Mittwoch, 13. Februar 2019

SWR 2019: ...time to say goodbye



Intendant Boudgoust, Stefanie Schneider (r) Anja Görzel (PR), Simone Schelberg (l)
"So gut hatten wir es noch selten" sagte am 1. Februar in Stuttgart Peter Boudgoust, Intendant des Südwestrundfunks (SWR). Es war seine letzte Programm-Pressekonferenz, denn im Juni scheidet er vorzeitig aus dem Amt. Eigentlich dient die Jahrespressekonfernz des SWR dazu, die Programmangebote für die nächste Saison zu präsentieren. Diesmal fokussierte man aber darauf, wer wo saß, wer da war und wer fehlte. Seitdem Boudgoust im Dezember 2018 überraschend seinen Rücktritt für den Juni 2019  verkündet hatte, brodelt die Gerüchteküche. Spekulationen der Tagespresse haben die beiden Landessenderdirektorinnen des SWR ins Gespräch gebracht, Simone Schelberg in Rheinland-Pfalz und Stefanie Schneider in Baden-Württemberg. Die politischen Machtverhältnisse in den Landesregierungen von Rheinland-Pfalz (SPD, FDP, Grüne) und Baden-Württemberg (Grüne, CDU) könnten erstmals die jahrzehntelange Dominanz der CDU bei der Intendantenwahl zurechtstutzen. Eine einmalige Chance, die sich so schnell für Grüne und SPD nicht wieder bieten dürfte.  

Aktuell: Am 11.März teilte der SWR mit, dass zwei Kanidaten zur Wahl stehen: Stefanie Schneider und der ARD-Aktuell (Tageschau-Tagesthemen) Chefredakteur Kai Gniffke.

Interessenten können sich bis zum 1. März 2019 bewerben, gesucht wird laut Stellenausschreibung "eine starke, authentische Persönlichkeit mit Entscheidungskraft, Führungserfahrung, sozialer Kompetenz und stark ausgeprägten analytischen, strategischen und kommunkativen Fähigkeiten" die außerdem "mit der Arbeitsweise öffentlich rechtlicher Rundfunkanstalten vertraut" sein solle. Das lässt dann doch eher auf eine 'Inhouse-Lösung' schließen und so fixierte ich mich bei der Pressekonferenz weniger auf die Programminhalt als auf die Sitzordnung auf dem Podium. 

Im Visier.....
Hatte im Vorjahr Frau Schelberg gefehlt, rahmte sie diesmal mit ihrer Kollegin Schneider den scheidenden Intendant ein. Dafür waren die beiden Direktoren, Christoph Hauser (Information-TV) und Gerold Hug (Kultur-Hörfunk) an den Rand gerückt - sie dürften bei der Intendantenwahl auch keine Rolle spielen. Die Situation erinnerte mich an die Kaffeesatzleserei bei den Kundgebungen auf dem Roten Platz zu Sowjetzeiten:  Wer stand auf dem Lenin-Mausoleum neben dem ZK-Chef und wer fehlte? Was bedeutete das für die Machtverhältnisse? Aber gemach, der SWR ist ja nicht nicht das ZK der KPdSU, sondern eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. 

Aber Spekuliert wird auch beim SWR, denn bisher hat niemand offiziell seinen Hut in den Ring geworfen. Frau Schelberg könnte als neue Intendantin einen Teil der Arbeit am Abendbrottisch mit ihrem Ehemann erledigen, ist sie doch mit dem Personalchef des SWR verheiratet. Andererseits kann Frau Schneider darauf hoffen, dass die machtbewussten Baden-Württemberger die Nachfolge aus dem Ländle wollen. Ob der eher blass wirkende Verwaltungsdirektor Jan Büttner eine Chance hätte - unbekannt. Immerhin war Boudgoust ja auch einst Chef der SWR-Verwaltung, bevor er Peter Voß als Intendant ablöste.

