Montag, 13. August 2018

Rechnungshof: DAB+ Lieber ein Ende mit Schrecken....






Am 3. September 2018 werden die Landesmedieanstalten auf der Internationalen
Bunkermentalität beim Digitalradio
Funkausstellung (IFA)
in Berlin erstmals aktuelle Zahlen zur Akzeptanz des digitalen Radios (DAB+) präsentieren. Dabei soll auch über die Zukunft des terrestrischen Rundfunks diskutiert werden, heißt es in einer am 8. August veröffentlichten Mitteilung der Medienanstalten. Ein Thema auf dem Podium soll die Konkurrenz durch Web-Radio, Podcasts und UKW sein. Ob dabei auch die vernichtende Kritik des niedersächsischen Landesrechnungshofes am digitalen Radio zu Sprache kommen wird, scheint fraglich - geht es hier doch vor allem um eine PR-Präsentation des digitalen Radios. 


Der niedersächsische Landesrechnungshof in Hildesheim hatte im Auftrag der NDR-Staatsvertragsländer (Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern) die Entwicklung und die Chancen des digitalen Radio analysiert (ANMERKUNG UNTEN) In dem am 24. April 2018 * veröffentlichten Teilbericht wird eine Beendigung des Projektes gefordert, sollten nicht zügig Fristen zur Abschaltung von UKW festgelegt werden. Die Kritik der Rechnungsprüfer am digitalen Radio war vernichtend: "Die Entwicklung und Verbreitung (...) wird seit mehr als 20 Jahren mit hohen Beiträgen aus dem Rundfunkbeitrag gefördert, ohne dass sich das digitale Radio bislang am Markt nachhaltig etablieren konnte."

Geprüft wurde, wieviel Geld im Norden in das digitale Radio investiert wurde und wie die Akzeptanz für DAB+ in den vier Bundesländern aussieht. Genaue Angaben finden sich dazu im Bericht allerdings nicht, der Rechnungshof stellt aber fest, dass das 1997 gestartete digitale DAB-Radio technisch wie wirtschaftlich erfolglos gewesen sei. ** Daher habe man 2011 mit DAB+ einen verbesserten zweiten Anlauf unternommen. Der Rechnungshof kritisiert, dass immer noch keine bundesweit einheiltiche Regelung über eine verbindliche Einfühung von DAB+ erreicht wurden. Nur in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern gebe es ein Datum für die UKW-Abschaltung. Auch auf europäischer Ebene sei eine gemeinsame Strategie für das digitale Radio "derzeit nicht erkennbar" moniert der Rechnungshof. Zwar habe man in Deutschland den Absatz der DAB+Geräte "erheblich" steigern können, aber immer noch würden drei Viertel der Bevölkerung UKW nutzen. "Es bleibt festzuhalten, dass es in einem Zeitraum von 20 Jahren bisher nicht gelungen ist, bei den Nutzern eine nennenswerte Ausstattung mit DAB- oder DAB+ Empfangsgeräten zu erreichen." In Zukunft würden für das Simulcasting, also die gleichzeitige Verbreitung der Programme über UKW und DAB+ "weiterhin (...) hohe Kosten" anfallen. Deshalb sollten sich die Beteiligten: "entweder auf klare und krisensichere Rahmenbedingungen sowie überschaubare Fristen zum Ersatz von UKW durch DAB+ verständigen oder die Förderung der Verbreitung von DAB+ möglichst umgehend beenden." 

Bunkermentalität der Betroffenen


Deutliche Worte aus Hildesheim an Politik und Rundfunkbetreiber. Erstaunlich ist, dass der Bericht zu keiner öffentlichen Debatte geführt hat. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich nur die Landesrechnungshöfe des NDR-Staatsvertrages mit dem digitalen Radio auseinandergesetzt haben. Auf Anfrage erklärte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Rechnungshofes am 21. Juni, man habe dort keine Prüfung des DAB+-Engagements des Südwestrundfunks (SWR) vorgenommen: "Eine solche Prüfung ist aktuell auch nicht geplant." Auch in Niedersachsen relativierte man auf Nachfrage: "In welcher Höhe Mittel in die Entwicklung und Verbreitung von DAB+ investiert wurden, ist im Rahmen der Prüfung nur bezogen auf den NDR vorgenommen worden". Das ist allerdings insofern Augenwischerei, da alle im Jahrsbericht aufgeführten Daten sich auf die DAB-Entwicklung im gesamte Bundesgebiet beziehen.

