Samstag, 2. Januar 2016

Tatort: "Der große Schmerz" - Bitte eine Schmerztablette!



Vorwort: Ich gebe zu, nie ein Freund der schauspielerischen Leistungen Til Schweigers*  gewesen zu sein. Schon sein Debut in der "Lindenstraße" überzeugte mich nicht, die Höhe seiner Darstellkunst erreichte er im "Bewegten Mann" als knurrender Testosteronbolzen. Seit dem hat er sich eigentlich nicht mehr weiterentwickelt.

Im NDR-Tatort "Der Große Schmerz" vom 2. Januar 2016 ist Schweiger mal wieder kaum zu verstehen, er spricht einen Soundmix aus Geknurr und Genuschel - bei den Texten vielleicht kein Verlust. Aber es ist zu einfach, sich alleine auf Schweiger einzuschießen. Die Täter sitzen im NDR.

Eigentlich hätte man nach dem Eklat um die geplante Entsendung Xavier Naidoos zum Eurovision Song Contest 2016 beim NDR auf alles gefasst sein müssen. Faselt der Sänger aus Mannheim doch schon länger öffentlich über fehlende deutsche 'Souveränität' und gab der Homophobie Zucker. Alles von den Entscheidern im NDR umbemerkt - oder gar Schlimmeres?

Lieber chillen beim "Dschungelbuch" als im "Tschiller Tatort"
Man war also eigentlich gewarnt vor dem Neujahrs-Tatort des Norddeutschen Rundfunks der "Große Schmerz" im Ersten. Die Story ist langatmig, vorhersehbar und ohne wirkliche Spannung - da helfen auch keine hektischen Schnittkollagen und Kameraschwenks. Eigentlich ein abgehangener Tatort im Stil der peinlichen "Kressin" Filme oder des eitlen Duos "Stoever und Brockmöller". Aber das war im letzten Jahrhundert! Da gingen Erik Ode in "Der Kommissar" und Horst Tappert als "Derrick" in den Fernsehkulissen noch auf Verbrecherjagd.
 

Im NDR-Tatort vom Januar 2016 agieren Til Schweiger und Helene Fischer so lahm - wie der Plot. Die Autoren müsste man zwingen, ihre Texte wieder und wieder anhören zu müssen: Tochter zur mitgefangenen Mama: "Papa holt mich hier raus. Er holt uns ganz bald hier raus." Mama: "Er wird alles versuchen". Gut das zumindest die darstellerischen Fähigkeiten der Schlagersängerin Fischer richtig eingeschätzt wurden. Sie wirft vor allem finstere Blicke unter ihrer schwarzen Pony-Perücke in die Kamera. Ihr Auftritt bekommt ihren darstellerischen Höhepunkt, als sie mit russischem Akzent die Gefangenen Frauen warnt: "Ich bin hart und grausam" - mit viele "cchhrr" in der Stimme. Glücklicherweise agiert sie nur in dieser Folge des zweiteiligen Tatorts - am Ende stirbt sie unter den Kugeln der Polizei. Auch die Darstellerin der Ex-Frau Tschillers darf sich über ihren Filmtod freuen, bleiben ihr und den Zuschauern so weitere peinliche Auftritte in den Tatorten aus Hamburg erspart. Und was sagt Tschiller zu seiner dahingegangenen Ex? "Ihr seid mein Leben gewesen - Ich hab`s verbockt". Man will unwillkührlich rufen: Nein, es waren die Autoren dieser Dialoge! Am Schluss will sein Kollege Tschiller, nachdem er diverse Leute ins Jehnseits befördert hat, wieder auf den Weg der rechtsstaatlichen Tugend führen: "Wir sind die Guten!" doch Schweiger antwortet: "Ich nicht mehr!"Da kamen mir die Tränen - aber eher vor Peinlichkeit.

Wer Til Schweiger, seine Tochter und Helene Fischer engagiert, sollte wissen, was er tut. Unentschuldbar sind die Autoren des Drehbuchs und der Dialoge, die die anderen Figuren des Tatorts zu Knallchargen verkommen lassen. Geteert und Gefedert (verbal natürlich) gehören die Programmverantwortlichen im NDR, die dafür Millionen ausgeben. Das eine Verbindung von Action, Drehbuch und Dialogen gelingt, zeigen regelmäßig die skandinavischen Produktionen, die ARD und ZDF begierig aufkaufen oder mitfinanzieren. 

Und was bot der zweite Teil "Fegefeuer" am 3. Januar im Ersten? Das Tagesschau-Studio wurde von den böööösen Russkis überfallen - die in Hamburg dann machen, was sie wollen. Hat bestimmt alles der Putin gefingert. Leichte Hoffnung kam bei mir auf, als der MEK-Einsatzleiter die Geiselname beenden will und sagt: "Wir müssen sprengen". Au ja, aber bitte die Tatort-Redaktion im NDR... Welch cooler Einfall, "Tschiller" wirft sein Handy auf den Boden und 'erschießt' es dann. 

Insgesamt war der Film mindestens 40 Minuten zu lang, viel Blech wurde geschrottet - und vor allem gesprochen. Der Film erinnerte an ein Ballerspiel im Stil von "Call of Duty". Entsprechend waren die Dialoge: "Töten macht Dir Spaß" Antwort: "Manchmal schon". Und der Schluss? Töchterchen wird von Papi Schweiger mit einem Blumenstrauß im Krankenhaus besucht, der sagt: "Happy Birthday" und sie wünscht sich, mit ihm Zeit zu verbringen. Schnitt: Das Mädel ballert mit einer Pistole im Schießstand auf Pappkameraden. 

Das lässt für den nächsten Tatort aus Hamburg nichts Gutes erahnen.... 


Fazit: "Der große Schmerz" - "Das tat weh!" 

Nachtrag: Wie es geht, Spannung mit gutem Drehbuch, Dialogen und präsenten Schauspielern zu verbinden, das zeigte das Erste am 4. Januar mit "Das Programm". Auch wenn der Schluss haarscharf am Kitsch vorbeischrammt - eine tolle Leistung. Vor allem, wenn man bedenkt, welche Odyssee der Autor bei TV-Sendern absolvieren musste, bis die Degeto zugriff (siehe taz Medienseite, 5.1.2016) Jedenfalls dürften die Tatort-Verantwortlichen beim NDR nach dem Ansehen dieses dreistündigen Thrillers - hoffentlich - zum Schämen in den Keller gegangen sein...

* Danke über den Großen Teich für den Hinweis....