Sonntag, 15. Oktober 2023

Chios Herbst 2023: Feuer, Kunst, Schiffe, Schnecken und Wähler

Die Westküste - Blick von Volissos

 

Der Herbst hat auf Chios seine besonderen Seiten - dieses Jahr bot die Insel seinen Besuchern im September und Oktober wärme und wolkenlosen Himmel. Das Wasser der Nord-Ägäis war noch warm genug für ein Bad im Meer - vor allem Einheimischen genießen das am

Wochenende - sie sitzen dann gemeinsam plaudernd im warmen Wasser. Im griechenlandweit bekannten Wallfahrtsort von Aghia Markella trafen wir an einem orthodoxen Feiertag Mitglieder griechischer Motorroller-Clubs. Sie wechselten nach dem Besuch des Klosters und der Kirche  in die gegenüberliegende Taverne oder an den Strand.

Nach der für die Insel schweren Corona-Zeit, der Fährverkehr  in die benachbarte Türkei musste zeitweilig eingestellt werden, konnten diesen Sommer Hotels, Unterkünfte und Tavernen endlich wieder viele Besucher verzeichnen. "Im Juli und August war es unvorstellbar voll hier - es kamen vor allem Griechen. Das Geschäft war gut, aber jetzt ist es zum Glück deutlich ruhiger geworden", erzählte uns die Betreiberin eines 'Tante-Emma-Ladens' in Volissos, im Norden der Insel. Auch im September kamen immer noch ausländische Besucher aus Nordeuropa auf die Insel. Die Strandliegen wurden in der Region Amani im Norden erst Anfang Oktober abgebaut - Saisonende. 

Mastix-Museum - Blickauf den Süden
 

Neben den vielen griechischen Touristen - vom Festland wie aus dem Ausland - kommen viele Menschen mit einem Tagesvisum aus der Türkei nach Chios. Nachbarn aus der Türkei besuchen gerne die Insel für einen Tag oder ein Wochenende. Seit einiger Zeit kommen auch Touristen aus Süd- und Mittelamerika für eine Tagestrip aus Cesme. Wir trafen im mittelalterlichen Mastix-Dorf Mesta spanisch sprechende Reisegruppen, die nach einem Besuch im Dorf von ihren Reiseleitern zu einem 'typisch griechischen Essen' in eine Hafen-Taverne dirigiert wurden - alles Pauschal. Danach ging es dann per Bus wieder zur Fähre in die Inselhauptstadt, um per Fähre zurück in die Türkei zu fahren.  



Freiwillige schützen ihre Wälder



...Zum Glück nur eine Übung...

 
Während dieses Jahr vor allem auf dem Festland, aber auch in Euböa und Korfu viele Wälder durch Brände zerstört wurden, blieb Chios bisher davon verschont. Das liegt mit  daran, dass auf der Insel - vor allem in der Region Amani im Norden von Chios - seit 25 Jahren Einwohner freiwillig für den Brandschutz bei 'Omikron' aktiv sind. Im Sommer halten sie Brandwache, etwa auf der Festung
...große Ehre...
oberhalb von Volissos:  
"Vor ein paar Wochen hat ein betrunkener Fahrer ein paar Kilometer entfernt sein Auto gegen eine Wand gesetzt und damit einen Waldbrand ausgelöst", darüber sind unsere Freunde Giorgos und Marianna immer noch wütend. Den betroffenen Hang konnten wir an den verbrannten Bäumen erkennen. 
 
Alle Omikron-Aktive rückten in der Nacht aus, um eine weiteren Ausbreiten der Flammen zu verhindern. Dabei ist ihre freiwillige Arbeit gefährlich, denn die Brandherde waren nur schwer erreichbar: "Wir waren an einigen Stellen vom Feuer umzingelt, zum Glück sind wir aber gut ausgebildet und trainieren regelmäßig." Der Chef der Feuerwehr aus der Hauptstadt habe zuerst bei den Freiwilligen die Professionalität angezweifelt: "Als er dann aber gesehen haben, wie wir arbeiten, hat er Omikron gelobt." Dabei fehlt es den Brandschützern an allen Ecken und Enden, veraltete Fahrzeuge und vor allem Schläuche, nicht genug Wasser auf den Pickups, Filter für die Atemmasken fehlen - so sieht die Wirklichkeit aus.
Georgios und Marianna