Herunterspielen scheint die Strategie aller Betroffener zu sein, etwa bei der für die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) derzeit zuständigen Bremischen Landesmedieanstalt (BREMA). Deren Direktorin, Cornelia Holsten, ließ am 26. Juni mitteilen: "Die Direktorenkonferenz sehe keinen dringenden Handlungsbedarf in der Angelegenheit, da sie derzeit kein Thema der Gemeinschaft aller Medienanstalten ist." Beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) geht man sogar auf Konfrontationskurs zum Rechnungshof: "Die ARD und der NDR haben (...) eine andere Einschätzung zu der Bedeutung und dem Fortgang des digitalterrestrischen Verbreitungsweges DAB+". Der NDR verfolge seine "hybride Strategie" , mit der Nutzung von DAB+ und Internet, heißt es am 29. Juni in einer Antwort der Pressestelle. Der Landesrechnungshof habe in seinem Bericht den gesamten Zeitraum der DAB-Historie betrachtet. ARD und NDR seien aber "der Auffassung, dass es sich bei DAB+ um eine eigenständige Technologie handelt und somit als Betrachtungszeitraum erst der Betrieb nach dem Start von DAB+ im Jahre 2010/11 angesehen werden kann".

Rundfunk ist Sache der Bundesländer, koordiniert wird die Medienpolitk der Länder traditionsgemäß in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. Am 6.Juli antwortete Heike Raab, SPD-Staatsekretärin in Rheinland-Pfalz und Bevollmächtigte des Landes beim Bund/Europa für Medien und Digitales auf Nachfrage. In ihrem dreiseitigen Schreiben geht sie allerdings an keiner Stelle auf die Kritik des  Landesrechnungshofes Niedersachsen ein. Für die Staatssekretärin hat sich "die Marktdynamik bei DAB+ sehr positiv entwickelt (...) eine erfreuliche Entwicklung." Damit habe sich "DAB+ in Deutschland als Übertragungsinfrastruktur für Radio etabliert" und befinde sich "weiter auf Erfolgskurs."

Die einzige positive Reaktion auf die Kritik des Rechnungshofes in Hildesheim kam von einem Geschäftsführer **
Keine Sau steht auf DAB+
eines großen norddeutschen Privatsenders. Er erläuterte am 26. Juni in einem Telefonat seine grundsätzlichen Bedenken: "Wir glauben hier einfach nicht an den Distributionsweg DAB+ - man will den Hörern eine Technologie der 1980er Jahre verkaufen - das geht nicht!" Die mobile Online-Entwicklung von Radioprogrammen und Musikstreamingdiensten hat DAB+ überrundet. Der Werbewirtschaft, die die Spotplätze der kommerziellen Privatradios und der ARD- Werbewellen kauft, will Streuverluste ausschließen. Die Werbeschalten sollen zielgerichtet bestimmte Hörer erreiche, was durch interaktives Online-Radio möglich wird (Smartphone - Tablet). "DAB+ ist für mich eine Investitionsruine, vergleicht man sie mit der rasanten Online-Entwicklung", sagt der Radiomacher. Ein Hintertürchen lässt er für DAB+ aber noch offen: "Die Privatsender brauchen auf jeden Fall eine faire Verbreitungssitaution, egal mit welcher Technik, daran führt kein Weg vorbei".  Dabei geht es vor allem um die anfallenden Kosten für die gleichzeitige Verbreitung der Pogramme über UKW und DAB+ (Simulcasting). Während die ARD dazu Mittel aus der Rundfunkabgabe nutzen kann, fordern die Privaten schon länger eine entsprechende Subventionierung.


