Sonntag, 16. Mai 2010

"Im Angesicht des Verbrechens" ARD Russenmafia-Saga



Der renommierte TV-Regisseur Dominik Graf (Der Fahnder, Tatort, Polizeiruf 110) führt bei der Russenmafia-Saga „Im Angesicht des Verbrechens“ nicht nur Regie, sondern verantwortet gemeinsam mit Rolf Basedow auch die Drehbücher. Zwei Jahre und 10 Millionen Euro hat es bis zur Fertigstellung der ersten zehn Folgen gedauert, die der WDR für das Erste produziert hat. Nach der erstmaligen Ausstrahlung auf Arte, wird die Serie im Ersten ab 22. Oktober Freitags im Hauptprogramm laufen. Dabei merkt man den Filmen die langjährige Routine Grafs beim ARD- Tatort und anderen TV-Krimis an. Er hat eine solide aber eben auch konventionelle Arbeit abgeliefert. Glücklicherweise verzichtete man bei den Darstellern auf "abgefilmte" TV-Gesichter. Deshalb beeindruckt etwa Max Riemelt in der Rolle des Polizisten Marek Gorsky mit jüdisch-russischen Wurzeln. Mutig war auch die Entscheidung, Emotion und Kultur der Protagonisten durch viele russischen Dialoge mit Untertiteln abzubilden. Dieses Wagnis dürfte höchstwahrscheinlich Quote kosten, da deutsche TV-Zuschauer so etwas nicht mögen.

Schwächen beim Drehbuch

Die erzählte Geschichte verliert mit der Zeit leider ihren Realitätsgehalt und den Bezug zu Berlin. Vielmehr beherrschen in den letzten Folgen idyllisches Dorfleben in Weißrussland und "vieeel russisch Seeele" die Geschichte. Die beiden Polizisten wirken zwar glaubhaft, haben aber keinen richtigen Bezug zum polizeilichen Alltag.

Den Autoren scheinen zum Schluss wohl die Lust oder die Ideen abhanden gekommen zu sein. Da wird etwa das korrupte Bullenpärchen, das acht Folgen lang für die Russenmafia gearbeitet hat, plötzlich mit einem familiären Showdown entlarvt und dann durch eine Nebenbemerkung des leitenden Polizeichefs aus der Serie gekickt.

Eine Reise der beiden Polizisten nach Weißrussland, die ein Mädchen aus einem Bordell befreien, strotzt vor mangelnder Logik. So verfolgt der korrupte weißrussische Polizist gemeinsam mit den Zuhältern die Flüchtenden und zerschießt ihr Auto. Später hilft er ihnen dann plötzlich bei der Heimreise nach Deutschland. Folgen hat diese illegale Tour nach Weißrussland aber für die beiden Polizisten bei ihren Vorgesetzten in Berlin nicht. Am Ende knattern dann die Klischees so richtig los: Der scheinbar seriöse russische Restaurant-Chef - in Wirklichkeit ein Krimineller - wird von Konkurrenten erschossen. Daraufhin führt die bisher ehrbare Ehefrau als schwarze Witwe die unlauteren Geschäfte weiter. Pikant, ist doch die neue "Patin" gleichzeitig die große Schwester des jungen Polizisten Gorsky. So bietet das Ende viel Stoff für eine Fortsetzung .

"Im Angesicht des Verbrechens" befriedigt die Sehgewohnheiten der ARD-Krimi-Zuschauer, ist aber langatmig. Die unverbrauchten Gesichter der Darsteller macht die Serie sehenswert, weniger die erzählte Geschichte.

Keine Konkurrenz für den Kriminaldauerdienst

Grafs ARD-Serie könnte zwar Erfolg haben, ist aber bei weitem kein Fernseherlebnis wie der Kriminaldauerdienst KDD“ vom ZDF. Dort hat man die letzten beiden Folgen wegen schlechter Quoten auf den späten Freitagabend verbannt - nur peinlich!. Dabei ist die 2007 gestartete Serie das Beste, was im Deutschen Fernsehen der letzten Jahre zu sehen war und hat den Adolf Grimme-Preis voll verdient. Trotzdem, nach 28 Folgen ist wegen der schlechten Quote unwiderruflich Schluss - und das ist ein Verlust! Diese Serie beeindruckte nicht nur durch ihre atemlos rasante filmische Umsetzung. Die Drehbücher boten permanent überraschende Wendungen für den Zuschauer und forderten die volle Aufmerksamkeit – da war keine Zeit zum Bierholen... Es ist zu befürchten, dass die Verantwortlichen im ZDF kaum noch einmal den Mut zu so einem TV-Projekt haben werden.

Die Spannung der KDD-Folgen waren den Drehbüchern von Orkun Ertener geschuldet. Er war früher bereits Autor für den ARD-Tatort. Seine Geschichten und Dialoge durchbrechen öffentlich-rechtliche Krimi-Klischees von Gut und Böse. Die Polizisten sind auch nur Menschen mit Schwächen und müssen in Extremsituationen schnell - und manchmal falsch - handeln. Den rasanten Dialogen und Geschichten folgt der Zuschauer atemlos. Die Figuren der Serie sind so präsent. dass die teilweise bekannten TV-Gesichter wie Manfred Zapatka, Saskia Vester oder Jördis Triebel - in ihren Rollen trotzdem überzeugen. Der KDD bietet ein ungeschminktes und schamloses Bild der Metropole Berlin – dagegen wirkt die Stadt in "Im Auge des Verbrechens" eher als Kulisse.

Grafs ARD-Serie ist für den Zuschauer ungefährlich, da konventionell und vorhersehbar. KDD erzeugt dagegen Unruhe und Furcht beim Betrachter - das ist kein bequemes "lean-back" Fernsehen. Trotzdem ist "Im Angesicht des Verbrechens" gegenüber den immer langweiligeren ARD-Tatorten ein Lichtblick. Beim WDR-Tatort vom 16. Mai: "Der Fluch der Mumie" hat anscheinend Lady Gaga das Drehbuch geschrieben. Keinerlei Logik - nur noch Effekthascherei, damit die Hauptdarsteller ihren Affen Zucker geben können.

Spätestens bei schlechten Zuschauerzahlen ist aber auch bei der nächsten Staffel von "Im Angesicht des Verbrechens" eine „Degetoisierung“ der Drehbücher zu befürchten - vielleicht mit Christine Neubauer in der Hauptrolle....

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