Wer das im Oktober 2011 neu eröffnete Militärmuseum der Bundeswehr in Dresden besucht, sieht zuerst die atemberaubende architektonischen Leistung des US-Stararchitekten Daniel Liebeskind. Der zwischen 1873 und 1876 im neoklassischen Stil errichtete Komplex mit Arsenal und weiträumigen Kasernen wurde einst aus den Reparationen bezahlt, die Frankreich nach dem verlorenen Krieg 1870/71 leisten musste bezahlt*. Zuerst befand hier das sächsische Kriegsmuseum, im Dritten Reich diente es zur militärischen Verherrlichung und nach dem Krieg nutzten es die DDR und die Rote Armee als Museum - aus diesem Grund findet man in einem nahe gelegenen kleinen Park ein sowjetisches Ehrenmal. Das weitläufige Gelände ist militärischer Sicherheitsbereich und untersteht heute der Bundeswehr, die hier auch Offiziere ausbildet.
Nach der Wiedervereinigung 1989 wurde das Museum geschlossen und zwölf Jahre später ein Wettbewerb zur Neugestaltung ausgeschrieben - den Liebeskind gewann. Mit seiner Stahl-Beton- und Glaskonstruktion, die wie ein riesiger Pfeil aus dem Gebäude ragt, gibt er dem einstigen Arsenal seine unverkennbare Erscheinun.
Dieser stahl- und glasglänzende Pfeil, weist genau in Richtung der Dresdner Innenstadt, die vom 13. bis 15. Februar 1945 durch Bombenangriffe der Briten und Amerikaner zerstört worden war.**
Das dieses Museum von der Fläche her das größte seiner Art in Deutschland ist (19.000 m²), sieht man sofort nach dem Betreten des Gebäudes. In den hohen Räumen wirken der Empfang, der Museumsshop wie auch das kleine Restaurant wie Filmkulissen in einer große Halle.
Ein Aufzug bringt den Besucher in die Spitze des Stahlbeton-und Glas-Pfeils. Ausgestiegen steht man vor drei Flächen am Boden, in denen schartiges Straßenpflaster auf die Zerstörung dreier Orte durch den Zweiten Weltkrieg hinweist. Hier beginnt das, was die Museumsmacher den "Themenparcours" nennen - wobei ich diesen eher sportlichen Begriff für das Thema unpassend finde. Insgesamt ist dieser Teil der Ausstellung aber am interessantesten, nähert er sich dem Thema Krieg doch auf ganz unterschiedlichen Wegen. So finden sich diverse Tierpräparate - vom Elefanten bis zur Biene - die darüber informieren, wie der Mensch auch die Tierwelt seinen Kriegen unterworfen hat.
Weitaus konventioneller sind die historischen Ausstellungsbereiche, von den Freiheitskriegen gegen Napoleon, sowie über den Ersten und Zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg und heutige Konflikte, an denen die Bundeswehr beteiligt ist. Hier stößt man auf eine teilweise willkürlich wirkende Ansammlung von Gegenständen und Waffen. Am aktuellsten ist ein durch einen Anschlag in Afghanistan demoliertes Bundeswehrfahrzeug, das in einem Glaskasten ausgestellt wird.
Eines ist aber typisch, der Tod, die Toten, die vom Krieg Verstümmelten und Verletzten -die Opfer also, sie spielen keine Rolle. Nur in einer Vitrine in einer der beiden Obergeschosse, werden Prothesen gezeigt - aber das wirkt seltsam entrückt und steril. In der Ecke eines Saales steht man vor einer mannshohen Wand, die wie ein Teil einer Bunkeranlage aussieht. Kein Schild oder Information weist zu dem kleinen Eingang an der Seite. Dabei ist dies der einzige Ort, an dem man mit dem Schrecken des Krieges für den Menschen konfrontiert wird. Man betritt den fast dunklen, länglichen Raum mit eine Reihe abgedeckter Vitrinen. Hinter den Deckeln sollen Bilder den Tod und die Opfer des Krieges zeigen - aber mir gelang es nicht, einen dieser Deckel zu entfernen. Mit ihnen soll verhindert werden, dass Zuschauer und vor allem Kinder, die Bilder unbeabsichtigt oder unvorbereitet anschauen. Im Saal mit den Tieren kann man dagegen neben einer ausgestopften Katze ein Video abrufen, in dem ein Film über die Tötung von Tieren durch Giftgas-Experimente gezeigt wird. Hier warnt nur ein kleines Schild neben dem Monitor vor den schrecklichen Szenen.
