Montag, 23. November 2009

50. Internationales Filmfestival Thessaloniki


Thessaloniki ist nicht nur wegen seiner schönen Lage an einer großen Bucht und seiner historischen Baudenkmäler eine Sehenswürdigkeit. Die mit über 360 000 Einwohnern nach Athen (720 000) zweitgrößte Stadt Griechenlands ist auch ein kulturelles Zentrum. Einmal im Jahr findet ein internationales Filmfestival statt, das vor allem neuen Produktionen der Mittelmeerländer und des Balkans ein Podium bietet. Immerhin ist es das wichtigste Film-Event für Nachwuchskünstler in Südosteuropa.

Das 50. Filmfestival stand unter dem Motto: „Why Cinema Now?“. Zwischen dem 13. und 22. November gaben die insgesamt 250 gezeigten Filme Antwort auf diese Frage. Die Produktionen kamen aus aller Welt – von Korea und Japan über Ägypten und Israel bis zu den USA und Deutschland. Darüber hinaus wurde der deutsche Regisseure Werner Herzog mit einer gut besuchten Werkschau geehrt.

Die zum Kulturzentrum umgebauten einstigen Lagerhäuser am Hafen, direkt neben der schönen Uferpromenade der Stadt, waren für das Filmfestival der ideale Veranstaltungsort. So konnte man sich im Restaurant bei einem Frappé im Wintergarten und dem Blick auf Thessaloniki auf den nächsten Kinogang vorbereiten - bei 20 Grad und Sonne eine besondere Freude!

Natürlich war es als Besucher nur möglich, einen Bruchteil der 250 Filme anzusehen. Unser Interesse konzentrierte sich vor allem auf Filme aus Griechenland, Israel und den Balkanstaaten. Insgesamt bot das Festival Filme in sieben Kategorien an: internationales Konkurrenz, griechische Filme, Experimentalforum, neue Trends, Filme vom Balkan, romantische Filme und die Hommagen für Werner Herzog und den britischen Filmproduzenten Jeremy Thomas. Auffallend war, dass ARD und ZDF sowie Arte – wie auch einige Filmfonds deutscher Bundesländer - als Koproduzenten an ausländischen Filmen beteiligt waren.

Was Beeindruckte:

Zwei Filme aus Israel kamen mit einer Wucht daher, dass man nach Ende der Vorführung erst einmal zu Atem kommen musste. In „Lebanon“ hat der israelische Regisseur, Samuel Maoz seine eigenen Erfahrungen als Soldat während des Libanonkrieges 1982 verarbeitet. Der ganze Film spielt innerhalb eines Panzerfahrzeuges und zeigt die Besatzung eingesperrt in ihrem Stahlgefängnis. Nach außen bietet nur das Okular des Panzerfernrohrs einen Ausblick. Der Film ist genau genommen ein bedrückendes Kammerspiel, das zeigt, wie Soldaten durch den Einsatz an den Rand des Wahnsinns getrieben werden. Nicht umsonst hat „Lebanon“ bei den Filmfestspielen in Venedig im vergangenen September den „Goldenen Löwen“ für den besten Film gewonnen. „Lebanon“ von Samuel Maoz ist nach dem Zeichentrick-Animationsfilm „Walz with Bashir“ von Ari Folman ein weiterer Film, in dem sich ein ehemaliger Soldaten mit seinen traumatischen Erlebnissen während des Libanon-Krieges beschäftigt hat.

Der zweite israelische Beitrag, „Ajami“ wurde gemeinsam von den Regisseuren Scandar Copti (palästinensischer Israeli) und Yaron Shani (jüdischer Israeli) gedreht. Er wurde zu Recht in Thessaloniki als bester Film mit dem „Goldenen Alexander“ ausgezeichnet und hat darüber hinaus noch einen Preis für das beste Drehbuch erhalten. Der Film erzählt fünf Geschichten aus dem Stadtteil Ajami in Jaffa bei Tel Aviv. Hier kreuzen sich die Schicksale von Juden und Arabern, Christen und Muslimen und der tägliche Überlebenskampf ist für die jungen palästinensischen Israelis hoffnungslos. In der Dramaturgie spielen die Regisseure mit Zeitsprüngen und Rückprojektionen. So sieht man einen Mord, eine spätere Sequenz greift den Vorfall noch einmal auf und zeigt, dass sich die Tat anders abgespielt hat. Den Zuschauer versetzt der Film damit in permanente Anspannung. Israel hat den Film für die aktuelle Oscar-Verleihung nominiert, das ZDF und Arte haben ihn mit produziert.