Fazit: Eine überholte Technik, die schon im ersten Anlauf scheiterte und dann wiederbelebt wurde, wird nicht eingestellt, sondern weiterbetrieben. Die Mittel müssen die Haushalte mit ihrer Rundfunkabgabe bereitstellen, Politik, Rundfunkanstalten und die Medienanstalten verschleudern damit deren Geld. Dass dies kein Einzelfall ist, belegt der Flop in den 1990ern mit dem direktempfangbaren Fernsehsatelliten TV SAT - der von den günstigeren ASTRA-Satelliten ins Nirwana geschickt wurde. Auch Projekt wie der "Schnelle Brüter" und der "Kugelhaufenreaktor" der hochsubventionierten Atomindustrie in den 1980er Jahren sind ein weiterer Beleg für den schamlosen Umgang mit öffentlichen Mittteln.  

ANMERKUNG
Nach Veröffentlichung des Post erreichte mich folgende Mail des Landesrechungshofes in Niedersachsen: 

Bezogen auf die Textpassage, dass der Niedersächsische Landesrechnungshof „im Auftrag der NDR-Staatsvertragsländer“ die Entwicklung und die Chancen des digitalen Radios analysiert habe, möchte ich allerdings gern noch den Hinweis geben, dass dies nicht korrekt ist.

Der Niedersächsische Landesrechnungshof ist die unabhängige, externe Finanzkontrolle des Landes Niedersachsen. Im Rahmen seines Verfassungsauftrags ist er nur dem Gesetz unterworfen und handelt insbesondere nicht im Auftrag der niedersächsischen Landesregierung. Gleiches gilt für die anderen Rechnungshöfe.

Die Prüfung der Förderung der Entwicklung und Verbreitung von DAB/DAB+ war vielmehr Ausfluss einer entsprechenden gemeinsamen Arbeitsplanung der vier für die Prüfung des NDR zuständigen Landesrechnungshöfe Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, also der Rechnungshöfe der NDR-Staatsvertragsländer. Die gemeinsame Prüfung erfolgte unter Federführung des Niedersächsischen Landesrechnungshofs.


* Jahresbericht des Niedersächsischen Landesrechnungshofs 2018 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, veröffentlicht am 24. April 2018: Seiten 219 - 224.  

**Artikel für die Funkkorrespondenz April 2004


DAB-Studie: Einführung ist gescheitert - 2004



„Es wird eher unwahrscheinlicher, dass um DAB ein funktionierender Markt entsteht und dass UKW durch DAB abgelöst werden wird“, zu diesem Ergebnis kommen die Professoren Gerhard Vowe und Andreas Will von der TU-Ilmenau in einer Studie für die Thüringer Landesmedienanstalt (TLM). Zur Diskussion der Studie: „Die Prognosen zum Digitalradio auf dem Prüfstand – Waren die Probleme bei der DAB-Einführung voraussehbar?“ hatte die TLM am 24. März zu einem Workshop nach Erfurt eingeladen. Die Autoren wiesen darauf hin, dass in den 90er Jahren alle Prognosen den Markterfolg der DAB-Technik erwartet hätten. Die Begleitforschung sollte damals vielmehr vor allem helfen, ein Klima des Aufbruchs für das DAB zu schaffen, meinte Professor Will. Zwar seien dabei die beauftragten Forschungsinstitute nicht direkt unter Druck gesetzt worden, um zu positiven Ergebnissen zu kommen, stellen Vowe und Will fest. Ergebnisoffen hätten die beauftragten Institute aber nicht forschen können, betonten die Autoren der TLM-Studie.

In Erfurt berichtete Daniel Hürst vom Prognos-Institut, die erste Fassung des Forschungsbericht, den er 1997 für die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) und Bayerische Medientechnik (BMT) angefertigt hatte, sei den Auftraggebern „zu pessimistisch“ gewesen. Deshalb seien „redaktionelle Glättungen“ vorgenommen und „diplomatische Formulierungen“ gewählt worden, erläuterte Hürst. Ähnlichen Erfahrungen machte Professor Tibor Kliment von der Fachhochschule Bielefeld. Er war 1999 beim Emnid-Institut für die DAB-Prognose für NRW verantwortlich, die vom WDR, Radio NRW, der Landesanstalt für Rundfunk (LfR) und der Telekom in Auftrag gegeben worden war. Auch bei Emnid sei der Abschlussbericht „Satz für Satz“ bearbeitet worden, sagte Kliment und kritisierte: „Es gibt in dieser Begleitforschung niemanden, der einen übergeordneten Standpunkt einnehmen konnte“. Kliment wünschte sich die Unterstützung neutraler Einrichtungen wie etwa Universitäten bei solchen Forschungsprojekten.

