Donnerstag, 20. April 2023

Ostern in der Südpfalz - auf den Spuren Richard Löwenherz

Burg Landeck bei Klingenmünster

 

Die Region um Bad Bergzabern, im Südwestlichen Rheinland-Pfalz - nur wenige Kilometer von der Grenze zum Elsass entfernt - ist etwas für Liebhaber alter Burgen. Die Ruinen reihen sich wie an einer Perlenkette gezogen, entlang der Höhen des Pfäzer-Waldes. Von dort bietet sich ein weiter Blick über die Ebene bis zum Rhein. Im Osten schließen sich dagegen die dichten Wälder und die Berglandschaft des Pfälzer Waldes an, die im Osten an das französische Lothringen angrenzen.

Burg Trifels
 

So ziemlich jedem, der die Robin-Hood Saga kennt, ist diese Region bekannt. Saß doch einst 1129 auf der Burg Trifels, der englische König Richard Löwenherz als Gefangener. Er war während der Rückkehr vom gescheiterten Kreuzzug ins Heilige Land, von seinen Erzfeind, Herzog Leopold V. von Österreich, gefangen genommen worden. Nur gegen Zahlung eines hohen Lösegeldes kam er nach drei Wochen frei. Um diese Gefangenschaft und Heinrichs Befreiung rankt sich die Legende um Blondel, den Barden des Königs. Er habe, so geht die Sage, damals auf der Suche nach seinem eingekerkerten Herren jede Burg der Region 'abgeklappert'. Dazu habe er vor den Mauern seine Lieder gesungen und so den Aufenthaltsort seines Königs herausbekommen. Nun ja, wie immer, war die Wirklichkeit trivialer - aber die Touristen kümmert das wenig,

Klar ist jedenfall, das Trifels ist mit rund 100 000 jährlichen Besuchern, neben dem Schloss Hambach, die Attraktion der Südpfalz. Von der Ruine aus hat man einen weiten Blick über die Ebene und den  Pfälzer Wald - alleine das lohnt schon einen Besuch. 

Die vielen Burgruinen zeugen von der bewegten Geschichte der Kulturregion. Die Pfalz war lange umkämpft, vor allem der König von Frankreich hatte, nach der Eroberung des Elsass im 30. Jährigen Krieg versucht, sie sich einzuverleiben. So verwüstete General Melac 1688 im Auftrag von König Ludwig.XIV die Pfalz bis nach Heidelberg. Das halbzerstörte Schloss oberhalb der Altstadt ist heute noch ein Mahnmal dieser blutigen Epoche.

Viele der heutigen Burganlagen in der Südpfalz wurden später - eher weniger als mehr historisch getreu - restauriert. Aber den Besucher stört das nicht. So lädt in Eschbach die 'Madenburg' mit seiner schönen Aussicht ein. Der Name hat nichts mit Ungeziefer zu tun, sondern leitet sich von Maria, der Mutter Jesus ab. Viele Besucher sitzen dort im Ausflugslokal und genießen den weiten Blick über die Ebene bis Landau und Karlsruhe. 

Touristisch hat sich die Region in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt, wie auch die hiesige Weinkultur. Manche Weingüter bieten Bioland-Gewächse an, etwa die Sylvaner im Weingut Porzelt bei Klingenmünster. Hier werden  Ferienwohnungen vermietet - was den Rückweg nach einer Weinprobe erleichtert....

Madenburg

Auch die Gastronomie der Region hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Früher vor allem für deftige Pfälzer Hausmannskost bekannt, bietet sie heute ein vielfältiges Angebot. Hier wird in vielen Küchen noch selber gekocht und nicht in den Convenience-Kühlschrank gegriffen.

Die Region versucht mit einem vielfältigen touristischen Angbot, Wandern, einem Wildpark, Museen und weiteren Sehenswürdigkeiten Besucher anzulocken. Ein Trip ins benachbarte Nord-Elsass bei Wissembourg bietet französischen Charme und Küche.   

 





 

 

 


Sonntag, 26. März 2023

Meine Deutsch-Französische Familiengeschichter Teil XII

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

Ende und Anfang


HSV-Stadion Rotherbaum - links Bunker
 
 
Ich wurde Ostern 1960 in der Volksschule am Turmweg in Hamburg Rotherbaum eingeschult. Direkt daneben lag damals das Stadion des HSV, an dessen Zaun wir immer in der 'großen Pause' das Training von Uwe Seeler und Charly Dörfel verfolgten. Daneben befand sich ein düsterer Hochbunker aus der Kriegszeit. Er spielte in den letzten Kriegstagen eine wichtige Rolle für das ganz persönliche Kriegsende meines Vaters.
 
