Der für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständige Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) hat im Februar 2017 einen "Aktionsplan für die Transformation der Hörfunkverbreitung in das digitale Zeitalter" ausarbeiten lassen. Mit dieser "Roadmap" soll ein "Rahmen" für den "Aufbau einer nachhaltigen digitalen Hörfunkinfrastruktur" vorgegeben werden. Visionäre Entwicklung - oder auf dem Weg ins Irgendwo im Nirgendwo?
UKW |
Fakt ist aber, dass sich das Engagement der privaten Radioveranstalter für die digitale Hörfunkentwicklung bei uns in Grenzen hält. Das muss auch das Papier aus Dobrindts Ministerium einräumen. So wird konstatiert, die Verbände der kommerziellen Rundfukveranstalter in Deutschland (VPRT - APR)* würden eine baldige UKW-Abschaltung nicht für sinnvoll halten. Gleichzeitig betonte die ARD für die Öffentlich-Rechtlichen, ein Ende der UKW-Verbreitung sei nur zeitgleich mit der privaten Konkurrenz möglich. Entsprechend hatte sich die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzsbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF) geäußert, die einen Wechsel zu DAB+ nur mit einem realistischen Zeitpunkt für die Abschaltung aller UKW-Sender befürwortet. Diesen festzulegen sei aber die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger von Bund und Ländern, betont Dobrindt's Roadmap. (S.6) Aktivitäten in Berlin oder den Ländern sind aktuell weit und breit nicht in Sicht. Bisher haben nur die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt das Jahr 2025 als Datum für das Ende der UKW-Verbreitung beschlossen.
DAB+ |
Wer profitiert eigentlich am stärksten vom digtialen Radio? Die Roadmap hält fest: "Die Befürworter von DAB+ betonen die (...) kostengünstige Verbreitung bei gleichzeitig geringerem Energieverbrauch." Am Beispiel Bayern heißt das: Bisher benötigte man für die Verbreitung eines analogen Radioprogramms im Freistaat 40 UKW-Sender mit 116 Kilowatt Stromverbrauch. Für digitale Verbreitung per DAB+ würden die 60 erforderlichen Sendeanlagen nur 22,4 Kilowatt verbrauchen. Laut Ministerium rechne die ARD mit einer jährlichen Kostenersparnis von 15-20% der Aufwendungen für die Verbreitung der Programme (S.6) Seit mittlerweile 18 Jahren versucht DAB bzw der Nachfolger DAB+ in den bundesdeutschen Haushalten ein Bein auf den Boden zu kriegen. Die Akzeptanz ist aberkläglich wenn man bedenkt, dass der Online-Empfang von Radioprogrammen das digitale Radio bereits überholt hat. Während immer noch die analoge UKW-Nutzung (94%) als Empfangstechnik der Haushalte dominiert, hören mittlerweile schon mehr als ein Drittel (34%) Online-Radio. Das Ministerium muss feststellen, online würden "zumeist (...) Smartphones, PCs, Laptops und Tablets" (S. 7) als Empfangsgeröte genutzt - stirbt DAB+ also den Kindbett-Tod?
Um das zu verhindern, sieht der Plan der Roadmap acht Maßnahmen vor, mit denen die Transformation vom analogen UKW- zum digitalen Hörfunk befördert werden soll.
- Alle neuen Radiogeräte sollen über eine Schnittstelle für digitalen Empfang
- Von den Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr benötigte UKW-Frequenzen sollen nicht mehr an neue oder veränderte UKW-Programme der ARD vergeben werden.
- Der Ausbau der digitalen Breitbandnetze soll vorangetrieben werden.
- Weitere Übertragungskapazitäten für eine zweite DAB+ Kette in Deutschland
- Förderung des internationalen technischen Standards für Verkehrs- und Reiseinformationen (TPEG)
- Eindeutige Methode zur Ermittlung der Ausstattung bundesdeutscher Haushalte mit digitalen Empfängern
- Eindeutige Messmethoden der Nutzung
- Politische Begleitung des Prozesses vom analogen zum digitalen Radio
Online |
Bei der ARD setzt man dabei auf das 'Prinzip Hoffnung', Dr. Ulrich Liebenow, Betriebsdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und Vorsitzender der ARD-Technikkommission antwortete am 9. März auf meine Nachfrage: "Ich glaube, dass man am Ende das Thema in beiden Bereichen - national und auf europäischer Ebene - regeln muss. Ich bin zuversichtlich, dass hier ein gangbarer Weg gefunden wird."
Zu 2: Von der ARD nicht mehr benötigte UKW-Frequenzen dürften künftig von den Öffentlich-Rechtlichen nicht genutzt werden. Dem stimmt Liebenow zu, freiwerdende Frequenzen sollten "nicht für neue Radioangebote verwendet werden". Er fügte dann aber in seiner schriftlichen Antwort hinzu, die Frequenzen dürften "durchaus genutzt werden (...), um die bestehenden Bedarfe zu komplettieren oder zu optimieren(...)."
Mobil |
Zu 7: Die Messung der Hörernutzung ist kostspielig und angesichts der geringen Verbreitung digitaler Radiogeräte in den Haushalten für die Radioveranstalter - öffentlich-rechtlich wie kommerziell - derzeit wohl nachrangig. Dementsprechende heißt es im Maßnahmepaket des Ministeriums: "Die Marktteilnehmer werden in Abstimmung mit der agma* eine Weiterentwicklung der Messmethode erörtern." Für 2018 soll die DAB+ Nutzung "auf Basis der weiterentwickelten Messmethode" veröffentlicht werden. Entschlossenes Handeln hört sich anders an.
Zuversicht klingt irgendwie anders....
* VPRT: Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation - APR: Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk
**AGMA: Arbeitsgemeinschaft Media Analyse - Zusammenschluss von Sendern und Werbung
PS: Meine Anfrage beim VPRT zur Einschätzung der Roadmap wurde bisher nicht beantwortet - sollte sie noch kommen, wird der Text entsprechend ergänzt werden.
https://medienfresser.blogspot.de/2016/12/digitalradio-privatsender-wollen-500.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen