Freitag, 14. Februar 2014

SWR 2014: Katzenberger - Schwätzen - Grillen


Zuerst ein Lob: Der Südwestrundfunk steuert 2014 Highlights zum ARD-Programm bei: 
  1. Waffen für die Welt - Export außer Kontrolle - Doku in Arte bereits gelaufen
  2. Hausbesuch vom Amtsgericht - ein Gerichtsvollzieher in Mannheim
  3. 14 Tagebücher des Ersten Weltkrieges - individuelle Geschichte vom Großen Krieg
  4. Clara Immerwahr - Spielfilm über die Frau, die als erste in Deutschland promovierte und sich 1915 aus Protest gegen die Giftgasforschung ihres Mannes, Fritz Haber, erschoss.
Das SWR-Fernsehprogramm für den Südwesten? Wie immer Altbacken!

  1. "Redde, babbele, schwätze" - am 21. Februar wird im SWR-Fernsehen den ganzen Tag Dialekt gesprochen. Immer noch tut man hier so, als wären die Schwabo-Badischen-Kurpfälzer alleine unter sich. Seit 1989 sind über 1 Million Zuwanderer aus anderen Bundesländern nach Ba-Wü gezogen. Von den 10,6 Millionen Baden-Württembergern hat etwa ein Viertel einen Migrationshintergrund. Beim SWR strickt man immer noch am Bollenhut- und Spätzleimage.
  2. Am 1. Mai wird endlich auch im SWR-Fernsehen sechs Stunden lang gegrillt - mit Johann Lafer am Besteck. Da bei der letzten Show laut Pressemitteilung 900 000 Zuhörer "live und synchron über das Radio gegrillt" haben, muss jetzt auch das SWR-Fernsehen mitbrutzeln... Dem medialen Kochlöffel entgeht man ja mittlerweile in keinem ARD-Dritten mehr - ist schließlich schön billig... 
  3. Gnadenlos wird das SWR-Fernsehen derzeit mit Karnevalssitzungen vollgestopft. Damit bloß jede Region vorkommt, wird noch jede untergründige Büttenrede aus 'Kuhdorflingen an der Grunz' über den Sender geschickt. 
  4. Und zu Ostern wird in drei 45minütigen Dokus "Der Südwesten von oben" gezeigt - demnächst dann aus dem All?
  5. Dem Ersten der ARD hat der SWR die aktuelle Ikone des Trash-TV angedient. Daniela Katzenberger spielt in "Frauchen oder die Deiwelsmilch" eine - laut Pressetext - "rasante Blondine" die im Pfälzer Wald ermittelt. Miss Marple wird derweil im Altenheim per Trachtenumzug - kommentiert von Sonja Faber-Schrecklein - sediert  ...

Nachrichten mit mehr Sendezeit


SWR-Intendant, Peter Boudgoust, betonte am 11. Februar auf der alljährlichen SWR-Programm-Pressekonferenz in Stuttgart, die Reform mache den SWR "noch relevanter für den Südwesten." Des Pudels Kern: Sparen, sparen, sparen. So wird der bisher weitgehend getrennt von beiden Landessendern bestückte halbstündige Doku-Platz (Mo-Fr. 18.15-18.45) künftig einheitlich bespielt. In täglichem Wechsel werden die Zuschauer aus Mainz oder Stuttgart bekocht, mit 'interessanten' Menschen konfrontiert oder von Spitzenleistungen regionaler Wissenschaftler und Unternehmen überzeugt. Dabei soll es "auch viele unterhaltende Anteile" geben, verkündete Boudgoust.

Danach wird die bisher 60minütige (18.45-19.45) für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz getrennte "Landesschau", um 15 Minuten verkürzt. Diese Sendezeit bekommen die danach platzierten Nachrichtensednungen "Landesschau aktuell". Sie beginnen ab Spätherbst schon um 19.30 Uhr. Laut Boudgoust sollen die Nachrichten noch Regionaler und Intensiver werden, Zielvorgabe vom Chef: "Eine Art 'Tagesthemen' für den Südwesten".

Nachgefragt , ob damit die Landesschau-Magazinsendungen künftig noch mehr auf Unterhaltung getrimmt werden sollen, wich Boudgoust aus und übergab das Mikrophon an die Landessenderdirektorin für Baden-Württemberg, Ingrid Felgenträger. Zuerst verwahrte sie sich, im Charme eines "Drill Sergeant" gegen die Behauptung, die Landessschau bestehe bereits heute hauptsächlich aus Unterhaltung. Vielmehr bleibe die Landesschau auch künftig ein "journalistisches Angebot" mit politischen Themen, die aber anders präsentiert würden, als in den Nachrichten - betonte Felgenträger.

Nun ja, die Landessenderdirektorin zeigt unerwünschten Fragen und Fragern gerne mal die "Zähne" - sie ist noch bis April im Amt. Betrachtet man die Entwicklung der Landesschau während ihrer Ägide, so hat sich die Landesschau Baden-Württemberg zu einer TV-Wärmestube entwickelt. Eine Entwicklung, die bereits unter ihrem Vorgänger, Willi Steul, begann.

Die Moderatoren der Landesschau wirken oft bei anspruchsvollen Themen und Studiogästen überfordert, spulen mit einem Dauerlächeln ihren Fragenkatalog herunter. Erst wenn es so richtig heimelig wird, kommen sie in Fahrt. Highlight ist die tägliche Rubrik der "Regionews" - Fernsehen ohne Bilder! Die Moderatoren erzählen vor einer virtuellen Landkarte launige Geschichten aus der Provinz: Ein Marder verwüstet regelmäßig einen Vorgarten. Warum eigentlich nicht die Landesschau von Handpuppen in einem Kasperletheater präsentieren?

Hauptsache, man kann sich auch im Souterrain noch auf die Schulter klopfen - ist man doch dem Keller ein Stück entronnen. So klang es, als SWR-TV-Direktor Christoph Hauser stolz verkündete, das SWR-Fernsehen habe bei den Quoten "die rote Laterne endlich abgegeben." Lange Zeit hatte das SWR-Fernsehen in der Gunst des Publikum gegenüber anderen ARD-Dritten hinten gelegen. Jetzt will Hauser mit der Devise: "Mehr Regionalität und Aktualität" den SWR "spürbar machen". Wo soll´s denn weh tun?

Donnerstag, 30. Januar 2014

TV: Satellit überholt Kabel - Datenwirrwarr bei den Medienanstalten KORREKTUR


Eine Mitarbeiterin der KEK hat mich per Mail auf einen Rechenfehler bei den von mir genannten absoluten Zahlen der Kabel- und Satellitenhaushalte hingewiesen. Ich habe dies überprüft und korrigiert und entschuldige mich für den Fehler. (Mail und meine Antwort - im Anhang). 

Mein Fehler bestand darin, die absolute Zahl der Haushalte aus den Prozentangaben erst nach Abzug der DVBT- und Online-TV-Seher errechnet zu haben. Allerdings ergibt die Korrektur, dass die Zahlen der Kabel- und Satellitenhaushalte und das Ranking in den drei Studien der Medienanstalten weiterhin differieren. 

Es ist zu begrüßen, dass die KEK künftig nur noch die Daten des Digitalisierungsberichts verwenden wird.