 
 
Siehe auch Arte-Reportage über Omikron
 

 

Kultur-Sommer auf Chios



 
Seit einigen Jahren gibt es auf der Insel immer mehr Kultur-Veranstaltungen - vor allem im Sommer. Sie sind über die ganze Insel Verteilt, konzentrieren sich nicht nur auf die Hauptstadt. An verschiedenen Orten und Plätzen gibt es dann Konzerte und Ausstellungen und das alles richtet sich vor allem an die einheimische Bevölkerung. Ende September 
organisierten StudentInnen der Universität der Ägäis, die einige Fakultäten auf Chios unterhält, ein Kunst-Event im Gebäude der Inselhauptstadt. Im Garten wurden an verschiedenen Stellen Objekte ausgestellt, auch innerhalb des Hauptgebäudes gab es Multimediale Präsentationen. MusikerInnen traten im Innenhof auf.
 
Im großen Hörsaal wurde ein Film über das Waisenhaus für Mädchen gezeigt, das sich in hier bis 1985 befand.
Darin schilderten einige Frauen, wie sie einst als Kinder hier lebten. Das Gebäude der Universität wurde auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof der Insel erbaut. Die meisten Juden von Chios, wie auch alle Muslime mussten, nachdem die Insel 1912 zu Griechenland gekommen war (Balkankrieg), Chios verlassen. Danach gründete die Familie Michalis hier  das Waisenhaus, das ab 1927 vom Staat übernommen wurde. Während des Zweiten Weltkrieges besetzten deutsche Truppen das Haus 1942. Erst nach der Befreiung 1944 konnte es ein Jahr später wieder seine alte Funktion wahrnehmen. Im Jahr 1983 wurde das Waisenhaus geschlossen, das Gebäude wird seit 1985 durch die Universität genutzt. 
 
... gut besucht...

 

Kriegs-Spiele

 

In jedem Herbst finden im Norden von Chios mehrtägige Militärmanöver statt - dann wird es laut und ungemütlich. Am Abend zuvor hörten wir als 'Präludium' das Donnern einiger Schiffsgeschütze der griechischen Marine. Am frühen Morgen ging es dann richtig los: in wenigen hundert Metern fauchten zwei griechische Kampfflugzeuge über uns hinweg. Danach entluden am Strand große Landungsschiffe Panzer und Soldaten, unterstützt von tieffliegenden Hubschraubern. Glücklicherweise ist das alles immer nach zwei Tagen vorbei und die Lage zwischen Ankara und Athen ist derzeit entspannt. Dieses Jahr wirkte das aber durch den weniger hundert Kilometer entfernten Krieg in der Ukraine sowie aktuelle Luftangriffe der Türkei auf kurdische Stellungen in Syrien beängstigend. Die Einheimischen sind das Spektakel gewöhnt... 
 


 

Der Herbst - ein Fest für die Küche

 

Chios zeichnet sich durch einige kulinarische Spezialitäten aus, gerade im Herbst bietet die Inselküche Besonderes. Jeder kennt die Zitrusfrüchte der Insel, sie werden zu besonders leckeren Marmeladen und Löffel-Süssigkeiten verarbeitet. Die Mastix-
Ingwer-Zitronen Limonade ist mit ihrem leicht herb-säuerlichen Geschmack etwas für heiße Tage.  Das Baumharz Mastix, das die Insel seit der Antike berühmt gemacht hat, findet sich in vielen Spezialitäten. Gute Weine produzieren die Kellereien im Norden: Aryusios und Kefalas. Sie bieten Rot- Rosé- und Weissweine. Das auf Chios auch Ouzo hergestellt wird - keine Frage. Eine 'geheime' Spezialität ist der Feigen-Schnaps 'Souma' genannt. Er wird aus den Früchten der Feigenbäume gebrannt, die an vielen Stellen der Insel wachsen. Im Herbst gibt es dann in vielen Dörfern kleine Brand-Feste. Offiziell dürfen die Inselbewohner ihn herstellen - aber nicht verkaufen. Fragt man etwa in einer Taverne, bekommt man mit Glück den Souma in einer Ouzo-Karaffe Augenzwinkernd serviert. 