Und der SWR, geht es ihm wirklich so gut wie selten? Das TV-Landesprogramm für Baden-Württemberg (18-20 Uhr) litt im letzten Jahr unter schlechten Zuschauerzahlen, das hatte sogar Auswirkungen auf die zentrale Nachrichtensendung "Baden-Württemberg Aktuell" (19.30). In der unterhaltend ausgerichteten abendlichen Magazinsendung der Landesschau Baden-Württemberg (18.45-19.30) werden nicht nur zur Sommerzeit bereits gesendete Filme wiederholt. Weiteres Sorgenkind ist die gemeinsame mit Rheinland-Pfalz bestückte TV-Sendestrecke am Vorabend (18.15-18.45). Allüberall herrscht der Rotstift, daher werden auf allen Kanälen oft dieselben News verbreitet, im Radio werden Beiträge mit O-Tönen gesendet, die aus TV-Berichten stammen - für mich ein Anlass zum Ab- oder Umschalten. Vielfalt sieht anders aus, aber beim SWR scheint man vor allem die Ressourcen in den Online-Sektor zu stecken.

Auch der Versuch eines "ARD-Tatorts" mit improvisierten Dialogen ("Babbeldasch" mit Ulrike Folkerts) war nicht erfolgreich, denn SWR-Programmdirektor Christoph Hauser meinte, dieses "Experiment" werde es beim SWR so schnell nicht wieder geben. Dagegen bleibe die Schwarzwald-Familienserie "Die Fallers" das bei den Zuschauern im Sendegebiet erfolgreichste Programm des SWR-Fernsehens. Im Ferbruar feierte man das 25-jährige Jubiläum der Soap - mit der 1000. Folge. Auf das Ende der "Lindenstrasse" angesprochen, meinte Hauser, die Serie habe sich überlebt und an gesellschaftlicher Relevanz verloren und fügte hinzu, auch das britische Vorbild "Coronation Street" gebe es nicht mehr. Da irrt Hauser: Die seit 1960  vom Privatsender ITV ausgestrahlte Serie ist immer noch auf Sendung.  

Aber beim SWR hat man ja auch ganz anderes im Visier, Multimediale Verbreitung heißt die Devise. "Bei immer mehr Angeboten wird deutlich, wie sich  der SWR für seine Nutzerinnen und Nutzer umbaut" heißt es dazu vollmundig im Pressetext. Frau Schelberg präsentierte das webbasierte Online-Angebot "SWR Heimat", in dem Menschen in einminütigen TV-Clips über ihren Alltag berichten. Man wolle so weg vom Terminjournalismus, hin zu den Menschen, erläuterte die Landessenderdirektorin aus Mainz. Das Angebot richtet sich an jüngere Menschen und wird daher über das Internet verbreitet, dazu biete man Online-Plattformen für Städte und Tourismus der Region eine Kooperation an. Nachgefragt, ob das nicht eher auf eine 'Heile-Welt-PR' hinauslaufe, betonte Boudgoust, es gebe keine Zusammenarbeit mit Städten und Tourismus. Sie hätten keinen Einfluss auf die Inhalte und könnten das SWR-Angebot nur auf ihren Sites verlinken. Nun ja....

Der SWR will jünger und smarter werden, daher wurde auch der neue Anchorman der Nachrichtensendung "Baden-Württemberg-Landesschau-Aktuell", Georg Bruder vorgestellt. Er löst den im Sommer in Ruhestand gehenden Moderator Dieter Fritz ab, der ein Präsenter der 'alten Schule' war. Seriös aber auch immer etwas trocken, war er jahrzehntelang 'das Gesich' der Nachrichtensendung im Ländle. Mittlerweile sind Moderatoren gefragt, die lockerer wirken und Politikern im Studio beim Interview auch mal auf die Zehen treten können. Zu seinem Selbstverständnis gefragt, meinte Georg Bruder jedenfalls, er sehe sich als Stellvertreter einer starken journalistischen Redaktion und wolle sich authentisch präsentieren.  Abwarten.

Boudgoust wollte bei der letzten Programmpressekonfernz den Eindruck hinterlassen, er überlasse dem/der Nachfolger/Nachfolgerin ein bestelltes Haus. Er zeigte sich überzeugt davon, dass der SWR den organisatorischen- und multimedialen Umbau erfolgreich umgesetzt habe.