Bald nur noch Einheits-Infogemüse auf UKW?! |
Vor kurzem sorgte eine Mitteilung des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) in Baden-Württemberg für Unruhe im Südwestrundfunk (SWR). In dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, wird die geplante Reduzierung der regionalen Nachrichten im linearen Radioprogramm SWR 4 kritisiert. Das Schreiben richtet sich an den SWR-Intendanten, Kai Gniffke, und die Landessenderdirektorin Baden-Württemberg, Stefanie Schneider. "Mit großem Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass die reichweitenstarke regionale MIttagssendung im Hörfunkprogramm SWR 4 wegfallen soll, um Kapazitäten für die Online-Berichterstattung zu schaffen." Zwar unterstütze auch der DJV das Ziel, das Onlineangebote im SWR auszubauen: "Aber dafür jetzt ausgerechnet ein Angebot zu streichen, das mit Regionalität und Aktualität gerade die Kernkompetenz des Südwestrundfunks mit großer Akzeptanz bei den Menschen verbindet, leuchtet uns nicht ein." Dies sei umso bedenklicher, da bereits die regionalen Fenster in der Frühsendung bei SWR 4 eingestellt worden seien. Jetzt strebe man "offenbar einen weiteren Wegfall von linearen Angeboten bei SWR 4 an" und damit werde die "journalistische Vielfalt in ganzen Regionen (...) in Frage" gestellt. 'Online first' dürfe nicht 'Online Only' bedeuten, kritisieren in dem Schreiben der DJV-Landesvorsitzende, Markus Pfalzgraf und die Vorsitzenden des Fachausschusses Rundfunk, Anke Vetter.
SWR: Alles Online oder was?!
Seit dem Kai Gniffke als Intendant die Geschicke des SWR im September 2019 übernommen hatte, positioniert sich sein Sender bei jeder Gelegenheit als Online-Vorreiter. So wurde bei der jährlichen Programm-Pressekonferenz im Februar - coronabedingt online - fast nur das Online-Angebot beworben. Das lineare Programmangebot - insbesonders im Hörfunk - bekam nur eine Statistenrolle zugewiesen. https://medienfresser.blogspot.com/2021/02/swr-2021-digitaler-vollrausch.html
Da scheint es angebracht, einen Blick auf die Radionutzung - Linear und Online - Bundesweit und in Baden-Württemberg zu werfen. Bundesweit erreichen alle
Hörfunkwellen in Deutschland an einem Werktag (Tagesreichweite Mo-Fr) gut 52,8 Millionen deutschsprachige Einwohner
über 14 Jahre. ARD-Programme werden dabei täglich von etwa 36 Millionen
HörerInnen eingeschaltet. Online nutzen dabei rund 6,5 Millionen Menschen insgesamt in der Republik Radioangebote - auf die ARD-Wellen entfallen dabei 2,7 MiIlionen. In Baden-Württemberg erreicht die Schlagerwelle SWR 4 pro Werktag rund 1,23 Millionen HörerInnen - die Nummer Zwei im Ländle - aber nur 48.000 Menschen nutzen es online. Zum Vergleich: die landesbezogene Pop-Oldiewelle SWR 1 kommt täglich auf rund 1,38 Millionen NutzerInnen und mehr als 100.000 Online-HörerInnen. (1)
Arbeitsverdichtung entzerren?
Die Fusion von Süddeutschem Rundfunk (SDR) und Südwestfunk (SWF) im Jahr 1998 zum Südwestrundfunk (SWR) sollte gerade den Landesbezug der Programmangebote für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg stärken. Im Ländle hat der SWR sieben regionale Funkhäuser (Heilbronn, Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Freiburg und Friedrichshafen). Sie beliefern die Landesprogramme im Radio und Fernsehen sowie die Online-Plattformen mit Beiträgen. Zunehmend klagen MitarbeiterInnen über Arbeitsverdichtung, da sie immer mehr und schneller Inhalte produzieren müssen. "Recherche wird hier mittlerweile zum Luxus", hört man aus dem Sender - Einen Film für die Landesschau machen, dann noch vielleicht einen Radiobeitrag - passend für SWR 2 (Kulturwelle) bis Das Ding (Jugendradio), dazu noch Online für das Internet texten und Fotos anbieten.
Schon vor einiger Zeit wurde bei SWR 4 die Früh-Informationssendung mit regionalen Programmfenstern abgeschafft. Nunmehr steht die einstündige Sendung BW-Aktuell am Mittag auf der Kippe - Zumindest die halbstündigen Programmfenster aus den Regionalstudios. Übrig bliebe dann noch die einstündige Sendung um 16 Uhr - aber wie lange noch? Dazu habe ich die Landessenderdirektorin Baden-Württemberg, Stefanie Schreiber, befragt. Sie Antwortete am 21. Mai in einer Mail: "Selbstverständlich wird es weiter ein Mittagsmagazin in SWR 4 geben" aber dann eben nur "eine Sendung statt acht Sendungen." Das Programm um 16 Uhr bleibe bestehen, wie bisher und dazu werde es weiterhin die 12mal täglich ausgestrahlten regionalen Nachrichten auf SWR 4 geben. Ziel der Verlagerung in das Internet sei: "regionale Themen (...) besser in digitalen und linearen Ausspielwegen zu verbreiten." Damit wolle man künftig eben nicht nur SWR 4 HörerInnen, sondern "auch andere Zielgruppen, auch jüngere Menschen" erreichen.
Wachsende Arbeitsbelastung durch zusätzliche Anfordergungen räumte Schneider ein: "dass wir nicht immer nur 'draufsatteln' sondern auch mal auf etwas verzichten. (...) Das tun wir nun", erklärt die Landessenderdirektorin. Derzeit arbeite eine Arbeitsgruppe an einem neuen Konzept daran "wie sich Studios künftig neu aufstellen sollen, damit sie den Anforderungen besser gerecht werden. Das wird nun eine Weile dauern, Wann genau wir so weit sind (...) weiß ich noch nicht." Ihr Resümee: "Es geht also nicht um Online only, es geht auch nicht um weniger Regionales, sondern darum Regionales besser und auch auf neuen Ausspielwegen zu verbreiten, damit so viele Menschen wie möglich erreicht werden." Darauf angesprochen, dass der Bayerische Rundfunk bereits seit 2015 sein Volksmusikradio "BR Heimat" nur noch digital verbreitet (DAB+) und ob dies auch SWR 4 drohen könnte, meinte Frau Schneider: "Ausgerechnet SWR 4 rein digital zu verbreiten, halte ich persönlich für Unsinn". Warten wir ab, ob die Intendanz das auch so sieht...
(1) Alle Daten ARD-Werbung Radio-Mediaanalyse (halbjährlich) 2020/II. Dazu werden regelmäßig HörerInnen über ihr Einschaltverhalten befragt. https://www.ard-werbung.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Forschung/Radioforschung/ma_2020_Audio_II_-_agma_Pressetabellen.pdf
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