  Erstmals haben 2013 mehr Haushalte in Deutschland ihre Fernsehprogramme über TV-Satelliten als per Kabelanschluss empfangen. Nach Angaben der Fachzeitschrift Media Perspektiven, wurden von 36,24 Millionen Fernsehhaushalten mehr als 16,8 Millionen (46,5%) durch Satelliten und knapp 16,5 Millionen (45,47%) durch Kabel versorgt. Über das Internet (IPTV) empfingen demnach 1,55 Millionen (4,2%) und per Digital-Antennne (DVBT) rund 1,34 Millionen Haushalte (3,7%) Fernsehprogramme (1)

Andere Zahlen nennt dagegen der Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten. Demnach nutzten von den hier genannten 38,15 Millionen TV-Haushalten im vergangenen Jahr 17,66 Millionen (46,3%) das Kabel, und 17,62 Millionen (46,2%) den Satellitenempfang. Zwar findet man im Digitalisierungsbericht keine absoluten Zahlen, aber später findet man eine Angabe zur Grundgesamtheit (2) Daraus ergibt sich, dass 4,2 Millionen (11%) Haushalte digitale Antennen (DVBT) und 1,87 Millionen (4,9%) das Internet zum TV-Empfang nutzen. (3)

Hauptursache der differierenden Zahlen dürften unterschiedliche Datenquellen und deren Messmethoden sein. So verwenden die Media Perspektiven Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF/GfK) (4) Diese zählt alleine 'deutsche' Haushalte sowie Einwohner aus EU-Staaten. In der Bundesrepublik leben 6,9 Millionen ausländische Staatsbürger. Davon kommen aber 4,3 Millionen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union. Der Digitalisierungsbericht der Medienanstalten lässt dagegen durch die TNS-Infratest auch Daten für Nicht-EU-Haushalte erfassen. Ein weiterer Unterschied dürfte darin liegen, dass die Media Perspektiven Zahlen vom Oktober 2013 veröffentlicht, während der Digitalisierungsbericht die Haushalte zwischen Mai und Juni 2013 befragen ließ.

Chaostage bei den Medienanstalten ?!


Der  Vergleich der verschiedenen Veröffentlichungen der Medienanstalten zeigt deutliche Unterschiede. Gemeinsam veröffentlichen sie jährlich drei Studien:
  1. Bericht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration in den Medien (KEK) (5) 
  2. Digitalisierungsbericht der Landesmedianstalten (6)
  3. Jahrbuch der Landesmedienanstalten (7) 
(Basis für folgende Berechnungen sind die Angaben der Berichte für 2012). 



Die KEK kommt demnach auf mehr als 18 Millionen Satellitenhaushalte (47%) sowie 16,7 Millionen Kabelanschlüsse (44%). Dabei zählt die KEK rund 38,08 Millionen TV-Haushalte in Deutschland aus. (Quelle: TNS Infratest, ASTRA). (8)

Das Jahrbuch der Medienanstalten veröffentlicht keine absoluten Zahlen zu TV-Haushalten. Allerdings findet sich der Hinweis, Ende 1012 habe es in Deutschland 30,6 Millionen digitale- und 7,4 Millionen analoge TV Haushalte gegeben (9) Addiert man dies, kommt man auch hier auf 38 Millionen TV-Haushalte. Im Bericht zeigt ein Balkendiagramm nur Prozentangaben an. Demnach lagen Kabel und Satellit mit jeweils 48,8% gleichauf, DVBT und Online nutzen 10,9% und 4% der TV-Haushalte.

Was bietet dagegen der Digitalisierungsbericht der Medienanstalten? Auch hier geht man mit 37,799 Millionen TV-Haushalten von einem ähnlichen Niveau wie der KEK-Bericht und das Jahrbuch aus. Auch der Digitalisierungsbericht veröffentlicht ein Prozentverhältnis der Empfangstechniken. Demnach bevorzugten 47,9% der TV-Haushalte das Kabel und 45,6% den Satelliten, DVBT- und Online nutzen 12,5% und 4,3% der TV-Haushalte zum Empfang von TV-Programmen.    

Fazit: In den drei Publikationen der Landesmedienanstalten, werden unterschiedliche Zahlen und Rankings präsentiert.
  • KEK:          38,08 Mio TV-Haushalte - Satellit: 18,1 Mio (47%), Kabel: 16,7 Mio (44%)
  • Jahrbuch:  38,00 Mio  TV-Haushalte - Satellit: 17,8 Mio (46,8%), Kabel: 17,8 Mio (46,8%)
  • Digital        37,79 Mio TV-Haushalte - Satellit:  17,2 Mio (45,6%), Kabel 18,1 Mio (47,9%)
  Auf Nachfrage bei der KEK-Geschäftsstelle in Berlin wurde mitgeteilt, dass bei den Daten der AGF und Infratest nur einen Empfangsweg pro Haushalt gezählt werde, wahrend im Digitalisierungsbericht auch Mehrfachnennungen möglich seien. Darüber hinaus addiere ASTRA auch die Haushalte zum Satellitenempfang, die ihre Programme per Kabel in einer Gemeinschaftsanlage (SMATV CH) nutzen, die das Signal vom Satelliten einspeist. Diese "Zuordnung zur(...)Empfangsebene Satellit ist unstrittig", heißt es dazu in einem Papier der Medienanstalten aus dem Jahr 2012. Im aktuellen Digtialisierungsbericht für 2013 steht, dass mittlerweile Nutzer einer Gemeinschafts-Anlage (SMATV-CH-Haushalte) als Kabelhaushalte gezählt werden. (10)




  1. Fachzeitschrift der ARD-Anstalten, Basis-Daten zur Mediensituation in Deutschland 2013, Media Perspektiven, S. 4
  2. Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten 2013, S.38
  3. Laut Digitalisierungsbericht haben von den insgesamt 39,676 Millionen Haushalten in der Bundesrepublik, 96,2% ein Fernsehgerät - also 38,157 Millionen TV-Haushalte.
  4. Die AGF ist ein Forschungszusammenschluss von ARD, ZDF, ProSiebenSat1 sowie der RTL-Gruppe. In Ihrem Auftrag erfasst die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) per Messgeräte die TV-Nutzung in 5000 Haushalten mit rund 10500 Personen. 
  5. Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich ist ein Organ der Landesmedienanstalten. Sie legt jährlich einen Bericht über die Entwicklung im TV-Bereich vor.
  6. Digitalisierungsbericht August 2013, S. 38 und 56 
  7. Jahrbuch Landesmedienanstalten Mai 2013
  8. 16. KEK-Bericht, S. 50/51
  9. Jahrbuch 2012/2013, S. 22 ff
  10. Digitalisierungsbericht S. 56

 ANHANG:


Sehr geehrter Herr Ressing,

vielen Dank für den Link zu Ihrem Blog. Zunächst haben wir mit Interesse, dann mit wachsendem Erstaunen Ihre Ausführungen zu den unterschiedlichen Darstellungen bzgl. der TV-Empfangswege in den Veröffentlichungen der Medienanstalten zur Kenntnis genommen. Ihre Zwischenbilanz „Chaostage bei den Medienanstalten?!“ gipfelt schließlich in einem doch recht reißerisch formulierten Fazit, in welchem Sie von dem „nebeneinander Herumwursteln“ der Medienanstalten reden. Das haben wir nun unsererseits zum Anlass genommen, die Darstellungen zu den Übertragungswegen in den von Ihnen angesprochenen Publikationen gegenüberzustellen. Dabei ist uns aufgefallen, dass Ihnen mehrere Rechenfehler unterlaufen sind, die im Ergebnis in der Tat zu einem „Datenwirrwarr“ führen, für das allerdings wohl kaum die Medienanstalten verantwortlich sind.