Schnecken a la Chios
Im Herbst ist Schneckenzeit auf Chios, die Einwohner sammeln die Kriechtiere und bereiten sie dann - mitsamt dem Gehäuse - in einem Tomaten-Gemüse-Sud mit Knoblauch zu. Eine weitere Spezialität sind die legendären Amanites Pilze, denn nur Eingeweihte wissen, wo man sie in den Wäldern findet. Die oft Handtellergroßen Gewächse schmecken nussig, finden sich allerdings nur selten auf Speisekarten - wir hatten in einer schönen Dorftaverne in Pirama, unweit von Volissos, das Glück. Dazu gab es gedünstes Schweinefleisch - aber auch Vegetarier finden etwas auf dem Speiseplan: Gelbes-Bohnenpüree (Fava), Choriatiki-Salat mit säuerlichem Kritamo (Meerfenchel) oder Chorta - gedünstetes Wildgemüse. 
 

 

AKTUELL: Politischer Erdrutsch bei Kommunalwahlen

 
Am 15. Oktober kam das Ergebnis der Regionalwahl auf Chios einem politischen Erdrutsch gleich. Hatte eine Woche zuvor im ersten Wahlgang der konservative Kandidat (35%) deutlich vor der Bürgerliste "Xίος για Ολους - Chios für Alle" (28%) gelegen, setzte sich in der Stichwahl Ioannis Malafis (62%) gegen den konservativen Amtsinhaber Karmantzis Stamatios (37%) durch. Gut 42% aller Wahlberechtigten gaben auf der Insel ihre Stimmen ab: 15.159 für Malafis, 9185 für Stamatios. 
 
Der Grund für den Sieg der Opposition: Die Einwohner von Chios waren mit der Politik unzufrieden - viele Versprechungen, aber nur wenige wurden erfüllt. Entscheidend für den Sieg von "Χίος για Ολους" war, dass sich viele Menschen auf der Insel politisch engagierten.
 
...und wir feiern Weihnachten 2023 wieder auf Chios......
  






Montag, 11. September 2023

Nordfrankreich - So viel Geschichte....

 


 

 

Das 'Departement Nord' ist Teil der Region "Hauts de France" und verläuft entlang der Grenze zur Belgien - von der Kanalküste bei Dünkirchen bis zu den Ardennen im Süden. Mit 2,6 Millionen Menschen ist das Departement bevölkerungsreicher als die Stadt Paris. Die Hauptstadt Lille ist ein Verkehrsknotenpunkt in west-östlicher- und nord-südlicher Richtung. Das Arrondissement Cambrai im Südwesten war immer wieder Schauplatz blutiger Kämpfe - seit den Römern. Besonders leiden musste die Region im Ersten Weltkrieg, nach 1918 lagen die Städte und Dörfer größtenteils in Trümmern. Heute noch zeugen die vielen Soldatenfriedhöfe von dieser Vergangenheit. Bis in die 1960er Jahre war das Départements Nord, zu dem Cambrai gehört, ein wichtiger Industriestandort. Handelswege, Kohle- und Textilindustrie prägten sie, aber dann begann - ähnlich wie im Ruhrgebiet - der Niedergang. 'Zechensterben' und das Ende der Textilfabriken, viele Arbeitsplätze gingen verloren. Die Gegend verarmte - und das gilt auch heute noch. 


Weitelesen mit: https://1913familienalbum.blogspot.com/2023/09/nordfrankreich-so-viel-geschichte.html

Saint Benin - Tal der Selle 




Sonntag, 6. August 2023

Wissembourg im Elsass - Ein Sommer-Traum

 

 An einem warmen Sommertag lädt die Stadt zu einem  beschaulichen Wochenende ein. Die Altstadt von Wissembourg liegt in einem Tal, umgeben von einer Stadtmauer und einem Wassergraben. Von hier aus kann man Wanderungen in den nahegelegenen Pfälzer Wald unternehmen. Viele alte Häuser dokumentieren die wechselhafte Geschichte der Stadt. Sie liegt nur wenige Kilometer entfernt von der deutschen Grenze. Jeden Samstag bietet der Markt Einheimischen wie Touristen Spezialitäten der Region. Am kleinen Flüsschen 'La Lauter', der urch den Ort fließt, kann man auf einer Bank verweilen - eine natürliche Klimaanlage an heissen Tagen. 

