Sonntag, 15. September 2013

Digitalradio DAB - Weitere Subventionen für den "Schnellen Brüter"?!


Überall im Wahlkampf heißt es: Sparen, Sparen, Sparen! Da reibt man sich schon die Augen, wenn man die Pressemitteilung des Hörfunkbeauftragten der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Dr. Gerd Bauer, vom 12. September liest. Er fordert von Bund, Ländern sowie der Europäischen Union die Subventionierung des digitalen Radioprojektes DAB+ (Digital Audio Broadcasting Plus). Seit Jahrzehnten fördern die Landesmedienanstalten den Aufbau der DAB-Infrastruktur aus den ihnen zufließenden Anteilen der Rundfunkgebühren. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben mittlerweile alleine für DAB+ über 40 Millionen € aus Gebührenmitteln beigesteuert.

Jetzt sollen also Steuergelder dem "Schnellen Brüter" der Radiotechnik neues Leben einhauchen. Letztlich ist DAB+ genauso gescheitert, wie 1991 die Plutonium-Technik samt Reaktor in Kalkar. Nur das Projekt zu beenden, traut sich niemand. Dabei liefert der auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin am 10. September vorgestellte Digitialisierungsbericht 2013 der DLM (1) genug Argumente.

Laut Digitalisierungsbericht rechnet die DLM in diesem Jahr mit 3 Millionen DAB-Geräten in 1 786 500 Haushalten. In Deutschland stehen gleichzeitig in den rund 39,7 Millionen Haushalten über 143 Millionen UKW-Empfänger. Folgerichtig stellt der DLM-Bericht fest, die Digitalisierung im Hörfunk sei "noch nicht sehr weit fortgeschritten". Trotzdem bewertet die DLM es euphemistisch als "erstes positives Zeichen", das sich 2012 rund 500 000 DAB-Empfänger "auf dem Markt" befanden - was immer damit gemeint ist.

Schaut man sich die Zahlen etwas genauer an, so bezieht sich die DLM bei ihren Erwartungen auf Erhebungen der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Konsumelektronik (GFU). (2) Demnach wird die Zahl der rund 500 000 DAB-Empfänger in diesem Jahr um weitere 650 000 Geräte "im Markt" zunehmen. Das sind aber immer noch nur knapp 1,2 Millionen DAB-Empfänger und nicht 3 Millionen. Im DLM-Bericht findet sich der Hinweis: "Die GFU-Berechnung erfasst aber nicht den Verkauf von DAB-Radiogeräten im Auto und von Mehrfachempfangsgeräten (Hybridradios)." Darüber hinaus habe die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) (3) im Februar 2013 auf den massiven Anstieg der Nachfrage nach DAB-Empfängern hingewiesen. Daraus folgt für die Medienanstalten: "Insgesamt ist somit von über 2 Millionen DAB-Empfangs-Geräten in Deutschland auszugehen" Anscheinend rechnet die DLM damit, dass in den letzten Monaten des Jahres also rund 1 Million DAB-Empfänger über den Ladentisch gehen.

Verglichen mit der DLM-Prognose für DAB+ ist Kaffeesatz-Lesen seriöse Wissenschaft!


Einen DAB-Empfänger haben, bedeutet aber noch nicht, das er auch benutzt wird - das wissen auch die Chefs der Medienanstalten. Also ließ die DLM von TNS-Infratest 8600 Personen über 14 Jahre dazu befragen. Fazit: "Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll (...) das die analoge UKW-Verbreitung immer noch eindeutig dominiert. 94 Prozent der bundesdeutschen Haushalte verfügen (...) über einen UKW-Empfang, (...) im Durchschnitt über 3,5 Empfangsgeräte" An zweiter Stelle folgt das Internet, immerhin 26,5% hören zumindest gelegentlich online Radio. Digitalradio liegt abgeschlagen mit 5% am Tabellenende.

Die Befragung ergab weiter, das Radio am häufigsten über UKW-Geräte (80%) gehört wird. Mit weitem Abstand folgen in der Präferenz der Empfangs das Internet (5%), sowie Satellit (4,7%) und Kabel (4,7%). "Der DAB-Empfang ist erwartungsgemäß bisher nur für 0,5 Prozent der deutschen Bevölkerung die am häufigsten genutzte Empfangsart", konstatiert der Digitalisierungsbericht.