Nachfolgend unsere Übersicht zur Verteilung der Übertragungswege Kabel und Satellit im Jahr 2012.

2012

Basis
Mio. TVHH in Deutschland
Satellit
Kabel
Mio.
Prozent
Mio.
Prozent
Jahresbericht KEK1)
38,08
18,1
47,0
16,7
44,0
ALM-Jahrbuch2)
38,00
17,8
46,8
17,8
46,8
Digitalisierungsbericht3)
37,80
17,2
45,6
18,1
47,9
Quellen:
1) Sechzehnter Jahresbericht der KEK 2012/2013, S. 50 f. (Astra TV-Monitor 2012; Stand Jahresende 2012).
2) Jahrbuch der Medienanstalten 2012/2013, S. 22 ff. (Stand Jahresende 2012).
3) Digitalisierungsbericht der Medienanstalten 2012, S. 49 (Stand Jahresmitte 2012).
Dort jeweils angegebene Quelle: TNS Infratest.

Sämtliche Angaben in der vorstehenden Tabelle basieren auf den Messungen und Auswertungen von TNS Infratest. Sowohl die Medienanstalten (Digitalisierungsbericht und ALM-Jahrbuch) als auch SES Astra (TV-Monitor) beauftragen Infratest mit den Erhebungen zum Stand des digitalen Fernsehens in Deutschland. Allerdings gibt es Unterschiede in den Auswertungen der Daten. Während die Medienanstalten alle TV-Geräte in den Haushalten einbeziehen, also der Mehrfachempfang berücksichtigt wird, nimmt SES Astra dagegen eine Priorisierung der Geräte zugunsten Satellitenempfang vor. Außerdem rechnen die Medienanstalten die Haushalte mit Gemeinschafts-Sat-Anlage und Kabelumsetzer (SMATV-CH-Haushalte) dem Kabel zu, da hier individuell kein Sat-Receiver vorgehalten werden muss. SES Astra betrachtet hingegen diese Haushalte als Satellitenempfänger (vgl. ALM-Jahrbuch, S. 22, sowie unser E-Mail-Schreiben vom 24.01.2014). Weitere Ausführungen zur Methodik der Datenerhebung finden Sie im Digitalisierungsbericht 2012 auf Seite 44.

Wie Sie sehen können, liegt hier eine weitgehende Konsistenz der Zahlen vor. Lediglich im Jahresbericht der KEK wurde eine leicht abweichende Auswertung genutzt. Für die künftigen KEK-Berichte haben wir bereits vorgesehen, die Zahlen des Digitalisierungsberichts einheitlich zu verwenden. Insoweit ist Ihr Hinweis bereits aufgegriffen.

Mit freundlichen Grüßen


Sehr geehrte Frau ...
danke, dass Sie sich die Mühe der Überprüfung gemacht haben.Meinen Rechenfehler gebe ich unumwunden zu. Ich habe bei der Berechnung der realen Zahlen, wie auch im Text vermerkt, zuvor die DVBT und Onliner abgezogen. Das war natürlich ein Fehler.
Unverständlich bleibt für mich aber trotzdem, weshalb niemandem in der KEK oder den Medienanststalten die Differenzen zwischen den Zahlen der KEK und des Digitalisierungsberichts (+900 000 Satellitenanschlüsse bzw. -1,4 Million Kabelanschlüsse) bisher nicht aufgefallen sind.
Trotz meines Rechenfehlers bleibt es bei den veröffentlichten Prozentangaben der drei Berichte bei den Differenzen und den daraus resultierenden verschiedenen Rankings. Auch das hätte eigentlich auffallen müssen.
Das es im Interesse von ASTRA liegt, den Satelliten besser dastehen zu lassen, als das Kabel, kann niemanden so richtig verwundern.
Nun gut, am Ende gibt es dann doch das Happy End und wir können uns demnächst auf einheitliche Zahlen aus den Medienanstalten bzw. von der KEK freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Philippe Ressing




Dienstag, 14. Januar 2014

Tagesschau: "Nazis" ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht



Erstaunliche Geschichtskenntnisse hat man anscheinend in der Redaktion der Tagesschau in Hamburg. Anlässlich des jährlichen Gedenkmarsches linker Gruppen an die im Januar 1919 ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, gab es am 12. Januar 2014 eine Bericht in der Hauptausgabe der Tagesschau (20.00 Uhr). ARD-Hauptstadt-Korrespondenten, Norbert Carius, sagte dieser: Luxemburg und Liebknecht seien damals von "Nazis ermordet" worden.
Bundesarchiv Plak 102-067-002

Zutreffend ist: die Mörder waren Mitglieder der Freikorps, die sich vor allem aus Offizieren und niederen Chargen der einstigen Kaiserlichen Wehrmacht rekrutierten. Sie standen weit rechts und viele Mitglieder waren antisemitisch eingestellt.

"Nazis" aber konnten sie damals aus einem einfachen Grund gar nicht sein: Die NSDAP wurde erst im Jahr 1920 gegründet.
Beerdigung Liebknechts und Luxemburgs, Bundesarchiv 146-1976-067-25A



Als historisch interessierter Zuschauer wandte ich mich per e-mail an die Redaktion der Tagesschau und fragte nach. Daraufhin bekam ich folgende Antwort:



Sehr geehrter User/Internetnutzer/Zuschauer,

haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail.
Wir bitten um Verständnis, wenn nicht jede einzelne Zuschrift ausführlich
und individuell beantwortet werden kann. Aber die Redaktion von ARD-aktuell
erreichen täglich viele Hunderte Rückmeldungen der Zuschauer.

Sie können jedoch versichert sein, dass alle Reaktionen der Zuschauer
aufmerksam gelesen, ausgewertet und in den Redaktionssitzungen diskutiert
werden.
So wollte ich mich dann aber nicht Abwimmeln lassen. Also rief ich die Zuschauerredaktion des NDR an und brachte dort mein Anliegen vor. Ich schaute mir in der Mediathek die Tagesschau-Sendung erneut an und bemerkte erstaunt, das der von mir beanstandete Satz mit den Nazis fehlte. Jetzt sagte Carius nur, Luxemburg und Liebknecht seien ermordet worden. Hatte ich mich verhört? Nach einem erneuten Anruf bei dem freundlichen NDR-Zuschauer-Berater, stellte er mich zur Tagesschau-Redaktion durch. Von dort erhielt ich nach einigen Stunden folgende mail:

Sie haben Recht, hier die Stellungnahme der Chefredakteure von ARD-aktuell: "Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden von rechten Freikorpssoldaten ermordet. Eine unkorrekte Formulierung in der gestrigen Tagesschau bedauern wir. Wie in solchen Fällen üblich, haben wir das korrigiert und auf der Website kenntlich gemacht. Diese Korrektur ist heute morgen erfolgt."

Alles in Ordnung, Fehler erkannt, Fehler beseitigt? Auf der Homepage stand aber nur der nichtssagende Satz:

"Der Beitrag zur Europapolitik der Linken wurde aus redaktionellen Gründen nachträglich bearbeitet."
Wie und warum? Fehlanzeige! Anstatt den Fehler zu erläutern, hat man einfach im Film die Szene und den gesprochenen Text gekürzt. Jetzt sagte Carius nur noch: Luxemburg und Liebknecht seien "ermordet" worden.

Da kommt man dann doch ins Grübeln:

Jeder Bericht eines Korrespondenten wird vor Ausstrahlung in der Tagesschau von einem Redakteur bzw. einer Redakteurin "abgenommen". Weder Herrn Carius, noch der Redaktion in Hamburg ist am Text anscheinend etwas aufgefallen.


Dafür bieten sich einige Erklärungen an:

  1. Zeitdruck und permanente Aktualität führen dazu, dass mittlerweile Berichte mit der ganz heißen Nadel gestrickt und kaum noch kontrolliert auf Sendung gehen.
  2. Die aktuell für die Hauptnachrichtensendung der ARD arbeitenden Journalistinnen und Journalisten haben ein historisches Wissen, dass Karl Marx nicht von Karl May unterscheiden kann.
  3. Den Machern in Hamburg ist alles Wurst - 'das versendet sich!' Und wenn man dann erwischt wird, schnippelt man sich einfach den Film zurecht. 

Ich erinnerte mich an einen Auftritt eines ZDF-Korrespondeten vor einigen Jahren im Mittagsmagazin von ARD und ZDF. Anlässlich eines Events in Nürnberg, meldete sich der Korrespondent live vor einem großen Gebäude. Dieses riesige Gebäude, im Stil des römischen Kolosseum war Bestandteil des NS-Reichsparteitagsgeländes - heute dient es als Lagerhalle. Vor diesem Gebäude stand also der ZDF-Mann und sprach von einer "altehrwürdigen Halle". Alt und Ehrwürdig?

Ach ja und dann gab es da noch den ARD-Sportreporter, der anlässlich der Sommer-Olympiade 2012 sich sprachlich bei Adolf Hitler bediente http://www.medienfresser.blogspot.de/2012/07/seit-2008-wird-zuruckgeritten-ard.html




Dienstag, 31. Dezember 2013

Product Placement auch bei Koproduktionen von ARD und ZDF?


Wer erinnert sich nicht gerne an den Schimanski-Tatort aus den 1980ern, in dem der Kommissar "Paroli" Hustenbonbons lutschte und während einer Verfolgungsjagd über Kartons mit dem gut sichtbaren Logo stolperte. Damals war "Schleichwerbung" noch verboten und der WDR bekam öffentlich ziemlich Zunder. Gute alte Zeit...

Seit Januar 2013 haben die Ministerpräsidenten die Regeln im Rundfunkstaatsvertrag gelockert. Schleichwerbung bleibt zwar verboten, aber Product-Placement wird unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Das gilt für die Öffentlich-Rechtlichen allerdings nur in Grenzen. So legt § 7 Absatz 7 des Rundfunkstaatsvertrages fest: "Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung (...) sind unzulässig." Produktplatzierung sei aber erlaubt, wenn "das Produkt (...) nicht zu stark herausgestellt" werde. Dies gilt für: "Kinofilme, Filme und Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung, die nicht vom Veranstalter selbst oder von einem mit dem Veranstalter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben wurde" heißt es in § 15 des Rundfunkstaatsvertrages.  Privatsender dürfen dagegen Product Placement auch in Eigen- und Auftragsproduktionen zulassen. (§ 44, Abs.1)
 
Schon bisher mussten ARD und ZDF bei gekauften Programmen - etwa James-Bond Filmen - das dort eingebaute Produkt Placement dulden. So gab es in "Im Angesicht des Todes" sogar Verbal-Placement. Da fragt Roger Moore - Alias James Bond - seine Gespielin, ob sie ihre Katze mit "Whiskas" füttere. Bei einer Eigen- oder Auftragsproduktion müssten ARD und ZDF solche Praktiken unterbinden. Genau das passt aber dem Product Placement Verband und seinem Vorsitzenden, Otto Kettmann, überhaupt nicht. In der offiziellen Pressemitteilung des 11. Product-Placement Kongresses (Stuttgart 23.-24. 10. 2013) findet sich folgende Passage: "Kein Verständnis zeigt Kettmann für die Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender, bei Koproduktionen für das Kino die Produzenten 'zu knebeln' und ihnen zu verbieten, Product Placement zu akquirieren." 

Faktisch fordert der Verbandschef der Produktplatzierer, dass künftig ARD und ZDF - zumindest bei Koproduktionen - beide Augen zudrücken sollen. Versüßen wollen sie das mit dem Hinweis, durch Product Placement könnten die Produktionskosten sinken. Es bleibt aber die spannende Frage, ob das im Rundfunkstaatsvertrag festgelegte Verbot des Product Placement bei den Öffentlich-Rechtlichen auch für Koproduktionen gilt.


Der Zuschauer muss sich damit abfinden, zunehmend mit versteckter Produktwerbung in Filmen und Serien traktiert zu werden. Am Ende stehen Filme und Serien, die um Produkte herum entwickelt werden, die man in die Handlung integriert... Na dann: Prost 2014!

Montag, 30. Dezember 2013

Werbeschnüffler contra Pokerfaces


Das Geheimdienste und andere Schnüfflerbehörden mit Computerprogrammen zur automatischen Gesichtserkennung arbeiten, ist seit längerem bekannt. Aber auch Werber, Medien und die Konsumgüterindustrie zeigen daran verstärktes Interesse. So will in Großbritannien die weltweit drittgrößte Supermarktkette Tesco künftig die Gesichter aller Kunden vor den Kassen scannen, dies meldete die Stuttgarter Zeitung am 6. November 2013. Dabei sollen Alter und Geschlecht registriert werden, um innerhalb von Millisekunden auf den Flachbildschirmen speziell für die Zielgruppe produzierte Werbespots abzuspielen. Dabei wird auch registriert, wie lange jemand zuschaut, denn so will Tesco herausbekommen, wie gut der einzelne Spots bei der Zielgruppe wirkt.

In Deutschland versucht aktuell die öffentlich-rechtliche Werbetochter der ARD, Sales & Services GmbH (AS&S) mit ähnlichen Methoden Erkenntnisse über die Wirkung von Radio- und TV-Werbespots zu erhalten.* Für Online-Interviews der Marktforscher wird eine "EmotiCam" benutzt. Der Befragte wird so während des Interviews auf seinem Computer per Web-Cam beobachtet. Während das bei der Wirkungsforschung von TV-Spots bereits seit längerem gang und gäbe ist, wird so jetzt auch die Reaktion auf Radiowerbung erforscht. Dazu wird auf das Computerbild des Gesichts ein Netz aus 143 Punkten gelegt, um so die Mimik der Probanden speichern und auswerten zu können. So sollen die sogenannten "Basis-Emotionen" erfasst werden: Freude, Überraschung, Trauer, Angst, Ekel, Wut. Dabei bediene sich die AS&S des "Facial Action Coding System (FACS)", das in den USA von zwei Psychologen entwickelt wurde. In einer Pilotstudie wurden von der ARD-Werbetochter dazu im Sommer 2013 die Reaktionen von über 480 Versuchspersonen gescannt, denen sechs Radiospots an ihren PCs vorgespielt wurden. Das Ziel der ARD-Werber ist dabei klar: "Der Gesichtsausdruck gibt Reaktionen preis, die rationalisierte Antworten im klassischen Interview nicht liefern können." 

Seit längerem steigt die Kritik bei Werbetreibenden an der schwer messbaren Wirkung ihrer Werbespots beim Publikum. Diese setzen die Medienunternehmen deshalb unter Druck, die im Gegenzug versuchen mittels Ausspäh-Techniken den Unternehmen brauchbare Ergebnisse anzubieten. Groß ist nämlich bei Radio- und TV-Managern die Furcht davor, dass zunehmend Werbeausgaben verstärkt in das Internet abwandern. Dort lässt sich lückenlos speichern, wer, wann, welches Werbebanner oder welchen Werbefilm, wie lange online anklickt oder anschaut. http://medienfresser.blogspot.de/2013/05/onlinewerbung-knackt-milliardengrenze.html

Tja und wer künftig beim Besuch des Supermarktes seine Träume und Gefühle für sich behalten möchte? Am besten einen Kurs für Pokerfaces besuchen - oder vielleicht doch eine Burka?


Siehe AS&S-Beilage der Fachzeitschrift Werben und Verkaufen, November 2013

Donnerstag, 28. November 2013

Rechter Populismus in Europa auf dem Vomarsch?


9. November 2013: Der Ratspräsident der Europäischen Union, Herman van Rompuy warnt vor zunehmendem Rechtspopulismus in Europa: "Die Vorurteile gegen andere EU-Bürger nehmen in besorgniserregender Weise zu."

11. November 2013: Die beiden Chefs der rechtspopulistischen Parteien Frankreichs und der Niederlande - Marine Le Pen (Front National) und Geert Wilders (Partei für die Freiheit)- streben ein Bündnis für die Europawahlen an. Originalton Wilders: "Es ist ein historischer Tag, weil heute die Befreiung beginnt. Die Befreiung von der Elite aus Europa."




Die Rechte in Europa rüstet sich für die anstehenden Europawahlen am 25. Mai 2014. Mit populistischen Parolen gegen EU-Bürokraten und den vermeintlichen Vormarsch des Islams wollen sie Wählerstimmen gewinnen. Damit könnten sie diesmal in vielen EU-Ländern Erfolg haben. Das Spektrum reicht von der neonazistischen Chrysi Avgi in Griechenland über die rechtsradikale Jobbik-Partei in Ungarn bis zur 'weichgespülten' Front National in Frankreich, der niederländischen Partij voor de Vrijheid bis zur nationalliberalen Alternative für Deutschland (AFD)


Rechte- und nationalistische Parolen sind aber kein nur von Neonazis gepflegtes Phänomen. Sie haben sich 'Modernisiert' und sind in der "Mitte der Gesellschaft" breit gemacht. Dies zeigte eine Veranstaltung im Stuttgarter Theaterhaus am 26. Oktober 2013: "Rechtsrum?! Wie begegnet Europa antidemokratischen Tendenzen?" Auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen diskutierten Kenner der Szene aus Griechenland, Österreich, Ungarn, den Niederlanden sowie der Bundesrepublik

Rechter Populismus - ein Reflex auf die Arroganz der Eliten?



Was bedeutet "Populismus" heute? Dr. Erica Meijers, Chefredakteurin der Zeitschrift "De Helling" der niederländischen Grünen (Groen Links) meinte, die Rechte in den Niederlanden versuche mit Parolen wie: 'Schutz des Christlichen Kulturraums gegen den Vormarsch des Islams in Europa'  Einfluss zu gewinnen. Sie gäben vor 'im Namen des einfachen Volkes' zu sprechen und formulierten eine 'wachsende Kluft zwischen politischen Eliten und dem einfachen Volk'. Stellvertretende für diese Position sei etwa in Frankreich Marine Le Pen mit ihrem Front National, der sich vordergründig von antisemitischen Parolen verabschiedet habe. In Geert Wilders mit seiner Niederländischen Freiheitspartei präsentiere sich eine vermeintlich moderne Partei, die angeblich für Minderheiten (Schwule) und Frauenrechte eintrete. Diese sieht sie vom 'Vormarsch des Islams in Europa' bedroht. Sie propagierten einen nationalen Individualismus und stünden äußerlich damit im Widerspruch zu klassischen Rechten und deren Ideal eines rassischen Kollektivs. Populisten wie Wilders würden mit ihrer Kritik an den politischen Eliten in den Regierungen, Parlamenten und der EU-Maschinerie einer bisher schweigenden Gruppe der Bevölkerung eine Stimme gebe, die sich benachteiligt fühlte. Deshalb müsse man sich darauf einstellen, noch längere Zeit in Europa mit diesen Populisten konfrontiert zu werden.


Ähnlich argumentierte der in Wien lebende Journalist Robert Misik. Durch die vermeintliche 'Professionalisierung' der Politik, würden sich Politiker und Programme immer ähnlicher. Gleichzeitig habe die Wirtschaftskrise zu massivem Verdruss gegen die herrschende Politik in Europa geführt, der weit über das rechte Wählerpotential hinaus reiche. Auch große Teile der bürgerlichen Mitte sähen sich von einer EU als unkontrollierbarem Monstrum bedroht. Sie teilten die Kritik, dass dort eine politische Klasse auf Kosten der einfachen Leute entscheide. Paradox sei, dass diese Einstellung den Vormarsch der Populisten fördert und gleichzeitig die schrumpfenden etablierten Parteien zu großen Koalitionen zwinge. Damit stabilisiere der Aufstieg rechter Populisten letztlich das von ihnen kritisierte Machtkartell der Eliten. 


Dr. Britta Schellenberg von der Universität München wies darauf hin, dass Rechtspopulisten und Rechtsextreme die selben Feindbildern benutzten: 'Volksfremde Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa, korrupte Politiker und herrschende Medien'. Die Vision der klassischen Rechtsradikalen orientiere sich am Polizeistaat. Der Staat habe zu lange diese bedrohliche Entwicklungen bagatellisiert. Dies zeigten die Enthüllungen im Zusammenhang mit der NSU-Terrorgruppe. Gleichzeitig sei die Zahl "regionaler Angstzonen" in Deutschland gewachsen. Dort übten Rechtsradikale faktisch eine Hegemonie aus. Noch gebe es keine Wahlerfolge rechter Populisten, wie es in anderen Staaten der EU der Fall sei. Aber Sozialdarwinismus würde mittlerweile auch bei Wählern etablierter Parteien auf Zustimmung stoßen.