Weiter mit:  https://1913familienalbum.blogspot.com/2023/08/wissembourg-im-elsass-ein-sommertraum.html

Sonntag, 16. Juli 2023

SWR Auf Schrumpfkurs

Der öffentlich-rechtliche Südwestrundfunk (SWR) steuert einen harten Sparkurs. Auf der Sitzung des Rundfunkrates am 14. Juli in Stuttgart verkündete SWR-Intendant Kai Gniffke - derzeit ARD-Vorsitzender: "Der SWR wird schrumpfen". Angesichts der Inflation und einbrechender Werbeeinnahmen führe daran kein Weg vorbei. Für die drittgrößte ARD-Anstalt - nach WDR und NDR - bedeutet dies einen jährlichen Stellenabbau von 0,5% (3244 Stellen 2020).

Nicht nur der SWR, alle ARD-Anstalten müssen sparen, deshalb hat man jetzt beschlossen, Programm zentral in sogenannten "Kompetenzzentren" zu produzieren. Einzelne ARD-Anstalten stellen dazu Beiträge zu bundesweiten Themen her, die die Dritten übernehmen können. Neben den beschlossenen Zentren für die Themen Gesundheit und Umwelt sollen weitere zu Kochen, Reisen und Künstlicher Intelligenz entstehen - kündigte Gniffke in Stuttgart an. https://medienfresser.blogspot.com/2023/07/ard-reform-vielfalt-ade.html. Der SWR-TV-Direktor Clemens Bratzler hofft damit in der Asntalt einen siebenstelligen Betrag einsparen zu können. Künftig würden zwei Drittel der Beiträge im SWR für das Gesundheitsmagazin oder die Verbrauchersendung aus dem Pool der Kompetenzzentren zugeliefert werden.

Die Einsparungen treffen im SWR derzeit vor allem den Standort Baden-Baden mit seinen rund 1500 MitarbeiterInnen. So wird die wöchentliche Talksendung "Nachtcafé" künftig in Mainz produziert und das für "Buffet" für das 'Erste' komplett eingestellt. Manche Formate würden laut Gniffke "zu aufwändig produziert" Im Visier dürfte dabei die in Baden-Baden seit 1994 für das Dritte Fernsehen produzierte Schwarzwald-Familienserie "Die Fallers" stehen. TV-Direktor Bratzler kündigte zwar an, sie sei bis 2026 gesichert, sagte aber auch, eine auf lange Laufzeit angelegte Serie habe in der heutigen Medienwelt keine Zukunft mehr. Auch die 17 SWR-Standorte - vor allem die Regionalstudios dürften unter stärkerem Sparzwang stehen. SWR-Intendant Gniffke sagte vor dem Rundfunkrat, manche seien "höchst unterschiedlich Ausgelastet". Das könnte für Unruhe vor Ort und Zukunftsängste bei den Beschäftigten sorgen.

Darauf angesprochen betonte der Intendant, der Standort Baden-Baden werde nicht aufgegeben - eine Verlagerung der Hörunkwellen SWR 3 (pop) und SWR 2 (Kultur) schließe er aus. Außerdem werde Baden-Baden durch den Ausbau digitaler Produktionen gestärkt. Immerhin will der SWR insgesamt an seinen Standorten bis 2028 etwa 250 Millionen Euro in digitale Produktion und Medienangebote investieren. Die durch die Kompetenzzentren bedingte Zentralisierung dürfte aber einige SWR-Redaktionen schrumpfen lassen. 

Intendant Gniffke hat seinerseits als ARD-Vorsitzender Großes im Sinn. Er will den österreichischen und schweizerischen Rundfunk (ORF -SRG) zum Einstieg in den ARD-ZDF-Verbund der Mediatheken bewegen. Damit will er Onlinen-Plattformen von Netflix und Co ein öffentlich-rechtliches Paroli bieten.