Das Desaster der DAB-Technik in Deutschland – es gibt gerade einmal 50.000 DAB-Empfänger in den Haushalten – liegt nach Ansicht der TLM-Studie in der völlig falschen Beurteilung des Marktchancen des digitalen Radios. Die Forscher seien bei ihren Projekten von der falschen Vorstellung ausgegangen, dass sich immer die fortgeschrittenste Technik durchsetze, resümierten Will und Vowe in Erfurt. Alle Studien seien deshalb davon ausgegangen, dass sich die Politik für DAB entschieden habe und deshalb eine ergebnisoffene Forschung nicht gewünscht gewesen sei, sagte dazu Professor Wolfgang Seufert von der Universität Jena.



Ende mit Schrecken – oder Neustart unter anderem Namen?

Angesichts dieser ernüchternden Ergebnisse konstatierte Thomas Hirschle, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation (LfK) in Baden-Württemberg: „Ich habe hier das Gefühl, auf der Beerdigung von DAB zu sein.“ Der LfK-Chef und DAB-Beauftragter der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) hält aber nach wie vor DAB für die beste Digitaltechnik im Hörfunk. Er kritisierte vielmehr mangelnde Chancengleichheit zwischen analogem und digitalem Radio als eine Ursache für den Mißerfolg: „Die alte UKW-Technik wurde jahrelang subventioniert, während DAB die vollen Kosten erwirtschaften soll.“ Hirschle plädierte deshalb für einen erneuten Versuch für DAB mit „fresh-man und fresh-money“ und vor allem einem neuen Namen. Auch Professor Kliment geht davon aus, dass die Marke DAB mittlerweile kaputt geredet worden sei. Der TLM-Direktor Victor Henle zog aus der Diskussion in Erfurt vielmehr den Schluss, dass weder Markt noch Politik das digitale Radio durchsetzen könnten. Dagegen könne nur ein gemeinsame Handeln aller Beteiligten zum Erfolg führen. Sollte auch diese Anstrengung scheitern, müsse man eben eingestehen, dass DAB gescheitert sei, folgerte Henle.
Für Hans-Jürgen Kratz, Chef des Privatsenders Antenne Thüringen ist dagegen der Zug für die DAB-Technik längst abgefahren – nicht aber für digitales Radio an sich. Der im VPRT für den Fachbereich Hörfunk zuständigen Privatradio-Manager wies darauf hin, der VPRT habe bereits 1996 die DAB-Plattform verlassen und deshalb sei für ihn die TLM-Studie auch „keine Erleuchtung“. Er sei es vielmehr Leid beim DAB darüber zu diskutieren, „was man seit 10 Jahren bereits kennt“. Auch das im vergangenen Jahr in Mainz auf Einladung des Vorsitzenden der Medienkommission der Länder und rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) stattgefundene DAB-Treffen war für Kratz eine Enttäuschung. „Es wurde alles auf den Tisch gelegt, aber es ist nichts passier,“ konstatierte der Chef von Antenne Thüringen. Er sieht keine Chancen für DAB, da die Interessen der Beteiligten zu unterschiedlich seien, denn: „es gibt kein gemeinsames Geschäftsmodell.“ Angesichts dieser schlechten Aussichten für DAB bemühte sich TLM-Chef Henle darum, einem möglichen Ende des DAB in Deutschland noch etwas Positives abzugewinnen. Er wies darauf hin, Deutschland müsse ohne DAB nicht in technologischen Rückstand geraten.
 

*** Leider hat der Gesprächspartner die Zitate trotz Nachfrage nicht autorisiert - deshalb muss er hier anonym bleiben. 

https://medienfresser.blogspot.com/2018/05/digitalradio-dab-mit-ruckenwind-in-den.html  

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