Der Aufstieg der Rechten beginnt nicht erst mit der Krise



Falsch liegen diejenigen, die die Ursache des Aufstiegs der Rechten in Europa alleine der Wirtschaftskrise seit 2008 zuweisen. Darin waren sich für Griechenland Dr. Vassiliki Georgiadou, Professorin für Politik an der Universität Athen und ihr Kollege Athanasios Marvakis von der Universität Thessaloniki einig. Ein historischer Rückblick zeige, dass Griechenland eine junge Demokratie sei, denn erst nach dem Sturz der Obristen-Diktatur im Jahr 1974 habe sie gesiegt. Danach sei es zu einer permanenten Polarisierung zwischen Konservativen und Linken gekommen, so Frau Georgiadou. Bereits in den 1990er Jahren wuchs in der griechischen Gesellschaft Entsolidarisierung und Perspektivlosigkeit. Erst in diesem Umfeld konnte eine Partei wie Chrysi Avgi (CA) mit Aggressivität gegen Migranten und Anti-Parlamentarismus punkten. Professor Marvakis betonte, bereits seit über zehn Jahre lang seien Migranten in Griechenland von Alltags-Brutalität betroffen. Ihnen seien Rechte verwehrt worden und die griechische Gesellschaft habe sie ausgegrenzt. Jetzt bekämen auch arme Griechen dies zu spüren. Insgesamt komme deshalb der Erfolg der CA aus der Mitte der Gesellschaft. Die etablierten Parteien würden ein instrumentelles Verhältnis zum Rechtsradikalismus pflegen, auch seien rechte Thesen zu finden. So sei der Chef der Chrysi Avgi früher Vorsitzender einer Jugendorganisation der Partei gewesen sei, die kurz nach dem Ende der Obristen vom Ex-General Papadopoulos gegründet wurde. Ein Sprecher der konservativen Nea Demokratia habe früher ebenfalls dieser Partei angehört und sei später zur rechten LAOS Partei gewechselt. 

In Ungarn ist der rechte Nationalismus bereits an der Macht. Dies machten die Beiträge des Schriftstellers György Dalos und von Jenö Kaltenbach, Professor der Universität Szeged sowie Mitglied der ungarischen Grünen im Budapester Stadtrat deutlich. Zentrale Ursache dieses Nationalismus sei die in der Bevölkerung vorherrschende Sicht, Ungarn nur als Opfer der Geschichte zu sehen. Für Dalos herrscht hier seit Mitte der 1990er Jahre eine politische Haßkultur, die mittlerweile zu einem "kalten Bürgerkrieg" eskaliert sei. Die von der Fidesz-Partei gestellte Regierung unter Viktor Orbàn habe das Ziel, jegliche Opposition im Land zu eliminieren. Wieso haben Orban und die Neonazis der Jobbik-Partei so viel Zusrpuch im Land? „Die Ungarn wollen der Wahrheit über ihre Geschichte nicht ins Gesicht sehen“, meint Kaltenbach. Man sehe sich als Teil der westeuropäischen Demokratien, in Wirklichkeit würden aber die Wertvorstellungen der Ungarn eher zu den autoritär-orthodoxen Ländern Osteuropas passen. Trotzdem will Dalos zumindest die Hoffnung nicht aufgeben: „Der Mensch macht an einem Tag eine Dummheit – am nächsten das Richtige und Wichtige.“ 

Ähnliche Erfolgsrezepte rechter Populisten in Europa


Trotz unterschiedlicher Situationen in den Ländern Europas zeigen sich ähnliche 'Erfolgsrezepte' rechter Populisten. Sie machen sich berechtigte Kritik an der EU-Politik samt Bürokratie zu Nutze. Gleichzeitig haben viele Menschen die Hoffnung auf eine Besserung ihrer persönlichen Situation aufgegeben. Die Stärke rechter Populisten sei nicht ihre Genialität, sondern die Ideenlosigkeit der Linken - konstatierte Robert Misik.

Darüber gab es leider keine Debatte auf der Veranstaltung. Die Anpassung vieler Linker an den bürgerlichen Mainstream ist ja in vielen Ländern Europas Realität. Die Entwicklung der Grünen bei uns ist dafür ein treffendes Beispiel. Aber diese Diskussion wurde nicht geführt und so endete die Veranstaltung etwas ratlos. Warum hatte man keine Vertreter von Basisinitiativen eingeladen? Demokratische Gegenwehr entsteht schließlich nur vor Ort. Kaum diskutiert wurde, was man dagegen tun will, dass nationalistische und rassistische Parolen zunehmend auch aus den Reihen etablierter Politik kommen. Nationale Phrasen und Pathos tauchen wieder im Sprachschatz bürgerlicher Politiker auch bei uns auf. So verkündete Volker Kauder im November 2011 auf einem Bundesparteitag der CDU anlässlich einer Debatte um die Euro-Krise stolz: „Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen.“ 


Jawoll! – den Tonfall kennen wir - „Und es mag am deutschen Wesen Einmal noch die Welt genesen“* propagierte Kaiser Wilhelm II. 1907 - der Erste Weltkrieg war die Folge... 

Winston Churchill bemerkte einst hellsichtig: Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu Füßen.“





* Aus dem Gedicht von Emanuel Geibel (1815-1884): „Deutschlands Beruf“ von 1861.

Montag, 11. November 2013

Thessaloniki: 54. Filmfestival - Weiter Horizont


Unter Cineasten sind die internationalen Filmfestspiele von Cannes, Venedig oder Berlin eine stehende Größe. Weniger bekannt, aber mittlerweile ein Treffpunkt der Independent-Filmszene, ist das jährlich veranstaltete Filmvestival in der zweitgrößten Stadt Griechenlands - Thessaloniki. Hier finden seit mehr als fünfzig Jahren Regisseure und Produzenten aus aller Welt eine Plattform für ihre Filme. Sie erzählen ihre Geschichten oft auf unkonventionelle Art - dem folgt auch ein Slogan des Festivals: "Open Horizons".

Das diesjährige Festival-Plakat mit dem unendlichen Horizont symbolisierte nicht nur die weltoffene Hafenstadt Thessaloniki. Es ist auch ein Synonym für die Vielfalt der vom 1. bis 10. November gezeigten 150 Filme aus 54 Ländern. Das Festival bot Regisseuren, aber auch unabhängigen Produzenten und Filmunternehmen einen internationalen Treffpunkt. Der Großteil der gezeigten Produktionen kam aus der Mittelmeer-Region, es gab einen Rückblick auf 20 Jahre Filmschaffen der Balkan-Ländern. Aber das Fest in Thessaloniki bietet auch Produktionen aus entfernten Ländern, wie Süd-Korea, den USA oder dem Iran ein Podium. Schwerpunkt in diesem Jahr war das Filmland Argentinien. Mit 43 Produktionen aus Griechenland zeigte sich, dass trotz Wirtschaftskrise ess immer noch eine lebhafte Filmszene gibt. Zum 54. Filmfestival hatten sich 500 Teilnehmer angemeldet - 300 aus dem Ausland und 200 aus Griechenland. Die meisten Zuschauer der Screenings in den sechs Kinosälen waren aber Filmfans aus Thessaloniki. Sie sorgten hier für vollbesetzte Säle - dabei starteten einige Filme bereits am Vormittag. Für das Filmfest war das in alten Lagerhäusern am Hafen untergebrachte Kulturzentrum ein attraktiver Ort. Hallen wurden vor einigen Jahren zum Kino- und Kulturzentrum umgebaut. Hier findet man neben den vier Kinosälen eine Halle für Kunstausstellungen, ein Restaurant sowie ein Film- und ein Fotomuseum.

http://www.medienfresser.blogspot.de/2013/04/thessaloniki-besuch-im-film-und-im.html