Der aktuelle Sparzwang beim SWR hat auch strukturelle Ursachen, bedingt durch die 1998 erfolgte Fusion von Südwestfunk (SWF) und Süddeutschem Rundfunk (SDR). Damals hatten sich nach zähem Gerangel um Standorte die Ministerpräsidenten Baden-Württembergs (Erwin Teufel - CDU) und Rheinland-Pfalz (Kurt Beck - SPD) auf den Zusammenschluß geeinigt. Vor allem die CDU im Ländle wollte damals den Standort Baden-Baden gesichert sehen, sonst hätte ein Konflikt mit den badischen Parteifreunden gedroht. Das brachte für den SWR massive zusätzliche Kosten wegen der Standorte Stuttgart, Baden-Baden und Mainz mit sich. Wegen der Zersplitterung der Leitung auf die Standorte wurde bald gewitzelt, die Direktoren würden mehr Zeit auf der Autobahn bzw im Zug verbringen, als am Arbeitsplatz....

Donnerstag, 13. Juli 2023

ARD-Reform: Vielfalt adé ?!

"ARD stellt Weichen für den Reformweg: jetzt wird es konkret", so lautet die Überschrift der Pressemitteilung, des Südwestrundfunks (SWR) vom 22. Juni 2023. Aktuell steht SWR-Intendant Kai Gniffke an der Spitze der ARD-Anstalten. Durch die Konzentration der redaktionellen Produktion wollen die Intendanten das Programmangebot "an den Medien-Bedürfnissen einer zunehmend digitalen Welt" orientieren, sagte der ARD-Vorsitzende nach der zweitätigen Sitzung der Intendanten in Stuttgart. 

Geplant ist, ab 2024 die Produktion von TV-Beiträgen in "Kompetenzcentern" bei einzelnen ARD-Anstalten zu konzentrieren. Der ARD gehe es dabei um den "Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit beim Programm", erklärte Gniffke auf der anschließenden Online-Pressekonferenz. Die Komeptenzzentren sollen im "Schwerpunkt" Beiträge zu überregionalen Themen produzieren, die "von den Landesrundfunkanstalten übernommen werden können". Damit einhergehend ist eine massive Mittel-Umschichtung vom linearen in das digitale Programmangebote geplant. Größenordnung 250 Millionen Euro zwischen 2025 - 2028.

Fragt man nach, woher diese Mittel kommen sollen, erklärt ARD-Sprecher Volker Schwenk: "durch Umschichtungen innerhalb der Landesrundfunkanstalten". Die Anstalten würden sparen, da sie künftig "kein komplett eigenes Gesundheits- oder Verbrauchermagazin mehr machen müssen" Sie könnten sich vielmehr auf die regionale Berichterstattung konzentrieren. Freiwerden Mittel sollen demnach: "für neue digitale Angebote verwendet werden". Die Produktion in den Kompetenzzentren soll durch "Content-Partner" erfolgen - sind damit kommerzielle Zulieferer gemeint? 

Die ersten Kompetenzzentren sollen für Verbraucher- und Gesundheitsthemen in einzelnen ARD-Anstalten gebildet werden. Welche den Zuschlag erhalten - dazu wollte sich Gniffke auf der Online-Pressekonferenz nicht äußern. Kleine Anstalten, wie der Saarländische Rundfunk, Radio Bremen oder das krisengeschüttelte Rundfunk Berlin-Brandenburg dürften sicherlich keine Kompetenzzentren bekommen. 

Künftig werden in den TV-Magazinen der ARD-Dritten über  bundesweite Themen die selben Beiträge laufen. Einen Programmaustausch der ARD-Anstalten gibt es heute schon, etwa in Verbrauchersendungen. Mittlerweile wird auch über weitere Kompetenzzentren im Bereich Reisen/Touristik und Ausland nachgedacht. Da die ARD-Dritten kaum noch eigene Auslandsformate haben - etwa das Südwestfernsehen - dürften die entsprechenden Redaktionen 'eingedampft' werden. Sie werden dann nur noch ihre Auslands-Korrespondenten und die Zulieferungen für das ARD-Erste (Weltspiegel - Europamagazin) sowie Arte betreuen.

Die Zentralisierung der Programmproduktion plant man auch im Hörfunk. So wird künftig eine zentrale Hörspiel-Produktion die Kulturwellen versorgen. Es soll außerdem für Kultur- und Infowellen einen "Inhaltepool" geben, aus dem sich die einzelnen ARD-Sender bedienen können. Faktisch geht es auch hier darum, massiv Mittel - und damit Ressourcen - einzusparen. Immerhin verschlingt etwa die Kulturwelle SWR 2 mehr als die Hälfte des gesamten Hörfunk-Etats der Rundfunkanstalt. 

