Samstag, 31. Januar 2015

Sind SWR-Landesschau-Gucker desinteressierte Halbdackel? *


Wenn es keinen so tragischen Hintergrund hätte, könnte man folgendes für den Ausdruck tiefster Provinzialität beim öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunk (SWR) halten.

7. Januar 2015, Paris, 11.30 Uhr: Zwei maskierte Männer dringen in die Redaktion des Pariser Satiremagazins "Charlie Hebdo" ein und erschießen dabei elf Menschen. In allen aktuellen Medien überschlagen sich bis zum Abend die Meldungen - ARD und ZDF bringen  Sondersendungen.

7. Januar 2015, Stuttgart-Mainz, 18. 45 Uhr: Wie an jedem Werktag gehen beim SWR die getrennt für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz produzierten "Landesschauen" live auf Sendung. In Stuttgart begrüßt der Moderator die Zuschauer mit dem Tagesthema: Im schwäbischen Rottweil werden jetzt die Masken für die anstehende Fastnacht "abgestaubt". Sein Kollege in Mainz eröffnet die Sendung mit dem Hinweis: Ski und Rodel gut, in den Wintersportgebieten von Rheinland-Pfalz. Auch später werden die Mordanschläge im benachbarten Frankreich nicht erwähnt. Es gibt keinerlei Hinweis auf die folgenden Sondersendungen.

    
23. Januar 2015, Stuttgart, 10.30. SWR-Jahrespressegespräch unter dem Motto: "Was die Menschen bewegt, bewegt den Südwestrundfunk".
Stefanie Schneider, Peter Boudgoust, 23.1.2015

SWR-Intendant Peter Boudgoust ließ in der dazu verteilten Pressemitteilung verlauten: "In  vielen Zeitungsredaktionen und öffentlich-rechtlichen Medienhäusern wurde der Vorwurf 'Lügenpresse' täglich Lügen gestraft. Auch die neuen Sendungen für das Jahr 2015 sind eine angemessene Antwort. Sie stehen für Regionalität und gesellschaftliche Relevanz."

Ein Jahr zuvor, am 11. Februar 2014 war es in der Jahrespressekonferenz auch um die Reformen im SWR-Vorabendprogramm gegangen. Während die Nachrichtensendung die doppelte Sendezeit (jetzt 30 Min) erhalten sollte, wurde die Landesschau um ein Viertel (nun 45 Min) verkürzt. Die von mir gestellte Frage, ob damit die Landesschau-Magazinsendungen künftig nur noch auf Unterhaltung getrimmt werden sollen, wich Boudgoust damals aus und übergab das Mikrophon an die scheidende Landessenderdirektorin für Baden-Württemberg, Ingrid Felgenträger. Zuerst verwahrte sie sich, im Charme eines "Drill Sergeant", gegen die Behauptung, die Landesschau bestehe bereits heute hauptsächlich aus Unterhaltung. Vielmehr bleibe die Landesschau auch künftig ein "journalistisches Angebot" mit politischen Themen, die aber anders präsentiert würden, als in den Nachrichten. **

Auf der SWR-Pressekonferenz am 23. Januar 2015 verkündete die neue Landessenderdirektorin, Stefanie Schneider, ihre Sicht von der Aufgabe des SWR-Programms: Es bilde die Welt ab, die Realität, die den Menschen vor den Augen stehe. "Wir zeigen, wie die Menschen hier damit umgehen."  

Gefragt, ob die Vorgänge am 7. Januar 2015 nicht meine damalige Befürchtung bestätigten, die Landesschau-Magazine würden zu entpolitisierten Unterhaltungssendungen degenerieren, wies man dies zurück. Allerdings räumte Stefanie Schneider ein, sie hätte sich den Umgang mit diesem Thema in der Landeschau Baden-Württemberg "etwas anders gewünscht. Da hätten wir einen Weg finden können." Auch SWR-Intendant Peter Boudgoust versuchte sich in Schadensbegrenzung. Er wies auf die schwierige Situation an diesem Tag hin, die Nachrichtenlage sei lange Zeit unklar gewesen. Dann fügte er aber hinzu, dass die Geschehnisse in Paris von den Moderatoren der Landesschauen hätten angesprochen werden sollen, "darin sei man sich hier einig". 

*https://de.wikipedia.org/wiki/Halbdackel
 **http://www.medienfresser.blogspot.de/2014_02_01_archive.html