Zweimal im Jahr präsentiert die Arbeitsgemeinschaft Media Analyse (AGMA*) Daten über die Hörerzahlen bundesdeutscher Radioprogramme. Laut der am 28. März 2018 veröffentlichten neuen MA Audio 2018 I schalten täglich von den mehr als 70 Millionen Einwohnern (+ 14) rund 54 Millionen (78%) ein Radioprogramm ein. Der Zuspruch der 14,6 Millionen 14-29-Jährigen liegt mit 9,8 Millionen (67%) deutlich niedriger. Dagegen hören von den 34 Millionen über 50 Jahre täglich 28 Millionen (82 %) ein Radioprogramm. Die Radiozentrale** erklärte in einer Presserklärung: "Der klassische Radioempfang via UKW ist leicht rückläufig, wird aber durch die Nutzung der Hörfunkprogramme via Internet ausgeglichen.(...) Die Jugend setzt verstärkt auf Online Audio-Empfang." Lutz Kuckuck, Chef der Interessengemeinschaft fürchtet keine Abkehr vom Medium Radio: "Jugend hört - sie nutzt dafür aber die neuen Empfangswege wie Smartphpone und Sprachassistent und weniger das klassische Radiogerät."
Eine Fahrt mit Bus oder Bahn belegt, vor allem Jüngere nutzen ihre Smartphones weniger für das Telefonieren, sondern für Chats, Videos und Musik. Die neue MA soll "das Universum der Online-Audio- und Streamingdienstnutzung" erfassen, betont dazu die ARD-Werbung in ihrer Presseerklärung. Ist der AGMA damit endlich der digitale Quantensprung bei der Messung der Radionutzung geglückt? Laut den Angaben des größte Werbevermarkters kommerzieller Radiosender, der Radio Marketing Service GmbH (RMS) in Hamburg, spiegelt die MA Audio "die Reichweiten von 211 Radio- 85 Online-Audio- und 75 werbeführenden Konvergenz-Angeboten"***
Die UKW-Stage Coach fährt immer noch erfolgreich duch die Radiolandschaft.... |
Bisher gelten zwei relevante Maßeinheiten für die Radionutzung: Tagesreichweite (Hörer gestern Montag-Freitag) und Hörer pro durchschnittlicher Werbestunde (Mo-Fr).
Die Tagesreichweite gibt an, wieviele Einwohner über 14 Jahre, die Deutsch verstehen, pro Tag ein Radioprogramm einschalten. Demnach hören aktuell 54 Millionen Einwohner täglich ein Radioprogramm, über 2,6 Millionen weniger (-4%) als noch ein Jahr zuvor. Bei den Werbewellen sank die tägliche Reichweite um 2,56 Millionen auf knapp 48 Millionen (-5%). Dabei schnitten die ARD-Werberadios mit 37 Mio Hörern (-3%) besser ab, als die Privaten, die täglich von 29,6 Mio Menschen (-5%) eingeschaltet wurden (Mehrfachnutzung). Angaben über Online-Nutzung an Werktagen sucht man hier vergeblich
Reichweite pro durchschnittlicher Werbestunde (Mo-Fr 6-18 Uhr). Dabei sind diese Ergebnisse für den Verkauf der Werbezeiten der Radiosender ausschlaggebend. Pro Werbestunde hörten demnach 20,7 Millionen Hörer ein Werbeprogamm - ähnlich wie 2017. Bei Jüngeren (14-19 und 14-29) blieb der Zuspruch mit 880 000 bzw. 3,4 Mio ebenfalls ziemlich konstant. Einige der Big-Player mussten aber bei den 14-29-Jährigen deutliche Hörerverluste hinnehmen: Radio Schleswig-Holstein (-34%), NDR 2 (-24%), Radio Berlin (-20%), Radio NRW (-9%), SWR 3 (-6%). Auch hier finden sich in der MA Audio keine Angaben zur Online-Nutzung der Werbewellen.
