Montag, 25. März 2013

Unsere Mütter - Unsere Väter - "Fünf Freunde im Krieg?"


Kaum ein TV-Ereignis hat in letzter Zeit so viel Aufmerksamkeit erregt, wie das im März (17., 18. 20.3) vom ZDF ausgestrahlte dreiteilige Drama: "Unsere Mütter, unsere Väter". Die 90 minütigen Folgen erreichten bis zu 7,63 Millionen Zuschauer und damit Marktanteile bis zu 24,3%. Auch die danach gesendeten zwei Dokumentationen zum Thema kamen beim Publikum gut an. Das ZDF hat sich diese Mini-Serien insgesamt gut 14 Millionen Euro kosten lassen, Produzent war Nico Hoffmann, der für das ZDF auch die Filme über die Bombardierung Dresdens, NS-General Rommel sowie "Mogadischu" produziert hatte.

Der Film erzählt die Geschichte von fünf Freunden und wie der Krieg das Leben der Mittzwanziger zerstört. Da gibt es den erfolgsorientierten jungen Leutnant, der an den Führer glaubt - was sich später ins Gegenteil verkehrt. Sein Bruder meint dagegen, dass der Krieg nur das Schlechte im Menschen zum Vorschein bringt und bestätigt dies , als er zum gnadenlosen Killer wird, der auf Kinder schießt und Zivilisten aufhängt. Eine an Volk und Vaterland glaubenden Rotkreuz-Schwester erfährt im Frontlazarett die Schrecken des Krieges und das alles anders ist, als sie gedacht hat. Der junge Jude entkommt aus einem Zug ins Vernichtungslager und schließt sich polnischen Partisanen an - muss sich aber angesichts ihres Antisemitismus selbst verleugnen. Dann gibt es noch das aufstrebende Schlagersternchen an der 'Heimatfront'. Sie geht für die Karriere eine Liaison mit einem SS-Offizier ein. Nach einem Frontgastspiel äußert sich sich öffentlich defätistisch , wird denunziert und kurz vor Kriegsende erschossen.

Die Story ist einfach - teilweise trivial.  Eigentlich erzählen die Filme die Geschichte der "Generation Hitlerjugend". Alle wurden in den zwanziger Jahren geboren und der Krieg nimmt ihnen die Jugend. Der Alltag im 'Dritten Reich' kommt genauso wenig vor, wie die Älteren, die Hitler an die Macht gebracht haben. So kann sich der Zuschauer problemlos mit den jugendlichen Verführten identifizieren - irgendwie waren doch alle gleichzeitig Täter und Opfer und Täter. Alle folgen den Befehlen eines Nazisystems, dass aber nur verschwommen in Erscheinung tritt. Erwachsene Nazis, wie der Vater der Brüder, die SS-Schlächter oder der Leiter des Strafbataillons werden so negativ inszeniert, dass sich niemand vorstellen kann, wie einer so werden kann - und das entlastet. Irgendwie wirkt das alles manchmal ein wenig wie "Fünf Freunde im Krieg" .
Absolut armselig ist das Drehbuch am Ende der letzten Folge. Der zum Killer mutierte kleine Bruder stürzt sich in freiwillig in den Tod. Die Überlebenden treffen sich in den Trümmern ihrer Stammkneipe. Auch der entkommene Jude ist dabei und gemeinsam trinken sie ein letztes Glas auf die Toten - es hat so was von: 'Schwamm drüber...'. Ausgeblendet wird die Realität nach 1945: Viele Mörder kehrten nicht nur problemlos in´s Alltagsleben zurück, sie machten sogar Karriere. Mit fassungslosem Erstaunen berichtet in der nachfolgenden Dokumentation ein Historiker, wie einfach es etwa bei der Polizei war, als NS-Mörder seine Laufbahn einfach fortsetzen zu können.   

Was macht den Hype um "Unsere Mütter, unsere Väter" eigentlich aus? Ein Grund dürfe die Machart der Serie sein: Rasante Erzählform, Kampfszenen werden direkt aus Sicht der Soldaten gezeigt, als wäre der Zuschauer unter ihnen. Wer 1998 Spielbergs Oscar-prämierten "Der Soldat James Ryan" oder die 2001 mit einem Golden Globe ausgezeichneten US-Serie "Band of Brothers" gesehen hat, entdeckt die Vorbilder. Das räumte gegenüber der Frankfurter Rundschau die zuständige ZDF-Redaktionsleiterin, Heike Hempel, unumwunden ein.* Der Zuschauer kann nicht mehr aus der sicheren 'Vogelperspektive' zuschauen, er wird unvorbereitet in  überraschende und erschreckende Szenen 'hineingeworfen' - mitten ins Kampfgeschehen versetzt. Das ist aber immer noch nicht so bedrückend wie das, was "Band of Brothers und die Folgeproduktion über den Krieg mit Japan, "The Pacific" (2010), ihren Zuschauern zugemutet haben. Nun gut, die US-Produktionen waren für den Pay-Kanal Home Box Office (HBO) produziert worden - bei uns liefen sie im frei empfangbaren Privatsender RTL 2.

