Mittwoch, 5. April 2017

Internet-Geschwindigkeit - Wer glaubt schon dem Tacho?


Flitzer oder Lahme Ente?
Jeder Käufer eines Autos kennt das, auf dem Tachometer steht die erreichbare Höchstgeschwindigkeit. Man ahnt natürlich, das Fahrzeug wird nie so schnell fahren wie es der Tacho verspricht - aber es sieht ja so gut aus... Würden die Auto-Hersteller verpflichtet, auf ihren Tachometern die real erreichbare Geschwindigkeit anzugeben - etwa anstatt 220 Stundenkilometer nur 130 kmH, öffentlicher Hohn und Spott sowie Proteste von ADAC bis zu den Verbraucherzentralen wäre ihnen sicher. Mancher Kunde würde vor Gericht ziehen und nicht wenige die Marke wechseln. Ein massiver Imageverlust wäre die Folge - Wer zahlt schon r einen Flitzer, wenn er nur eine lahme Ente bekommt? Genau so aber ergeht es aber seit Jahren den Nutzern des Internets. In den Anzeigen der Printmedien und ihren TV-Spots werben die Anbieter mit hohen Übertragungsraten. Im 'Kleingedruckten' wird dann erklärt, die Datenmenge hänge von den örtlichen technischen Bedinungen ab. Schamlos kassieren dagegen die Online-Anbieter aber von ihren Kunden den vollen Preis und nicht etwa nur für die real zur Verfügung gestellte Internet-Geschwindigkeit. 

Am 27. März 2017 veröffentlichte dazu die Bundesnetzagentur, eine Behörde des Bundes zur
Weiß man, wieviel hier ankommt?
Überwachung der Infrastruktur in Deutschland, erstmals den
"Jahresbericht Breitbandmessung". Fazit: "Die Hälfte der Nutzer (...) erreicht bei allen betrachteten Anbietern mindesten 60% der vertraglich vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate." (S.8) Zufrieden mit den Ergebnissen war Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur wohl nicht, in einer Pressemitteilung seiner Behörde betonte er:
Über alle Bandbreitenklassen und Anbieter hinweg erreichen Kunden oft nicht die maximale Geschwindigkeit, die ihnen in Aussicht gestellt wurde.  

Wieviel Power gibt's wirklich?
Insgesamt liefen zwischen September 2015 und September 2016 mehr als 398 000 freiwilligen Messungen stationärer Breitbandanschlüsse (Telefonleitungen und Breitbankabel) bei der Netzagentur ein. Davon wurden die Daten von mehr als 106 000 Messungen als Valide Ergebniise ausgewertet. Jeder Internetkunde konnte am Messverfahren teilnehmen und die Geschwindigkeit seines Anschlusses überprüfen lassen - das geht übrigens jetzt noch über die Homepage der Bundesnetzagentur unter https://breitbandmessung.de/.

Für die mobile Internetversorgung wurden außerdem die Ergebnisse von 53 600 Messvorgängen ausgewertet. Beim mobilen Internet lagen laut Bundesnetzagentur die Übertragungsraten "deutlich unter dem von stationären Breitbandanschlüssen." (S.9) Weniger als ein Drittel der Mobilkunden konnten demnach gerade einmal die Hälfte der vertraglich vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate abrufen. "Die Hälfte der Nutzer (...) erhielt bei allen betrachteten Anbietern mindestens 20% der vertraglich vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate". 

Nach der Veröffentlichung kam sofort Kritik an den Ergebnissen von den Online-Anbietern. Sie monierten vor allem, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ sein, da sie auf freiwilligen Messungen basierten. So meinte ein Vertreter der Telekom nur knapp gegenüber dem Handelsblatt (23.3.17): "Insgesamt halten wir die Erhebung nicht für repräsentativ." Auf diese Kritik angesprochen, sagte am 3. April der bei der Bundesnetzagentur für den Bereich Telekommunikation zuständige Pressesprecher, man habe mit dieser Methode endlich "echte Meßergebnisse erhalten wollen". Durch die freiwilligen Tests der Nutzer habe man erfahren, wie hoch die beim Online-Kunden ankommende Leistung wirklich sei. 