Dimitris Eipides*

Natürlich hat die Wirtschaftskrise auch das Filmfestival in Thessaloniki nicht ungeschoren lassen. Konnte man das 50. Filmfest im Jahr 2009 noch pompös feiern, müssen die Organisatoren seit dem mit deutlich weniger staatlicher Unterstützung auskommen. Dies wurde auch bei der Eröffnung des Filmfestes am 1. November deutlich. Ohne die Mittel aus der europäischen Filmförderung, die immerhin 80% des Etats abdecken, hätte es wohl auf der Kippe gestanden. Der Direktor des Filmfestivals, Dimitris Eipides betonte, durch die Hilfe der verschiedenen EU-Filmfonds sei es gelungen, den angespannten Staatsetat zu entlasten. Die angespannte politische Situation in Griechenland konnte man bei der Eröffnung des Filmfestivals deutlich spüren. Der Auftritt des aus Athen angereisten
Das Olympion Kino
stellvertretenden Ministers für Kultur und Sport, Yiannis Andrianos, wurde vom Publikum im vollbesetzten Saal des prächtigen Olympion-Kinos nur mit spärlichem Applaus honoriert. Dagegen stieß die Begrüßung durch Demosthenes Davettas, Mitglied des Parlaments in Athen und Berater von Premierminister Samaras auf heftigen Widerspruch im Saal. Mit salbungsvollen Sätzen wie: "Der Premierminister ist an Ihrer Seite - praktisch wie mit dem Gefühl" provozierte er zornige Zwischenrufe aus dem Publikum. Danach wurde der Bürgermeister der Stadt Thessaloniki, Yannis Boutaris mit großem Beifall begrüßt. Er traf den richtigen Ton als er bekannte: "Ich bin ein Filmfan und Ich gehe oft ins Kino..."  Dabei betonte er: "Wir kennen den Beitrag, den das Filmfest für Thessaloniki leistet."

Nach den Offiziellen betrat der Ehrengast des Filmfestivals, US-Regisseur Jim Jarmusch, die Bühne.Er wurde vom Publikum mit Ovationen überschüttet. Von diesem Empfang sichtlich gerührt, bedankte er sich für die Einladung - immerhin ein erster Aufenthalt in Griechenland: "Ich bin Stolz, das mein Film die internationalen Filmfestspiele in Thessaloniki eröffnen darf und fühle mich geehrt."

Jim Jarmusch*
Seine in Deutschland erst im Dezember anlaufende hommage an das Genre des Vampir-Films: "Only lovers left alive" eröffnete das 54. Filmfestivals von Thessaloniki. Bereits im Mai auf dem Filmfest in Cannes gezeigt, beeindruckt der Film durch seine technische Perfektion sowie die Leistung seiner Schauspieler, Tilda Swinton, Tom Hiddleston und John Hurt. Vielleicht ein bisschen zu lang, bietet er dem Zuschauer einen typischen Jarmusch-Film. Zumindest Liebhabern düsterer Vampir-Filme dürfte "Only lovers left alive" Vergnügen bereiten.

Angekommen im 21. Jahrhundert müssen sich die Untoten nicht mehr selber auf die Suche nach 'Blutspendern' machen, sondern können ihren 'Stoff' über korrupte Krankenhausmitarbeiter oder Blut-Dealer beziehen. Die im marokkanischen Tanger und der US-Stadt Detroit heimischen Vampire kommunizieren - ganz modern - per Smartphone miteinander. Tom in den USA wirkt frustriert über den Niedergang des 'Amerikanischen Traums'. Nachts fährt er regelmäßig durch die Ruinen der einstigen Auto-Metropole Detroit. Seine 'unsterbliche' Liebe, Tilda lebt in Tanger wie ein Alt-Hippie und lässt sich dort vom Blut-Dealer John Hurt versorgen. Die Story ist nicht besonders tief gehend: Vampire versus Globalisierung und leiden unter dem damit verbundenen Niedergang der Gesellschaft. Nett ist auf jeden Fall der Schlussgag - insgesamt wirken die beiden Vampire etwas verloren und damit anrührend.
Jarmusch hat dem Film mit der Musik seiner Band "Sqürl" den richtigen Sound verpasst - kalte Gitarrenklänge scheppern durch eine nächtliche Szenerie...

Nach der Premierenfeier begann dann ab dem Sonnabend (2.11.) die 'Arbeit' - die ersten Vorführungen starteten bereits am Vormittag. Zuvor galt es, unter den Filmen auszuwählen, sich dann Karten zu besorgen um rechtzeitig in den Kinosälen einen Platz zu finden.
Das Kulturzentrum in den alten Lagerhallen 
Mit Eintrittspreisen von 6 € pro Filmwaren sie für uns akzeptabel - für Griechen allerdings, die deutlich weniger verdienen als bei uns waren sie nicht unbedingt billig. Trotzdem, in den Kinosälen traf man vor allem viele junge Zuschauer - kein Wunder - Thessaloniki ist eine Universitätsstadt. Aber überall saßen auch viele ältere Cineasten, die sich die unkonventionelle Filme aus aller Welt nicht entgehen lassen wollten.

Nach drei Filmen pro Tag hatte man einen lädierten Rücken vom vielen Sitzen und quadratische Augen vom Zuschauen. Wenn es einem aber zu viel wurde, konnte man sich einfach in das kleine Kaffee im Pressezentrum setzen oder einen sonnigen Platz am Meer suchen. Die Terrasse des Restaurants "kitchen bar", untergebracht in einer der alten Backstein-Lagerhallen, bot einen grandiosen Blick auf die Promenade bis zum Wahrzeichen der Stadt - dem "Weißen Turm". Bei gutem Wetter konnte man sogar in der Ferne den Berg Athos erkennen...

Blick über die Promenade bis zum "Weißen Turm"

Viel Zeit zum Sinnieren mit Meerblick hatte man aber nicht - denn schon musste der nächste Kinosaal angesteuert werden. Alle Filme auf dem Fest wurden in der Originalfassung mit englischen und griechischen Untertiteln gezeigt. Griechen sind daran gewöhnt, denn teure Synchronisationen lohnen sich für das kleine Land nicht - das gilt auch für das Fernsehen. In Deutschland erwarten wir synchronisierte Filme - allerdings verlieren sie damit oft ihre Atmosphäre. So war es ein Erlebnis in Jarmusch´s-Film die Schauspieler Englisch- oder US-Amerikanisch sprechen zu hören.

Leider ist zu befürchten, dass viele der in Thessaloniki gezeigten Filme keinen Weg in deutsche Kinos oder Fernsehprogramme finden werden. Dabei konnte man im Abspann vieler Produktionen feststellen, das sie oft mit Mitteln deutscher Filmförderungen oder von ARD und ZDF mitfinanziert wurden. So hat die sonst für TV-Schmonzetten berüchtigte ARD-Tochter Degeto das Vampir-Epos von Jim Jarmusch mitfinanziert. Insgesamt stellte die Bundesrepublik mit 38 Produktionen auf dem Filmfestival nach Griechenland und Frankreich das drittgrößte Filmkontingent. Wenn man bedenkt, für welchen Mist ARD und ZDF sonst Gebührengelder ausgeben, konnte man hier mehr als zufrieden sein.

