Dienstag, 14. Januar 2014

Tagesschau: "Nazis" ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht



Erstaunliche Geschichtskenntnisse hat man anscheinend in der Redaktion der Tagesschau in Hamburg. Anlässlich des jährlichen Gedenkmarsches linker Gruppen an die im Januar 1919 ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, gab es am 12. Januar 2014 eine Bericht in der Hauptausgabe der Tagesschau (20.00 Uhr). ARD-Hauptstadt-Korrespondenten, Norbert Carius, sagte dieser: Luxemburg und Liebknecht seien damals von "Nazis ermordet" worden.
Bundesarchiv Plak 102-067-002

Zutreffend ist: die Mörder waren Mitglieder der Freikorps, die sich vor allem aus Offizieren und niederen Chargen der einstigen Kaiserlichen Wehrmacht rekrutierten. Sie standen weit rechts und viele Mitglieder waren antisemitisch eingestellt.

"Nazis" aber konnten sie damals aus einem einfachen Grund gar nicht sein: Die NSDAP wurde erst im Jahr 1920 gegründet.
Beerdigung Liebknechts und Luxemburgs, Bundesarchiv 146-1976-067-25A



Als historisch interessierter Zuschauer wandte ich mich per e-mail an die Redaktion der Tagesschau und fragte nach. Daraufhin bekam ich folgende Antwort:



Sehr geehrter User/Internetnutzer/Zuschauer,

haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail.
Wir bitten um Verständnis, wenn nicht jede einzelne Zuschrift ausführlich
und individuell beantwortet werden kann. Aber die Redaktion von ARD-aktuell
erreichen täglich viele Hunderte Rückmeldungen der Zuschauer.

Sie können jedoch versichert sein, dass alle Reaktionen der Zuschauer
aufmerksam gelesen, ausgewertet und in den Redaktionssitzungen diskutiert
werden.
So wollte ich mich dann aber nicht Abwimmeln lassen. Also rief ich die Zuschauerredaktion des NDR an und brachte dort mein Anliegen vor. Ich schaute mir in der Mediathek die Tagesschau-Sendung erneut an und bemerkte erstaunt, das der von mir beanstandete Satz mit den Nazis fehlte. Jetzt sagte Carius nur, Luxemburg und Liebknecht seien ermordet worden. Hatte ich mich verhört? Nach einem erneuten Anruf bei dem freundlichen NDR-Zuschauer-Berater, stellte er mich zur Tagesschau-Redaktion durch. Von dort erhielt ich nach einigen Stunden folgende mail:

Sie haben Recht, hier die Stellungnahme der Chefredakteure von ARD-aktuell: "Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden von rechten Freikorpssoldaten ermordet. Eine unkorrekte Formulierung in der gestrigen Tagesschau bedauern wir. Wie in solchen Fällen üblich, haben wir das korrigiert und auf der Website kenntlich gemacht. Diese Korrektur ist heute morgen erfolgt."

Alles in Ordnung, Fehler erkannt, Fehler beseitigt? Auf der Homepage stand aber nur der nichtssagende Satz:

"Der Beitrag zur Europapolitik der Linken wurde aus redaktionellen Gründen nachträglich bearbeitet."
Wie und warum? Fehlanzeige! Anstatt den Fehler zu erläutern, hat man einfach im Film die Szene und den gesprochenen Text gekürzt. Jetzt sagte Carius nur noch: Luxemburg und Liebknecht seien "ermordet" worden.

Da kommt man dann doch ins Grübeln:

Jeder Bericht eines Korrespondenten wird vor Ausstrahlung in der Tagesschau von einem Redakteur bzw. einer Redakteurin "abgenommen". Weder Herrn Carius, noch der Redaktion in Hamburg ist am Text anscheinend etwas aufgefallen.


Dafür bieten sich einige Erklärungen an:

  1. Zeitdruck und permanente Aktualität führen dazu, dass mittlerweile Berichte mit der ganz heißen Nadel gestrickt und kaum noch kontrolliert auf Sendung gehen.
  2. Die aktuell für die Hauptnachrichtensendung der ARD arbeitenden Journalistinnen und Journalisten haben ein historisches Wissen, dass Karl Marx nicht von Karl May unterscheiden kann.
  3. Den Machern in Hamburg ist alles Wurst - 'das versendet sich!' Und wenn man dann erwischt wird, schnippelt man sich einfach den Film zurecht. 

Ich erinnerte mich an einen Auftritt eines ZDF-Korrespondeten vor einigen Jahren im Mittagsmagazin von ARD und ZDF. Anlässlich eines Events in Nürnberg, meldete sich der Korrespondent live vor einem großen Gebäude. Dieses riesige Gebäude, im Stil des römischen Kolosseum war Bestandteil des NS-Reichsparteitagsgeländes - heute dient es als Lagerhalle. Vor diesem Gebäude stand also der ZDF-Mann und sprach von einer "altehrwürdigen Halle". Alt und Ehrwürdig?

Ach ja und dann gab es da noch den ARD-Sportreporter, der anlässlich der Sommer-Olympiade 2012 sich sprachlich bei Adolf Hitler bediente http://www.medienfresser.blogspot.de/2012/07/seit-2008-wird-zuruckgeritten-ard.html




1 Kommentar:

  1. http://www.youtube.com/watch?v=TiNsc2Ngg9I Bei 7:35 ist die entsprechende Stelle auf dem Tagesschaukanal ungekürzt zu sehen (Es gibt sie auch nochmal geändert.)

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