Die Ergebnisse der Messungen wurden von der Bundesnetzagentur für Anschlüsse mit unterschiedlich vereinbarten Bitraten aufbereitet. "Kunden mit hochbitratigen Anschlüssen sind häufiger in der Stichprobe vertreten, als bei einer Zufallsauswahl zu erwarten gewesen wäre. Demgegenüber war die Teilnahmemotivation bei Kunden der  unteren Bandbreitenklasse offenbar geringer." (S. 53) Vielleicht lag das auch daran, dass die Möglichkeit einer Online-Messung seines Internetanschlusses nicht ausreichend öffentlich bekannt war.

Ärgerlich am Bericht der Bundesnetzagentur ist, er bietet weder aktuelle Daten über die Gesamtzahl der Onlineanschlüsse, noch über ihre Verteilung auf die verschiedenen Verbreitungstechniken: Telefon, Kabel, Strohmleitung und Mobilfunk. Darauf angesprochen, verwies der Vertreter der Bundesnetzagentur auf den im Mai erscheinenden Jahresbericht seiner Behörde. Noch 2013 veröffentlichte die Bundesnetzagentur einen  Bericht zur Internet-Dienstequalität mit entsprechenden Zahlen*. Damals nutzten das Telefonnetz über 86% der Internet-Kunden, während per Kabel nur 13%, online gingen. Das mobile Internet spielte damals mit 1% noch keine Rolle. Mittlerweile dürfte sich die Situation gerade bei der mobilen Internet-Nutzung durch den  Boom der Smartphones deutlich verändert haben



Laut dem aktuellen 'Breitbandreport' der Stuttgarter Ehninger AG**, gab es Ende 2016 insgesamt mehr als 31,5 Millionen*** stationäre Internetanschlüsse in Deutschland (Telefon- Strohmleitung oder Kabelzugang). Marktführer war dabei die Telekom mit über 12,9 Millionen Kunden, gefolgt von Vodafone mit 6,1 Millionen, 1&1 mit 4,4, Millionen, Unitymedia mit fast 3,3 Millionen, O2 mit 2,1 Millionen und Tele Columbus mit etwas mehr als einer halben Million Kunden. Dabei bieten die Telekom, 1&1 sowie O2 Internetanschlüsse nur per Telefonleitung an. Vodafone versorgt seine Online-Kunden dagegen über Telefon- oder Kabel, während Unitymedia und Tele Columbus nur das Breitbandkabel anbieten. 


Prozentual steht die Telekom (41%) damit an der Spitze, gefolgt von Vodafone (19%), 1&1 (14%), Unitymedia (10%) sowie O2 (6,7%), Tele Columbus (1,6%), den Rest teilen sich kleinere Versorger (6,9%).


Hauptursache für die dürftigen Bitraten der Internetanbieter dürfte der weiterhin eher  schleppende Ausbau der Glasfaserkabel sein. Allerdings zeigte sich laut den Messergebnissen der Bundesnetzagentur, dass auch in der höchsten
Kabel erfüllt auch nicht alle Wünsche...
Geschwindigkeitsklasse zwischen 200-500 MB die gebotene Lesitung am Abend deutlich abfällt. Diese Geschwindigkeitsklasse bieten vorwiegend Kabel-Anbieter ihren Kunden. 


Einige Politiker reagierten auf die Ergebnisse der Budnesnetzagentur. So forderte etwa die bei den Grünen für das Thema zuständige Abgeordnete Tabea Rößner****, die Politik müsse die Anbieter in die Pflicht nehmen, Mindestbandbreiten und Bußgelder bei Verstoß dagegen erlassen. Diese Forderung verhallte bisher aber folgenlos. Dabei bestünde die Möglichkeit, dies in der nach Ostern im Parlament zu verabschiedenden Novelle zur Telekommunikationsordnung (TKG) einzufügen.

Wahrscheinlich verlassen sich die Internet-Anbieter darauf, dass so richtiger Protest bei ihren Kunden nicht aufkommt. So gab nämlich bei der Untersuchung der Bundesnetzagentur die Mehrheit der Festnetzkunden (65%) sowie auch der Mobilen Internetnutzer (82%) an, mit den Leistungen ihres Anbieters zufrieden zu sein.

*https://medienfresser.blogspot.de/2013/10/schnelles-internet-davon-kann-otto.html






** https://www.dslweb.de/breitband-report-deutschland-q3-2016.php
*** Inklusive Haushalte die Internet per Stromleitung als Empfangstechnik nutzen
****www.golem.de

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