Eine Werkschau widmete sich Goran Paskaljević, einem Regisseur aus Serbien, der seit 1971 insgesamt 30 Dokumentar- und 15 Spielfilme gedreht hat. Der aufkommende Nationalismus veranlasste ihn 1992 seine Heimat zu verlassen, erst nach dem Sturz Miloševičs drehte er erneut in Serbien. Sein aktueller Film „Optimisti“ ist eine bittere Parabel auf das heutige Serbien – wirft aber auch ein Spiegelbild auf die anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens. In fünf Geschichten erzählt „Optimisti“ - manchmal satirisch und grotesk, zumeist aber eher düster und brutal - über zerstörte Träume und Menschen in einer zerfallenden Gesellschaft. Der Film beeindruckt durch seine Kamera- und Regiearbeit wie auch durch die oft skurrilen Einfälle des Drehbuchs, das auch vom Regisseur stammt. Dieser Mix aus Realität und phantastischen Bildern erinnert an Filme von Emir Kusturica („Vater ist auf Dienstreise“ oder „Underground“).

Bedrückend war der griechische Film „Dancing on Ice“ von Stavros Ioannou. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten. Er erzählt von drei Frauen aus Bulgarien, Russland und Rumänien, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1996 versuchen, illegal die Grenze nach Griechenland zu überqueren. Sie sind den Übergriffen ihres Schleppers ausgeliefert – bis eine Frau diesen tötet. Doch danach müssen sie alleine versuchen, die Grenze zu finden – und ihre Suche nach dem besseren Leben endet tragisch. Ioannou ist vor allem seit 1978 durch Dokumentarfilme in Griechenland bekannt geworden, „Dancing on Ice“ ist sein zweiter Spielfilm. Man merkt die Handschrift des Dokumentarfilmers, der immer nah an seinen Protagonistinnen bleibt und sie genau beobachtet.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Filmfest einen Besuch wert ist. Auch bei der guten Organisation gilt es sich zu bedanken. Darüber hinaus kann ich einen Besuch in Thessaloniki auch als Tourist nur empfehlen!

Montag, 9. November 2009

Filmtipp: "Das weiße Band"

Der neue Film "Das weiße Band" des österreichischen Regisseurs Michael Haneke beeindruckt nicht nur durch seine Machart. Die Schilderung der Bewohner und Ereignisse in einem protestantischen Dorf im Norddeutschland des Jahres 1913 ist beklemmend. Völlig zu Recht hat Haneke dafür die Goldene Palme in Cannes gewonnen und ist jetzt für den Europäischen Filmpreis mehrfach nominiert worden.

Der Film bietet einen Einblick in die Gefühlswelt und Moral im willhelminischen Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. Unterdrückung, seelische Grausamkeit und Gefühlskälte prägen die Menschen und so erziehen sie auch ihre Kinder. Diese werden damit zu grausamen und seelisch deformierten Wesen erzogen. Eine auf den Säulen von Autorität und verlogener christlicher Moral aufgebaute Gesellschaft produzierte damit die gefühllose Tätergeneration, die 20 Jahre später das 3.Reich prägte. Der Regisseur denunziert seine Protagonisten aber nicht als plakativ negative Abziehbilder. Sie wirken selbst vielmehr gefangen in einer vorgegebenen Struktur und Welt, die sie immer weniger begreifen und die sie selbst zerstört. "Das weiße Band" bietet so auch Diskussionsstoff über den Zustand unserer heutigen Gesellschaft.

In schwarz-weiß gedreht schafft der Film immer Abstand, der Zuschauer kann sich nicht in idyllische Bilder des Dorfes flüchten. Dazu kommt eine ruhige Erzählweise, die aber zunehmend bedrohlich und unheimlich wirkt. Eine ähnliche Methode hat Haneke auch bei seinem Film "Caché" angewandt und damit Spannung erzeugt.

Vor allem für die Besetzung des Films gebührt den Machern des Films ein Lob. Als Erzähler fungiert Ernst Jacobi, dessen Stimme viele Zuschauer aus der Trilogie "Tadellöser&Wolff" von Eberhard Fechner (1975) kennen. Trotz beeindruckender Darstellerliste: Ulrich Tukur, Burghart Klausner, Josef Bierbichler, Susanne Lothar wie auch Detlef Buck beherrschen sie nicht den Film. Vielmehr faszinieren die Kinder und Jugendlichen, die die zerstörten Seelen beklemmend präsent darstellen.

Vor allem sollte man sich "Das weiße Band" im Kino ansehen, in einem dunklen Raum mit großer Leinwand fesseln die Bilder mehr, als vor dem Fernsehapparat. Dabei sollte aber angemerkt werden, dass auch dieser Film erst durch die finanzielle Unterstützung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ermöglicht wurde.