Angesichts der zunehmenden Verbreitung des Mobilen Internet über Smart-Phones und Tablet-Computer wird demnach der "Verbreitungsweg Internet (...) weiter steigen."  Weiter heißt es: "Stärker als DAB+ hat sich bisher (...) die digitale Radioverbreitung über das Internet entwickelt." Wer braucht da also noch DAB+?


Hoffnungen sieht die DLM für DAB+ in Fahrzeugen, denn dort sei Internet "aus technischen Gründen zumindest vorerst noch Vision". Wenn sich die DLM-Direktoren da mal nicht täuschen.

Am 12. September kündigte Reinhard Clemens, Chef von T-Sytems der Deutschen Telekom eine Online-Plattform für den Empfang in Fahrzeugen an: "Wir haben gerade unsere Netzoffensive gestartet, (..) um in den kommenden Jahren Bandbreiten von 105 Megabit pro Sekunde zu erreichen". (4) Nicht nur die Telekom, auch die anderen Mobilfunkunternehmen dürften ähnliche Überlegungen anstellen.

Fazit: Eigentlich dröhnen mittlerweile die Totenglocken für DAB - aber bei der DLM hält man sich weiterhin die Ohren zu. Eigentlich könnte es einem ja egal sein, wenn nicht für das von der technischen Entwicklung längst ins Abseits verdrängte DAB nicht erneut öffentliche Gelder vergeudet werden sollen. 
(1) Seite 44 - 49

(2) Die GFU ist ein Lobby-Zusammenschluss verschiedener Unternehmen: Astra, Panasonic, Philips, Blaupunkt, Grundig, Samsung, Sony und andere. "Elf führende Unternehmen der Unterhaltungselektronik haben 1973 die Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik in Deutschland gegründet." und "Zentrale Aufgabe und erklärtes Ziel der gfu - Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik sind: Die Veranstaltung der IFA in Berlin sowie Die Information der Öffentlichkeit über die Entwicklung der Consumer Electronics" http://www.gfu.de/home/about.xhtml

(3) Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg misst die Marktanteile der Fernsehprogramme und veröffentlicht regelmäßig einen Konsumklimaindex. Das Unternehmen gehört mehrheitlich (57%) einem Verein, an dem rund 600 Unternehmen und Einzelpersonen beteiligt sind. Selbstdarstellung - Homepage: "Der GfK Verein ist der Think Tank der Marktforschung. Als Non-Profit-Organisation versteht er sich primär als Vereinigung zur Mehrung des für die Erforschung und Bearbeitung weltweiter Märkte relevanten Grundlagenwissens." http://www.gfk-verein.de/

(4) In einem dpa-Interview, laut www.newsroom.de am 12. September 2013

Donnerstag, 5. September 2013

Eins Plus: "Programmoffensive" soll junge Zuschauer sturmreif machen


Mit einer "Programmoffensive" will der digitale ARD-Fernsehkanal - Eins Plus, jüngere Zuschauer gewinnen. "Eins Plus - Fernsehen für Dich!" kündigt das Programmheft ab dem 16. September an.

Das Programm des Digitalkanals Eins Plus besteht derzeit vorwiegend aus Wiederholungen verschiedener ARD-Service-Sendungen und einem Angeboten an junge Zuschauer. Künftig will man mit neuen Formaten und Fiction-Konserven den Digitalkanal für die unter 30-Jährigen attraktiver machen. Sie bekommen auf Eins Plus künftig 16 Stunden Sendezeit am Tag - auch hier wird ein großer Teil der Sendezeit mit Wiederholungen bestückt.

Auf einem Pressegespräch am 2. September in Stuttgart beim Südwestrundfunk (SWR), betonte Eins Plus-Programmchef, Alexander von Harling: Sein Programm sei ein "Entwicklungslabor für junges Fernsehen". Mit neuen Formaten, Dokumentarfilmen, Serien und Spielfilmen will er in der Prime Time (20.15 Uhr) junge Zuschauer gewinnen. Die eigens für Eins Plus produzierte Programme sollen "Spaß machen und junge Lebenswelt transportieren". Damit will von Harling eine "andere Wahrnehmung von Eins Plus" erreichen.