Warum berührt das ZDF-Drama seine Zuschauer? Schaut man sich die heute immer noch gezeigten deutschen Kriegsfilme der 50er Jahre an, die etwa in "Das Vierte" laufen, bedeutet die ZDF-Serie auf den ersten Blick schon einen Quantensprung. Während dort 'Blackie Fuchsberger' in 08/15" als ehrliches 'Frontschwein' agiert, vermittelt "Unsere Mütter, unsere Väter" schon mehr von der Realität des deutschen Krieges. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten - die Bösen sind immer richtig Böse und damit also immer die anderen! Das Resümee der ZDF-Serie lautet: Der Krieg schafft den Barbaren. Aber: Der Abschied der Deutschen von der Humanität begann im Februar 1933 mit der Verhaftung politischer Gegner nach dem Reichstagsbrand und führte zum Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933. Bei Kriegsbeginn 1939 zeigte sich schon die barbarische Kriegsführung gegen Polen und dann 1941 gegen die Sowjetunion. Als dann 1945 alles in Trümmern lag und der 'Herrenmensch' selber bei den Siegern betteln musste, da begann das große Jammern. Mit dem Wiederaufbau wurde aber auch das verdrängt.

Nachtrag: Meine Mutter, Französin des Jahrgangs 1923, fragte immer: "Wo war das Mitleid der Deutschen, als ich 1940 auf der Flucht in Nordfrankreich vor deutschen Tieffliegern in Deckung gehen musste? Da haben sie alle gejubelt, als sie später ihre eigene Medzin zu schmecken bekamen, forderten sie Mitleid."

* www.fr-online.de/medien/-unsere-muetter--unsere-vaeter--im-zdf-weltkrieg--noch-einmal--ganz-anders-,1473342,22166844.html 

Mittwoch, 20. März 2013

Die jüngsten Hörer wandern ab


Anlässlich der Veröffentlichung der Hörerzahlen im vergangenen Sommer (Medienfresser 20. Juli 2012) tönte die "Radiozentrale" - Interessenverband der Radioveranstalter - noch: "Rekord-Hoch bei den Jungen". Angesichts der aktuell veröffentlichten Zahlen der Radio Media Analyse 2013/I*, stößt man nicht mehr so in´s PR-Horn. So schalten täglich (Mo-Fr) nur rund 71% (12,9 Mio) aller Einwohner unter 30 Jahren ein Radioprogramm ein.
Nimmt man die Radioreichweite aller Einwohner über 10 Jahre (incl. deutsch sprechende Ausländer), erreichen alle Radioprogramme täglich mehr als 58,4 Millionen ( 79%) Hörer. Aber auch hier hat die Attraktivität des Radios innerhalb eines halben Jahres um -360 000 (-0,6) abgenommen. Dabei konnten öffentlich-rechtliche Programme mit 38,3 Millionen Hörern ein Plus von 119 000 (+0,3%) verzeichnen, während die Privatsender mit 33 Millionen etwa 512 000 Hörer (-1,5%) einbüßten.**

Die ganz Jungen verzichten zunehmend auf das Radio  

Aber zurück zu den jungen Hörern. So richtig in´s Grübeln dürften die Radiomacher nämlich wegen der erneut gesunkenen Reichweiten bei den jüngsten Hörern (10-19 Jahre) kommen. Diese Zielgruppe umfasst etwa 8 Millionen Kinder und Jugendliche und hier schalten derzeit täglich nur 5,5 Millionen ein Radioprogramm ein (69%). Dieser Wert liegt um zehn Prozentpunkte niedriger, als die Tagesreichweite bei allen Einwohner der Bundesrepbulik.
Die Tagesreichweite des Hörfunks ist demnach innerhalb eines halben Jahres um 142 000 (-2,5%) Kinder und Jugendliche gesunken. Hauptverlierer waren die Privatsender, mit jetzt 3,8 Millionen jungen Hörern - ein Minus von 167 000 (-4,2%). Die ARD-Programme wurden täglich von 2,7 Millionen eingeschaltet, damit hielten sich die Verluste mit 30 000 (-1,1%) Nutzern in Grenzen.
Betrachtet man in dieser Altersgruppe die Ergebnisse der vorherigen MA (2012/II), so haben sich innerhalb eines Jahres 212 000 (-3,8%) jüngere Hörer vom Medium Hörfunk abgewandt.