Vielleicht ist es kein Wunder, dass in einem Militärmuseum der Bundeswehr der direkte Schrecken, das Leiden der Menschen, nur am Rande behandelt wird. Schließlich braucht man ja Nachwuchs - im Fernsehen wirbt die Bundeswehr mit fetzigen Spots, kernigen Kämpfern im Flieger und spannender Technik. Allerdings muss man auch sehen, dass sich auch viele Kriegsmuseen in anderen Ländern mit dem Thema Tod und Verletzung schwer tun. So finden sich etwa im Museum der Somme-Schlacht in Peronne auch nur indirekt Hinweise zum Thema - wie etwa die Werkzeuge eines Sanitäters.
Trotzdem, es ist Aufgabe eines Kriegsmuseums, der Konsequenz jedes Krieges für den Einzelnen, also Sterben, Verstümmelung und Leiden - Platz zu bieten. Dazu kann Kunst einen Beitrag leisten, wie etwa die beeindruckenden Zeichnungen von Otto Dix, im Stuttgarter Kunstmuseum zeigen. Er brachte seine schrecklichen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges mit dem Grabenkrieg im Westen auf Papier und das beeindruckt heute noch. Dieser Aufgabe muss sich das Museum in Dresden stellen.
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Öffnungszeiten: Täglich außer Mittwoch, 10-18 Uhr (Montag bis 21 Uhr), Eintritt 5 €, ermäßigt 3 €
* Frankreich musste damals insgesamt 5 Millarden Goldfrancs an das 1871 neu entstandene Deutsche Kaiserreich bezahlen. Nach dem Ersten Weltkrieg verpflichtete der Versailler-Vertrag das Deutsche Reich zur Zahlung von 135 Mrd. Goldmark. Faktisch wurden davon aber bis 1932 faktisch nur 25 Mrd. beglichen - danach nichts mehr. Somit kam Deutschland der Erste Weltkrieg nicht so teuer zu stehen, wie Frankreich die Niederlage 1870/71. (Hew Strachan: Der Erste Weltkrieg, Bertelsmann 2004, S. 402).
Die Hyperinflation in Deutschland Anfang der 1920er Jahre, wurde bewusst von der Reichsregierung herbeigeführt, um so den Staatshaushalt sanieren zu können. Die Rückzahlung der Kriegsanleihen an die deutschen Zeichner wurde damit ausgehebelt, sie hatten durch die Inflation faktisch jeden Wert verloren. Anfang der 1930er Jahre akzeptierte Kanzler Brüning in der Weltwirtschaftskrise die weitere wirtschaftliche Talfahrt. Er hoffte, damit die Alliierten zu weiteren Zugeständnissen bei den Reparationen bewegen zu können. Diese Strategie ging auf - und verhalf Hitler an die Macht. (Wolfgang J. Mommsen, Der Erste Weltkrieg, 2004 Fischer Verlag, S. 201)
** noch bis zur Wende hielt sich die Propagandalüge der Nazis, beim Angriff auf Dresden seien Hunderttausende ums Leben gekommen. Heute weiß man, dass die Opferzahlen zwischen 20 000 und 35 000 Toten gelegen haben - schlimm genug. Als ich das erste mal die Stadt besuchte (1991) sah man im Zentrum überall noch Trümmer. Außerhalb des Stadtzentrums waren ganze Stadtviertel komplett im Wilhelminschem Baustil erhalten geblieben. Der Angriff hatte die Innenstadt zerstört - heute sieht man davon allerdings nichts mehr. Die letzte Ruine in der Nähe der Synagoge wurde kürzlich wieder aufgebaut. Deshalb wirkt das Areal um die Frauenkirche mittlerweile etwas wie Disney-World. Man wollte mit aller Macht die Vergangenheit - den Krieg und die DDR nach der Wiedervereinigung ungeschehen machen - ähnlich ist man ja in Berlin mit der Mauer umgegangen....
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