Heinz kommandiert April 1945
Heinz war mit seinem Propaganda-Trupp im niederländischen Apeldoorn stationiert. Sie waren von dort vor den britischen Truppen mit viel Glück nach Hamburg entkommen. Heinz erreichte im April 1945 mit seinen vier Untergebenen die Hansestadt und sie kamen in der Wohnung seiner Mutter in der Magdalenentrasse unter. Im heute noblen Pöseldorf nahe der Alster findet man, versteckt im Hof der Hochschule für Musik, ein mächtiger Tiefbunker. Hier befand sich bis Kriegsende der sogenannte 'Kampfstand' von NS Gau- und Reichststatthalter Karl Kaufmann. 
 
 

Dienstag, 21. März 2023

SWR Sparpläne - Anschnallen ist angesagt


Für unfreiwillige Heiterkeit sorgte am 17. März 2023 der Intendant des Südwestrundfunks (SWR), Professor Dr. Kai Gniffke, bei der Sitzung des Rundfunkrates in Stuttgart. Da er nicht selber anwesend sein konnte, er nahm in Magdeburg an einer Anhörung des Landtages Sachsen-Anhalt teil, hatte man ihn per Video-Bildschirm in den Sendesaal in Stuttgart zugeschaltet. Sein Statement zu Lage der ARD und des SWR hielt er vom Rücksitz seines Dienstwagens - vorschriftsmässig angeschnallt. Die Techniker beim SWR kamen dabei auf die Idee, ihn technisch aus dem Auto zu 'stanzen' und in ein Foto seines Büros einzufügen. So wirkte Gniffke quasi an seinem Arbeitsplatz angeschnallt...


An sonsten gab es aber in Stuttgart nicht viel zu Lachen, denn die Lage des SWR wie der ARD ist ernst. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk insgesamt ist in der Krise - finanziell wie politisch und in der Akzeptanz der Bevölkerung. Skandale haben das Image deutlich beschädigt - die Intendantin des Radio Berlin Brandenburg musste wegen Korruptionsverdacht gehen - beim Mitteldeutschen Rundfunk wurde gerade der Ex- Unterhaltungschef wegen Betrug und Bestechlichkeit zu Gefängnis auf Bewährung verurteilt. 

Da der SWR nach dem RBB-Skandal kurzfristig den ARD-Vorsitz übernommen hatte, hat Kai Gniffke daher auch den ARD-Vorsitz inne.  


Sparkurs beim SWR - Adieu Hannes...

 
Sparen heißt auch beim SWR die Devise, so wurden die TV-Formate im Südwestfernsehen "Ich trage einen großen Namen" und die schwäbischen Comedy-Formate: "Hannes und der Bürgermeister" und "Freunde in der Mäulesmühle" eingestellt. Auch das "SWR3-Comedy Festival" wird 2025 eingestellt - insgesamt sollen so jährlich drei Millionen Euro eingespart werde. Auf Nachfrage sagte eine SWR-Verantwortliche, die über den SWR weit hinaus beliebte Sendung über Hannes und seinen Bürgermeister - ein bisschen Don Camillo und Peppone auf Schwäbisch - würden nicht aus Kostengründen beendet. Vielmehr wollten die beiden Darsteller altersbedingt aufhören.
 
Auch in der aktuellen Berichterstattung wird auf die Kostenbremse getreten, vermehrt werden dazu 'Ein Personen Teams' (EPT) für TV-Beiträge aus dem Land eingesetzt. Rückten bisher zur Berichterstattung Drei-Personen aus:
TV-Chef Clemens Bratzler muss sparen
Kamera, Ton, JournalistIn, werden mittlerweile bereits 20% der TV-Beiträge im Aktuellen solo produziert. Die JournalistInnen nehmen mit dem Handy Bild und Ton auf und machen den Beitrag danach sendefähig. Auf Nachfrage erklärte dazu TV-Programmchef Clemens Bratzler, dies werde bei allen aktuellen Sendungen künftig zum Produktionsstandard werden. 
 