Werbewellen verlieren vor allem junge Hörer

Flaggschiff der Radioprogramme von ARD und Privaten sind immer noch die Werbe-Dudelwellen. Zusammengerechnet erreichen sie täglich rund 53 Millionen Einwohner in Deutschland, 253 000 (-0,5%) weniger, als vor einem halben Jahr. Bei den 10-19-Jährigen verlieren sie aber deutlich stärker, hier werden täglich 5,2 Millionen Hörer erreicht - ein Verlust von 165 000 (-3,1%).
Nimmt man die für den Verkauf von Werbezeiten wichtigeren Wert der erreichten Hörer pro Werbestunde***, gibt es für die Radiomacher auch keinen Grund zur Freude. Demnach schalten 23,6 Millionen Einwohner (ab 10 Jahre) eine Werbewelle ein, 183 000 (-0,8%) weniger als in der letzten MA.
Bei den für die Werber wichtigen 14-49 Jährigen verloren sie mit jetzt 13 Millionen Hörern rund 70 000 (-0,5%). Dabei konnten die ARD-Dudelwellen mit 5,18 Mio Hörern deutlich um 121 000 (+2,4%) zulegen, während die Privatradios mit 7,8 Millionen ein Minus von 191 000 (-2,4%) Hörern pro Werbestunde hinnehmen mussten.
Lag hier der Hörerrückgang noch unter dem Durchschnitt, so sieht es bei den Jungsten (10-13 Jahre) für die Werbewellen deutlich schlechter aus.**** Von den insgesamt 3,1 Millionen Kids schalten pro Werbestunde 542 000 eine Dudelwelle ein - 19 000 (-3,3%) weniger, als noch vor einem halben Jahr. Während die ARD-Programme um 18 000 (+9%) auf 221 000 junge Hörer zulegen konnten, haben die Privatradios mit jetzt 321 000 Kids mehr als 37 000 junge Hörer (-10%) verloren.
Ob diese Kinder und Jugendlichen als Heranwachsende wieder den Weg zum Radio finden, diese Frage dürfte die Zukunftsdiskussion bei Programmmachern und Sender-Managern bestimmen.

* Halbjährlich wird telefonisch in über 65 000 Interviews die Radionutzung in Deutschland erhoben. Auftraggeber ist die Arbeitsgemeinschaft Media Analyse (AGMA), ein Zusammenschluss von 260 Werbeunternehmen und Radioveranstaltern.
** Brutto Werte, Mehrfachnennungen möglich. Daten: ARD-Sales & Services GmbH 
*** Montags bis Freitags 6-18 Uhr
**** Daten: Radio Media Services GmbH (RMS) der größte Privatradio-Vermarkter. 

Donnerstag, 14. März 2013

Wie man bei der ARD junge Zuschauer angeln will


Bei ARD und ZDF überlegt man, einen eigenen digitalen Fernsehkanal für junge Zuschauer zu starten - neben dem Kika (Kinderkanal) also künftig auch ein JuKa (Jugendkanal). Während sich das ZDF in Mainz eher bedeckt hält, trommelt vor allem der Intendant des Südwestrundfunks (SWR), Peter Boudgoust,  schon lange für dieses Projekt. Schaut man sich das junge Programmangebot an, möchte man davon lieber abraten.