Erstaunlicherweise findet kaum eine öffentliche Debatte über  die Zentralisierung der ARD statt. Immerhin dürfte die Umsetzung zur Folge haben, dass die Landesrundfunkanstalten faktisch nur noch Regionales produzieren und den Rest von den Zentralredaktionen großer Anstalten übernehmen. Vom Prinzip inhaltlicher Vielfalt in der ARD dürfte angesichts dieser Perspektive nur eine Hülle übrigbleiben.

Kritik und Protest äußerten bisher nur einige im Kulturbereich engagierte Gremienmitglieder, wie der Ex-FDP-Bundesminister und WDR-Rundfunkrat Gerhart Baum. Sie fordern in einem Brief zum Widerstand auf, die Pläne der ARD seien ein Ergebnis des politischen Drucks durch die  Ministerpräsidenten. Ihnen sitze der populistische Druck gegen ARD und ZDF im Nacken. 

Ihre Befürchtungen, die kulturelle Vielfalt der Programme würde unter der Zentralisierung leiden ist nachvollziehbar, geht aber nicht weit genug. Baum hätte etwa nichts gegen ein zentralisiertes Verbraucherprogramm. 

Wird zu einem Verbraucherthema nur ein zentral produzierter Beitrag gesendet, dürfte es bei konfliktträchtigen Themen - etwa Gentechnik im Essen - Vielfalt auf der Strecke bleiben. Sollte die Zentralisierung bei der Produktion der  Auslandsberichte oder den Nachrichten im Hörfunk ausgedehnt werden, könnte das fatale Folgen haben. Grundsätzlich stellt sich die Frage: Warum eigentlich soll es  neben dem zentralistischen ZDF diverse ARD-Anstalten  geben, wenn sie nur noch für's Regionale zuständig wären.  Neun Intendanten mit einem aufgeblähtem Apparat an Direktoren, Landesssenderchefs und Reaktionsleitern wären dann überflüssig..... 

Und noch ein Nachtrag zum Tanz um das digitale goldene Kalb: Die Nutzung der TV-Mediatheken nimmt bisher nur die Zahl der aufgerufenen Programme - Clicks und Visits - auf. Ob und wie lange ein Programm und von wievielen unterschiedlichen Personen geschaut wird - dazu gibt es bisher nur statistische Konstruktionen. Ob es wirklich gelingt, jüngere Nutzergruppen für die Öffentlich-Rechtlichen Digitalangebote zu erreichen bleibt fraglich.

Donnerstag, 20. April 2023

Ostern in der Südpfalz - auf den Spuren Richard Löwenherz

Burg Landeck bei Klingenmünster

 

Die Region um Bad Bergzabern, im Südwestlichen Rheinland-Pfalz - nur wenige Kilometer von der Grenze zum Elsass entfernt - ist etwas für Liebhaber alter Burgen. Die Ruinen reihen sich wie an einer Perlenkette gezogen, entlang der Höhen des Pfäzer-Waldes. Von dort bietet sich ein weiter Blick über die Ebene bis zum Rhein. Im Osten schließen sich dagegen die dichten Wälder und die Berglandschaft des Pfälzer Waldes an, die im Osten an das französische Lothringen angrenzen.

Burg Trifels
 

So ziemlich jedem, der die Robin-Hood Saga kennt, ist diese Region bekannt. Saß doch einst 1129 auf der Burg Trifels, der englische König Richard Löwenherz als Gefangener. Er war während der Rückkehr vom gescheiterten Kreuzzug ins Heilige Land, von seinen Erzfeind, Herzog Leopold V. von Österreich, gefangen genommen worden. Nur gegen Zahlung eines hohen Lösegeldes kam er nach drei Wochen frei. Um diese Gefangenschaft und Heinrichs Befreiung rankt sich die Legende um Blondel, den Barden des Königs. Er habe, so geht die Sage, damals auf der Suche nach seinem eingekerkerten Herren jede Burg der Region 'abgeklappert'. Dazu habe er vor den Mauern seine Lieder gesungen und so den Aufenthaltsort seines Königs herausbekommen. Nun ja, wie immer, war die Wirklichkeit trivialer - aber die Touristen kümmert das wenig,

Klar ist jedenfall, das Trifels ist mit rund 100 000 jährlichen Besuchern, neben dem Schloss Hambach, die Attraktion der Südpfalz. Von der Ruine aus hat man einen weiten Blick über die Ebene und den  Pfälzer Wald - alleine das lohnt schon einen Besuch. 

