Mittwoch, 26. Juli 2017

Radionutzung - Media Analyse 2017/II - alle Glücklich?


"Die ARD-Radioprogramme sind erneut klare Spitzenreiter im Deutschen Hörfunkmark", verkündete stolz am 11. Juli 2017 Karola Wille, ARD-Vorsitzende und Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Am selben Tag meldete der größte Werbezeitenvermarkter privater Radioveranstalter, die Radio Marketing Service GmbH (RMS) in Hamburg, die von ihr vermarkteten Programme böten für Werbetreibende: "das reichweitenstärkste nationale Radionangebot im Werbemarkt". Anlass für diese Jubelarien sind die Ergebnisse der Radio Media Analyse (Radio MA 2017/II). Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse (AGMA)* wird zweimal jährlich per Telefonbefragung ermittel, welche Sender die Hörer in Deutschland einschalten. Diese Ergebnisse sind vor allem für die Werbewellen wichtig, denn auf dieser Basis werden die Schaltpreise für Radiowerbung festgelegt. 


Bei der Erhebungsmethode der AGMA gab es gegenüber dem letzten Jahr eine nicht unwichtige Veränderung. Wurde im Sommer 2016 auch die Hörernutzung von 10-13-Jährigen erfragt, wird jetzt wieder nur die Nutzung ab 14 Jahre abgebildet. Dies begründete RMS-Geschäftsführer Matthias Wahl: "Die Erwartungen in den Ausbau der Zielgruppe der 10-13 Jährigen wurde nicht erfüllt. Aufgrund vor allem der seitens der Kunden auferlegten Selbstverpflichtung, Kinder nicht mehr direkt ansprechen zu dürfen wurde (...) dieser Kompromiss beschlossen". Auf Nachfrage meinte ein ARD-Medienforscher, den Auftraggebern seien wohl vor allem die Kosten für die Erfassung der jüngsten Hörer zu hoch gewesen. Außerdem könnte es den Wellenchefs ganz recht sein, dass die Zahlen der jüngsten Hörer nicht mehr ermittelt werden. Vor einem Jahr hatte die MA 2016/II ergeben, dass gerade in dieser Altersgruppe die Radionutzung pro Werbestunde im Vergleich zu 2014 deutlich gesunken war. https://medienfresser.blogspot.de/2016/07/radio-mehr-horer-werbewellen-verlieren.html

Vergleicht man die aktuelle MA mit der vor einem Jahr, so stieg die Zahl der hier Lebenden um fast eine halbe Million auf jetzt rund 70 Millionen Menschen über 14 Jahre. Von ihnen hören fast 55 Millionen täglich zumindest ein Radioprogramm, ein Minus von 220.000 Hörer gegenüber dem Vorjahr**. Der Rückgang bei den Werbewellen - ARD und Private - war deutlicher. Sie erreichen täglich noch 48,2 Millionen Hörer, etwa 380.000 weniger. Werbefreie Informations- oder Kulturprogramme kommen laut MA auf etwa 7 Millionen Hörer am Tag. 


Für den Verkauf der Werbezeiten im Radio ist die in der durchschnittlichen Werbestunde (6--18 Uhr, Mo.-Fr) erzielte Hörerzahl wichtiger, als die Tagesreichweite.*** Von allen hier Lebenden (+14) schalten demnach etwa 20,5 Millionen ein Radio mit Werbung ein, ein Plus von 35.000 Hörern gegenüber der letzten MA vor sechs Monaten. Bei der für den Verkauf von Werbezeiten wichtigen Altersgruppe der 14-49-Jährigen kamen die Werbewellen aber schlechter weg. Hier wurden 10,2 Millionen Hörer erreicht, das sind 330.000 weniger als zuvor. Auch bei den 14-19Jährigen, sank der Zuspruch von 900.000 auf 880.000 stündliche Hörer. Das dürfte die Radiomacher deshalb beunruhigen, weil gleichzeitig diese Altersgruppe um über 110.000 Menschen auf 4,9 Millionen zugenommen hat. Das könnte daran liegen, dass gerade die Kids ihre Musik zunehmend online empfangen und dazu nicht Radioprogramme nutzen. Immerhin hören von den 4,9 Millionen 14-19-Jährigen täglich nur 65% Radio. Auf alle Einwohner über 14 Jahre bezogen sind es dagegen 78%, die täglich das Radio einschalten. Es bleibt fraglich, wie lange sich die Radiomacher darauf ausruhen können, dass von den Jüngeren, die ein Radioprogramm einschalten, täglich 92% eine Werbewelle hören. 
 
* Arbeitsgemeinschaft Media Analyse - Zusammenschluss von 210 Medien und Werbeunternehmen 
**Reichweite Montag-Freitag, Daten: ARD-Werbung
***Hörer pro Durchschnittsstunde Mo-Fr 6-18 Uhr, Daten: ARD-Werbung


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