Sonntag, 28. April 2013
Internet für Alle? Passée! Dank Telekom
Ab dem 2. Mai 2013 wird die Deutsche Telekom nur noch begrenzte DSL-Flatrates anbieten. Wer dann einen Vertrag mit der Telekom über eine DSL-Flatrate abschließt, wird nach Erreichen einer bestimmten abgerufenen Bitmenge (75 - 200 Gigabyte) durch eine Online-Bremse bestraft. Danach reduziert die Telekom die Download-Geschwindigkeit des Kunden auf 384 Kilobit pro Sekunde. Eine Geschwindigkeit, wie einst zu analogen Internetzeiten. Will man auch künftig aus dem Internet Filme, Musik oder Computerspiele nutzen, muss zusätzlich Datenmengen hinzugekauft werden.
Die Telekom begründet ihren Schritt mit dem dringend nötigen Ausbau des Festnetzes - für die anstehenden Netzinvestitionen braucht man frisches Geld. Angesichts der massiv wachsende Online-Nutzung - das übertragene Datenvolumen soll sich laut Telekom bis 2016 vervierfachen - müsse man handeln, sagt die Telekom. Dabei gilt zu bedenken, dass auch die privaten DSL-Wettbewerber der Telekom ihre Festnetzkunden größtenteils über die Telefonkabel der Telekom versorgen. In welchem Ausmaß sich diese Konzerne künftig am Ausbau der Infrastruktur beteiligen werden, ist unklar. Unternehmen wie Vodafone setzen beim Internet verstärkt auf den Ausbau des Mobilfunks, um so mobile Nutzer per Smartphone und Tablet-Computer zu versorgen.
Weder das Bundeskartellamt, noch die für die Netze zuständige Bundesnetzagentur sehen im Vorgehen der Telekom derzeit einen Anlass, einzuschreiten. Ein Sprecher der Netzagentur teilte auf Anfrage am 25. April mit, es stehe der Telekom frei, wie sie ihre Tarife gestalte. Dabei sehe man auch in der Einführung einer Download-Obergrenze kein Problem, entscheidend sei die Transparenz der Tarife für die Kunden. Noch 2010 hatte der damalige Netzagentur-Präsident, Matthias Kurt, gegenüber dem ZDF erklärt, das Netz sei "natürlich nicht voll" (1). Mittlerweile habe sich die Lage geändert, meinte jetzt der Sprecher der Netzagentur. Wie hoch die Auslastung der Internetkapazitäten derzeit ist, darüber kann die Bundesnetzagentur allerdings keine Auskunft geben. Im Mai soll es dazu Informationen der Netzagentur in einem neuen Bericht geben.
Bereits Anfang April hatte die Bundesnetzagentur in einer Pressemitteilung die Informationspolitik der Telekommunikations-Unternehmen kritisiert. Eine Messkampagne über Breitbandanschlüsse hatte eine "Vielzahl der Kundenbeschwerden über Abweichungen zwischen der vertraglich vereinbarten 'bis zu' Bandbreite und der tatsächlichen Bandbreite" bestätigt (2) In der Untersuchung wurden eine Viertelmillion Messdaten über die Internetgeschwindigkeit privater Haushalte ausgewertet. Die Bundesnetzagentur, moniert, Dienste-Anbieter würden ihren Kunden "nur vage" darüber informieren , "mit welcher Leistung er konkret rechnen kann". Der amtierende Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann kritisierte, es sei "kein überschwängliches Bemühen" zu erkennen, den Kunden einen transparenten Überblick über die realen Geschwindigkeiten zu vermitteln. Und was macht nun die Netzagentur damit? Sie hofft auf einen "konstruktiven Dialog" mit den Unternehmen - das nennt man Zähne fletschen ohne Gebiss im Mund!
Am 25. April warf sich auch Wirtschaftsminister Rösler (FDP) für die Internetfreiheit in die Bresche. Laut "Spiegel Online" kündigte er in einem Brief an Telekom-Vorstandschef René Obermann an, Die Bundesregierung werde "die weitere Entwicklung in Bezug auf eine eventuell unterschiedliche Behandlung eigener und fremder Dienste unter dem Aspekt der Netzneutralität sehr sorgfältig verfolgen".
Am gleichen Tag teilte das Bundeskartellamt auf Anfrage mit, im Augenblick sehe man gegenüber der Telekom "keine Veranlassung zum Eingreifen". Kunden könnten schließlich zwischen verschiedenen Internetanbietern auswählen. Eine Staffelung der Tarife hinsichtlich der Übertragungsraten, wie die Telekom plant, sei "gundsätzlich kein Missbrauch.", ließ das Kartellamt weiter verlaute. Allerdings warnen die Kartellwächter, eine "unzulässige Diskriminierung" könne dann vorliegen, wenn ein Angebot der Telekom bei der Übertragungsgeschwindigkeit gegenüber identischer Angebote der Konkurrenz bevorzugt würde. Hier wird es spannend, die Telekom will die Nutzung ihrer Video- und TV-Plattform "Entertain" von der Download-Bremse befreien. Laut "taz" vom 25.4. begründet sie dies damit, bei "Entertain" handele es sich um einen "Managed Service", der gegen gesonderte Bezahlung angeboten werde. Für die Übertragungstechnik dürfte es sich dabei eher um eine Spitzfindigkeit handeln. "Entertain" wird schließlich über die selben DSL-Leitungen transportiert, wie das Internet. Mit der Bevorzungung würden dann aber für andere Onlineangebote weniger Übertragungskapazität zur Verfügung stehen.
Derzeit keine Stellungnahme gibt es von den Landesmedienanstalten zum Vorgehen der Telekom. Noch 2011 hatten die Medienanstalten in einem Positionspapier zur Vielfaltssicherung und Zugangsoffenheit Überlegungen zur Einführung mengenabhängiger Online-Gebühren kritisiert. Den Netzbetreibern gehe es weniger um den Ausbau knapper Ressourcen, als um die Suche nach neuen Geschäftsmodellen, monierten vor zwei Jahren noch die Medienanstalten. (3) Jetzt war aus Kreisen der Medienanstalten zu erfahren, dass sie sich Mitte Mai erneut mit der Thematik beschäftigen wollen.
Letztlich kann man sich fragen, ob das alles die Aufregung lohnt. Laut Telekom wird das nur die Minderheit der Onliner betreffen, die permanent hohe Datenraten abrufen. Aber letztlich geht es um viel mehr. Seit Jahren wird international über die Gleichbehandlung aller im Internet diskutiert. Im Bundestag beschäftigt sie eine eigene Enquete-Kommission mit dem Thema. Die internationalen Telekommunikations-Konzerne wollen die bisher gleichberechtigte Nutzung des Internets abgeschafft sehen. Freie Bahn für die Starken, lautet ihre Devise. Schnelles Internet nur gegen Kohle! Hier will die Telekom jetzt Fakten schaffen.
Internet für jedermann, die einst erhoffte Verwirklichung der Brechtschen Radiotheorie der 1920er: Jeder Empfänger wird zum Sender - Der Traum ist damit endgültig ausgeträumt!
(1) siehe mein Blog vom 27.März.2011: http://medienfresser.blogspot.de/2011/03/internet-business-vor-netzneutralitat.html
(2) http://www.bundesnetzagentur.de/cln_1931/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2013/130411_ErgMesskampagne.html?nn=65116
(3) siehe: http://medienfresser.blogspot.de/2011/03/internet-business-vor-netzneutralitat.html
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