Ralph Giordano (Mitte) im Wohnzimmer meiner Oma 1946 |
An Resonanz bestand kein Mangel, vor allem junge Leute beteiligten sich mit Leserbriefen und Heinz lud einige zu Gesprächen in die Wohnungen seiner Mutter in der Magdalenenstrasse 22 im Stadtteil Pöseldorf an der Aussenalster ein. So traf sich im August 1946 eine Gruppe, zu der auch der der junge Ralph Giordano gehörte.
Die 'Welt' bekam später eine eigene Jugendseite, die "junge Welt" und die britischen Kontrolloffiziere genehmigten ihr eine Suchaktion, in der Bilder von Kindern veröffentlicht wurden, die während des Kriegsendes ihre Angehörigen verloren hatten. Aus den Erfahrungen mit der Welt-Jugendseite entstand die Idee eines Magazins für junge Leser, das ab Februar 1948 unter dem Namen "Benjamin" in die Kioske kam.
Ralph Giordano, Fritz Kempe, Karl-Heinz Ressing 1946 |
Nachdenklich schloss Giordano seinen Brief: "1946 - was da alles noch vor uns lag. Und 2013 lebe ich immer noch, und sogar mit Harschopf... Die Gene haben es gut mit mir gemeint, dennoch, man wird nicht ungestraft 90"
Im Rahmen meiner Recherchen über die Geschichte meiner deutsch-französischen Familie beschäftigte mich natürlich die Kriegszeit besonders. Mein Vater arbeitet in einer Propagandakompanie der Wehrmacht. Im Bundesarchiv fand ich eine Broschüre, die er 1942 verfasst hatte. Unter dem Titel. "Jungarmisten der Weltrevolution" wurde hier mit der kommunistische Jugendarbeit 'abgerechnet'. Heinz wusste, worüber er schrieb, war er doch 1932 Mitglied einer KPD-nahen Studentengruppe gewesen. Zu der Broschüre meinte er später, der Text sei ohne sein Wissen inhaltlich "verschärft" worden, sein Protest bei Vorgesetzten habe aber nichts genutzt. Welche Textteile er damit meinte, weiß ich nicht. Besonders widerlich ist im Kontext mit dem wirklichen Ereignissen eine Passage über die 'Befreiung' der lithauischen Stadt Kaunas (Kowno) durch die Wehrmacht im Sommer 1941. Demnach hätten die Einwohner der Stadt über den Einmarsch der Wehrmacht beglückt reagiert.
Massaker von Kowno/Kaunas Quelle Bundesarchiv |
Hatte er nach Kriegsende im Benjamin-Kreis darüber gesprochen? Ich fragte Giordano im September 2013 in einem Brief, ob er sich erinnern konnte, dass mein Vater darüber gesprochen habe. Giordano reagierte betroffen, das Thema der Verdrängung hatte ihn sein Leben lang beschäftigte: "Nach dem, was ich jetzt aus Ihrer Feder über Heinz Ressing lese, ist es das Übliche - Verdrängung. Eben das, was ich die 'zweite Schuld' genannt habe, den 'Großen Frieden mit den Tätern', Geburtsfehler der Bundesrepublik." Mein Vater habe in dem Kreis nie über seine persönlichen Kriegserlebnisse gesprochen, ebensowenig wie die anderen Anwesenden. Für Giordano war mein Vater damit: "ein funktionierendes Rädchen im Dienste Hitlers und seines Anschlages auf Europa und die Menschenrechte.(...) Wäre ich Heinz Ressing später begnet, hätte ich ihm Fragen gestellt. Aber damals war ich noch dabei selbst Erfahrungen zu sammeln."
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