehenswert. Der Hauptdarsteller ist leider mittlerweile verstorben.
 

Hamburg Filmstadt seit 1895

 
Das Kaiser Wilhelm sich in Hamburg 1895 mit einem pompösen Aufmarsch feiern ließ, zeigen die wohl ersten Dokumentaraufnahmen Deutschlands. Vor allem Kinoproduktionen aus Hamburg, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in die Kinos kamen, gehören zur deutschen Filmgeschichte. Natürlich: 'Große Freiheit Nummer 7' - der Hamburg-Film par exellence - mit Hans Albers und Ilse Werner. Ein Film den Nazi-Propagandaminister Goebbels verbot, nur im Ausland durfte er noch 1944 gezeigt werden. In Deutschland kam er erst nach Kriegsende in die Kinos. Auch 'In jenen Tagen' war 1947 unter der Regie von Helmut Käutner entstanden. Er  schildert anhand der Geschichte eines Autowracks und seiner Besitzer Aufstieg und Fall des 'Dritten Reiches'. Käutner drehte später in Hamburg auch eine der besten deutschen Filmkomödien: 'Die Zürcher Verlobung'. Als Kulisse ließ er eine der neuen Wohnungen der Grindel-Hochhäuser nachbauen - unweit von der Hansastrasse, in der ich als Kind aufgewachsen bin. 
 
Viele der - heute mit Kultstatus versehenen - vor allem aber dilettantischen Edgar Wallace-Verfilmungen wurden in Hamburg gedreht - die Stadt diente damals als Ersatz für London und seinen Hafen. Filme die so schlecht waren, dass sie dadurch fast wieder gut sind. Vor allem kommt mir das Grinsen, wenn ich Hamburger Straßen oder Häuser erkenne. Im Wandsbeker Stadtteil Tonndorf befanden sich die Filmbetriebe von 'Studio Hamburg'. In den 1960ern nahm mich mein Vater einmal mit zu Dreharbeiten eines Krimis. dort stand ich in den Kulissen und verfolgte die Proben einer Szene mit dem Schauspieler Hans Lothar - damals ein 'Superstar' des deutschen Films (Buddenbrooks, Eins Zwei Drei). 
 
In den 1970er Jahren ging es mit dem deutschen Film bergab - so auch in Hamburg. Viele Kinos gingen Pleite und mussten schließen, die Konkurrenz durch das Fernsehen war einfach zu groß. Das bedeutete vor allem das Ende vieler Lichtspielhäuser in den Hamburger Stadtteilen. Damals verbrachten wir, eine Clique langhaariger Heranwachsender manchen Nachmittag in den 'Flohkinos', wie etwa am Steindamm, oder am Grindel. In manchen musste man nur einmal Eintritt zahlen und konnte dann Stundenlang die sich wiederholenden Schwarz-Weiß Western und andere C-Pictures ansehen. Manche dieser Kinos waren vor allem bei Obdachlosen beliebt - daher Floh-Kinos. 
 
Auch mit den großen Häusern, wie etwa dem Streits, dem Waterloo oder dem Cinerama ging es damals bergab. Letzteres mit seiner gigantischen Leinwand - 27 mal 10 Meter - war ein Erlebnis. Hier sah ich 'Lawrence von Arabien' und 'Doktor Schiwago' - und vor allem mein musikalisches Erweckungserlebnis 'Woodstock'. Mit dem Niedergang der großen Häuser entstand mit dem Abaton, in einer einstigen Autogarage an der Uni, eines der ersten Alternativ-Kinos mit entsprechem Filmprogramm. Das Repertoire ging von den Marx-Brothers, bis zu Alternativ-Porno bei 'Erotik im Untergrund'. Besonders beliebt die sogenannten 'Sachsenwald-Filme', angeblich von den Nazis zum Export gedrehten Hardcore-Streifen - heute weiß man, ein Fake. Aber es war immer Stimmung im Saal und spätabends ein vollbesetztes Kino - vorwiegend männlich. Da bebte die Sitzreihe: "Ey Alter bis Du endlich fertig?!" - schallendes Gelächter. Im angeschlossenen Buchshop gab es US-Alternativcomics Robert Crumb, Fat Freddys Kater und schräge Poster (Zappa auf dem Klo).

Die Ausstellung im Museum zeigt auch einen Ausschnitt des legendären TV-Films 'Rocker' von Klaus Lemke (1972). Der Clou, in der trübsinnigen Saga spielen keine Schauspieler, sondern Rocker und Zuhälter sich selbst. Höhepunkt die Straßenschlacht zum Schluss zwischen Bikern und Luden auf dem Kiez, man kann sehen, wie die Akteure zwischen wirklicher Prügelei und Lachanfall agieren. An einen der bekanntesten Filme: 'Nordsee ist Mordsee' von Hark Bohm wird erinnern wie eben auch an Fatih Akin.

Insgesamt ein für mich anrührender Besuch in einem Stück Film-Geschichte meiner Geburtsstadt....

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