Sonntag, 13. März 2022

....Hilflose Tauben... Stuttgart gegen den Ukraine-Krieg

 

Ja es waren viele gekommen in den sonnigen Park vor dem Stuttgarter Schauspielhaus. Die Veranstalter meinten, es seien 35 000 gewesen, ich schätze als Alt-Demonstrant da eine kleinere fünfstellige Zahl. Aber eigentlich ist es egal, die Menschen wollten ein Zeichen gegen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine setzen. Es zeigte sich auf der Kundgebung aber auch, dass die Wirklichkeit komplizierter ist, als der Slogan: "Stoppt den Krieg".


 

Auf den ersten Blick erinnerte mich die Kundgebung an viele Aktionen der Friedensbewegung in den 1980ern. Viele der am Sonntag gekommenen hatten 40 Jahre zuvor gegen den Nato-Raketenbeschluss demonstriert - es waren viele 'Greynecks' wie ich darunter - aber auch junge Leute und Familien mit Kindern. Transparente verschiedener Gruppen forderten Verhandlungen statt Bomben, griffen die Machtpolitik der USA und der Nato an. Gegen Putins Kriegspolitik wurde vor allem auf selbstgemalten Plakaten gewettert. 


 

1980 reloaded? Mitnichten! Keine Fahnen der Grünen, der SPD, Jusos oder Falken. Die aktuellen Regierungsparteien glänzten komplett durch optische Abweseneheit. Kein Wunder, wenn man gerade als Regierungspartei dabei ist, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro aufzurüsten. 'Volk ans Gewehr' heißt die Devise von SPDGÜNEFDPCDUCSU. Der bedrängten Ukraine hilft das in der aktuellen Situation Nullkommanix. Aber auch die Einigkeit der Friedensdemonstranten war brüchig. Die Ablehnung jeglicher Waffenlieferung an Kiew führte zu wütenden Reaktionen unter UkrainerInnen vor der Bühne, einer stürmte, Parolen rufend und eine Fahne seines Landes schwenkend, die Bühne. Mühsam gelang es, den Veranstaltern den Protest zu beruhigen. 

Es ist nicht einfach, in diesem Konflikt die richtigen Positionen zu finden. Darüber zu diskutieren ist noch schwerer, wenn 2000 Kilometer entfernt in der Ukraine Menschen sterben. Russlands Herrschende setzen auf großrussische imperiale Politik und Unterdrückung ihrer Kritiker im Stile der autoritären Sowjetunion. Die Führer der Ukraine fordern Flugverbotszonen, den Nato oder zumindestens EU-Eintritt -  wohlwissend, das kein Land der Nato bereit ist, dafür einen militärischen Konflikt mit Russland in Kauf zu nehmen. Das war allen Beteiligten spätestens seit dem Bürgerkrieg in Syrien klar - das Eingreifen Russlands auf Seiten des Schlächters Assad war die Vorlage für die aktuellen Ereignisse in der Ukraine. Vom völkerrechtswidrigen Angriff der Nato auf das europäische Serbien, das seinerseits die Albaner unterdrückte, mal ganz zu schweigen

Wenn Friedensbewegte und die Bellizisten bei uns etwas eint, so ist es das Verschweigen der Folgen bei einem Eingreifen in den Krieg. Das war daher auch auf der Kundgebung in Stuttgart kein Thema und so wirkte der Protest von der Bühne irgendwie deklamatorisch. Andere zum Widerstand aufzufordern, während wir weiter im Warmen sitzen und fröhlich bei Amazon konsumieren. Kürzlich war auf Tagesschau.de zu lesen, dass man im Gesundheitssystem bereits spekuliert, weibliche Flüchtlingen der Ukraine zu billigem Pflegepersonal für unserer Seniorenheime zu rekrutieren. Und die aktuelle Bereitschaft zur Solidarität - Wie sieht sie in einem Jahr aus. Die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan wurden bei zuerst auch bejubelt - heute bezahlen wir Griechenland, Kroatien und die Türkei, uns die Menschen mit Gewalt vom Hals zu schaffen. Bezeichnenderweise wies nur eine Rednerin auf der Kundgebung auf den Umgang mit Flüchtlingen bei uns hin, die selber vor vielen Jahren aus dem Kongo nach Deutschland gekommen war. Im Radioprogramm von SWR 2 schilderte eine Aktivistin aus Freiburg, Menschen dunkler Hautfarbe seien in der Ukraine nicht in die Flüchtlingszüge gelassen worden. Man organisierte extra Busse aus Deutschland, die sie, vor allem Studenten, gerettet haben. (SWR 2 Morgenmagazin 14. März 2022). Ebenso erschreckend, Zuhälter versuchen an den Bahnhöfen ankommende Frauen aus der Ukraine mit freier Unterkunft anzulocken. (Interview mit "Terres de femmes" im Radioprogramm SWR2 - https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/inge-bell-von-terre-des-femmes-ueber-die-gefahr-fuer-frauen-auf-der-flucht-aus-der-ukraine-100.html) 

Die Ukraine steht vor der katastrophalen Alternative, vor den Herrschenden in Moskau zu kapitulieren und den Status eines Marionetten-Systems anzunehmen. Aber was hat die Ukraine in diese Situation gebracht? Wie war der Westen daran beteiligt? Auf der anderen Seite bleibt nur ein Guerilla-Krieg - will man der Ukraine eine Entwicklug wie in Afghanistan zumuten.

Diese Themen hätten auf der Kundgebung in Stuttgart angesprochen werden sollen - müssen. So bleibt, bei aller Genugtuung über die vielen TeilnehmerInnen, ein bitterer Beigeschmack....

Stuttgarter Opernhaus


Sehr lesenswerter nüchterne Analyse des Konfliktes:

https://monde-diplomatique.de/artikel/!5830499?fbclid=IwAR1yWjwm1ApQ2CeOeOWos3ZYIUkW5owbBA_OBE3T40G18y9PU0vzNkssnKA 

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