Dienstag, 3. Januar 2012

Kein Interesse an Fernsehnutzung im Knast oder Pflegeheim

Bei der Messung der TV-Zuschauerzahlen in bundesdeutschen TV-Haushalten (36,04 Mio**), spielen die Insassen von Justizvollzugsanstalten oder Pflegeheimen keine Rolle. Dabei befanden sich 2009 in Deutschland etwa 71.000 Menschen in staatlichem Gewahrsam, während 717,000 Pflegebedürftige in Heimen* betreut wurden (Stand 2009). Gemessen an der Gesamtbevölkerung von 71,94 Mio**, über 3 Jahre, macht diese Gruppe immerhin gut 1% aller Einwohner aus. So mancher TV-Sender würde sich darüber freuen, wenn seine Quoten diese Hürde schaffen würde. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben die über 17 Millionen Menschen, die sich jährlich zur stationären Behandlung im Krankenhaus aufhalten (2009).*

Den Privatsendern dürften die Gefängnis- und Pflegeheiminsassen egal sein, denn sie sind keine Zielgruppe für die Fernsehwerbung. Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) benötigt aber für die genaue Messung der Medienkonzentration die vollständigen Daten. Deshalb heißt es in ihrem 14. Jahresbericht: "Die KEK weist bereits seit längerem auf (...) die Vernachlässigung (...) der Außer-Haus-Nutzung in öffentlichen Einrichtungen (...) hin." (S. 76 ff).

Die für die Zuschauermessung verantwortliche Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) veröffentlicht nur die Marktanteile der Fernsehprogramme ihrer Mitglieder und der TV-Unternehmen, die bei ihr eine Lizenzen zum Bezug der Daten erworben haben. "Diese unvollständige Datenbasis stellt die KEK vor ein Problem, wenn sie Aussagen über die Programmnutzung von Fernsehveranstaltern, die nicht Mitglied- bzw. Lizenznehmer der AGF sind, treffen muss." Weiter kritisiert die KEK, dass die AGF bisher keine Anstalten getroffen hat, auch die TV-Nutzung per Computer und Internet zu erfassen. Dabei seien für die KEK "Informationen bezüglich der Fernsehnutzung über alle Distributionswege wichtig."

Zur AGF hatten sich 1988 die öffentlich-rechtlichen und großen privaten Fernsehveranstalter zusammengeschlossen. In ihrem Auftrag misst die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) die TV-Nutzung von knapp 11.500 Menschen in 5100 ausgesuchten Haushalten in Deutschland**. Weder AGF noch GfK sehen bisher eine Veranlassung, an der von der KEK kritisierten Messweise etwas zu ändern. (Siehe auch Blogeintrag vom 26. September 2011: Online-TV spielt für Fernsehprogramme (noch) keine Rolle). Zumindest für die Messung der Online-Fernsehnutzung liegen die Pläne aber bereits in den Schubladen der Verantwortlichen bei AGF und GfK. Umgesetzt werden solle sie aber erst dann, wenn dieser Nutzungsweg bei den Zuschauern die Fünfprozenthürde überspringt.

* Alle Daten aus dem 14. Jahresbericht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration in den Medien
** Angaben laut AGF-Homepage: www.agf.de