Die vielen Burgruinen zeugen von der bewegten Geschichte der Kulturregion. Die Pfalz war lange umkämpft, vor allem der König von Frankreich hatte, nach der Eroberung des Elsass im 30. Jährigen Krieg versucht, sie sich einzuverleiben. So verwüstete General Melac 1688 im Auftrag von König Ludwig.XIV die Pfalz bis nach Heidelberg. Das halbzerstörte Schloss oberhalb der Altstadt ist heute noch ein Mahnmal dieser blutigen Epoche.

Viele der heutigen Burganlagen in der Südpfalz wurden später - eher weniger als mehr historisch getreu - restauriert. Aber den Besucher stört das nicht. So lädt in Eschbach die 'Madenburg' mit seiner schönen Aussicht ein. Der Name hat nichts mit Ungeziefer zu tun, sondern leitet sich von Maria, der Mutter Jesus ab. Viele Besucher sitzen dort im Ausflugslokal und genießen den weiten Blick über die Ebene bis Landau und Karlsruhe. 

Touristisch hat sich die Region in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt, wie auch die hiesige Weinkultur. Manche Weingüter bieten Bioland-Gewächse an, etwa die Sylvaner im Weingut Porzelt bei Klingenmünster. Hier werden  Ferienwohnungen vermietet - was den Rückweg nach einer Weinprobe erleichtert....

Madenburg

Auch die Gastronomie der Region hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Früher vor allem für deftige Pfälzer Hausmannskost bekannt, bietet sie heute ein vielfältiges Angebot. Hier wird in vielen Küchen noch selber gekocht und nicht in den Convenience-Kühlschrank gegriffen.

Die Region versucht mit einem vielfältigen touristischen Angbot, Wandern, einem Wildpark, Museen und weiteren Sehenswürdigkeiten Besucher anzulocken. Ein Trip ins benachbarte Nord-Elsass bei Wissembourg bietet französischen Charme und Küche.   

 





 

 

 


Sonntag, 26. März 2023

Meine Deutsch-Französische Familiengeschichter Teil XII

 

Vorbemerkung:

Alles was ich hier schildere wurde mir von meinen Familienangehörigen erzählt. Natürlich sind solche Berichte nur bedingt dokumentarisch, vor allem, wenn diese Geschichten Jahrzehnte später erzählt wurden und alle Gesprächspartner heute nicht mehr leben. Manches habe ich aus Dokumenten ergänzt, manches mit etwas Phantasie versucht, lebendiger zu illustrieren. Diese deutsch-französische Familiengeschichte ist auch ein Spiegel einer Epoche - von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

Copyright: Weder der Text, noch Textpassagen dürfen ohne meine Einwilligung verwendet werden, dies gilt auch für das hier verwendete Fotomaterial. Das Urheberrecht liegt alleine beim Autor.

 

Ende und Anfang


HSV-Stadion Rotherbaum - links Bunker
 
 
Ich wurde Ostern 1960 in der Volksschule am Turmweg in Hamburg Rotherbaum eingeschult. Direkt daneben lag damals das Stadion des HSV, an dessen Zaun wir immer in der 'großen Pause' das Training von Uwe Seeler und Charly Dörfel verfolgten. Daneben befand sich ein düsterer Hochbunker aus der Kriegszeit. Er spielte in den letzten Kriegstagen eine wichtige Rolle für das ganz persönliche Kriegsende meines Vaters.
 
Heinz kommandiert April 1945
Heinz war mit seinem Propaganda-Trupp im niederländischen Apeldoorn stationiert. Sie waren von dort vor den britischen Truppen mit viel Glück nach Hamburg entkommen. Heinz erreichte im April 1945 mit seinen vier Untergebenen die Hansestadt und sie kamen in der Wohnung seiner Mutter in der Magdalenentrasse unter. Im heute noblen Pöseldorf nahe der Alster findet man, versteckt im Hof der Hochschule für Musik, ein mächtiger Tiefbunker. Hier befand sich bis Kriegsende der sogenannte 'Kampfstand' von NS Gau- und Reichststatthalter Karl Kaufmann.