Da hat er ein ziemliches Stück Arbeit vor sich. Bisher wird Eins Plus vom Publikum anscheinend gar nicht wahrgenommen. Zumindest gibt es bisher keine belastbaren Daten über Quoten oder Marktanteile. Dies musste von Harling auf Nachfrage einräumen und erklärte, dafür sei die Datenbasis der Zuschauermessung einfach zu klein.
In Deutschland wird die TV-Nutzung in 5000 Haushalten (10 000 Personen) über eine Settop-Box erhoben. Hier geben die Zuschauer ein, welches Programm sie gerade sehen. Damit sendet Eins Plus also anscheinend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.


Und wie ist das mit der anvisierten Zielgruppe der jüngeren Zuschauer? Programmchef von Harling verkündete in Stuttgart stolz, in der Prime Time (20.15 bis 0.30) habe man, verglichen mit der Konkurrenz, das jüngste Publikum - Durchschnittsalter: 48 Jahre. Da wirkt es schon Tollkühn, wenn sie jetzt die unter 30-Jährigen ins Visier nehmen.

Einst startete der ARD-Digitalkanal im August 1997 unter dem Namen: EinsMuXx als zeitversetzter Wiederholungskanal für Sendungen des 'Ersten'. Federführend ist für den Kanal der Südwestrundfunk (SWR) in Baden-Baden. Im April 2005 änderte der Digitalkanal seinen Namen in Eins Plus, das Programm wurde auf die Wiederholung der verschiedenen Service- und Ratgebersendung der ARD-Programmfamilie ausgerichtet. Ab März 2009 galt dann die Devise, das Programm zum "jungen ARD Digitalkanal" auszubauen, verkündete damals *SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen. * Damit sollte ein Platz für "ungewohnliche Ansätze und unorthodoxe Formen" geschaffen werden. Andererseits wiederholte Eins Plus aber weiterhin gut abgehangene Service-, Ratgeber- und Wissensformate anderer ARD-Programme. Bereits damals zeigte sich Eins Plus Redaktionsleiter, Jürgen Ebenau, stolz auf den erreichten Altersdurchschnitt der Zuschauer: 50 Jahre. 

Damit ist Eins Plus also innerhalb von 5 Jahren der ins Visier genommenen Altersgruppe wahrlich einen gewaltigen Schritt näher gekommen. Na dann bis 2060....cool!

Und mit welchen Geschützen soll jetzt die "Programmoffensive" die jungen Zuschauer zur Kapitulation/Einschalten bringen? (...passe mich da nur der SWR-PR-Sprache an). Programmchef von Harling: "Das Leben soll aus einer jungen Perspektive betrachtet werden." So werden in "Die Backpacker - Auf Klima-Tour durch Europa" zwei Gruppen RucksackträgerInnen nach Gibraltar reisen und dabei möglichst wenig CO2 produzieren. "In Deutschland um die Welt" erkundet der, von mir wegen seiner Eloquenz und sprachlichen Eleganz bereits schon früher geschätzte Pierre M. Krause  (siehe Medienfresser 14.03.2013), die Lebenskultur von Migranten in Deutschland. Das Reportageformat "Leben!" bietet Alltagsgeschichten von 16- bis 30-Jährigen in Deutschland.
 
Gut abgehangene Fiction-Ware aus dem ARD-Fundus soll am Abend dann die Jüngeren anlocken. Jeden Donnerstags ab 22.15 läuft die Serie "Sternenfänger". Laut Wikipedia wurde sie 2002 (!) mit Nora Tschirner und Oliver Pocher von Nico Hofmann (teamWorx Ufa/Bertelsmann-Produktion) produziert. Im Ersten fielen die 26 Folgen durch, deshalb gab es keine zweite Staffel. Es geht hier um Liebe-Triebe am Bodensee. (Na da haben doch "Bonanza" und der "Forellenhof" noch Chancen für einer Wiederauferstehung)

Wie sagte in Stuttgart auf dem Pressetermin doch Thomas Jung, Programmchef des Radiopopsenders SWR 3 zur Perspektive von Eins Plus: "Unser Auftrag ist: Entwicklung, Entwicklung und Innovation!"

