Mittwoch, 21. August 2013

MDR-Projekt "Völkerschlacht" - alter Hut! SDR 1970: "Journal 1870/71"


Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) will das 'Jubiläum' der Volkerschlacht von Leipzig 1813 mit "Live-Berichterstattung" auf allen Kanälen begehen. Das meldet der "Spiegel" am 18. August. Demnach wird der MDR zwischen dem 14. und 18. Oktober täglich live in seinem TV- und Radioangebot sowie Online über das "aktuelle Geschehen" berichten. In "Live-Schalten" melden sich Korrespondenten von der "Front", aus Paris und Moskau. Auch der für seine Adels-Beweihräucherung gefürchtete Rolf Seelmann-Eggebert steuert aus Paris ein "Interview" mit Napoleons Frau, Kaiserin Josèphine, bei. Moderieren soll das MDR-Spektakel Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni.


Alles schon mal dagewesen: SDR Journal 1870/71 anno 1970

Was 2013 als Experiment daherkommt, ist eigentlich ein alter Hut. Ab dem 27. Juli 1970 präsentierte der Süddeutsche Rundfunk (SDR) in Stuttgart im Ersten Programm ab 21.45 Uhr sein "Journal 1870/71". In insgesamt sieben fast einstündigen Sendungen wurden die Ereignisse des deutsch-französischen Krieges in der Fernseh-Nachrichtensendung eines fiktiven TV-Kanals aus der Schweiz präsentiert. Damals gab sich die Crème de la Crème des deutschen TV-Journalismus die Ehre. Ausgestattet in den Kostümen der Zeit berichteten Heinz-Werner Hübner, Peter Scholl-Latour, Friedrich Nowottny, Ernst-Dieter Lueg, Gert Ruge vom Krieg zwischen Napoleon III. und Deutschland. Sie waren dabei, als Bismarck im Spiegelsaal von Versailles den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser krönen ließ. Auch der Aufstand der Pariser Commune im März 1871 und seine blutige Niederschlagung wurden gezeigt. Die Bilder, die der 'Korrespondent' Georg Stefan Troller vom letzten Widerstand und der Exekution der Kommunarden zeigte, erinnerten schockierend an die damaligen Tagesschau-Berichte vom Vietnam-Krieg.

Ob das MDR-Projekt in der Zeit des Reenactment - also der Nachstellung historischer Ereignisse durch Amateure - und der Scripted-Reality Formate im kommerziellen Fernsehen mehr als den Eindruck flatternder Fahnen, knatternde Mimen und bunter Uniformen erzeugen kann, wir werden es sehen.

siehe auch: http://tvlizenz.swr-media.de/production_detail.cfm?film_id=114

Donnerstag, 8. August 2013

Radionutzung: Private Werbewellen verlieren weiter



Die Manager der privaten Radioprogramme dürften mit den am 16. Juni veröffentlichten Ergebnissen der Hörerforschung (Radio Media Analyse 2013 II) (1) nicht zufrieden sein. Ihre Wellen erreichen bei den 14-49-Jährigen nur noch 7,5 Millionen Hörer pro Werbestunde (Montag-Freitag, 6-18 Uhr). (2) Sie haben hier innerhalb eines halben Jahres rund 263 000 Hörer (-3,4,%) verloren. Vergleicht man dies mit vor einem Jahr, fällt das Minus noch deutlicher aus (-450 000 oder -5,7%). Dagegen konnten die Werbung ausstrahlenden Radioprogramme der ARD gewinnen, sie legten um +84 000 Hörer (+1,7%) auf 5,15 Millionen zu. Alle Werbeprogramme zusammengerechnet erreichen bei den 14-49-Jährigen stündlich etwa 12,7 Millionen Hörer (40%). Bezogen auf alle Einwohner ab 10 Jahre, schalten stündlich 23,5 Millionen (32%) einen öffentlich-rechtlichen- oder privaten Dudelsender ein.

Die 14-49-Jährigen sind für den Verkauf von Werbezeiten der Radioveranstalter immer noch die wichtigste Zielgruppe, sie gelten als Konsumfreudig und für neue Produkte ansprechbar. Dabei liegt der Hauptgrund für den Rückgang der Hörerzahlen im demografischen Wandel  - Die Bundesrepublik wird also immer älter. Knapp 73,4 Millionen (+10 Jahre, incl. deutsch sprechende Ausländer) Einwohner hat die Bundesrepublik. Innerhalb von sechs Monaten sank aber der Anteil der 14-49-Jährigen um -400 000 (-1,1%) auf 37,5 Millionen. Dagegen stieg die Zahl der über 50-Jährigen um eine halbe Million (+1,6%) auf 32,9 Millionen. Deutlich negativer ist die Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen (10-19), ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sank auf 7,9 Millionen, das sind 180 000 weniger, als noch vor einem halben Jahr (-2,3%).

Ältere Zielgruppe wächst - ARD-Werbewellen profitieren
 
Die wachsende Zahl der über 50-Jährigen freut vor allem die Verantwortlichen der ARD. (3) Sie konnten ihren Höreranteil um +185 000 auf 6,5 Millionen erhöhen und den Abstand zu den Privaten ausbauen. Privatsender konnten zwar auch zulegen - um 36 000 Hörer 50+ pro Werbestunde auf 4,1 Millionen. Aber die Entwicklung dürfte den Managern der Privaten Kopfschmerzen bereiten. Im Gegensatz zu den ARD-Landesanstalten, die auf unterschiedliche Altersgruppen fixierte Werbewellen verbreiten, orientieren sich die meisten Privatsender an der Zielgruppe 14-49.