Das macht schon stutzig, angesichts der vollmundigen Ankündigungen, wenn etwas die ARD-Werbetochter tönt: "Die MA Audio ist die Konvergenzwährung für Radio und Online-Audio in Deutschland." Auf Nachfrage erläuterte Lothar Mai von der ARD-Werbung, digitale Nutzerzahlen könne man derzeit nur bei der Hörerreichweite Montag bis Sonntag anbieten. Die Online-Nutzung von Radioprogrammen und Musik-Streamingdiensten würden von den Veranstaltern der AGMA zugeliefert. Betrachtet man den Methodensteckbrief der aktuellen MA Audio, liefert aber nur ein Streamingdienst (Spotify) Daten. Daneben werden 243 gleichzeitig über UKW und Online/DAB verbreitete Programme (simulcasting) und 568 Nur-Webradios erfasst. Zusätzlich würden 13.218 Teilnehmer ein Online-Tagebuch über ihr Nutzungsverhalten führen. Die für Werbewellen wichtige Messungen der Stundereichweite sei derzeit nicht möglich, räumte Mai ein.
Das Radiogerät der Zukunft?! |
Wie sehen die Ergebnisse der Online-Radionutzung aus? Von den insgesamt 53 Millionen Einwohner über 14 Jahre täglich, die zwischen Montag und Sonntag ein Audioangebot nutzen, entfallen auf per Rundfunk verbreite Programme knapp 52 Millionen Hörer, Online sind es 2,7 Millionen (Mehrfachnennung). Demnach hören also etwas mehr als 5% aller Audio-Nutzer online - Tendenz leicht steigend (2,4 Mio MA 2017 Audio) Der größte Teil davon empfängt Radioprogramme, die auch über UKW verbreitet werden (1,5 Mio), dicht gefolgt von Radio-Musik-Stramingdiensten, die über 1 Million tägliche Nutzer erreichen. Bei den 14-19-Jährigen, hören in der Woche täglich 3,2 Millionen ein Audioradio bzw. Stgreamingangebot, davon gut 3 Millionen werden durch klassischen Rundfunk-Empfang erreicht, während 400 000 Online hören. Von werden Streaming-Musikdienste täglich von 240 000 Jugendlichen genutzt.
Überzeugend kann die MA Audio bisher die Radio- und Musiknutzung außerhalb der UKW-Nutzung nicht darstellen. Der 'Große Sprung nach Vorn' bei der Messung digitaler bzw. onlinebasierter Radio- und Musikangebote ist damit nur im Ansatz geglückt. Trotzdem dürfte vor allem die Akzeptanz der Streaming-Dienste durch jüngere Hörer die Radiomacher beunruhigen. Ob die Hörerverluste gerade jugendlicher Nutzer beim UKW-Empfang wirklich durch Online-Nuztung ausgeglichen wird, muss sich erst erweisen. Insgesamt ist die Datenbasis noch ziemlich bescheiden, vor allem der werbetreibenden Wirtschaft dürften diese schmale Basis der MA Adio auf Dauer kaum gefallen.
Siehe auch:
https://medienfresser.blogspot.com/2018/05/digitalradio-dab-mit-ruckenwind-in-den.html
https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=3982236135803086246#editor/target=post;postID=6311158600192039586;onPublishedMenu=allposts;onClosedMenu=allposts;postNum=9;src=link
* AGMA: Arbeitsgemeinschaft Media Analyse - Zusammenschluss von 210 Medien und Werbeunternehmen
**Radiozentrale: 2005 von kommerziellen- und öffentlich-rechtliche Radioveranstaltern gegründet, um für das Medium Radio zu werben (http://www.radiozentrale.de/ueber-uns/ziele-aufgaben/)
*** Konvergenz-Angebot: Programmveranstalter, die neben UKW, DAB auch Onlien und Streaming-Programme anbieten
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