Tagtäglich wird die Stimmung in Deutschland beim Thema Flüchtlinge hysterischer. Das Hausblatt des deutschen Stammtischs: BILD, schürt Ängste mit Horrormeldungen von bis zu 7,4 Millionen Flüchtlingen. Die CSU begeht faktisch Verfassungsbruch durch die Forderung nach einer Obergrenze für Asylbwereber. Grundgesetzt und UNO-Flüchtlingskonvention - egal. Und die SPD jammert, bei einer Million Flüchtlingen komme Deutschland an seine Belastungsgrenzen.
Die Realtität: Derzeit befinden sich in Deutschland rund 577 000 Flüchtlinge (Tagesschau 7. Oktober 2015). Bei etwa 80 Millionen Bundesbürgern sind das 0,7% der Gesamtbevölkerung. Selbst wenn die Panikzahlen der BILD Realität würden, stiege der Flüchtlingsanteil auf 9% an. Zum Vergleich: Im Libanon machen die Kriegsflüchtlinge mittlerweile 25% der Gesamtbevölkerung aus.
Chios - eine Insel versucht zu helfen
Von der Küstenwache gerettet |
Stadtpark von Chios |
In Deutschland und den meisten EU-Staaten in Mitteleuropa hat man dieser Entwicklung lange einfach nur zugeschaut. Das EU-Dublin-Abkommen 'schützte' uns ja vor den Flüchtlingsmassen. Jeder Asylbewerber muss ja in dem Staat Schutzt beantragen, in dem er erstmals die EU betreten hat. Damit waren wir fein raus. Jeder der es wissen wollte wusste aber schon lange, dass das nicht gutgehen kann. Griechenland und Italien waren damit überfordert und haben einfach die Grenzen nach Norden geöffnet. Anstatt aber bei uns Vorkehrungen zu treffen, beweist Deutschland als angeblicher 'Organsiations-Weltmeister' seine Unfähigkeit oder den Unwillen, Vorbereitungen zu treffen. Aber über die angeblich 'faulen Griechen' lästern - dazu reicht´s hier immer noch....
Bizarre Widersprüche
Hotel-Pool mit Blick auf die Türkische Küste |
Rechts die Kreuzfahrer - Links die Flüchtlinge |
So mancher Inselbewohner reagiert auf die ankommenden Flüchtlinge irritiert: "Die haben alle Smartphones, woher haben die dafür das Geld?" Die Erklärung ist einfach, wer es auf bis nach Chios schafft, der hat mehrere Tausend Dollar/Euro für einen Fluchthelfer bezahlen können. Die Insel erreichen derzeit vor allem Syrer, die der Mittelschicht angehören. Sie haben für die Flucht vor Krieg und Verfolgung alles zu Geld gemacht, was sie hatten. Manch Wohlhabender kann es sich sogar leisten, in einem Hotel der Insel zu wohnen. Die meisten brauchen aber jeden Cent, um das Weiterkommen nach Nordeuropa bezahlen zu können.
"Die Armen aus Syrien oder Afghanistan stecken in der Türkei fest. Dort werden sie als billige Arbeitskräfte ausgebeutet und haben keine Chance, die Überfahrt zu bezahlen," erfuhr ich auf Chios von einer Türkin, die dort mit einem Griechen verheiratet ist. Es gibt aber auch Ablehnung: "Die bringen Drogen mit, die können einem nicht ins Gesicht schauen", meinte ein durchaus weitgereister und kultuvierter Freund zu uns. Dabei werden seit Jahren Drogen aus der Türkei über Chios in Richtung Nordeuropa geschmuggelt - und so mancher Grieche verdient gut daran. Trotz Kritik und Vorurteilen leisten aber viele Inselbewohner Hilfe und auch die Inselverwaltung tut, was sie kann. Privat werden Kleidung und Spielzeug für die vielen Flüchtlignskinder gesammelt. In einem überdachten Durchgang, der zum Rathaus gehört, dürfen Neuankömmlinge erst einmal kampieren.
Notdürftiger Schutz vor dem kalten Wind |
Viele Bewohner der Orte an der Ostküste von Chios sind mit ihren Nerven am Ende, aber trotzdem ist die Lage nicht aggressiv. Woran liegt das? Ein befreundeter Ladenbesitzer klärte uns auf: "Weißt Du, meine Großeltern kamen 1923 vom Festland, das heute die Türkei ist. Sie lebten in der Gegend der Hafenstadt Smyrna, die heute Izmir heißt. Nach dem der Krieg zwischen Griechen und Türken 1919-1923 verloren gegangen war, mussten tausende Griechen das Festland verlassen. Sie kamen mit nichts, als dem was sie tragen konnten, auf Chios an. Davon lebt zwar heute kaum noch jemand, aber die Erinnerung haben sie an ihre Kinder und Enkel weitergegeben. Das ist der Grund, warum hier viele Inselbwohner den Flüchtlingen helfen."
Zurück in Deutschland - Feiern bis zum Umfallen...
Am 3. Oktober kamen wir wieder zurück nach Stuttgart - Tag der Deutschen Einheit. In Stuttgart zogen die Massen auf das Volksfest am Wasen. Für uns ein Kulturschock: In der S-Bahn haufenweise junge Leute in bayerischer Tracht - im tiefsten Schwaben! Vorher wurde kräftig getrunken - auf dem Was´n ist´s halt teuer. Am Bahnhof Bad Cannstatt angekommen, von wo es auf das Festgelände geht, drangvolle Enge auf dem Bahnsteig. Neben mir kniet ein Mädel im Dirndl und kotzt sich die Seele aus dem Leib. Wenige Meter später hat man eine Auffahrt zum Pissoir umgewidmet - es stinkt bestialisch.
Schön wieder im geordneten Deutschland zu sein, da wird auf Kommando gesoffen und das natürlich in 'Uniform'...
*Duden: Paranoia durch gesteigertes Misstrauen gekennzeichnete Persönlichkeitsstörung mit Wahnvorstellungen
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