Unruhe über SWR4   

 
Für Unruhe und Diskussionen im Rundfunkrat sorgen die Mitte März bekannt gewordenen Pläne, das Musikprogamm der Schlagerwelle SWR4 künftig zentral am Standort Stuttgart zu produzieren. Bei der Fusion des Süddeutschen Rundfunks (SDR) und Südwestfunks (SWF) 1998 zum Südwestrundfunk (SWR) als Zwei-Länder-Anstalt (Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) hatten Standortfragen und regionale Programme eine wichtige Rolle gespielt. So wurden neben zentralen Radiowellen (SWR3, SWR2, Inforadio, Das Ding) zwei weitere Programme mit landesbezogenem Schwerpunkt etabliert: SWR1 und SWR4. Dementsprechend wurden Stuttgart und Mainz, sowie Regionalstudios in den Ländern mit regionalen Programmfenstern wichtiger Bestandteil des Staatsvertrages. Dabei ging und geht es auch heute noch um Arbeitsplätze und Standortsicherung.

Während der letzten Jahre wurden Schritt für Schritt vor allem bei SWR4 die regionale Auseinanderschaltung einzelner Programm- und Musikstrecken reduziert. Künftig wird dies nur noch in der Prime-Time (6-18 Uhr) praktiziert. Dabei sollen landesspezifische und regionale Nachrichten weiterhin bei SWR4 getrennt gesendet werden. Das Musikprogramm wird aber künftig zentral in Stuttgart produziert. Das sorgt vor allem in Rheinland-Pfalz und bei seinen Gremienmitgliedern für Unruhe. Auch im Mainzer Landtag wurde das Thema diskutiert. Intendant Gniffke verdeutlichte ein Problem bei SWR4, denn drei Viertel der Hörerschaft sei über 50 Jahre alt. Klar sei aber auch, dass es nicht um die Zukunft von SWR4 an sich gehe. Auch werde der Standort Mainz des SWR nicht reduziert vielmehr habe man ihn personell sogar ausgebaut - so für das Digitalangebot. Auch der Verlust von Arbeitsplätzen bei SWR4 werde versucht dadurch auszugleichen, dass Mitarbeitern andere Positionen im SWR angeboten würden. Dem Vernehmen nach bedeutet die Änderung bei SWR4, das etwa ein Viertel seines Personals in Mainz reduziert werden soll. Der Intendant sprach von 40 der 80 Vollzeitstellen vor Ort. Er sehe sich dazu gezwungen, da der SWR jährlich etwa 100 Millionen Euro an Kaufkraftverlust verliere. Ursächlich dafür seien Inflation, Kostensteigerung und sinkende Werbeeinnhamen. Mit den Sparplänen könnten insgesamt etwa 12 Millionen Euro aufgefangen werden. Gniffke warnte aber: "Das ist also nur die Overtüre."
 

Einheitlicher TV-Mantel für die Dritten

 
Innerhalb der ARD wird bereits seit längerem darüber diskutiert, für die Dritten-Fernsehprogramme ein einheiltiches Mantelprogramm einzuführen. Einst wurden ähnliche Pläne des ARD-Progammdirektors Günter Struve (1998-2008) von den Intendanten wie Ministerpräsidenten vom Tisch gefegt. Jetzt befeuern die massiven Finanzprobleme das Thema neu - vorneweg der SWR-Intendant und ARD-Vorsitzende Gniffke. 
 
Bereits auf der Sondersitzung des SWR-Rundfunkrates am 30. Januar 2023 in Stuttgart hatte er sich dafür ausgesprochen - mit Ausnahme der landesbezogenen Prime-Time (18-22 Uhr). Auf Nachfrage hatte er gesagt: "Ich erwarte Ergebniss in absehbarer Zeit und nicht erst in vielen Jahren."  Er will das Thema in der ARD vorantreiben, SWR-Programmdirektor Clemens Bratzler meinte am
Radio-Chefin Anke May muss Kosten senken

17.März, er gehe davon aus , dass Mitte des Jahres die dazu eingerichtete ARD-Arbeitsgruppe Vorschläge präsentieren werde. Ähnliche Diskussionen scheint es auch bei den ARD-Kultur-Radiowellen zu geben. So meinte die Hörfunk-Direktorin Anke May auf Nachfrage, man diskutiere auch innerhalb der ARD Mantel-Modelle, um Kosten senken zu können. Immerhin verbraucht die Kulturwelle SWR2 den größten Teil des SWR-Radioetats.
 