Na dann...


* "Leuchturm oder Resteverwertung?", Funkkorrespondenz, 06.03.2009

Montag, 2. September 2013

Merkel / Steinbrück: Politik-Darsteller und Journalisten-Imitate


Im große Töne spucken ist das Fernsehen - privat wie öffentlich-rechtlich - immer gut: "Das TV-Duell" boten am Sonntag Abend (2.9.) ARD, ZDF, RTL und ProSieben ihren Zuschauern. Über 17 Millionen haben eingeschaltet, davon mehr als 10 Millionen das Erste. Während so die ARD auf knapp 30 Prozent Marktanteil kam, waren es beim ZDF mit 3,7 Millionen gerade mal 10 Prozent, RTL wie Pro Sieben kamen auf 2,2 Millionen und 1,5 Millionen Zuschauer. Wer dachte, das die Jüngeren Stefan Raab und sein Programm bevorzugen würden, irrte sich. Mit 3,17 Millionen Zuschauern zwischen 14- und 49-Jahren hatte das Erste mehr, als RTL und Pro Sieben zusammen.

Dabei fragt man sich, ob die Zuschauer im Ersten einfach nur leidensfähiger sind, denn was die ARD da präsentierte war zum Gruseln. Da wurde die Anfahrt der beiden Kontrahenten vor dem Studio in Adlershof gezeigt. Die CDU hatte für Merkel eine Fangruppe herangekarrt. Sie hielten Plakate mit ihrem Konterfei in die Höhe und skandierten Sprechchöre, als würde Mutti in den Big-Brother-Container einziehen.

Günther Jauch versuchte als Grinse-Onkel die Zeit bis zum Beginn des 'Duells' um 20.30 Uhr spannend zu machen - dramatisch lief neben ihm eine Uhr rückwärts auf Null. Ja Null. Wieder einmal stellte er unter Beweis, dass er vielleicht als Quizz-Moderator etwas taugt - einen Journalisten kann man ihn wirklich nicht nennen. Aber da befand er sich ja in guter Gesellschaft zu den "Kollegen", die Merkel und Steinbrück im Studio in die Mangel nehmen sollten.

Der für RTL antretende Peter Klöppel fiel nicht auf - farblos und desinteressiert spulte er seine Fragen ab. Maybritt Ilner vom ZDF blieb ähnlich farblos. Peinlich konnte man nur die hektisch und unkonzentriert wirkende Anne Will für die ARD empfinden. Zu Beginn versuchte sie auf Kernig zu machen, redete aber konfus und ließ sich von Mutti über den Mund fahren. So fiel es dem Pro Sieben-Schlachter-Sohn Stefan Raab leicht, für etwas Pepp in der faden Politwurst zu sorgen. Er versuchte Peer Steinbrück zum Schluss aus dem Konzept zu bringen als er fragte, wen er denn wählen solle, um eine große Koalition zu bekommen. Dies schließt der SPD-Kandidat ja für sich aus. Mehr als wildes Gestikulieren und Lautstärke konnte Raab aber eigentlich auch nicht bieten. Wenn er jetzt wegen seines Auftritts gelobt wird, fällt einem nur der Spruch ein: Bei niedrig stehender Sonne werfen auch Zwerge lange Schatten.

Insgesamt war die Duell-Show mit den vier Fragestellern erneut ein Beleg dafür, wie sehr TV-Journalismus in Deutschland mittlerweile auf den Hund gekommen ist. Mittelmäßige Talkmaster waren mit ihrer Aufgabe überfordert. Aber wir haben eben das Fernsehen, das wir verdienen....

Ach ja, die NSU-Morde der Neonazis waren den Journalisten noch Merkel und Steinbrück nicht einmal einen Halbsatz wert. Soweit zum Thema Integration in der Bundesrepublik und Gefahr von Rechts....

Während nach der Show Jauch bundespräsidentenhaft dröge  zur Diskussion lud, blieb Raab konsequent kommerziell. Er lud die Zuschauer zur Telefonabstimmung, wer der Sieger war. Pro Sieben konnte damit wieder an den Telefongebühren mitverdienen...