Ende der 1970er Jahre herrschte Unruhe in Deutschland. Die Rote Armee Fraktion (RAF) verübte Anschläge und wurde vom Staat verfolgt. In Stuttgart Stammheim nahmen sich 1977 im Hochsicherheits-Gefängnis die Häftlingen das Leben. Im Gegenzug wurden Vertreter von Staat und Industrie ermordet. Die politische Debatte im Land war politisch aufgeheizt und aggressiv. Wer optisch oder politisch nicht der bürgerlichen Norm entsprach - lange Haare oder Anti-.AKW-Aufkleber am Auto - wurde in von schwer bewaffneten Polizeikontrollen angehalten. Dazu verschärften sich die Auseinandersetzungen über die Atomkraftwerke, die mit großer Militanz beider Seiten geführt wurden. Deutscher Herbst - ich war damals 25 Jahre alt.
Ende 1979 kam es dann in der Öffentlichkeit zu heftigen Auseinandersetzungen über die verdrängte Vernichtung der Juden - Ursache war die US-Fernsehserie: "Holocaust". Der Westdeutsche Rundfunk hatte als einzige ARD-Anstalt den Mut besessen, die Rechte zu kaufen. Im Januar 1979 wurde sie dann in allen Dritten Programmen der ARD ausgestrahlt. In vier Folgen schildert sie mit den Mitteln einer US-Soap die Vernichtung der deutschen Juden und zeigte die Täter. Als engagierter Linker lehnte man zuerst die Serie als kitschige US-Serie zuerst ab - der Effekt beim TV Publikum war jedoch überzeugender, als manche Dokumentation.
Damals lebte ich in Norderstedt bei Hamburg, in einem evangelischen Zentrum - von CDUlern als 'Rote Kapelle' verunglimpft - trafen sich regelmäßig verschiedene Bürgerinitiativen. In einer antifaschistischen Gruppe planten wir, die TV-Serie per Video öffentlich zu zeigen. Plakate waren gedruck, Infoblätter verteilt, da erhielten wir vom WDR das Verbot, 'Holocaust' wegen Verletzung des Urheberrechts zu zeigen. So kam es, das ich 'Holocaust' erst einige Jahre später in einer TV-Wiederholung gesehen habe.
Im Jahr 2019 wurde der Dokumentarfilm von Agnes Agneskirchner: "Wie 'Holocaust' ins Fernsehen kam" ausgestrahlt. Er kann über die Homepage der Bundeszentrale für Politische BIldung gesehen werden:
https://www.bpb.de/themen/holocaust/319135/wie-holocaust-ins-fernsehen-kam/
Schon 1965 hatte die ARD den Film "Ein Tag "des renommierten Regisseurs Egon Monk ausgestrahlt. In bedrückenden schwarz-weiss Bildern wurde in dem Spielfilm der brutale KZ Alltag geschildert. Die düstere Produktion beeindruckt heute noch.
Mein Vater, geboren 1913 und vor 1933 linker Student, arbeitete während des Krieges in einer Wehrmachts-Propagandakompanie in Frankreich, war aber nie NSDAP Mitglied und galt bei seinen Vorgesetzten als 'politisch unzuverlässig. Er hatte Kontakt zu Resistance-Mitgliedern in seiner Druckerei in Lille. Seine Division wurde dann 1941 zum Angriff auf die Sowjetunion in den Osten des Reichs verlegt. Er wurde dabei zwei Tage nach dem Überfall im Zentrum der Stadt in Kowno Zeuge des Massakers an Juden und angeblichen Kommunisten. Er erzählte erst Mitte der 1970er Jahre davon, weil die Staatsanwaltschaft ihn dazu vernommen hatte.
Im Fernsehen sah er sich jede Dokumentation über die Nazizeit an, ich saß oft mit dabei. Anfang der 1960er Jahre wurden in der ARD Serie 'Das Dritte Reich' Filmaufnahmen der britischen Befreier des KZ Bergen-Belsen von 1945 gezeigt. Tote Häftlinge wurden mIt Bulldozern in Massengräber geschoben. Diese Bilder haben sich bis heute in mein Gedächtnis 'eingebrannt'...
Wir fuhren einmal mit der ganzen Familie nach Bergen Belsen in der Nähe des Bundeswehr Übungsplatzes Munsterlager. Die Briten hatten nach der Befreiung die KZ Baracken wegen Seuchengefahr umgehend in Brand gesetzt. So sahen wir bei unserem Besuch nur eine große ebene Fläche mit einigen Gedenksteinen und markierten Massengräbern. Anne Frank war hier kurz vor der Befreiung ums Leben gekommen.
Dieses Erlebnis prägt bis heute mein Interesse an Schauplätzen der Geschichte. Nach dem Ende des Kommunismus besuchte ich 1990 auf dem Weg nach Prag die KZ Gedenkstätte in der alten Festung Theresienstadt in Tschechien, später dann Buchenwald bei Weimar. In Warschau zeigte mir eine polnische Freundin das Denkmal des letzten Bunkers der Getto Kämpfer in der Mila Strasse. Sie hatten sich in die Luft gesprengt, um sich nicht den SS-Truppen zu ergeben. Mitte der 1970er Jahre hatte ich schon das KZ Dachau bei München besucht. Sehr deplaziert wirkten auf mich die Museums-Wächter in ihren Uniformen. Das KZ lag direkt an der Stadtgrenze, war also Teil des Alltags der Anwohner gewesen. "Wir haben von nichts gewusst?" Lächerlich! In Hohwacht an der Ostsee sah ich mitten im Ort noch in den 1960er Jahren Baracken des Hamburger KZ Aussenlagers Neuengamme. Nach dem Krieg hatten hier dann Vertriebene aus dem Osten gelebt.
Im Dokumentarfilm Agneskirchners zur Entstehung und Rezeption der TV Holocaust Serie, war die Betroffeheit der Schauspieler auch 30 Jahre später immer noch zu spüren. Die US-Produzenten wollten 'Holocaust' unbedingt an Originalschauplätzen drehen, nicht in Hollywood-Kulissen. Dies führte für viele der Darsteller zu körperlichen und seelischen Belastungen.
Am Ende der Dreharbeiten drehte man die Szenen über die Tötungen in den Gaskammern. Dazu durfte in der österreichischen Gedenkstätte Mauthausen gedreht werden - nur dort hatte das Filmteam die Genehmigung erhalten. Für Schauspieler und Komparsen war ein traumatisches Erlebnis. Manche Szenen mussten mehrfach wiederholt werden.
Nach dem Ende der Dreharbeiten haben sich die Darsteller nie wieder getroffen.....
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