NDR: Rambo-Tatort mit Till Schweiger 


Beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) hat man sich bei der Jagd auf junge Zuschauer dem Geschmacksdiktat eines Till Schweiger unterworfen. Einst begann dieser seine Karriere als "Joe Zenker" bei der ARD-Soap "Lindenstrasse" - und über seine darstellerischen Fähigkeiten kann man seit dem streiten....
Er hat dem neuen NDR-Tatort "Willkommen in Hamburg" (10.03.13) seinen Stempel aufgedrückt - schwacher Plot, genuschelte und überflüssige Dialoge, aber viel Action und Krawall. Das  optisches Repertoire des Kommissars Nick Tschiller variiert zwischen: Ungemachtem Bett und Vor einer Woche gemachtem Bett. Wem´s gefällt... Die Story jedenfalls reichte eigentlich nur für 30 Minuten - den Rest machen rasant geschnittene Actionszenen. Kein Problem hatten die Verantwortlichen des NDR anscheinend mit dem Drehbuch. Schweigers Bulle killt zum warming up erst einmal drei Kriminelle. Davon gefühlsmäßig ungerührt, nuschelt und prügelt er sich dann weiter durch den überschaubaren Plot.
Aber der Erfolg gibt ihm anscheinend Recht und deshalb kommen da keine öffentlich-rechtlichen Bedenken auf. Den NDR-Tatort sahen  12,57 Millionen Zuschauer (33,5% Marktanteil über 10 Jahre). Davon waren 5,21 Millionen zwischen 14 und 49 Jahre alt. Das ist alleine, was für den NDR zählt .
Wie es geht, Action mit anspruchsvollen Drehbüchern zu verbinden, zeigt der Tatort aus Dortmund (WDR) mit seinem durchgeknallten Kommissar Peter Faber, dargestellt von Jörg Hartmann. Immer noch atemlos hinterlassen den Zuschauer die Folgen der leider vom ZDF abgesetzten Serie "Kriminaldauerdienst". (Siehe meinen Blog Mai 2010, "Im Angesicht des Verbrechens")

Aber zurück in die programmlichen Niederungen des SWR....
 
SWR kopiert auf Eins Plus Privat-TV für Jugendliche
 
Im Vorgriff auf den geplanten ARD/ZDF-Jugendkanal wurde der vom SWR verantwortete digitale TV-Kanal Eins Plus, weiter trivial aufgemotzt. Täglich zwischen 20.15 und 0.30 Uhr lautet nun die Devise: "Jung – wild – digital: EinsPlus mit der jungen Primetime". Für mich lautet der Dreiklang eher: "Ranschmeißen - Konsumgeil - Trivial".
Hier treibt etwa Spaßbremse Pierre M. Krause sein Unwesen. Er fiel mir vor einigen Jahren auf einer SWR-Pressekonferenz auf, als er seine Wissens-Comedy "Es geht um mein Leben" anpreisen sollte. Um das Niveau seiner Show abzustecken, nannte er als ein Thema: "Wie schmeckt eigentlich Sperma?" Dann erläuterte er den anwesenden Journalisten: "Na so etwa wie Camembert" - da blieb manch Anwesendem das SWR-Häppchen im Halse stecken.
2013 legt der SWR aber bei Eins Plus richtig los. So bietet das Programm seit Januar unter dem Titel "vernetzt - verkuppelt - verliebt" eine Dating-Show. Im Pressetext heißt es: "Drei junge Menschen suchen für einen Single-Freund über soziale Netzwerke im Internet nach einem geeigneten Partner." Sie wählen im Internet Bewerber aus. "Die Drei(...)treffen zunächst gemeinsam auf den Single - heimlich beobachtet(...)." Gähn, Stöhn - mit ähnlich ambitionierten Programmideen pesten uns die Privaten schon seit Jahren.
Weiteres Beispiel gefällig: Am 11. März startete "It´s Fashion". Die Berliner "Top-Modebloggerin Jessica Weiß" zeigt hier zweimal im Monat in 30 Minuten "Fashion, Lifestyle und Trends - alles was man wissen muss, um in der schönen, bunten Modewelt mitreden und mithalten zu können" (SWR-Pressetext). Schaut man sich das mal an (you tube Kanal von eins Plus): schöne Bilder aus Mailand, Logos der Modemarken, Bilder vom Catwalk, Geplauder mit einer Tatort-Schauspielerin - bla bla bla. Das wird natürlich nicht mit Berichten über Sklavenarbeit in Kleiderfabriken Asiens oder die Arbeitsbedingungen der H&M-Heloten aufgebrochen. Wichtiger ist dem SWR, dass die Sendung "aus einem angesagten Berliner Designerladen oder von einer der großen Fashion Shows dieser Welt" kommt. Dazu öffnet dann noch ein "Promigast(...)exklusive Einblicke in seinen Kleiderschrank."

Da sollen doch Nachts die Geister von Antonia Hilke* und Margarete Dünser** den SWR-Verantwortlichen den Schlaf rauben! Solche Fachfrauen würden heute beim SWR nicht einmal mehr am Pförtner vorbeikommen. 


Wenn es jedenfalls weiterer Argumente gegen einen ARD/ZDF Jugendkanal bedarf - der SWR arbeitet daran! Debil-trivialen Programmschrott produzieren die Privaten wirklich professioneller .

*Antonia Hilke - Modejournalistin beim NDR, 1922-2009: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Antonia_Hilke

**Margarete Dünser - Promi-Journalistin beim ZDF, 1926-1980: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Margret_D%C3%BCnser