Für SWR-Intendant Gniffke ist die Marschrichtung der ARD  klar: Ausbau der Mediathek gemeinsam mit dem ZDF. Sein Ziel: Das Öffentlich-Rechtliche Digitalprogramm soll zu dem "relevanten Streaming-Angebot in Deutschland" werden. Immerhin habe der SWR seine digitale Reichweite nicht nur verdoppeln, sondern verdreifachen können. Dabei gehe es um Vielfalt im Angebot, im Gegensatz zu kommerziellen Wettberbern, die über Polarisierung ihre Reichweiten steigern wollten. Ziel der Öffentlich-Rechtlichen sei, journalistisch wie technisch in der deutschen Medienlandschaft führend zu werden und dies nicht internationalen Tec-Konzernen zu überlassen. "Wir wollen die mediale Lebensader Deutschlands bleiben", lautet daher sein Credo für die ARD.

Sonntag, 5. März 2023

Erinnerung an Fernande Henriette Aubry

 

Meine Mutter Fernande Henriette Ressing, geborene Aubry, wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden.


 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

Fernande mit 25 Jahren
Der 15. Februar 1923, war - für Nordfrankreich - ein milder Wintertag, kühl und tiefhängende Wolken. Das etwa 100 Kilometer entfernten Meer ist mit seinem rauhen Klima auch im Dorf Saint Benin und der Kleinstadt Le Cateau präsent. Herbst und Winter sind im Departement Nord, wenige Kilometer von Belgiens Südrenze oft stürmisch, mit Nebel, kalt und regnerisch.

An diesem Donnerstag 1923 wurde im Krankenhaus von Le Cateau Fernande Henriette Aubry - meine Mutter - geboren. Sie war die Tochter von Flore und Clotaire Aubry, die beide im Dorf Saint Benin lebten. 


weiterlesen unter: https://1913familienalbum.blogspot.com/2023/03/erinnerung-fernande-henriette-aubry.html

Montag, 5. Dezember 2022

Wissembourg im Elsass - Ein Weihnachtsmärchen

 

Wer das Elsass besucht, hat dabei zumeist vor allem die Region um Colmar und Straßbourg im Auge. Weinorte wie Riquewihr am Fuß der Vogesen, ziehen jedes Jahr tausende von Besuchern an. Sie locken mit schön restaurierten Fachwerkhäusern, noblen Hotels und gemütlichen Weinstuben - wirken oft aber ein wenig wie Theater-Kulissen. Wir bevorzugen dagegen den ruhigeren Norden des Elsass: Wissembourg, Woerth, Hagenau und Saverne. Viele Besucher aus Deutschland, dem Rhein-Main-Dreieck und Karlsruhe verbringen hier ein Wochenende - zum Wandern und vor allem wegen der französisch-elsässischen Delikatessen - von Choucroute, Munster Käse über Eclair bis Gugelhupf. (Weiter mit: https://1913familienalbum.blogspot.com/2022/12/wissembourg-im-elsass-ein.html

Wissembourg Stadtmauer 3. Dezember 2022

Montag, 6. Juni 2022

Meine deutsch-französische Familiengeschichte Teil XI

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

Vom 'Erbfeind' zum Liebespaar



Fernande Kommunion
Meine Mutter Fernande hat nie gerne über ihre Kindheit und Jugend in Sant Benin gesprochen. Nach ihrem Tod im Dezember 1976 sprach auch ihre Mutter Flore nur wenig über das Verhältnis zur Tochter. Es war schwierig gewesen, Fernande hatte sich für die ärmlichen Verhältnisse geschämt, in denen sie aufgewachsen war und in denen ihre Mutter, seit der Rückkehr aus Lille 1946, bis zu ihrem Tod 1988 lebte. Fernande schämte sich für das kleine Haus, den verwilderten Garten, sowie den Kaninchenstall mit dem P
lumps-Klo nebenan. Ein Milieu, aus dem sie immer entkommen wollte und sich nur ungern daran erinnerte.
 

Sonntag, 22. Mai 2022

Pontische Griechen - Gedenken an den Genozid - Stuttgart 22.5. 2022

 

 
 
Der von den Verantwortlichen des Osmanischen Reiches angeordnete Völkermord an den ArmenierInnen während des Ersten Weltkrieges wird heute nur noch von der türkischen Regierung und den Nationalisten geleugnet. (*) Vergessen hat Europa aber Mord und Vertreibung der pontischen Griechen vom Schwarzen Meer. Zwischen 1915 und 1922 fielen dem Genozid über 350 000 GriechInnenim Osmanischen Reich zum Opfer. Hunderttausende flohen oder wurden Vertrieben, viele kamen als verarmte Flüchtlinge 1923 nach Ostgriechenland und in die Großstadt Thessaloniki. Sie waren materiell, wie kulturell Entwurzelte und Heimatlose, ihr Griechisch war für die Einheimischen oft unverständlich. All das  erschwerte zusätzlich die Integration in ein Griechenland, das politisch gespalten und wirtschaftlich kaum in der Lage war, sie zu versorgen.
 
