Donnerstag, 6. Mai 2010

Medien und Generation Internet



„Ich stamme ja noch aus der Generation Münzfernsprecher“, sagte
Staatsminister Helmut Rau am 3.Mai in Stuttgart zum Auftakt des Medienkongresses: „Was will die Generation Internet wirklich?“ Da hatte er bei den 200 Besuchern zumindest die älteren Lacher auf seiner Seite.

Als
Digitale Natives (DN) werden die jungen Erwachsenen bis Ende 20 bezeichnet, die bereits mit Computer und Internet aufgewachsen sind. In Deutschland verfügen heute 65% aller Haushalte über einen Breitbandanschluss. Wie schnell sich die Nutzung entwickelt illustrierte Jürgen Weber, Manager bei Alcatel Lucent. Vier Wochen nach Einführung des I-Phones in Deutschland sei die Datenmengen im Mobilfunk explosionsartig gestiegen. Deshalb forderte er zwar den verstärkten Netzausbau, die Kosten für die Nutzer dürften aber nicht steigen . Ewald Wesseling, Professor an der privaten SRH-Fachhochschule in Berlin beschrieb die veränderten Nutzungsgewohnheiten bei den Digital Natives. Während Ältere gleichzeitig 1,6 Medien nutzen würden, würden bei Jugendliche 5,4 Medien nebeneinander laufen. Sie würde deshalb jede wichtige Information auf elektronischem Weg erreichen: „Und deshalb brauchen die auch keine Tagesschau um 20 Uhr mehr .“ Wesseling zeichnete dabei eher ein Idealbild der „Net-Generation“. Sie definieren sich selbst als freiheitsliebende und kritische Hinterfrager. Ihnen gehe es um Innovation und Kooperation mit anderen Usern. Wesseling zieht daraus den Schluss: „Fernsehen macht also Schlaue schlauer und Dumme dümmer – Online werden dagegen auch Dumme schlauer.“ . Für ihn sind Digital Natives im Vergleich zu früher die "am meisten befähigte Generation" aller Generationen - und den Online-Journalismus hält er für besser, als die alten Medien.

Alles Online – Alles gut? Da kam dann auf dem Podium doch Skepsis auf, sei es beim
Vorstand des Schulbuchverlages Klett, Philipp Hausmann. Er schilderte seinen Besuch in einem norwegischen Klassenzimmer, dort habe jeder Schüler vor seinem PC mit Blickrichtung auf den Lehrer gesessen. Dies bedeute die Renaissance des klassischen Frontalunterrichts und widerspreche damit allen modernen pädagogischen Ansprüchen. Auch der Thomas Langheinrich, Präsident der Landesmedienanstalt (LfK) in Stuttgart reagierte skeptisch auf Wesselings Bild der der Digital Natives als er fragte, wieso sie dazu bereit seien, gedankenlos auch intime Informationen oder Fotos ins Netz zu stellen.

Wie reagieren die klassischen Medien wie etwa das Radio, auf die Digital Natives? Für
Walter Klingler, Chef der Medienforschung beim Südwestrundfunk (SWR) steht weiterhin fest: Auch heute hören 12- bis 29-Jährigen immer noch Radioprogramme über UKW. Allerdings wächst der Anteil, die Radio Online (20%) oder per Handy (15%) empfangen. Demgegenüber verliert das UKW-Radio an Hörerreichweite (-10%). Eine Ursache sieht Klingler darin, dass Radioprogramme keine individuelle Nutzungsmöglichkeit bieten. Deshalb setzt die SWR-Jugendwelle Das Ding verstärkt auf das Internet und auch auf Videos. auf der Homepage kann man die im Programm gesendete Beiträge individuellen Abrufen. Wie groß das Interesse der Jugendlichen daran ist, darüber wollte Programmchef Wolfgang Gushurst trotz Nachfrage aber nichts sagen...

Ändert sich durch die Digital Natives die Mediennutzung? Für
Professor Uwe Hasebrink vom renommierten Hans-Bredow Institut in Hamburg werden die einzelnen Medien vom Nutzer zunehmend kreativ miteinander verbunden. Trotzdem sind aber die Digital Natives immer noch mit den klassischen Medien vertraut. Er warnte davor, Digital Natives einfach als einheitlich Gruppe zu betrachten, denn dazu seien die Nutzungsmuster viel zu unterschiedlich. Hasebrink findet den Begriff deshalb für Marketing- und Werbemanager interessant, aber nicht unbedingt für die Medienforschung. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass sich Mediennutzung und inhaltliche Interessen mit zunehmendem Alter wandeln. An diesem altbekannten Befund hat sich demnach auch durch die digitalen Medien nicht viel geändert. So hänge das Interesse der Digital Natvies von ihrer Entwicklungsstufe ab. Jugendliche in der Schulphase sind an auf ihre Gruppen bezogene Medienangebote interessiert, was ihrer Identitätsbildung dient. Später dann interessieren sie sich verstärkt für Medienangebote zur beruflichen Qualifizierung. Treten sie dann in die Berufs- und Familienphase ein, orientieren sich ihre Interessen zunehmend allgemein und thematisch ungerichtet.

Keine Diskussion gab es beim Medienkongress darüber, wer die digitalen Medienangebote eigentlich bezahlen soll. Dabei hängt der wirtschaftliche Erfolg von der Refinanzierung ab. Die 2000 geplatzte Internetblase an den Börsen war ein Beispiel für falsche Hoffnungen und absurde Visionen. Je mehr die Unternehmen mit ihren digitalen Medienangeboten den Endkunden als Finanzier anvisieren – sei es ein Abonnement oder per Bezahlung der genutzten Datenmengen - desto problematischer dürften die Businessmodelle sein. Ob die werbetreibende Wirtschaft ihrerseits bereit ist, jedes neue digitale Medienangebot durch Spots zu finanzieren werden, erscheint angesichts der Krise ebenso fraglich.

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