Für die Werbetreibende Wirtschaft müsste eigentlich die steigende Zahl älterer Menschen wichtiger werden. Immerhin kamen 2012 etwa 520 Millionen € der insgesamt 1,5 Mrd € Werbeeinnahmen (brutto) des Hörfunks alleine aus den Sparten Handelsorganisationen (REWE, Kaufhof und Co.) PKW und Möbelhäuser (4). Ältere gelten schon lange nicht mehr als Konsummuffel, sondern werden als wachsende und kaufkräftige Käuferschicht erkannt. Bereits 2007 stellte eine Studie des Bundesministeriums für Jugend fest: Die Hälfte aller Konsumausgaben in den Sektoren Nahrungsmittel und Bekleidung werden von über 50-Jährigen getätigt. 


Die Zahl täglicher Radiohörer nimmt ab

Neben den Hörern pro Werbestunde ist für die Messung des Erfolges eines Radioprogramms auch die Reichweite wichtig, also wie viele Hörer pro Tag einschalten. Die Reichweite ist für die Macher der Werbewellen und werbefreie Programme gleichermaßen eine wichtiger Maßstab. Auch hier werden die MA-Ergebnisse vor allem den Privaten nicht gefallen haben. (5) Insgesamt sank innerhalb eines halben Jahres die Tagesreichweite aller Radioprogramme um -350 000 auf 58,2 Millionen Hörer(+10 Jahre). Damit blieb sie zwar mit 79,7% der Bundesbevölkerung (+10) auf dem Stand der letzten Zählung vor einem halben Jahr. Aber die Öffentlich-Rechtlichen Programme konnten um knapp +600 000 auf knapp 39 Millionen Hörer zulegen und vergrößerten den Abstand zu den Privatsendern. Diese verloren im selben Zeitraum über -530 000 Hörer und werden noch von knapp 32,5 Millionen Menschen täglich eingeschaltet.

Demografischer Wandel auch bei den Reichweiten


Sieht man sich die Entwicklung der Reichweite in unterschiedlichen Altersgruppen an, so kommt das Radio bei den 10-19-Jährigen auf knapp 5,4 Millionen tägliche Hörer (-71 000). Den Hörfunk nutzen demnach 68% der Jugendlichen. Auch hier konnten die Öffentlich-Rechtlichen mit rund 2,8 Millionen Reichweite zulegen (+50 000). Die Privaten verloren dagegen (-88 000), bleiben aber weiterhin Marktführer bei den Jüngsten mit 3,8 Millionen Hörer pro Tag. Trotzdem scheint hier der Trend eher weg vom Radio zu gehen. (Siehe auch)  http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/03/die-jungsten-horer-wandern-ab.html

Auch die Zahl der Hörer zwischen 14 und 49 sinkt, nur noch 29,3 Millionen (-900 000) dieser Altersgruppe schalten täglich ein Radioprogramm ein. Dabei mussten die Privatradios den Löwenanteil (-808 000) der Verluste verkraften, sie erreichen derzeit täglich noch etwa 20 Millionen Hörer und bleiben trotzdem auch hier vor den Öffentlich-Rechtlichen. Die ARD-Radios konnten aber mit über 17 Millionen Hörer pro Tag und einem leichten Minus (-20 000) aufschließen

Bei den über 50-Jährigen hat die  Reichweite des Hörfunks zugenommen. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung ist auf mehr als 32,9 Millionen (+532 000) gewachsen. Von ihnen schalten täglich fast 26,9 Millionen (+630 000) ein Radioprogramm ein, dabei konnte hier die ARD mit 20,6 Millionen Hörern (+663 000) überproportional zulegen. Die Privaten erreichen in der Zielgruppe nur 10,8 Millionen Hörer (+217 000).
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Offiziell will man aber Ruhe auf dem Radiomarkt. So teilt der Radio-Branchenverband "Radiozentrale" in seiner Pressemitteilung mit: "Stabiler Kurs: Radionutzung in Deutschland auf konstant hohem Niveau" - weist dabei allerdings auf den demografischen Wandel hin. Für die ARD und den größten Vermarkter privater Radiosender, die RMS-Radio Marketing Service GmbH ist das kein Thema. Hier haut man lieber wieder auf die Pauke: "ARD-Radiosender an der Spitze" und "(...)in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen (...) ist der Abstand (...) beachtlich."


(1) Für die Radio Media Analyse werden halbjährlich per Telefon die Hörer befragt. Dabei werden fast 70 000 Interviews geführt. Es werden die Daten für 387 in Deutschland verbreitete Radiostationen abgefragt, davon 53 ARD-Programme.
(2) Media Analyse Radio 2013/II, Hörer pro Werbestunde, Montag-Freitag, zwischen 6-18 Uhr, deutschsprachige Hörer 14-49 Jahre, Quelle: Radio Marketing Service RMS-MA-Trend.
(3) ARD Werbung AS&S MA 2013 Radio II zu 2013 Radio I
(4) Media Perspektiven Heft 6/2013, S. 319
(5) ARD Werbung AS&S MA 2013 Radio II zu 2013 Radio I