Überall im Wahlkampf heißt es: Sparen, Sparen, Sparen! Da reibt man sich schon die Augen, wenn man die Pressemitteilung des Hörfunkbeauftragten der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Dr. Gerd Bauer, vom 12. September liest. Er fordert von Bund, Ländern sowie der Europäischen Union die Subventionierung des digitalen Radioprojektes DAB+ (Digital Audio Broadcasting Plus). Seit Jahrzehnten fördern die Landesmedienanstalten den Aufbau der DAB-Infrastruktur aus den ihnen zufließenden Anteilen der Rundfunkgebühren. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben mittlerweile alleine für DAB+ über 40 Millionen € aus Gebührenmitteln beigesteuert.
Jetzt sollen also Steuergelder dem "Schnellen Brüter" der Radiotechnik neues Leben einhauchen. Letztlich ist DAB+ genauso gescheitert, wie 1991 die Plutonium-Technik samt Reaktor in Kalkar. Nur das Projekt zu beenden, traut sich niemand. Dabei liefert der auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin am 10. September vorgestellte Digitialisierungsbericht 2013 der DLM (1) genug Argumente.
Laut Digitalisierungsbericht rechnet die DLM in diesem Jahr mit 3 Millionen DAB-Geräten in 1 786 500 Haushalten. In Deutschland stehen gleichzeitig in den rund 39,7 Millionen Haushalten über 143 Millionen UKW-Empfänger. Folgerichtig stellt der DLM-Bericht fest, die Digitalisierung im Hörfunk sei "noch nicht sehr weit fortgeschritten". Trotzdem bewertet die DLM es euphemistisch als "erstes positives Zeichen", das sich 2012 rund 500 000 DAB-Empfänger "auf dem Markt" befanden - was immer damit gemeint ist.
Schaut man sich die Zahlen etwas genauer an, so bezieht sich die DLM bei ihren Erwartungen auf Erhebungen der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Konsumelektronik (GFU). (2) Demnach wird die Zahl der rund 500 000 DAB-Empfänger in diesem Jahr um weitere 650 000 Geräte "im Markt" zunehmen. Das sind aber immer noch nur knapp 1,2 Millionen DAB-Empfänger und nicht 3 Millionen. Im DLM-Bericht findet sich der Hinweis: "Die GFU-Berechnung erfasst aber nicht den Verkauf von DAB-Radiogeräten im Auto und von Mehrfachempfangsgeräten (Hybridradios)." Darüber hinaus habe die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) (3) im Februar 2013 auf den massiven Anstieg der Nachfrage nach DAB-Empfängern hingewiesen. Daraus folgt für die Medienanstalten: "Insgesamt ist somit von über 2 Millionen DAB-Empfangs-Geräten in Deutschland auszugehen" Anscheinend rechnet die DLM damit, dass in den letzten Monaten des Jahres also rund 1 Million DAB-Empfänger über den Ladentisch gehen.
Verglichen mit der DLM-Prognose für DAB+ ist Kaffeesatz-Lesen seriöse Wissenschaft!
Einen DAB-Empfänger haben, bedeutet aber noch nicht, das er auch benutzt wird - das wissen auch die Chefs der Medienanstalten. Also ließ die DLM von TNS-Infratest 8600 Personen über 14 Jahre dazu befragen. Fazit: "Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll (...) das die analoge UKW-Verbreitung immer noch eindeutig dominiert. 94 Prozent der bundesdeutschen Haushalte verfügen (...) über einen UKW-Empfang, (...) im Durchschnitt über 3,5 Empfangsgeräte" An zweiter Stelle folgt das Internet, immerhin 26,5% hören zumindest gelegentlich online Radio. Digitalradio liegt abgeschlagen mit 5% am Tabellenende.
Die Befragung ergab weiter, das Radio am häufigsten über UKW-Geräte (80%) gehört wird. Mit weitem Abstand folgen in der Präferenz der Empfangs das Internet (5%), sowie Satellit (4,7%) und Kabel (4,7%). "Der DAB-Empfang ist erwartungsgemäß bisher nur für 0,5 Prozent der deutschen Bevölkerung die am häufigsten genutzte Empfangsart", konstatiert der Digitalisierungsbericht.
Angesichts der zunehmenden Verbreitung des Mobilen Internet über Smart-Phones und Tablet-Computer wird demnach der "Verbreitungsweg Internet (...) weiter steigen." Weiter heißt es: "Stärker als DAB+ hat sich bisher (...) die digitale Radioverbreitung über das Internet entwickelt." Wer braucht da also noch DAB+?
Hoffnungen sieht die DLM für DAB+ in Fahrzeugen, denn dort sei Internet "aus technischen Gründen zumindest vorerst noch Vision". Wenn sich die DLM-Direktoren da mal nicht täuschen.
Am 12. September kündigte Reinhard Clemens, Chef von T-Sytems der Deutschen Telekom eine Online-Plattform für den Empfang in Fahrzeugen an: "Wir haben gerade unsere Netzoffensive gestartet, (..) um in den kommenden Jahren Bandbreiten von 105 Megabit pro Sekunde zu erreichen". (4) Nicht nur die Telekom, auch die anderen Mobilfunkunternehmen dürften ähnliche Überlegungen anstellen.
Fazit: Eigentlich dröhnen mittlerweile die Totenglocken für DAB - aber bei der DLM hält man sich weiterhin die Ohren zu. Eigentlich könnte es einem ja egal sein, wenn nicht für das von der technischen Entwicklung längst ins Abseits verdrängte DAB nicht erneut öffentliche Gelder vergeudet werden sollen.(1) Seite 44 - 49
(2) Die GFU ist ein Lobby-Zusammenschluss verschiedener Unternehmen: Astra, Panasonic, Philips, Blaupunkt, Grundig, Samsung, Sony und andere. "Elf führende Unternehmen der Unterhaltungselektronik haben 1973 die Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik in Deutschland gegründet." und "Zentrale Aufgabe und erklärtes Ziel der gfu - Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik sind: Die Veranstaltung der IFA in Berlin sowie Die Information der Öffentlichkeit über die Entwicklung der Consumer Electronics" http://www.gfu.de/home/about.xhtml
(3) Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg misst die Marktanteile der Fernsehprogramme und veröffentlicht regelmäßig einen Konsumklimaindex. Das Unternehmen gehört mehrheitlich (57%) einem Verein, an dem rund 600 Unternehmen und Einzelpersonen beteiligt sind. Selbstdarstellung - Homepage: "Der GfK Verein ist der Think Tank der Marktforschung. Als Non-Profit-Organisation versteht er sich primär als Vereinigung zur Mehrung des für die Erforschung und Bearbeitung weltweiter Märkte relevanten Grundlagenwissens." http://www.gfk-verein.de/
(4) In einem dpa-Interview, laut www.newsroom.de am 12. September 2013
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