Filme die ins Auge fielen:

"Stop the Pounding Heart"


USA-Italien-Belgien 2013, 98 Minuten. 
Roberto Minervini
Der Regisseur Roberto Minervini zeigt dokumentarische Einblicke in das Leben der ultra-religiösen Farmerfamilie Carlson im ländlichen Texas. Die 14-Jährige Tochter Sara lernt den jungen Colby Tritchell kennen, der als Bullenreiter bei ländlichen Rodeos sein Glück sucht. Aufgrund ihrer konservativen Erziehung, kommen sie aber nicht zusammen. Sara kann nicht aus ihrer 'Haut' heraus. Beklemmend ist die Szene, in der die Mutter ihren Töchtern predigt, die Bibel schreibe jeder Frau vor, dem Manne Untertan zu seinen. Die in ihrer Gehemmtheit fast erstickende Sara flüchtet sich in die Geborgenheit ihrer Sippe und den religiösen Ritualen - und gerät weiter in die Isolation. Manchmal hatte man den Eindruck, dem Regisseur habe der nötige Abstand zu seinen Protagonisten gefehlt. Oft wirkt das Leben der von ihren Ziegen lebenden Bauern allzu idyllisch. Nur an einer Stelle ist für einen Moment eine dunkle Seite dieser armen Weißen des tiefen Südens - den 'Rednecks' - zu spüren. Nachts läuft Sara zu einer Wiese, auf der brennend ein großes Kreuz steht. Es handelt sich um das Symbol des rassistischen Ku Klux Klans - der nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) im Süden gegründet wurde. Was es damit auf sich hat und inwieweit die Familie hinter dem Klan steht - darüber erfährt der Zuschauer leider nichts.

Insgesamt ist der Film nicht uninteressant. Man hat aber den Eindruck, dass der Film nur das zeigt, womit die Familie einverstanden war. Auch filmisch ist diese Dokumentation nicht unbedingt ein Genuss...

https://www.festivalscope.com/film/stop-the-pounding-heart 


"L´escale - Stop-Over"

Schweiz-Frankreich 2013, 90 Min.
Kaveh Bakhtiari
Eine fesselnde Dokumentation über das Leben in Athen lebender Flüchtlinge aus dem Iran. Autor und Regisseur Kaveh Bakhtiari, in Teheran geboren und lebt seit seinem 9. Lebensjahr in der Schweiz. Der Film zeigt ungeschminkt den Dauerstress der Männer, die darauf warten, mit Hilfe von Schleppern Griechenland verlassen zu können. Bis es soweit ist, müssen sie gemeinsam in einer Kellerwohnung warten. Sie haben keinen Kontakt mit Einheimischen und auf der Straße beherrscht sie immer in Angst von einer Polizeistreife verhaftet zu werden. Der permanente Druck lastet auf ihnen und entlädt sich in gegenseitigen Aggressionen. "Das einzige was man hier werden kann, ist Alt." sagt einer.
Bakhtiari gelang diese beeindruckende 'Nahaufnahme' da einer der Männer sein Cousin Mohsen aus Teheran ist. Er wird von der Polizei verhaftet und Bakhtiari gelingt es, das er wieder frei gelassen wird. Später zeigt Mohsen seinen Leidensgenossen blaue Flecken, die er von Schlägen griechischer Polizisten auf der Wache zurückbehalten hat. Später gibt er auf und kehrt nach Teheran zurück - dort wird er wenige Tage später bei einem nächtlichen Überfall ausgeraubt und stirbt. Die Iraner versuchen, von der UN-Organisation in Athen als Flüchtlinge anerkannt zu werden - doch die lassen sich Zeit. Deshalb startet einer der Flüchtlinge einen ultimativen Hungerstreik und näht sich dafür seinen Mund zu. Griechische Medien haben aber kein Interesse am Thema, nur ein paar örtliche Ärzte helfen dem Hungerstreikenden. Seine Situation wird lebensbedrohlich - er steht kurz vor dem Koma. Ein Rettungswagen bringt ihn ins Krankenhaus - er erfährt, dass er endlich einen Flüchtlingspass bekommt. Bei allem ist Bakhtiari dabei und Filmt das Geschehen und damit wird der Mensch hinter dem 'Flüchtling' erkennbar.


http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/l-escale



"La voz de los silenciados"

USA 2013, 90 Min.

Maximón Monihan *
Der US-Regisseur Maximón Monihan erzählt die Geschichte der taubstummen Olga. Betrüger aus den USA locken das junge Mädchen aus Guatemala nach New York. Dort angekommen, landet sie, zusammen mit anderen Latinos, im Keller eines noblen Stadthauses. Dort leben sie wie im Gefängnis und müssen täglich in den U-Bahnen Fahrgäste um Geld anbetteln. Liefern sie dann am Abend nicht genug Dollars ab, werden sie mit einem Elektroschocker traktiert - das muss auch Olga durchmachen. Die Story basiert auf wahren Begebenheiten. Regisseur Monihan macht daraus aber kein klassisches Rührstück. Vielmehr überrascht er den Zuschauer mit einem vorwiegend ins schwarz-weiß gedrehten Stummfilm - unterlegt mit Geräuschcollagen. "Ich wollte den Zuschauern zeigen, wie sich das taube Mädchen fühlt," erläuterte Monihan nach der Aufführung seine Absicht. "Ich will, das die Zuschauer nachdenken und wütend werden, über diese Zustände", dabei wolle er auch zeigen "dass Olga stark ist".
Für den 1969 geborene Monihan ist "La voz de los silenciados" der erste Spielfilm. In Thessaloniki fand die Europapremiere statt, zuvor hatte er den Film auf zwei indischen Festivals gezeigt.  

http://www.bricolagista.com/


"Miss Violence"

Griechenland 2013, 98 Min.

Alexandros Avranas *
An ihrem 11. Geburtstag stürzt sich Angeliki vom Balkon der gutbürgerlichen Wohnung in den Tod - dabei lächelt sie. Fast lakonisch beschreibt der Film, wie sich hinter der Fassade einer gutbürgerlichen griechischen Familie ein Abgrund auftut. Auf den Freitod reagieren Eltern und Geschwister seltsam kühl und distanziert. Erst spät enthüllt der Film die Wahrheit - der patriarchalische Vater und Großvater verdient sein Geld damit, dass er seine Töchter als Prostituierte an Freunde und Bekannte verkauft. Dies erfährt der Zuschauer aber erst gegen Ende des Films. Lange Zeit fragt man sich, was mit dieser Familie los ist. Man wundert sich, dass sich seine Frau und seine Töchter diesem gewalttätigen Vater widerstandslos fügen.
Nach der Vorführung des Spielfilms von Alexandros Avranas herrschte beklemmende Stille im vollbesetzten Olympion-Kino. Er wirft mit seinem Film einen schonungslosen Blick hinter die Kulissen einer vermeintlich heilen bürgerlichen Familie und damit auch auf die immer noch patriarchalische Gesellschaft Griechenlands. Avranas, der in Berlin studiert hat, sorgte mit seinem Film bereits auf den Filmfestspielen in Venedig für Aufsehen. Dort gewann er kürzlich den Silbernen Löwen für seine Regie. Vor allem die Leistung seiner Schauspieler beeindruckt aber. Themis Panou spielt mit einer Mischung aus Gefühlskälte und explodierender Emotion den Patriarchen. Für die Darstellung des Vaters hat er in Venedig den Volpi-Preis als bester Darsteller bekommen. Eleni Roussinou spielt die älteste Tochter voll ängstlicher Lethargie und Scham mit beklemmender Intensität.


https://www.youtube.com/watch?v=rZ63JuWkSh4 


 *Fotos von: Motion Team www.motionteam.gr/