MdBs: Mitte links, Bernd Riexinger (Linke), daneben Takis Mehmet Ali (SPD)

 
 
Baden-Württemberg hat mit fast 80 000 GriechInnen eine der größten hellenischen Gemeinden Deutschlands. Alleine in Stuttgart leben fast 18 000 Menschen mit griechischen Wurzeln. Sie wurden größtenteils in den 1960er Jahren in Nordost-Griechenland für Daimler, Porsche, Bosch und andere Unternehmen in Baden-Württemberg angeworben. Viele der seit Jahrzehnten hier Lebenden haben pontische Wurzeln und so erklärt sich, warum am 21. Mai 2022 in der Landeshauptstadt ein Gedenkmarsch der Nachfahren pontischer Griechen stattfand. 
 

Etwa 250 Menschen kamen zum Wilhelmplatz in der Innenstadt und zogen dann in einem Gedenkmarsch bis zum Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus am alten Schloss. Bemerkenswert: Es beteiligten sich daran auch türkisch-kurdische Gruppen, während ich kaum Deutsche sah..... 
 
 
 
Konsul Linardakis (links)

Auf der Kundgebung am Denkmal für die Verfolgten des Naziregimes betonten Abgeordnete des Land- und Bundestages, sowie der griechische Konsul Symeon Linardakis und VertreterInnen verschiedener Organisationen der MigrantInnen, der Genozid an den Pontos-Griechen in Deutschland müsse - wie der an den ArmenierInnen - endlich offiziell anerkannt werden.
 
Nachdenklich stimmte mich, dass in den Ansprachen eine der Ursachen der Massaker und der Verfolgung ethnisch-religiöser Gruppen im Europa des 20.Jahrhunderts nicht angesprochen wurde: Die Entwicklung des wachsenden Nationalbewusstseins zum aggressiven Nationalismus. Die damit wachsende Bereitschaft, Volksguppen auszugrenzen, zu berauben und letztlich zu töten, zieht sich seit Ende des 19.Jahrhunderts durch die Geschichte Europas und mündete in den Holocaust. 
 
Nicht nur die Nationalisten in der Türkei leugnen bis heute den Völkermord an den Armeniern, Griechen, Aramäern und anderen ethnisch-kulturellen Gruppen im Osmanischen Reich. Auch in Griechenland spricht man nicht von der Verantwortung für Massaker und Vertreibung ethnisch-religiöser Gruppen während des Versuchs Kleinasien 1922 zu erobern und ethnisch zu 'säubern'. Damals gingen griechische- wie türkische Truppen mit äußerster Brutalität gegen die jeweilige Zivilbevölkerung vor. (**)
 
Aus diesem Grund war es positiv, dass bei der Kundgebung der SPD-Bundestagsabgeordnete Takis Mehmet Ali an die Bereitschaft zur Versöhnung apellierte. Er erzählte seine eigene Familiengeschichte: Pontos-Griechen, die vor dem Genozid nach Istanbul fliehen konnten und dort bis in die 1980er Jahre lebten. Das erkläre seinen griechischen Vor- und türkischen Familiennamen. Seine Familie kam in den 1980er Jahren nach Deutschland und er ist der erste Bundestagsabgeordnete mit pontischen Wurzeln. Die Eltern und Großeltern unterhielten sich in Pontos-Griechisch oder Türkisch, während er sich in Deutsch einmischte. 
 
Vergessen ist gefährlich, wer seine Geschichte nicht kennt, ist in Gefahr, dass sie sich wiederholt. Die Entwicklung aktueller Konflikte: Myanmar, Syrien, Jemen bis zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zeigen, wie wichtig das Erinnern ist - ohne Beschönigungen und falsche Idealisierung. 
 
Gut gelaunt

 * Taner Akcam: Armenien und der Völkermord
   Jürgen Gottschlich: Beihilfe zum Völkermord  
** Panos Karnezis Roman "Der Irrgarten" 
    Robert Gerwarth: Die Besiegten - Das blutige Erbe des        Ersten Weltkrieges